Summer Breeze - Dinkelsbühl

11.09.2007 | 23:19

15.08.2007, Festivalgelände

SYCRONOMICA: Schwarzer Kaffee oder Black Metal?

Wie schon am Vortag werden auch am letzten Festivaltag die Besucher des Summer Breeze regelrecht wachgerüttelt. Der Grund? Die deutschen Melodic-Black-Metaller von SYCRONOMICA, die zu ihrem Eroberungsfeldzug auf der Main Stage antreten. Okay, der Schriftzug könnte etwas leserlicher sein, aber um diese unchristliche Uhrzeit sieht man die Welt sowieso noch mit anderen (zugeklebten) Augen. Den Weg bereitet ein episch-anrüchiges Intro, und in der Folgezeit bestimmt ein symphonisch untermalter und recht verspielter Black Metal, der auch mal in den deutschen Pagan abdriftet, die Szenerie. Das heißt nur eins: Nichts wie weg mit dem Kater. Und das gelingt dem ungeschminkten Sechser, der sich an alten CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR orientiert, wahrlich gut. Für den letzten Tag herrscht zudem ein reges Treiben vor der Bühne. Eine Resonanz, die sich die tollen Stücke wie 'To The Rivers End' und 'Für die Ewigkeit' von der letzten Platte "Gate" auch redlich verdient haben, zumal die Truppe um den tief grunzenden und im selben Atemzug gerne mal in den höchsten Tönen kreischenden Sänger Oliver Walther so spendabel ist und nach dem halben Set (also nach zwei Songs) einige (Plastik-)Flaschen Jägermeister verteilt. SYCRONOMICA: besser als Kaffee oder eine kalte Dusche!
[Christian Falk]

HELRUNAR: Frostnacht zur Mittagszeit

Wie lange habe ich drauf gewartet, endlich mal die vier (damals noch drei) Runenpropheten von HELRUNAR endlich mal live zu sehen? Lang genug, würde ich sagen! Nun endlich stehen sie vor mir auf der Painstage in der warmen Vormittags-Sonne und zaubern meinem schlaftrunkenen und leicht verkaterten Wesen ein Lächeln auf die Lippen und eine Gänsehaut auf die Arme, denn sofort geht's brachial und eiskalt mit 'Frostnacht' los. Viele Arme strecken sich mit zur Pommesgabel geformten Faust nach oben und feuern so ihre Lieblinge an. In den vorderen bis mittleren Reihen fliegen die Mähnen durch die Luft und aus voller Kehle wird mitgeschrien.
Aufgrund der kurzen Spielzeit von gerade mal einer halben Stunde hält sich der Frontmann kurz mit seinen Ansagen und bietet dem Publikum mit seiner Band Pagan Black Metal vom Feinsten ohne viel Geschnörkel. Leider ist seine Stimme jedoch nicht so schön fies-keifig wie auf den Platten, was dann doch leider etwas Atmosphäre nimmt. Doch das übersieht man bei der Gesamtperformance gerne.
Wie vom Fließband haut die Band einen Leckerbissen nach dem anderen raus. Darunter sind zum Beispiel 'Älter als das Kreuz' (Mit viel Mitkeif-Potential), 'Hauch wird Sturm' (gottgleicher Song), der Publikumsliebling 'Dreifach Dorn' und sogar ein Song des im Oktober erscheinenden Albums "Baldr ok Íss". Der Auftritt ist also alles andere als langweilig und weiß definitiv zu begeistern. Und der neue Song macht stark Lust auf das neue Album.
[Sebastian Schneider]

JUSTICE: Eigene Songs statt Coverversionen

JUSTICE, die Zweite, und Action! Nach der vierstündigen Cover-Hetzjagd und zwei Tagen Pause dürfen die Franken erneut eine Bühne des Jubiläumsfestivals entern - heuer sogar die große Main Stage. Wer weiß, ob sich der große Zuschauerzuspruch nur so erklären lässt, dass viele einen Schnelldurchlauf des Sets vom Mittwoch erwarten und gar nicht wissen, dass die werten Thrasher auch eigene Lieder besitzen? Natürlich nicht. Die eigenen Stücke der bislang veröffentlichten Alben "The Descendant" und "The Hammer Of Justice" fallen jedoch ins Ressort des klassischen Thrash Metals, von dem es mittlerweile mehrere Millionen Ausgaben gibt - und JUSTICE ist eben eine Ausgabe davon. Das ist nun mal Fakt. Gleichwohl zählen "Mitch" und Co. zu den fabelhaften Live-Bands dieses Planeten, die jenes Gewöhnliche in Stücken wie 'This World Is Mine' mit einem unbändigen Einsatz wieder wettmachen. Immerhin: Die melodiebewussten neuen Stücke des "irgendwann erscheinenden neuen Albums" stimmen einen etwas zuversichtlicher.
[Christian Falk]

