Wacken Open Air 2017 - Wacken

25.08.2017 | 20:32

03.08.2017, Festivalgelände

Metalfest mit über 75000 Besuchern.

Samstag, 5. August 2017

Jetzt mal ganz ehrlich: 30 Minuten für THE HIRSCH EFFEKT? Wenn alle andere danach mindestens 15 Minuten mehr auf dem Konto haben? Eine Frechheit. Egal, ich freue mich daran, dass die Hannoveraner heute die Milch für das Frühstücksmüsli liefern. Für diese Uhrzeit hat sich immerhin eine ordentliche Zahl an Menschen versammelt, um sich den Kopf von schiefen, einschmeichelnden, disharmonischen, zarten, harschen, konformen, explodierenden und explorierenden Tönen verdrehen zu lassen. Wenn man THE HIRSCH EFFEKT auf Platte hört, sollte man gar nicht meinen, dass diese Mucke so ein Live-Potenzial besitzt, aber mal ganz abgesehen davon, dass die drei Herren wirklich technisch perfekte Meister ihrer Instrumente sind, wird hier mal wieder eine so leidenschaftliche Darbietung aufs Parkett gelegt, von der sich viele Metal-Bands mal die berühmte Tofu-Scheibe abschneiden können. Da geht einfach alles, man nimmt die sich konstant wechselnden Rhythmen, in die man headbangtechnisch ohne exakte Kenntnis der Lieder einfach gar nicht reinkommt, genau so gerne mit wie den Schmuse-Refrain. Die Zielgruppe dieser Band geht vom Hardcore-Kiddie bis zum alteingesessenen Jazz-Freak und ist doch nichts für jedermann. Ich rate dennoch jedem Menschen, diese Gruppe einmal anzuchecken, denn sie ist etwas absolut Einmaliges – empfehlenswert sind alle bisherigen Alben, aber ebenso die bald erscheinende Platte, von der man auf dem Wacken auch schon ein paar Tracks vernehmen konnte.
[Oliver Paßgang]

 

Der Samstag beginnt mit Geprügel, denn die Death-Metal-Pioniere POSSESSED dürfen auf der Harder Stage den Tag eröffnen. Deren Debüt gehört nach wie vor zu meinen liebsten Lärmorgien und so stehe ich erwartungsvoll zu Beginn des bombastischen Intros vor der Bühne, auf der Jeff Bezerra mit Hintermännern die Hölle entfesselt. Das nur teilweise kontrollierte Chaos zwischen Thrash und Death Metal, das viehische Röhren des Frontmanns im Rollstuhl und das erste Bier des Tages, eine bessere Kombination kann man sich zum Aufwachen am letzten Festivaltag kaum wünschen. Neben Klassikern gibt es heute jedoch auch zwei neue Songs zu hören und Jeff kündigt ein neues Album für Sommer 2018 bei Nuclear Blast an. Die neuen Stücke passen dabei gut in den Tumult an alten Krachern und ich verspüre schon eine leichte Vorfreude auf dieses neue Werk von POSSESSED. Dennoch sind es klar Nummern wie 'The Exorcist' oder 'Death Metal', die die Band zu jenem Monolithen der einfachen Brutalität mit verstecktem musikalischem Wahnwitz gemacht haben und natürlich gibt es auch diese Nummern heute gegen Ende der einstündigen Abreibung zu hören. Doch, POSSESSED kann live nach wie vor überzeugen und scheint es mit dem neuen Album nun vom Status einer reinen Coverband vergangener Großtaten zu einer tatsächlich aktiven, kreativen Band geschafft zu haben. Darauf freue ich mich und auf den nächsten Auftritt der Truppe in wenigen Tagen auf dem Summer Breeze.
[Raphael Päbst]

 

Auch der Samstag sieht eine alte, etablierte Band als Opener auf der Bühne. RAGE hat gerade die 23. Studioveröffentlichung der Bandgeschichte auf den Markt gebracht. Die dreiunzwanzigste! Das ist irre. Das Metal-Trio um Bandleader Peavy Wagner steht auch für Qualität, von den Studio-Alben ist trotz verschiedener stilistischer Änderungen, sei es vom Geheul der Frühwerke zur tiefen Gesangsstimme Peavys, vom Speed zum Pomp und zum neoklassischen Bombast und nun wieder zurück zu erdigen Sounds, kein einziges auch nur im Ansatz langweilig. Und dabei auch immer RAGE. Diese Auswahl ist Fluch und Segen zugleich, zum einen kann die Band natürlich aus dem Vollen schöpfen, was die Setliste betrifft, andererseits können die drei niemals alle Fans zufrieden stellen. Schon gar nicht in fünfzig Minuten. Doch der Auftakt ist gleich ein Volltreffer, mit dem Fanfavoriten 'Don't Fear The Winter' kann RAGE natürlich nichts falsch machen, und das folgende 'Great Old Ones' mausert sich auch immer mehr zu einem Live-Standard. Peavy scheint allerbester Laune zu sein, er lacht und feixt, ballt die Faust, zeigt die Pommesgabel, und wirkt rundum zufrieden. Dabei ist seine Gesangsleitung ausgezeichnet, egal ob neue oder alte Lieder. Die Frühwerke singt er jetzt tiefer, was den Stücken gut zu Gesicht steht. Daneben fiedelt Marcos Rodriguez auf seinen sechs Saiten wild herum und schneidet Grimassen. In der Setliste kommt es auch zu einer Premiere. RAGE spielt 'Seasons Of The Black', ein Stück vom aktuellen Album, das vorher noch nie live gespielt worden war. Ansonsten mischt man munter neu und alt, von 'Spirit Of The Night' über die Anfänge der Bombastphase mit 'End Of All Days' und 'From The Cradle To The Grave' bis hin zu 'My Way' aus der Smolski-Phase. Auch der größte Banderfolg, 'Straight To Hell', kommt zum Zuge. Als Abschluss folgt noch eine Überraschung, RAGE covert in Erinnerung an Ronnie James Dio 'Holy Diver' als langen Einschub in 'Higher Than The Sky'. Dabei singt aber nicht Herr Wagner, sondern Gitarrero Marcos, und er macht eine sehr gute Figur. Bravo. Auch für RAGE gilt, dass es gerne noch einige Lieder mehr hätten sein dürfen, aber auf dem Festival müssen die Spielzeiten strikt eingehalten werden, gleich folgt zum Kontrast eine Band mit nur zwei Alben auf der Faster-Stage.
Setliste: Don't Fear the Winter, Great Old Ones, Spirit of the Night, Blackened Karma, End of All Days, From the Cradle to the Grave, Season Of The Black, Straight To Hell, Black in Mind, My Way, Higher Than the Sky/Holy Diver/Higher Than the Sky
[Frank Jaeger]

