Rock Hard Festival 2022: Der Bericht - Gelsenkirchen

09.06.2022 | 15:14

03.06.2022, Amphitheater

Endlich!

Den Anfang machen die Lokalmatadore von NECK CEMETERY, die mit dem Rock-Hard-Redakteur Jens Peters und Yorck von SODOM auch sehr bekannte Gesichter in den Reihen haben. Und wie sollte das Festival passender eröffnet werden als mit einem nostalgischen Schlag Schwermetall und dem Fünkchen Heavy-, Power- und Thrash Metal? Richtig, und so entert das hungrige Quintett pünktlich um 15 Uhr die Bühne, um die ersten Matten zum Wehen zu bringen. Das klappt außerordentlich gut, ist der Platz vor der Bühne und auf den Treppen doch schon früh gefüllt, das Wetter spielt mit und mit dem "Born In A Coffin"-Nackenschlag im Gepäck kann nichts schief gehen. Dass in den Jungs Rampensau-Feeling steckt, zeigen Songs wie 'King Of The Dead', 'Banging In The Grave' und 'The Creed', die mal voll auf die Fresse, mal herrlich groovend, mal hymnisch mit dem leichten Schuss Epik ins Publikum geschmissen werden. Abgerundet durch 'Castle Of Fear' und 'Sisters Of Battle', bei dem ex-ATLANTEAN KODEX-Klampfer Michael Koch die Band unterstützt, einen guten Sound und der unbändigen Freude, dass allerspätestens jetzt einem grandiosen Wochenende nichts im Wege steht, punktet NECK CEMETERY auch in Sachen Coolness und Spielfreude und dürfte das eine oder andere Shirt am Merch-Stand heute mehr verkaufen.

2016 durchliefen die Schweden von SORCERER einen absoluten Siegeszug und konnten etliche Fans durch ihren Auftritt dazugewinnen. Entsprechend hoch waren im Vorfeld die Erwartungen, die Frontmann Anders Engberg und Co. mit nun drei full-length-Scheibchen auf der Habenseite auch vollends erfüllen. Im wahrsten Sinne des Wortes ist es von Beginn an magisch, als die fünf Epic-Doom-Helden um 16 Uhr die Bühne betreten. Vor dieser herrscht sogar ein Hauch von Erhabenheit, lässt SORCERER doch überhaupt nichts anbrennen. 'The Hammer Of Witches' schlägt ein wie eine Bombe, 'Abandoned By The Gods' ist anmutig as fuck und beim Titeltrack des aktuellen "Lamenting Of The Innocent"-Bollwerks zeigen sich einige Reihen auch erstaunlich textsicher. Ein paar Wolken sind am Himmel, ab und an blitzt die Sonne durch, der Sound ist mehr als ordentlich, die Spielfreude den Jungs sichtlich anzumerken – beste Voraussetzungen also, dem kompletten Amphitheater mit tonnenschweren Riffs und einem famosen Gesang einen Hauch von Glanz zu verpassen. Mit dem tollen 'Sirens' und 'Unbearable Sorrow' inklusive des Schwenkens der schwarzen SORCERER-Flagge geht ein tadelloser Auftritt und der zweite Siegeszug der Nordlichter im Amphitheater zu Ende. Schon früh ist sehr viel Liebe im Raum.

Ob diese Liebe beim folgenden Act Stand hält, weiß ich nicht. Fest steht allerdings, dass wir zwar in Schweden bleiben, NIFELHEIM im Gegensatz zu SORCERER allerdings für eine Black'n'Thrash-Fuck-Off-Vollbedienung steht und mit einer gehörigen Portion Extreme Metal das Amphitheater zum Kochen bringt. Frisuren und Outfits der Jungs sind irgendwo Kult und mit 1-A-Hassbrocken bekommt das Gelsenkirchener Publikum auch das komplette Programm vor den Latz gerotzt. Hellbutcher ist auch heute wieder ein absolutes Energiebündel, Savage Aggressor und Blackosh zeigen bei 'From Hell's Vast Plains', 'Storm Of The Reaper' und der 'Sodomizer'-Abrissbirne, wo der Frosch die Locken hat und Tyrant sowie Schießbuden-Wüterich Genocidor verpassen dem NIFELHEIM-Auftritt die entsprechende Wucht. Leder, lange Nieten, viel Hass und ein Hauch von Wahnsinn runden dem Ende hin 'Possessed By Evil', 'The Final Slaughter' und 'Satanic Sacrifice' vorbildlich ab und untermalen einmal mehr die These, dass Black'n'Thrash Metal beim Rock Hard Publikum gerne gesehen und vor allem gehört wird. Trotzdem wird es allmählich Zeit für ein neues Album, nicht wahr, meine Herren?