MACHINEMADE GOD: Metalcore mal anders

Metalcore mal anders präsentieren MACHINEMADE GOD. Anders? Deshalb, weil hier einfach mehr Potential dahinter steckt als nur der tausendste 08/15-KILLSWITCH ENGAGE und Co.-Abklatsch und man zudem mit Sky Hoff einen absolut talentierten Klampfer mit an Bord hat, der für geilen cleanen Gesang und coole Soli sorgt. Die Fans fressen den Jungs auf jeden Fall aus der Hand, und mit dem nächsten Album will die Band ein wenig mehr in die melodischere Death-Metal-Kerbe schlagen, so dass einem weiteren Schritt in die Selbstständigkeit nichts im Wege steht. Weiter so, das ist auf jeden Fall mal eine positive Überraschung in der mittlerweile doch sehr übersättigten Metalcore-Welt!
[Caroline Traitler]

SECRETS OF THE MOON: Black 'n' Doom

Harr, der Einstiegssatz reimt sich sogar. Und das am Samstag. Mittlerweile stecken drei Tage Festival in den Knochen, also vielleicht doch mal lieber 'nen Kaffee schlürfen. Der mundet zu den Klängen von SECRETS OF THE MOON auch recht gut, wobei die Uhrzeit für die Klänge der deutschen Düsterheimer denkbar unpassend ist. Nicht, weil da so unendlich viel böser Black Metal drin ist, sondern weil die zähen Lavaklänge, die wie eine Perfekte Mischung aus neueren SATYRICON und RUNEMAGICK tönen. Dazu Sonne? Muss nich. Egal, neue Freunde macht sich das Quartett heute auf jeden Fall. Mir persönlich fällt heute wieder auf, dass die Band noch ein bisschen Feinschliff beim Komponieren braucht, da sich der Spannungsbogen manchmal leider nur sehr langsam anzieht - dabei haben Songs wie 'Lucifer Speaks' doch genug Dampf, der nur entfacht werden müsste.
Trotzdem: Hängen SATYRICON irgendwann mal die Nieten an den Nagel, steht hier ein würdiger Nachfolger bereit.
[Rouven Dorn]

MAROON: Here I go again ...

Und weil's vorhin bei MACHINEMADE GOD so schön war, gibt's von den Nord-Thüringern von MAROON gleich noch eins aufs Metalcore-Dach. Der neue Stern am dichten Metalcore-Himmel verzichtet auf die so genannten Clear Voices und gibt mit vielen Hardcore-Elementen und einer virtuosen Gitarrenarbeit durchweg moshendes Gas. Weil SECRETS OF THE MOON so lange gespielt ... äh, gedoomt ... haben, müssen sich die Straight-Edge-Musiker mit einer etwas verkürzten Spielzeit zufrieden geben. Dass ihnen das nicht gefällt, verdeutlichen die richtig "angekotzten" Shoutings des Frontmannes Andre Moraweck, der beinahe den Eindruck erwirkt, er würde das Frühstück in den Fotograben bugsieren. Mal abgesehen von den martialischen Drumschlägen bleibt's für die reichlichen Zuhörer jedoch bei einer Standardkost.
[Christian Falk]