 

Mal wieder BEYOND THE BLACK. Wie die Band selbst verkündet, bereits zum vierten Mal in Wacken. Diesmal als Opener auf der Faster-Stage, der eigentlichen Hauptbühne, und es stehen durchaus einige Fans bereits erwartungsvoll vor der Bühne. Während des Gigs füllt sich das Gelände stetig weiter, wobei auch weiter hinten gewippt und gesungen wird. Natürlich gibt es auch die andere Fraktion, die gelangweilt und missmutig ob der melodischen und auch kitschigen Kompositionen im Matsch verweilen, aber die weitaus meisten freuen sich auf und über BEYOND THE BLACK. Wie immer steht Frontfrau Jennifer Haben von Anfang an im Mittelpunkt. Wie ebenfalls immer schwarz gekleidet schmettert sie zu Beginn die Titelsongs der beiden Alben der Band zum Warmwerden in die Menge, 'Lost in Forever' und 'Songs of Love and Death'. Mit einer begrenzten Spielzeit gibt es auch keine Zeit zu verlieren, will man die wichtigsten Mitsing-Hymnen der beiden Scheiben spielen. Wobei sich interessanterweise mit 'Heaven In Hell' und 'Forget My Name' zwei Lieder eingeschlichen haben, die ich eher nicht erwartet hatte, aber eigentlich kann BEYOND THE BLACK beliebige Stücke zum Auffüllen verwenden, da man bisher stilistisch und qualitativ doch sehr ausgeglichen unterwegs war. Jennifer und ihre Mannen bekommen auch zu so früher Stunde schon Pyros, die dem bombastischen Rock auch visuell Feuer verleihen. Wie zu erwarten wird auch wieder die MOTÖRHEAD Coverversion 'Love Me Forever' gespielt - Anmerkung an alle 'Ace Of Spades'-Coverer: Schaut mal, es geht auch anders! - und dabei Flügel und andere Teile der Bühne mit Feuer "verziert". Danach geht es in den Endspurt und das Publikum hüpft und singt mit bei 'In the Shadows', 'When Angels Fall', 'Hallelujah' und 'Running to the Edge'. Erwartungsgemäß ist die Stimmung bestens, und auch wenn die Band außer Jennifer wenig Show geboten hat, ist bei BEYOND THE BLACK alles im grünen Bereich. Allerdings wäre es so langsam mal Zeit für ein drittes Album, liebe Leute. Setliste: Lost in Forever, Songs of Love and Death, Heaven in Hell, Shine and Shade, Forget My Name, Love Me Forever, In the Shadows, When Angels Fall, Hallelujah, Running to the Edge
[Frank Jaeger]

 

Auf der "Faster"-Bühne dürfen als nächstes die beiden Cavalera-Brüder aus Brasilien mit ihren Version des SEPULTURA-Albums "Roots" ran. Ich war noch nie ein ganz großer Seppel-Fan, aber das ist vielleicht auch besser so, da alle "echten" Fans ja immer die Alben bis "Arise" gut und alles danach Mist finden. Auch wenn SEPULTURA da erst kommerziell erfolgreich wurde. Oder vielleicht auch gerade deswegen. Ich jedenfalls finde die Alben ab "Chaos A.D." erst richtig gut und bin daher prädestiniert, über die Jungs zu schreiben. Was zuerst auffällt, ist, dass es voll wird im Infield. Ja, das ist doch schon ein echter Name in der Metal-Szene. Was danach folgt, ist gut, aber natürlich auch weitgehend vorhersehbar. Die Band spielt das ganze namensgebende Album, allerdings nicht am Stück und in der richtigen Reihenfolge, meine ich zumindest, ich bin da nicht ganz titelsicher, habe aber ein paar Kenner um mich herum, die mir aushelfen, vor allem bei den späteren Stücken. Da kommen nämlich mehrere Stücke, die ich absolut nicht erkenne. Dass sie von "Beneath The Remains" und "Arise" sind, erklärt das, sind wohl der Titelsong der 1989 Platte und 'Desperate Cry'. Danke an die SEPULTURA-Fans in der Crowd, die einem armen Schreiberling aus der Patsche geholfen haben. Auf der Bühne geht derweilen die Show weiter, die beiden Cavaleras spielen die Lieder von "Roots", führen auch die Tribal-Passagen auf, die allerdings in ihrer Live-Version manchmal ein wenig albern wirken, wenn Max beispielsweise eine Weile mit einem Stöckchen auf einem Holzstück einen "Da-da-dadada"-Rhythmus schlägt und dann neben der Perkussion der Rest vom Band eingespielt wird. Das macht dem Publikum aber wenig aus, hier wird getanzt und gewogt, gebangt und gebrüllt. Der Platz vor der Bühne ist mittlerweile wirklich voll geworden, zwar gibt es ausreichend Platz zwischen den Besuchern, aber die Bilder auf den Leinwänden rechts und links der Bühne zeigen ein Meer von Metal-Fans bis zu den Eingängen zum Infield. Das sieht von der Bühne aus bestimmt mächtig aus. Gegen Ende spielen die beiden Brasilianer noch 'Iron Man' von BLACK SABBATH an und meinen durch eine Version von 'Ace Of Spades' mächtig originell zu sein. Die Version ist gut, aber wie gesagt, MOTÖRHEAD hat so viel mehr gemacht als dieses Lied, man könnte den Originalitätsfaktor leicht deutlich erhöhen. Trotzdem: Guter Auftritt.
Setliste (ohne Gewähr, aber mit Hilfe umstehender Fans): Roots Bloody Roots, Attitude, Cut-Throat, Ratamahatta, Breed Apart, Straighthate, Spit, Lookaway, Dusted, Born Stubborn, Itsári, Ambush, Dictatorshit, Iron Man (instrumental), Beneath the Remains/Desperate Cry/Orgasmatron, Ace of Spades, Roots Bloody Roots
[Frank Jaeger]

 