Dieses ist bei AXXIS mit "Monster Hero" von 2018 noch nicht so weit entfernt wie bei den Jungs von NIFELHEIM, trotzdem mussten – wie auch viele andere Bands – die Ruhrpottler ihr Jubiläum nachfeiern. Kaum zu glauben, dass Springinsfeld Bernhard Weiß und seine melodiebewussten Rockerkollegen noch nie auf den heiligen Brettern des Amphitheaters standen. Also rauf mit euch, aber schnell! Bei 33 Jahren Bandgeschichte kommen auch viele Fans vor die Bühne, die sich in der folgenden Stunde in lustigen Mitsing- und Klatsch-Spielchen beweisen dürfen. Mit dem dynamischen 'Tales Of Glory Island', 'Blood Angel' und dem damals schon prophezeienden 'Virus Of A Modern Time' sowie dem ausgelassenen 'Living In A World' bekommen sie auch das Rundum-sorglos-Paket aus dem Hause AXXIS serviert. Da dürfen auch die typischen Bernhard'schen Ansprachen und Anekdötchen nicht fehlen. Speziell er, der in zehn Jahren mit Rollator und Pampers auf der Bühne erscheint, erwischt einen vitalen und zu vielen Scherzen und Sprüchen aufgelegten Tag, die Würze also in einem Auftritt der Urgesteine. Es wird geschmunzelt, gefeiert, viel geklatscht und die Refrains zu 'Little Look Back' und 'Heavy Rain' folgerichtig mitgegrölt. Auch hier ist der Sound speziell auf den oberen Rängen mehr als ordentlich, das Wetter lässt keine Wünsche offen und dass die Lünen-Rocker beim Ruhrpott-Publikum ohnehin einen Stein im Brett haben, zeigt sich spätestens beim finalen 'Kingdom Of The Night' und dem STEAM-Cover 'Na Na Hey Hey Kiss Him Goodbye', die mit viel Applaus und Zurufen gewürdigt werden. So geht ein längst überfälliger Auftritt auf dem Rock Hard Festival mit lächelnden Gesichtern zu Ende und macht den Weg frei für etwas härtere Klänge aus den Vereinigten Staaten.

Der Freitagabend des Festivals endet gewaltig, bringen doch zwei absolute Urgesteine des US Thrashs den ersten Rock-Hard-Festival-Tag lautstark zum Kochen. Aus der glorreichen Bay-Area kommt HEATHEN und lockt um 19:45 Uhr sehr viele Gesichter vor die Bühne. Unter tosendem Applaus leiten 'The Blight' und 'In Black' diesen besonderen Auftritt lautstark ein und es sollte nicht der einzige Nackenbrecher in den kommenden 75 Minuten werden. Denn wer mit "Breaking The Silence" und "The Evolution Of Chaos" solche Klassiker im Gepäck hat, kann nichts falsch machen. Headbanger, Speed-Fanatiker und Nostalgiker haben während 'Blood To Be Let', 'Control By Chaos' und dem Live-Debüt 'Dead And Gone' alle Hände voll zu tun, vor Ekstase nicht vom Stuhl zu kippen, aber zwischen den Reihen und den Rängen gibt es viele geschüttelte Matten, in die Luft gereckte Fäuste und mitgesungene Refrains. Leider ist der Sound etwas matschig, was der Stimmung aber nichts anhaben kann. Im Gegenteil, David White und Co. haben Gelsenkirchen fest im Griff und hauen dem Ende hin folgerichtig mit 'Death By Hanging' und 'Hypnotized' noch zwei Meilensteine in den Himmel. Ein Fest, keine Frage, und ein genialer Appetizer für den nun folgenden Headliner-Auftritt.

Phil Rind und Co. sind wieder da! Nicht nur im Amphitheater sondern auch mit neuem Material, was zumindest das Rock Hard Festival noch nicht gehört hat. In den letzten Jahren hat sich bei den Urgesteinen von SACRED REICH viel getan: Mit "Awakening" nach 23 Jahren ein neues Album, mit Dave McClain ein alter Band-Bekannter hinter der Schießbude und mit Joey Radziwill ein 26-jähriger Jungspund an der Gitarre, der in die großen Fußstapfen des viel zu früh verstorbenen Jason Rainey tritt und dies auch heute mit Bravour meistert. Immens dankbar nicht nur ob der Einladung sondern auch der jahrzehntelangen Unterstützung seitens der Fans gibt sich Phil selbst vom ersten 'Divide & Conquer'-Ton an wieder äußerst fanbewusst, ist sich keines Lobes für das feierwütige und Klassiker mitgrölende Publikum zu schade und grinst wie das berühmte Honigkuchenpferd. Neben all der Liebe gibt es auch jede Menge Thrash Metal, denn sowohl neuere Songs wie 'Salvation' und 'Killing Machine' als auch alteingesessene Klassiker der "The American Way"-Platte sorgen für noch mehr Freude vor der Bühne und unter dem herrlichen Abendhimmel Gelsenkirchens. Im weiteren Verlauf bekommen beide Fronten mit 'One Nation', 'Love…Hate' und 'Ignorance' noch die typischen SACRED REICH-Evergreens in den Rachen geworfen, darf man bei 'Who's To Blame' und dem bockstarken 'Independent' ob der lautstarken Fanscharen staunen und speziell Joey kommt aus dem Headbangen nicht mehr heraus. Ein Headliner-Auftritt, wie er sich an einem Freitag gehört: Der Sound ist wieder im Griff der Verantwortlichen, die Stimmung famos und die Spielfreude und Souveränität der Phoenix-Thrasher am Limit. Bei mittlerweile sieben SACRED REICH-Auftritten, die ich bis heute auf der Habenseite habe, war kein einzig schlechter dabei, brannten die Amis doch stets ein Feuerwerk ab. Heute allerdings bekommen sie mit dem Headliner-Slot auch einmal mehr die Würdigung, die sie verdienen. Phil freuts, den Rest der Band auch und vor allem das Publikum, das mit 'Manifest Reality', 'Death Squad' und dem obligatorischen 'Surf Nicaragua'-Gassenhauer in den wohlverdienten Schlaf entlassen wird. Ein geglückter Abschluss eines sehr abwechslungsreichen und tollen ersten Festivaltags. Gute Nacht!

Redakteur:
Marcel Rapp

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