COMMUNIC: Talentiertes Prog-Trio

Endlich wieder COMMUNIC auf einem Festival, endlich wieder die Norwegen-Flagge hissen und zu überlangen Prog-Perlen abgehen! Was haben wir uns auf COMMUNIC gefreut, und wir werden nicht enttäuscht, denn Oddleif, Erik und Tor machen zu dritt einen dermaßen komplexen, genialen und spannenden Sound, wie ihn manche Bands zu fünft nicht hinkriegen - und werden dabei jedes Jahr besser. Vor allem Mastermind Oddleif wirkt viel selbstbewusster als noch vor einem Jahr am Bang Your Head!!!, hat seine Stimme hörbar weiterentwickelt und auch sein Gitarrenspiel perfektioniert, was sich vor allem in den grenzgenialen Soli widerspiegelt, die der Herr einfach mal so und fehlerfrei aus der Hand schüttelt. Beeindruckend! Mit Songs wie 'Frozen Asleep In The Park' oder 'Fooled By The Serpent' vom neuesten Werk "Waves Of Visual Decay" graben die Jungs beeindruckende Stücke aus und lassen dabei ihr Vorgängeralbum etwas außer Acht. Vielleicht wäre ein Hit wie 'Conspiracy In Mind' auf einem großen Festival mit wenigen Prog-Bands nicht so verkehrt gewesen, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erlangen, doch auch so machen COMMUNIC eine gute Figur auf der großen Bühne und zeigen sich in Bestform.
[Caroline Traitler]

BLITZKID: Punk goes Halloween

Ich bin doch sehr überrascht über den Anblick auf der Painstage. Waren gestern Mittag schon Pandabären auf den Brettern, stehen schon wieder welche auf der Bühne. Doch diesmal ist dies kein böser, böser Black Metal, sondern wirrer Horrorpunk. Genau wie ich sind auch viele andere Besucher verwirrt und verlassen daher das Gelände vor der Bühne. Ich dagegen halte mich wacker und ziehe mir die Fjörd-Reiter mal rein.
Was ich geboten bekomme, reißt mich nicht sonderlich vom Fleck, ist aber trotzdem mal eine Abwechslung zum sonstigen Repertoire des Festivals. Typisch punkige Riffs, hüpfende Off-Beats und (trotz "bösen" Aussehens) lustige Melodik machen sich breit. Soundtechnisch gesehen gibt's hier nichts auszusetzen und unoriginell sind die drei Amis definitiv nicht. Aber für mich ist diese Musik auf so einem Festival absolut nichts.
[Sebastian Schneider]

HARDCORE SUPERSTAR: Rock 'n' Roll mit Attitüde

Glam, Rock, viel Schminke und viel Gepose sind das, was die Schweden ausmacht, und dass die Herren auch noch richtig coole Mucke fabrizieren, wissen zahlreiche Fans in der Menge zu schätzen, die zu jedem Song abgehen und mitsingen. HARDCORE SUPERSTAR, das ist Rock 'n' Roll mit Attitüde und GUNS N' ROSES-Flair, das ist Glam bis in die letzten Poren und Gepose, bis der Arzt kommt - und das macht einfach Spaß. Vor allem der Hit 'We Don't Celebrate Sundays' wird vom Publikum begeistert aufgenommen und mit lustigen Ansagen wie "We are not here for the beers and schnitzels, we are here for you!" haben die SUPERSTARs schnell alle Fans auf ihrer Seite. Songs wie 'Last Forever' oder das neue 'Medicate Me' machen einfach Spaß und zeigen, dass Bands wie HARDCORE SUPERSTAR einfach eine Bereicherung für jedes Festival sind. Party, Abwechslung und was fürs Auge garantiert - fast wie eine Kinderüberraschung.
[Caroline Traitler]

XANDRIA: Jetzt auch in Schwarz

Auf dem diesjährigen Summer Breeze zeigen sich XANDRIA als Repräsentanten des Gothic Metals. Besonders die seit neuestem schwarzhaarige Sängerin Lisa sorgt für einen äußerst stilvollen Auftritt der Band.
Die eingängigen und rockigen Songs gehen eine harmonische Verbindung mit ihrer meist engelhaften Stimme ein, wobei nicht unerwähnt bleiben soll, dass Madame auch beeindruckend zu grunzen versteht. So ist es auch nicht weiter störend, dass XANDRIA wieder einmal das unvermeidliche 'Ravenheart' auspacken.
Das Publikum jedenfalls ist nicht nur zahlreich, sondern auch begeistert.
Bei der gelungenen Show, die XANDRIA abliefern, ist dieses Lob auch redlich verdient. Bleibt zu hoffen, dass diesem zweiten Auftritt auf dem Summer Breeze noch einige folgen werden.
[Isabel Moosmann]