Einfall der untoten Templer: HEIMATAERDE besucht am letzten Tag des Festivals die Wackinger Stage und hat neben Äxten, Schwertern und Kunstblut auch jede Menge Partylaune im Gepäck. Denn trotz heroischen Einzugs zum Opener 'Aerdenbrand' der gleichnamigen Platte, wollen die Herrschaften um Ashlar von Megalon im hohen Norden vor allem eins: Mit den zahlreichen Besuchern auf dem mittelalterlichen Gelände des Holy Grounds jede Menge Spaß haben. Schließlich haben die Medieval Electro Musiker einen Ruf als "Scooter der schwarzen Szene" zu verteidigen. Und so mischen sich mit dem Auftritt von HEIMATAERDE eingängige, tanzbare Beats mit einer schaurig-schönen Bühnenshow einschließlich der Exekution von Ignatius von Schneeberg vor dem Publikum beim letzten Song ('Hick Hack Hackebeil'). Im Vergleich zu den bisherigen Auftritten der Band ist man dabei um ein Mitglied gewachsen. Mit einem Drummer im Rücken hat HEIMATAERDE auf dem WACKEN OPEN AIR rhythmisch einiges an Auftrieb. Zu bedauern ist an diesem Tag eigentlich nur das Fehlen von Bruder Ansgar von Hucretha, der krankheitsbedingt für das Festival ausfällt. Umso höher der Respekt vor den Jungs von HEIMATAERDE, die ihren Auftritt auch trotz Probleme erstklassig über die Bühne bringen – Party-Feeling auf der Wackinger!
[Leoni Dowidat]

 

Es ist wirklich schwierig für mich, meine erklärte Lieblingsband nach nun fast 50 live miterlebten Konzerten irgendwie ansatzweise "fair" einzuschätzen. Und dass in beide Richtungen: Auf der einen Seite habe ich so viele großartige Momente mit HEAVEN SHALL BURN erlebt, von denen manche so intensiv waren, dass ich daran zweifle, ob ich so etwas je nochmal erleben werde, und ich an Konzerte daher Maßstäbe anlege, die nicht erreichbar sind. Auf der anderen Seite liebe ich diesen Thüringer Haufen aber auch einfach dermaßen, dass vermeintlich legitime Kritikpunkte mir gar nicht so richtig in den Sinn kommen; so eine verklärte rose Fan-Brille eben. Lange Rede, wenig Sinn: HEAVEN SHALL BURN haben auch 2017 einen guten Platz am Nachmittag und können mit 75 Minuten Spielzeit grundsätzlich alles auseinandernehmen. Dass die Eskalationsbereitschaft der Menge aufgrund der sich nur langsam bessernden Bodenverhältnisse jedoch begrenzt ist, zeigt sich schon beim Eröffnungsdoppel 'Bring The War Home' sowie 'Voice Of The Voiceless'. Dennoch ist der Platz rappelvoll und die Meute geht auf alle Spielchen ein. HEAVEN SHALL BURN hat für die Festivalsaison neue Bühnendeko mitgebracht (Stil: atomare Elektro-Fabrikhalle?) und weiß die großen Bretter inzwischen auch richtig zu nutzen. Die Ansagen von Frontsau Markus wirken dabei immer mal wieder herrlich bodenständig, kauzig und auch einfach intuitiv-unprofessionell (schmeißt ohne richtigen Grund seine Gummistiefel in die Menge, weil er später noch zu den Leuten in den Schlamm will?) – Letzteres ist ausdrücklich als Lob zu verstehen. Die ein Jahr alte Platte "Wanderer" macht heute ein Drittel des Sets aus, doch auch für viele Lieblinge ist Platz ('Combat', 'Counterweight', 'Endzeit', 'Godiva'). Ich möchte nur mal wissen, wann 'The Omen' endlich den verdienten Weg auf die Ersatzbank findet. Nun gut. HSB wäre nicht HSB, wenn die Truppe auf einem Festival nicht wieder von einem größenwahnsinnigen Geist getrieben wäre und das Publikum zu einem Marathon-Pit rund um den Soundtower auffordern würde. Gesagt, getan: Eine riesige Masse bahnt sich nach und nach den Weg, für den man bei einer Umrundung schon mal gute eine Minute brauchen kann. Ein bisschen Bewegung geht also doch. Das merkt Markus auch und gibt der Security mit dem ein oder anderen Crowdsurfer nochmal gut was zu tun. Ja, dieser Gig in der Nachmittagssonne ist schon schwer in Ordnung und macht Bock, erreicht jedoch deutlich nicht die Qualitäten der Gigs 2007, 2011 oder 2014. Ein volles Gelände und tosender Applaus, im Übrigen auch von mir, spricht aber eine in diesem Kontext deutlich Sprache. HEAVEN SHALL BURN: Immer und überall.
[Oliver Paßgang]

 

Ist das Kunst oder kann das weg? Die Frage, die HÄMATOM sich auf der aktuellen Platte der Band ("Wir sind Gott") stellt, beantworten Nord, Süd, Ost und West sich auf der Louder Stage selbst. Ohne Möglichkeit zum Widerstand fegen die Herrschaften jegliche Einsprüche mit ihrem brachial-aggressiven, bärbeißigen Sound hinweg – es wummern die Bässe, es knallt, zischt und angesichts des frenetischen Jubels, noch bevor die Musik einsetzt, ist schnell klar: Es kommt was Großes auf uns zu. Mit dem epischen 'Wir sind Gott' präsentiert sich HÄMATOM von der ersten Sekunde als souverän, gewohnt rotzfrech und musikalisch auf einer nahezu olympischen Stufe. Rauchsäulen, die Pyro an Wests Maske oder ein Funkenregen zur letzten Zeile von 'All You Need Is Love' ("...und ein bisschen Sprengstoff"): Die NDH-Band zieht alle Register um nach dem Auftritt im vergangenen Jahr ihr Denkmal auf dem WACKEN OPEN AIR endgültig zu zementieren. Dabei greift bei dem Auftritt von HÄMATOM echt ein Zahnrad ins andere: Eine wahnsinnig präsente Band, Nord als Sänger in Höchstform und dazu eine überwältigende Live-Show – raus kommt eine Walze, die das Publikum schier überrollt und sämtlichen anderen Bands, die parallel spielen, das Bestehen ganz schön schwer macht.
[Leoni Dowidat]

 


Momentan sind die POWERWOLF-Jungs ja äußerst angesagt und spielen auf vielen Festivals, machen Tour auf Tour und sind generell omnipräsent. Das ist nichts Verwerfliches, wenn man ins Schwarze triff, darf man das auch ausnutzen. Nur habe ich die Show dadurch natürlich bereits mehrfach gesehen. Und das, obwohl ich kein ausgewiesener Fan der Kraftwölfe bin. Allerdings machen die Live-Shows Spaß, daran gibt es nichts zu rütteln. Die aktuelle Performance, so einstudiert und vorhersehbar sie auch ist, funktioniert einfach hervorragend, weswegen ich mich auch keinen Ton lang langweile. Sänger Attila Dorn macht die üblichen Ansagen, und die Menge singt begeistert mit. Klar, Lacher erntet er mit seinen Witzchen nicht mehr und die metallischen Anfeuerungen sind längst bekannt, aber das ist egal. Was vor allem beeindruckend ist, welch mächtige Refrains die Burschen auf ihren Alben verewigt haben. Was ihnen viele vorwerfen, zu platt, zu oberflächlich zu sein, ist natürlich auch das Geheimnis ihres Erfolgs. Auf jeden Nörgler kommen hier zehn lauthals mitgrölende Freude der Wölfe, und tatsächlich ertappe ich mich, wie ich ebenfalls Gassenhauer wie 'Army Of The Night', 'Amen And Attack' und 'Blessed And Possessed' mitsinge. Der Sound ist ebenfalls klasse, nur 'Armata Strigoi' mag ich immer noch nicht. Stehe damit aber allein in der Menge der Fans, die die Werwolf-Messe, bei der sogar das Backdrop wechselt, von vorne bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich das Infield verlasse, feiert. Aufgrund der zahlreichen Überschneidungen ist es Zeit für mich, zu den beiden Zeltbühnen zurück zu gehen. Überraschungen wird es hier sowieso nicht geben und den Rest der Setliste besorge ich mir später im Presse-Bereich. Adios, Karpaten-Wölfe aus dem Saarland. (Archivfoto)
Setliste: Blessed & Possessed, Army of the Night, Coleus Sanctus, Amen & Attack, Dead Boys Don't Cry, Sacred & Wild, Armata Strigoi, Let There Be Night, Resurrection by Erection, Werewolves of Armenia, All We Need Is Blood, Sanctified With Dynamite, We Drink Your Blood
[Frank Jaeger]

 

Nun aber zu echten Exoten, selbst auf einem Festival wie Wacken: Denn TENGGER CAVALRY bietet auf der Wackinger Stage nun mongolischen Folk Metal und der unterscheidet sich deutlich von dem üblichen Mittelalter-, Kelten- und Skandinaviensound, der hier sonst so regiert. Mit Kehlkopfgesang und Pferdekopfgeige wird die klassische Metalband verstärk und mit minimalen Ansagen unterbrochen gibt es eine Stunde lang fernöstliche Melodien, Harmonien und Rhythmen auf die Ohren. Auch wenn es zu Beginn noch eher weniger gefüllt vor der Bühne war, bleiben immer mehr Interessierte auf dem Weg vom Zirkuszelt zu den Hauptbühnen oder anderen Zielen stehen und so wächst die Menge beständig, ein Zeichen, dass nicht nur ich vom Auftritt der Kavallerie fasziniert und begeistert bin. So verlasse ich nach einer mehr als unterhaltsamen Stunde die Wackinger Bühne in Richtung ALICE COOPER, mit dem festen Vorsatz, mir endlich ein Album der mongolischen Band zuzulegen, etwas was ich mir eigentlich schon seit mehreren Jahren vorgenommen habe. Nun gut, jetzt weiß ich eben auch, dass die Band live so gut wie auf Platte ist und wer die Gelegenheit hat, sich TENGGER CAVALRY einmal live anzuschauen, sollte sich das nicht entgehen lassen.
[Raphael Päbst]

 

Eigentlich bin ich auf dem Weg zu ORANGE GOBLIN, doch da ich zu früh bin, heißen mich zuckersüße Keyboards im Zelt willkommen. TWILIGHT FORCE tobt sich dort mit dem aus, was manche in ihrer Verwirrung wohl Power Metal nennen. Es klingt aber so, als würde DRAGONFORCE eine RHAPSODY-Coverband gründen, mit gelegentlichen Ausflügen in Richtung ALESTORM. Dass man so viele Fanfaren an so vielen unnötigen Stellen unterbringen kann, dürfte selbst für POWERWOLF noch neu sein und die Gitarren hört man nur hin und wieder heraus. Dennoch ist das Zelt extrem gut gefüllt und es hallen laute "Twilight Force"-Sprechchöre durch den Zirkus. Die theatralischen (oder komödiantischen) Ansagen passen auch ganz gut in einen Zirkus, weshalb ich Forderungen der Band, beim nächsten Mal doch bitte auf einer der großen Bühnen spielen zu dürfen, nur halbherzig unterstützen möchte. Dennoch, TWILIGHT FORCE macht seine Sache sehr gut für das, was man so erreichen will und dass ich nicht in völlige Begeisterung ausbreche, mag meinem Alter, meiner Verbitterung und anderen Attributen geschuldet sein, doch irgendwie bevorzuge ich meinen Metal dann doch etwas ernsthafter und - nun ja - mit hörbaren Gitarren.
[Raphael Päbst]

 

In diesem Jahr ist TWILIGHT FORCE zweifelsohne die Band, auf die ich noch lange Zeit mit einem großen Grinsen zurückschauen werde. Nachdem THE HIRSCH EFFEKT den Kopf verknotet und AHAB einen komplett entschleunigt hat, muss man auf TWILIGHT FORCE – die mir vorher nur namentlich bekannten waren – erst einmal klarkommen. Das ist allerfeinster Power Metal sinfonischer Ausrichtung mit Spaß bis nach Bruchtal und ADHS ohne medikamentöse Behandlung. Holla die Waldfee, STRATOVARIUS meets DRAGONFORCE, dazu erinnert das Ganze stark an frühe RHAPSODY, das ist schon ein Overkill an… allem. Zumindest für mich, der solche Musik selten bis gar nicht mehr konsumiert. Viele andere scheinen das zu tun, denn das Zelt ist zur Mittagsstunde brechend voll und TWILIGHT FORCE wird wie ein Headliner gefeiert; die verkleideten Herren sind darüber in gleichem Maße irritiert wie erfreut. Doch ich komme nicht umhin, hier absolut mitzugehen, denn besser kann man Klischees nicht ausreizen und spannend in Szene setzen. Dass die Stimmung zudem überkocht und der Sound top ist, lässt mich tatsächlich die kompletten 45 Minuten vor der Bühne verweilen und mitfeiern. Ob ich das zuhause brauche – fraglich. Live würde ich mir diese Grinse-Party aber jederzeit wieder geben.
[Oliver Paßgang]