DIE APOKALYPTISCHEN REITER: Mein knallrotes Gummiboot

REITER und Summer Breeze, das passt zusammen. Dieses Mal gibt's leider keine Sonnenblumen, aber dafür ist die Bühnenshow der wohl beliebtesten Truppe Deutschlands in letzter Zeit wie immer opulent, schräg und lustig aufgebaut. Dr. Pest im Käfig, den er auch mal kurz verlassen darf. Das Gruppentherapie-Trommeln darf ebensowenig fehlen wie die Tatsache, dass Fans auf die Bühne gebeten werden - allerdings keine Mädels, die sich entblößen sollen, sondern ambitionierte Gummiboot-Rennfahrer werden gesucht. Diese sollen dann zu 'Reitermaniacs' möglichst schnell über die Menge bis zum Mischturm getragen werden, um dann auf die Bühne zurückzukehren. Macht Spaß, sich das anzuschauen.
Ansonsten glänzt Fuchs wie eh und je mit einem hohen Pensum an abgespulten Bühnenkilometern, albernen oder auch ernsten Ansagen und steckt die riesige Meute vor der Bühne mit 'ner Extraportion guter Laune an. Die Setlist war mir persönlich ein bisschen zu "neu", aber wenn dann zum Abschluss das feine CASH-Cover 'Ghostriders In The Sky' zum Zuge kommt, ist das auch egal. Dazu stürmen die Fans die Bühne, bis wirklich kein einziger Platz mehr darauf frei ist. Friede sei mit euch!
[Rouven Dorn]

TANKARD: Fußball macht gute Laune

Same procedure as every concert: TANKARD betreten die Bühne, brettern los, haben sofort sämtliche bierseligen Kehlen auf ihrer Seite und liefern einen rundum gelungenen Gig ab, der am schließlich in der Forderung nach 'Freibier' für alle Anwesenden seinen Abschluss findet. Mag geholfen haben, dass die Frankfuter Eintracht kurz zuvor noch ein 2:2 im Bundesligaspiel erzwungen hatte, was alleine schon bei Gerre ungeahnte Energien (nicht nur beim Biervernichten) freisetzt. Feiner Gig, bei dem ich wegen des Marathon-Meet&Greets mit COMMUNIC nur als Pendler vor der Bühne beobachte. Dem Pegel der gesamten TANKARD-Mannschaft nach dem Gig zu schließen, hatten die Jungs eine Menge Spaß.
[Rouven Dorn]

DARK TRANQUILLITY: Auf Mikael ist Verlass

Als der elektronische Anfang von 'Terminus' erschallt, recken sich von der Hauptbühne bis zum Tonturm unter Jubel die Pommesgabeln in die Luft. Schlagartig stürmen die Göteborger die Bühne, allen voran Sänger Mikael. Los geht die Show, die schlagartig das ganze Publikum mitreißt. Abgesehen vom Frontman machen die Schweden heute zwar keinen übermotivierten Eindruck, aber das macht das Bühnenfüllende Charisma von Mikael wieder wett. Der Rotschopf und Dauergrinser sprintet wie gewohnt von einem Bühnenrand zum anderen, springt, geht in die Knie, fuchtelt mit den Armen und feuert das Publikum an. Anfangs ist sein Mikro zwar etwas leise eingestellt, aber spätestens beim neuen 'Blind At Heart' stimmt die Lautstärke und DARK TRANQUILLITY geben richtig Gas. "This looks beautiful", ruft Mikael dem jubelnden Publikum zu. Die Mischung aus harter Doublebass und melancholischen Tastenklängen trifft genau ins Ziel, und zur Krönung wirft sich Mikael rücklings in die Menge. 'My Negation' und 'Nothing For No One' werden noch als Zugabe hinterher geschoben, ehe ein fast wunschlos glückliches Publikum das Quintett unter Applaus von der Bühne entlässt. Nur 'One Thought' hab ich in der Setlist vermisst ...
[Carsten Praeg]

Setlist:
Terminus (Where Death Is Most Alive)
The Lesser Faith
The Treason Wall
The Wonders At Your Feet
Blind At Heart
Final Resistance
Misery's Crown
The Endless Feet
Focus Shift
Punish My Heaven
---
My Negation
Nothing To No One

MOONSORROW: Kunstblut ist Krieg!