 

Nun geht es mit Kontrastprogramm weiter, denn die Briten ORANGE GOBLIN, die die andere Bühne im Zelt entern, sind ziemlich genau das Gegenteil der Zuckerwatteshow von eben. Stoisch wird der massive Sound zwischen Hard Rock, Metal und Stoner Rock gespielt, ja geradezu erarbeitet. Kein Theater, keine Show, lediglich monströse Riffs und kraftvoller, wenn auch nicht gerade spektakulärer Gesang, hier geht es eben nur um die Musik. Das kann man langweilig finden, das Zelt leert sich auch etwas, doch ich bin hier deutlich mehr bei dem, was mich seit jeher zum Metal treibt und dort hält und kann den Auftritt voll genießen und abfeiern. ORANGE GOBLIN ist auf eine gute Weise primitiv, archaisch und brachial, ohne dafür instrumentale Extreme aufzusuchen oder sonstigen Firlefanz zu betreiben. Das funktioniert auch heute wieder famos und so bin ich bereits nach wenigen Songs vom Headbangen, Faustschwingen und all jenen metallischen Riten ziemlich durchgeschwitzt, aber glücklich. Schade eigentlich, dass dieser Working Class Charme beim heutigen Wackenpublikum nur noch teilweise ankommt, denn hier ist eben das, was Metal ursprünglich ausmachte und ich bin froh, die Band mal wieder live gesehen zu haben.

[Raphael Päbst]

 

Nach kurzem Marsch komme ich bei den Zeltbühnen an, um Uli Jon Roth anzusehen. Doch zuvor werde ich darüber informiert, dass sich alles ein wenig verschoben hat, da WALLS OF JERICHO ausgefallen sind und KATATONIA auf die "Louder"-Stage wechseln wird. Seltsamerweise spielt dadurch Uli später und jetzt kommt erstmal INSOMNIUM. Die Dark Metal-Finnen scheinen diesen Begriff sehr ernst zu nehmen, es ist nämlich ausgesprochen dunkel auf der Bühne, was das Fotografieren nicht gerade leicht macht. Mir scheint, dass ich nicht der Einzige bin, der verwundert ist, wer denn da um diese Zeit spielt, aber letzten Endes scheinen die Meisten zu bleiben und sich einfach das Spektakel anzusehen. Allerdings lässt die Band die Musik sprechen, ich gehe davon aus, dass sie ihr komplettes neues Konzeptalbum "Winter's Gate" spielt, was mich nach einiger Zeit doch nicht so mitreißt, sodass ich mal rausgehe ans Sonnenlicht und eine kleine Essenspause einlege, bevor ich mich wirklich vollends langweile. Nett, aber nicht direkt mein Geschmack, und bei so vielen Bands auf dem Festival muss man Pausen machen, wann man kann. Jetzt zum Beispiel.
[Frank Jaeger]

 

Gestärkt zurück warte ich nun auf den deutschen Gitarrenhelden ULI JON ROTH. Dieser verspricht eine SCORPIONS-Show mit vielen alten Klassikern der deutschen Superstars, deren Stil der Saitenartist geprägt hatte. Als die Band die Bühne betritt, wird klar, dass Uli noch ein wenig in den Siebzigern verwurzelt ist: Lange Haare, Stirnband und Habitus verbreiten sofort etwas Flower Power-Gefühl, und auch die Musik ist mit zahlreichen kleinen Gitarrensoli ein Kind ihrer Zeit. Roth steht naturgemäß im Rampenlicht, aber seine Band ist auch ein sehr ordentliches Kaliber und bringt die unsterblichen Stücke aus der Frühzeit der SCORPIONS, die Viele für die beste Phase und das Live-Album "Tokyo Tapes" für den Höhepunkt des Schaffens der Hannoveraner halten, absolut überzeugend auf die Bühne. Um mich herum wird gesungen und getanzt, der Sound ist gut, doch was ist das? Plötzlich ist die Gitarre des Hauptprotagonisten stumm, obwohl er weiterspielt. Technische Probleme, okay. Uli wurstelt kurz an seiner Gitarre herum, blickt hilfesuchend zu seinem Gitarrentech, versucht es erneut, schaut auf seine Pedals und danach etwas hilflos, bis einer seiner Mitmusiker an den Pedals irgendeinen Schalter umlegt und das Problem behebt. Fortan ist der Meister allerdings ein wenig angefressen und grummelt auch in den folgenden Stücken ein wenig herum. Seine Mitmusiker betrachten die Marotte ihres Bosses nachsichtig und ein wenig amüsiert, lassen ihm viel Platz und das Rampenlicht, das er sich mit seinen Spielereien auf der Sechssaitigen auch redlich verdient, und sorgen so nach kurzer Zeit wieder für Friede und Freude auf der Bühne. Im Publikum davor ist das sowieso der Fall, hier stehen diejenigen, die eben zu 'Pictured Life' und 'In Trance' singen und wiegen wollen, und sich durch nichts die akustisch bis auf das kleine Malheur makellose Vorführung verderben lassen. Alle anderen sind eh parallel bei ALICE COOPER.
[Frank Jaeger]

 