Erhaben wie jedes Mal eröffnet das Konzert mit einem langen Intro und die Finnen betreten blutverschmiert die Bühne. Sänger Ville präsentiert damit gleich noch sein ständig an Form und Größe variierendes Bäuchlein. Aber dann geht's los mit Songs wie 'Kivenkantaja' oder 'Jumalten Kaupunki' und anderen, die durch sanfte Lichteffekte begleitet werden. Alles ist sehr abwechslungsreich gehalten und MOONSORROW haben es einfach nicht nötig, eine gewaltige Bühnenshow aufzuziehen. Dies würde nur von der wunderschönen, epischen Musik ablenken.
Viel Bangen kann man bei MOONSORROW einfach nicht. Nur an gewissen Stellen ist dies möglich, was heut Abend auch kräftig ausgenutzt wurde. Nur ab und an treffen mich auch Haarbüschel zu Passagen, bei denen es genau so gut passt wie Pogo bei TENHI. Manche Leute will ich einfach nicht verstehen. Meinen Spaß habe ich aber trotzdem und davon lasse ich mich bei der traumhaften Musik einfach nicht abbringen. Toller Gig!
[Sebastian Schneider]

OOMPH!: Dero gegen alles

Bambi is back! Die aus Bierdosen gebastelte Statue wird wie bereits vergangenes Jahr durch die Menge getragen und findet wieder hunderte von gläubigen Anhängern. Der bärtige Erfinder und selbsternannte Hohepriester darf den Hammer-Bus betreten und der jubelnden Menge seine Predigt verlesen. Dann zieht der Mob unter lauten "Bambi auf die Bühne"-Rufen Richtung Mainstage - wo OOMPH! sicher glauben, auch dieser Applaus würde ihnen gelten. Was nicht heißen soll, sie hätten den übrigen Beifall nicht verdient. Trotz aller Kommerzvorwürfe liefern die Braunschweiger nämlich eine astreine Show ab. Sänger Dero springt zu 'Keine Luft mehr' in weißer Zwangsjacke über die Bühne und feuert das Publikum mit "Eins, zwei, drei, vier"-Rufen an. Die Fans singen dann auch artig den Refrain von 'Fieber' mit und dürfen Dero zu 'Gott ist tot' ein Stück auf den Händen tragen. Natürlich darf der Mega-Hit 'Augen auf' nicht fehlen, den sich die Band aber auch ruhig hätte sparen können, gehört er doch trotz Chart-Erfolg nicht gerade zu den Glanzstücken der Bandgeschichte. Das Licht geht aus, aber ein Stück mit noch größerer Aufmerksamkeit fehlt doch noch. "Für den folgenden Song mussten wir viele Schelte einstecken", kündigt Dero die Zugabe an, die der Meinungsfreiheit gewidmet wird und plötzlich gegen alles herhalten muss: "Wir sind gegen Faschismus!" und dann kommt 'Gott ist ein Popstar'. Während auf der Painstage schon das CALIBAN-Intro läuft, setzt Dero noch A Capella Frank Sinatra oben drauf und wünscht viel Spaß beim Moshen.
[Carsten Praeg]

CALIBAN: 300er Moshpit

Während OOMPH! nebenan noch Frank Sinatra trällern, verdunkelt sich die Pain Stage zum nächsten Intro. Rote und blaue LEDs leuchten neben zwei CALIBAN-Logos, dann stürmen die in weiße Shirts gekleideten Ruhrpöttler mit einem Schlag die Bühne. Die genialen Riffs von 'I Rape Myself' erschallen, dann kracht Doublebass aus den Boxen - und lässt die Gitarren leider im Hintergrund verschwinden. Sänger Andy keifert sich einen ab, während sich sein Gitarrist für die melancholischen Cleanvocals verantwortlich zeichnet, die er live auch gar nicht mal schlecht umsetzen kann. "Wer schmeißt hier eigentlich mit Currypaste?" meldet sich Andy zu Wort, ehe er sich zum nächsten Song eine "Wall of death" wünscht. In Zeiten tödlicher Unglücke bei Festivals vielleicht nicht gerade die hellste Idee, aber es geht wohl nicht ohne, will man zur Spitze des Metalcores gehören. Der Frontman gibt dem ganzen dann auch einen witzigen Anstrich: "Wir spielen jetzt ein bisschen 300. Ihr links seid die Perser, ihr rechts die Spartaner." Zum neuen 'Nowhere To Run, No Place To Hide' stürmen die beiden Fronten dann aufeinander los, und trotz Rufen nach Zugabe belässt es Andy erstmal bei einer Todeswand. "Ihr könnt ja gern selbst eine starten, oder moshen, bangen und Crowdsurfen. Wir liefern die musikalische Untermalung dazu." Das tun die Essener dann auch mit 'It's Our Burden To Bleed' und bauen sogar den Megabumms am Songende ein. Mit Stücken wie 'Nothing Is Forever' treffen CALIBAN dann auch weiterhin genau ins Schwarze zwischen brutaler Doublebass und purer, herzergreifender Melancholie.
[Carsten Praeg]