Es ist schon immer wieder bemerkenswert, wie fit man heutzutage auch noch im hohen Alter sein kann. Bestes Beispiel dafür ist am frühen Samstagabend ein Mann, der im Jahre 1948 als Vincent Damon Furnier das Licht der Welt erblickte, der Musikwelt aber seit den 1970er Jahren besser unter dem Pseudonym seiner Band ALICE COOPER bekannt ist. So veranstaltet Mr. Cooper auch noch mit 69 Jahren ein 75-minütiges Rock-Spektakel, das nicht nur dank einer Setlist mit dem Besten aus 53 Jahren (!) Bandgeschichte, sondern insbesondere auch durch die lebhafte Bühnenshow überzeugen kann: Wie üblich wechselt der betagte Frontmann während des Konzertes mehrfach sein Outfit inklusive Accessoires (Mäntel, Zylinder, Gehstock, Samurai Schwert), wird von einer leicht hysterischen Krankenschwester (die übrigens von seiner eigenen Tochter Calico Cooper gespielt wird) eingefangen, abgeleckt und in eine Zwangsjacke gesteckt sowie als Höhepunkt des Showacts in einer riesigen Guillotine hingerichtet. Das Schlimme daran: Ich habe seine Hinrichtung mittlerweile schon zum dritten Male live erleben dürfen - und dazu noch ein paarmal bei youtube begutachtet -  aber leider (oder zum Glück?) ist die Hinrichtung so gut inszeniert, dass ich diesen Trick bis zum heutigen Tage noch nicht herausgefunden habe… Neben den Showeinlagen versteht die Band es aber auch, den musikalischen Teil der Show nicht zu kurz kommen zu lassen: Während Klassiker wie 'No More Mr. Nice Guy', 'Feed my Frankenstein' oder 'I'm Eighteen' von Band wie Publikum solide abgerockt werden, gibt es vor dem allseits beliebten 'Poison' sogar ein imposantes dreiminütiges Gitarrensolo der nicht nur äußerst begabten, sondern auch sehr ansehnlichen Gitarristin Nita Strauss. Zum Abschluss einer großartigen Darbietung gibt es dann in Form eines 'Ace of Spades' Covers noch den obligatorischen Tribut an Lemmy Kilmister, bei dem sich insbesondere Bassist Chuck Garric durch seine tiefen, treffenden Vocals auszeichnen kann. So liegt es am Ende des Konzertes eben nicht nur an der soliden Setlist und den diversen Showeinlagen, sondern insbesondere auch an der Spielkunst und -freude der Musiker, dass ALICE COOPER auch dieses Jahr wieder die Herzen des Wacken Publikums für sich gewinnen kann. Da kann man als Konzertfan nur hoffen, dass die Band noch ein paar Jahre auf diesem Niveau weiterspielt und bitte schleunigst auf’s Wacken zurückkehren möge.
Setliste
: Brutal Planet, No More Mr. Nice Guy, Under My Wheels, The World Needs Guts, Woman of Mass Distraction, Guitar Solo (Nita Strauss), Poison, Halo of Flies, Feed My Frankenstein, Cold Ethyl, Only Women Bleed, Paranoiac Personality, Ballad of Dwight Fry, Killer, I Love the Dead, I’m Eighteen, School’s Out (+ Another Brick in the Wall), Ace of Spades
[Nils Hansmeier]


Nachdem der Altmeister des Schock-Rocks eine astreine Performance hingelegt hat, bleibt das Infield dicht gefüllt – die Wikinger aus dem Norden starten einen weiteren Beutezug. AMON AMARTH ist wohl eine der auf Festivals omnipräsentesten Bands des gesamten Metal-Genres, welcher man tatsächlich nachsagen könnte, dass sie "an jeder Steckdose" spielen würde. Nichtsdestotrotz brauche ich die volle Wikinger-Dosis zweimal pro Jahr, einfach darum. Dass Johann Hegg mit seinen Mannen heute aber (wieder einmal) derart abräumen würde, damit konnte man nun wirklich nicht rechnen. Dass heute – in guter Raubzug-Manier eben – keine Gefangenen gemacht werden, zeigt bereits der Opener, der heute kein geringerer als 'Pursuit Of Vikings' ist. Kann man machen, seinen größten Hit einfach mal zum Aufwärmen rauszuhauen. Wobei Aufwärmen das falsche Wort ist, die Hitze ist direkt auf Schicksalsberg-Temperatur. Das Bühnenbild ist heute ein riesiger Wikinger-Helm, aber ganz ehrlich, viel Zeit zum schauen ist nicht. Der Kopf rotiert zu neuen Krachern wie 'First Kill' und 'The Way Of Vikings' genau so gerne wie zu Hits der Marke 'Cry Of The Blackbirds', die Menge grölt sich die Seele aus dem Leib, Crowdsurfer nutzen die gigantische Szenerie – Metalherz, was willst du mehr? Dass der "Versus The World"-Übersong 'Death In Fire' heute gleichzeitig auch der einzige ein wenig ältere ist, kann man so mittel finden, zeugt aber auch nur davon, wie viele verdammt gute Lieder AMON AMARTH auch in den letzten Jahren noch geschrieben haben. Zu 'A Dream That Cannot Be' gastiert DORO (wie auch auf der Platte). Passt. Als die Band nach 'Guardians Of Asgaard' von der Bühne geht und kein mitreißender Death Metal melodischer Natur – zuletzt auch vermehrt mit Elementen des klassischen Metals – mehr erklingen will, wundert sich ungefähr jeder Umstehende, wie schnell eigentlich 70 Minuten vergehen können. Immerhin kommt Hegg noch einmal mit dem dicken Hammer zurück: Mit viel Tam-Tam geht es bei 'Twilight Of The Thundergod' noch einmal zur Sache, dann ist endgültig Schluss. Meine Güte, AMON AMARTH. So oft gesehen und doch immer wieder ein Fest. Tagessieger, keine Frage.
[Oliver Paßgang]

 

Der Ausfall von WALLS OF JERICHO erweist sich sowohl für mich als auch KATATONIA als Glücksfall. Denn so dürfen die Schweden aus dem Zelt auf eine der drei großen Außenbühnen wechseln und ich kann sie mir anschauen, was wegen vorheriger Überschneidungen wohl nichts geworden wäre. Sänger Jonas Renkse freut sich ebenfalls sehr, auch darüber, dass trotz der gleichzeitig aufspielenden Landsmänner von AMON AMARTH eine ganze Menge Leute ihren Weg vor die Louder Stage gefunden haben. Ab dann gibt es, passend zur langsam hereinbrechenden Dämmerung, melancholischen bis düsteren Metal auf die Ohren und Jonas' gute Laune macht das ganze zu einer insgesamt unterhaltsameren Angelegenheit, als meine letzte Livebegegnung mit der Band. Dass der Mann singen kann, weiß man ja und auch dass KATATONIA über die Jahre ein paar wirklich gute Songs geschrieben hat, doch mit der Publikumsinteraktion hat es hin und wieder ähnlich gehapert wie bei PARADISE LOST. Doch heute ist alles im Lot und das Publikum feiert die Schweden nach allen Regeln der Kunst ab, der Wechsel auf die große Bühne hat sich so auf jeden Fall für alle Seiten gelohnt und ich sehe weiteren Auftritten der Band deutlich optimistischer entgegen.
[Raphael Päbst]

 

Für mich ist es Jahr für Jahr immer wieder verwunderlich und verwerflich, wie viele Metalheads am Wackensamstag schon frühzeitig wieder die Segel streichen. So treten nach der großen Schlacht der Chefwikinger ernsthaft doch einige Teile des Publikums frühzeitig den Heimweg an, obwohl mit AVANTASIA noch einer der großen Headliner für ein zweistündiges Spektakel sorgen wird. Und wer die Dame und die Herren um Tobias Sammet schonmal auf dem Wacken genießen durfte und auch nur ein klein wenig mit symphonischem Power Metal anfangen kann, sollte eigentlich wissen, dass hier stets etwas ganz Großes aufgeboten wird: Fröhliche, teilweise sehr umfangreiche Songarrangements, untermalt mit einer riesigen Videoleinwand und gigantischer Bühnenbeleuchtung, sowie ein Arsenal von großartigen Sängerinnen und Sängern, das jeden Fan von Klargesang im Sturm erobern sollte. So unterstützen Bandkopf und Mastermind Tobias Sammet nicht nur die mitreißenden Stimmen von Vocalcoach Amanda Somerville (u.a. AFTER FOREVER, EPICA, KAMELOT) und dem jahrelangen Wegbegleiter Jørn Lande (MASTERPLAN), sondern auch von Bob Catley (MAGNUM), Eric Martin (MR. BIG), Herbie Langhans (BEYOND THE BRIDGE) und Progressive Metal Ikone Geoff Tate (ex-QUEENSRYCHE). Und auch die Setlist bietet eine buntes Potpourri aus altbekannten Ohrwürmern der allerersten Metaloper ('Reach Out for the Light', 'Farewell', 'Sign of the Cross') und längeren Stücken des aktuellen Albums ('Mystery of a Blood Red Rose' 'Let the Storm Descend upon You'). Perfekte Voraussetzungen also für zwei Stunden bester Unterhaltung im Stile melodischer Kompositionen und groß aufgelegter Gesangseinlagen! Einziger Wermutstropfen sind da lediglich die teilweise zu langatmigen Ansagen von Seiten Tobias Sammets und/oder deren Inhalt: Da die nachfolgende Band wie bereits vor drei Jahren erneut KREATOR heißt, lässt es sich Herr Sammet beispielsweise auch dieses Mal nicht nehmen, die wartenden Kreatorfans auf seine Verbundenheit sowie sein gemeinsames Frühstück mit Mille hinzuweisen. Und auch schon wie 2014 erntet er dafür nicht nur positive Resonanzen, hätte man von seiner Seite aus aber auch nicht unbedingt erwarten müssen. Trotz manch verquatschter Minute zeigt sich AVANTASIA aber wieder einmal in Höchstform und liefert eine zweistündige Metal-Oper ab, die Anhänger jeglicher melodischen Metalgenre gleichermaßen begeistern kann und die eines Wacken Headliners auch absolut würdig ist.
Setliste
: Mystery of a Blood Red Rose, The Scarecrow (mit Jørn Lande), The Story Ain’t Over (mit Bob Catley), Dying for an Angel (mit Eric Martin), Twisted Mind (mit Eric Martin), Reach Out for the Light (mit Herbie Langhans), Farewell (mit Amanda Somerville), Seduction of Decay (mit Geoff Tate), Avantasia (mit Geoff Tate), Shelter from the Rain (mit Herbie Langhans und Bob Catley), Runaway Train (mit Jørn Lande und Bob Catley), Promised Land (mit Jørn Lande), Let the Storm Descend upon You (mit Jørn Lande), Lost in Space (mit Amanda Somerville), Sign of the Cross / The Seven Angels

[Nils Hansmeier]

 

Was für ein Abriss! Für mich findet der eigentliche Abschluss des WACKEN OPEN AIR in diesem Jahr auf der Wasteland Stage statt. Denn für ihr Debüt haben die Hanseaten von JOHNNY DEATHSHADOW ordentlich aufgefahren. Fette Lichteffekte, ein bombiger Bass und zu Live-Brechern wie 'Apocalypse Trigger' meterhohe Stichflammen, dass es einem der Atem raubt. Die Todesschwadronen machen AVANTASIA wenige Meter entfernt ordentliche Konkurrenz – und das schlägt sich auch im Publikum nieder. Bis an die Wackinger Stage reihen sich die Menschen, die beispielsweise zu 'Land Of The Dead' ordentlich Party machen. Doch nicht nur bei den beeindruckenden Special Effects setzt JOHNNY DEATHSHADOW auf Klotzen statt Kleckern: Gegen die die schaurigen Totenköpfe wirkt das Bühnen-Make-Up manch anderer angemalter Künstler auf dem WACKEN OPEN AIR fast schon wie Kinderschminken: Johnny und Co feiern ihre Premiere mit sichtlich viel Spaß und liefern der Reihe nach echte Bretter. Es knallt, es hämmert und der brachiale Industrial Mix der Jungs fegt jegliche Lethargie zu Festival-Ende ohne Kompromisse vom Parkett. Dazu die trockenen Ansagen von Frontmann Johnny... So zerreißt man als letzter Act vorbildlich die Wasteland Stage, nach diesem Auftritt bin ich wahrlich beeindruckt. Es braucht eben nicht immer die große Bühne, um eine atemberaubende Show auf die Beine zu stellen.
[Leoni Dowidat]

 