SOULFLY: Diva rockt das Haus

"Die klare Absage an den ganzen Rockstar-Shit" kann man im Programmheft über die Attitüde von SOULFLY-Gründer Max Cavalera lesen. Mhm. Und im VIP-Zelt findet man vor dem Gig dann eine Liste, in die sich alle Fotografen eintragen sollen und aus denen das Bandmanagement dann zehn auswählt. Is' klar. Immerhin gehört unsere Fotomaus Caro zu den Glücklichen, die Diva Massimiliano ablichten dürfen - ohne Blitzlicht, versteht sich. Trotz alledem muss man dem Ex-SEPULTURA-Frontman aber eine makellose und energiegeladene Show attestieren. Ob SOULFLY-Highlights wie 'Prophecy', 'Seek 'n' Strike' oder 'Back To The Primitive', SEPULTURA-Evergreens wie 'Roots Bloody Roots', 'Refuse/ Resist' und 'Orgasmatron' oder gar eingestreute METALLICA- und SLAYER-Riffs - die knapp anderthalbstündige Setlist lässt keinen Wunsch offen. Max bespritzt die ersten Reihen vor der mit Schrumpfköpfen und brasilianischen Flaggen verzierten Bühne unentwegt mit Wasser und brüllt "Open the fucking moshpit!" Nach der obligatorischen Tribal-Drum-Einlage darf auch noch einer seiner Söhne zwecks Rap-Unterstützung auf die Bühne. Ein vollgepackter und rundum zufriedenstellender Gig, nach dem sich der gute Max auch gern wieder seinem Diva-Dasein hingeben darf.
[Carsten Praeg]

PAIN: Der mit dem Tod tanzt

Bambi hat es auf die Bühne geschafft! Neben der linken Box darf es brav der PAIN-Zugabe lauschen und sich von den lachenden Bandmitgliedern besteigen lassen, ehe es der jubelnden Menge zurückgegeben wird. Der Höhepunkt eines ohnehin stimmungsgeladenen Gigs. Mit seinen beiden neuen Saitenmitstreitern gibt Mastermind Peter Tägtgren Vollgas, die Haare fliegen unentwegt und lassen auch bei den Industrial-lastigen Songs fast schon HYPOCRISY-Flair aufkommen. Vor allem CLAWFINGER-Basser Andre spielt mit seiner Wuschel-Mähne unentwegt Propeller, auch wenn sie inzwischen nicht mehr ganz so lang zu sein scheint und es nicht mehr so aussieht, als würde er damit den Bühnenboden wischen. Ob 'Same Old Song', 'End Of The Line' oder das neue 'Nailed To The Ground', die Songs zünden allesamt und sorgen für eifriges Mitgehen der Menge. "You wanna dance?" fragt Peterle, und das folgende Ergebnis müsste eher "Banging..." statt 'Dancing With The Dead" heißen. Als Zugabe fordert der schwedische Tausendsassa noch zum Auspacken der Handys auf - na? Klar, jetzt kann nur noch 'Shut Your Mouth' samt Klingelton-Intro folgen und die Bühne frei machen für das große Abschlussfeuerwerk. Ein anstrengendes, teilweise nervenzehrendes, aber andererseits auch wieder mega-entspanntes und kultiges Festival geht zu Ende.
[Carsten Praeg]

Redakteur:
Carsten Praeg

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