Was für AMON AMARTH weiter oben bereits festgehalten wurde, gilt auch für die Thrasher aus Essen: KREATOR ist ein regelmäßiger Gast auf dem Wacken Open Air und auf Festivals im Allgemeinen. Doch angelehnt an einen guten Freund von mir halte ich es mit dem Satz: "KREATOR ist wie eine Kiste Krombacher; da kannste nix mit falsch machen und schmeckt immer wieder." So sieht's auch im Jahre 2017 beim deutschen Urgestein aus. Die Bühne ist schick mit diversen Bildschirmen geschmückt, auf denen, je nach Song, unterschiedliche Einspielungen präsentiert werden. Das hat alles schon lange nichts mehr mit der rohen Thrash-Energie von früher zu tun, sondern es ist eben ein durchkonzipiertes Show-Ding, was Mille hier auf die Bühne bringt. Die Diskrepanz wird aber musikalisch noch viel deutlicher, wenn man sich einmal die beiden Pole der Setlist gibt: Auf der einen Seite das herrlich rohe, fetzige 'Total Death', auf anderen der unsägliche Totalausfall 'From Flood Into Fire'. Hier Thrash pur, dort Melo-Death-Allerlei mit Hook-Ambitionen. Auf letzteren Song will ich mich hier allerdings nicht versteifen, denn andere Tracks neuerer Stunde funktionieren deutlich besser ('Gods Of Violence', 'Phantom Antichrist', 'World War Now'). Es wird sehr viel neues Material gespielt, dennoch hat man das Gefühl, dass die Mischung stimmt. Die mittelalten Hits ('Phobia', 'Enemy Of God', 'Violent Revolution') kommen beim erschöpften Publikum, dass sich zu allem Überfluss auch noch mit dem wiedereinsetzenden Regen auseinandersetzen muss, richtig gut an, die Klassiker natürlich sowieso. Bemerkenswert ist neben der aufwändigen Show (die oben erwähnte LED-Technik, Pyro & Feuerwerk ist allerhand) vor allem die Darbietung 'Fallen Brother', zu der diverse verstorbene Musiker und somit Weggefährten der Anwesenden auf den Bildschirmen erscheinen. Man kann dem Lied kaum zuhören, ist man doch eigentlich nur mit Gucken und dem Versuch beschäftigt, alle Personen zu identifizieren. Ein weiteres, garantiert ungeplantes Highlight ist heute (einmal mehr) eine Ansage von Mille: Wie er gerade so die totale Zerstörung für den kommenden Song heraufbeschwören will und dabei von ganz tief unten schnaubt, fängt er nach einer langen Gedächtnispause beim Wort "Chaos" tatsächlich an zu lachen. Das ist sympathisch bis nach Altenessen und passt halt in diese inzwischen kultig-trashige Ansagenserie von Herrn Petrozza bestens hinein. Alle lachen einmal herzlich, dann geht's ab. Den Abgang gibt es heute übrigens zu 'Pleasure To Kill' – nein, kein 'Flag Of Hate', kein 'Tormentor'. Ist okay. Dieser vorletzte Gig des W:O:As hat Laune gemacht, wenngleich die Power bei den meisten Zuhörern sichtlich nicht mehr vorhanden war. Festhalten möchte ich an dieser Stelle dennoch, dass KREATOR in einer Konzerthalle doch noch einmal deutlich besser auf die Glocke gibt und von der Festivalsituation nicht in dem Maße profitieren kann, wie es die Nordmänner ein paar Stunden zuvor beispielsweise noch getan haben.
[Oliver Paßgang]

 

Zu später Stunde darf dann auch SOILWORK nochmal auf die überdachten Bretter im Zirkus, um einmal mehr zu zeigen, dass wohl wenige Bands so sehr Wegbereiter des modernen Metals waren, wie die Schweden. Ähnlich wie auch auf der Frühjahrstour im Vorprogramm der zeitgleich aufspielenden Herren von KREATOR, gibt es dabei eine lockere Mischung aus ganz frühem, mittlerem und modernem Material auf die Ohren, wobei insbesondere die Alben "Figure Number Five" und "Stabbing The Drama" sowie der Klassiker "Natural Born Chaos" auch live zeigen, warum sie wenigstens für mich klar das Highlight des SOILWORKschen Schaffens darstellen. Doch langsam machen sich auch bei mir Ermüdungserscheinungen breit und so verlasse ich kurz vor Ende des Auftritts das Zelt, um mit einem letzten Bier den Weg ins Zelt in Angriff zu nehmen, nach einem wieder einmal tollen Wacken und voller Vorfreude auf das nächste Jahr.
[Raphael Päbst]

 

Wacken Nummer 28, und zum 25. Mal beendet SUBWAY TO SALLY das Festival im Norden? Klingt übertrieben, müsste aber fast hinkommen, denn ich habe die Band inzwischen etliche Male auf dem W:O:A gesehen, aber auch noch nie zu einer anderen Spielzeit. Es gibt allerdings auch gar keinen Grund, diese Tradition aufzubrechen, denn Eric Fish und seine Truppe passen perfekt in die Nacht. Und haben eine Setlist im Gepäck, die ich als ehemaliger Fan der mittleren Bandphase mir nicht hätte besser wünschen können: Gleich an zweiter Position wird die 'Henkersbraut' losgelassen, direkt danach folgt 'Kleid aus Rosen'. "Uff, wie verschwenderisch geht SUBWAY TO SALLY denn heute mit den Hits um?" denke ich so bei mir, und stelle fest, dass fortan nur noch weitere Hits folgen sollten. Fish, der nimmermüde Frontmann einer ansonsten sich heute eher zurückhaltenden Band, motiviert das noch überraschend zahlreich anwesende Publikum immer und immer wieder. Mit den härteren Tracks der Marke 'Falscher Heiland' und 'Tanz auf dem Vulkan' ist dies das kleinere Problem, das große Highlight des heutigen Morgens ist für mich jedoch ganz klar 'Maria': Gitarrist Ingo legt das Intro samt Solo vor, dann steigt Eric Fish mit ein und verzaubert ein Land, das von Schlamm und Party gezeichnet ist, mit einem Hauch von Stille. SUBWAY TO SALLY ist durchaus für Experimente bekannt, heute gibt es jedoch eine sehr pure, klare, schlichte Version der Band, die mir in der Art unglaublich gut gefällt. Mit 'Ohne Liebe' spielen die Potsdamer dann noch einen alten Favoriten von mir, und als ich mich nach den letzten Tönen von 'Sieben' und 'Veitstanz' völlig entkräftet zum Zelt schleppe, muss ich drei Dinge festhalten: 1. Auch wenn SUBWAY TO SALLY nicht mehr so hundertprozentig mein Ding ist und mir manche Publikumsspielchen in der Art nicht so wirklich zusagen, kann ich mich dem Zauber eines solchen Konzerts nicht entziehen. Will ich auch gar nicht. 2. Das Wacken Open Air kann der Band gerne einen Vertrag auf Lebenszeit für den Abschlussauftritt in jedem zweiten Jahr geben – falls dieser nicht sowieso schon existiert. 3. Das war vielleicht der beste SUBWAY TO SALLY-Auftritt, den ich nicht nur auf dem Wacken, sondern bisher überhaupt miterleben durfte.
[Oliver Paßgang]

 

Fazit

Ein wieder einmal schlammig-schönes Wacken Open Air geht zu Ende. Musikalisch ist da in diesem Jahr mal gar nichts angebrannt, nur der Wettergott könnte uns nach drei Katastrophenjahren vielleicht irgendwann noch einmal gewogen sein. Das wär's. In diesem Sinne: Bis zur nächsten Ausgabe! Rain or shine!

Redakteur:
Frank Jaeger

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