ATLANTEAN KODEX - The Course Of Empire
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2019
Mehr über Atlantean Kodex
- Genre:
- Epic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Ván Records
- Release:
- 13.09.2019
- The Alpha And The Occident (Rising From atlantean Tombs)
- People Of The Moon (Dawn Of Creation)
- Lion Of Chaldea (The Heroes' Journey)
- Chariots (Descending From Zagros)
- The Innermost Light (Sensus Fidei)
- A Secret Byzantium (Numbered As The Sand And The Stars)
- The Spell Of The Western Sea (Among Wolves And Thieves)
- He Who Walks Behind The Years (The Place Of Sounding Drums)
- The Course Of Empire (All Thrones In Earth And Heaven)
- Die Welt Von Gestern (Abendland)
Gesamtkunstwerk mit Ausnahmestellung
Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man im Falle ATLANTEAN KODEX und "The Course Of Empire" von einem der meist erwarteten Alben des Jahres spricht und genau an dieser Stelle ergibt sich eine gewisse Schwierigkeit für den Rezensenten. Denn die Band schafft es nach wie vor zu polarisieren, wird von ihren Fans auf eine Weise vergöttert, wie das so wenigstens hierzulande nur noch ganz, ganz selten vorkommt. Entsprechend negativ sind dann auch die Meinungen all jener, die entweder vom vermeintlichen Hype genervt sind, mit der Musik nichts anfangen können oder sich an den Interviewaussagen der Musiker stören. Kurz, es fällt selbst Menschen, die zum ersten Mal mit der Band in Kontakt kommen zunehmend schwer, dies unvorbelastet zu tun. Daher werde ich diese Rezension in zwei Teile spalten, ein erster nüchterner und dann eben meine persönlichen Eindrücke und Meinung zu "The Course Of Empire".
Zunächst einmal nüchtern: ATLANTEAN KODEX spielt epischen, doomigen Metal, der sich an Bands wie SCALD, BATHORY der epischen Phase und MANOWAR zu "Into Glory Ride" orientiert. Wer mit diesen Referenzen schon nichts anfangen kann, wird hier höchstwahrscheinlich auch nicht die Wiedergeburt des wahren Stahls finden und kann beruhigt andere Musik hören. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Produktion dieses Mal einerseits noch breiter, man könnte fast sagen bombastischer ausgefallen, andererseits wirkt sie durch diese Entscheidung hier und da etwas dumpfer. Die Songs schließen mehr oder weniger nahtlos an das bisherige Schaffen der Oberpfälzer an und wer "The Golden Bough" oder "The White Goddess" nicht wenigstens ganz gut fand, kann getrost davon ausgehen, dass das auch heuer wieder so sein wird, genau wie all jene, die vom bisherigen Schaffen der Band begeistert waren, auch hier wieder auf ihre Kosten kommen. Das wären dann die nackten Fakten zu "The Course Of Empire" und jeder Leser sollte nun grob wissen, was ihn erwartet.
Kommen wir nun zu den Gründen, warum für mich auch "The Course Of Empire" wieder mehr als nur ein gutes Epic-Metal-Album ist und worin sich wenigstens für mich die Sonderstellung der Band begründet. Fangen wir mit dem wichtigsten an, der Band als Gesamtkunstwerk und dem Album als ein ebensolches. Nur wenige Bands nehmen sich heutzutage noch die Zeit, bei einem Album alle Elemente so sehr aufeinander abzustimmen: Cover, Texte, Bookletgestaltung und Musik gehen hier Hand in Hand, auch wenn es möglich ist, Songs wie 'Lion Of Chaldea' alleine zu hören und ohne tieferes Textverständnis laut und bierselig mitzusingen. Die volle Wirkung entfaltet "The Course Of Empire" tatsächlich nur, wenn man sich allen Aspekten des Albums öffnet. Und nicht nur das, mit textlichen Referenzen an das bisherige Schaffen, kurzen Zitaten und Anspielungen wird das Album in das bisherige Bandschaffen eingebettet, wer also seit den "Pnakotic Demos" dabei ist, bekommt so eine weitere Facette offenbart, die "The Course Of Empire" nur noch beeindruckender macht.
Wie gesagt, diese Herangehensweise allein rechtfertigt schon die Sonderstellung ATLANTEAN KODEX' in der heutigen Metalszene und erklärt sicher teilweise die Faszination der Fans mit der Band. Kommen wir nun zur Musik und den einzelnen Songs: Los geht es mit 'The Alpha And The Occident (Rising From Atlantean Tombs)' einer kurzen, größtenteils instrumentalen Einleitung. Die Gitarrenmelodien, der gesprochene Text im Hintergrund, all das erinnert an die Trompeten Doggerlands und die Einführung in "The White Goddess", doch dieses Mal bekommen wir auch Markus Beckers Stimme bereits zu hören, mit dem Leitmotiv des Albums, den Zeilen "Empires rise, empires fall" und "Ever westward, the course of empires, takes its eternal way". Letzteres ist ein Zitat, welches die Bilderserie, an die der Albumtitel angelehnt ist, inspirierte. Hier zeigt sich dann auch direkt wieder die Qualität der Band, die mich persönlich so begeistert, die Anknüpfungspunkte an Literatur, Philosophie, Kunst und allerlei andere Produkte menschlichen Schaffens, die es möglich machen, aus einem ATLANTEAN KODEX-Album so viel mehr zu ziehen als die reine Musik.
Weiter geht es dann mit 'People Of The Moon (Dawn Of Creation)', das den thematischen Bogen des Albums, angelegt eben an jene fünf Gemälde Thomas Coles, die den Aufstieg und Niedergang menschlicher Zivilisation darstellen, fortsetzt. Musikalisch im epischen Midtempo, textlich mit den Anfängen menschlichen Zusammenlebens befasst und mit einem Refrain, dessen "Holy, Holy, Holy" man sicher live gut singen kann und das sich gut in den Song einpasst. Auch der ruhigere Part mit Trommeln und dem ersten Querverweis auf die allseits beliebten "Drums Of Pictdom" verleiht dem Lied im Albumkontext weitere Bedeutung und zeigt, dass ATLANTEAN KODEX dieses Mal in der Produktion noch mehr als zuvor auf atmosphärische Elemente und entsprechende Instrumentierung setzt.
Als nächstes begegnet uns der 'Lion Of Chaldea (The Heroes' Journey)', der bereits im Titel auf Joseph Campbell und seinen Helden der tausend Gesichter anspielt und uns später einmal mehr begegnen wird. Musikalisch flotter, mit einem einprägsamen Refrain und leicht folkigen Leadgitarren ist das hier nicht nur einer der kürzeren Songs des Albums, sondern sozusagen auch der "Single Hit", wenn man bei dieser Band von so etwas sprechen kann. Live dürfte er jedenfalls ähnlich gut funktionieren wie 'Sol Invictus' vom letzten Album. Textlich gibt es dieses Mal Verweise auf diverse Theorien über den Verbleib von Atlantis, Kabbala und den Aufstieg erster Hochkulturen im mittleren Osten.
Dann kommt 'Chariots (Descending From Zagros)', das uns ausladend von den ersten Eroberungszügen und dem wachsenden Einfluss der Religion berichtet. Nach einem ruhigen, mit Bläsern eingeleiteten Anfang gibt es auch hier wieder das typische, treibende Riffing und einen Refrain, den man recht schnell mitsingen kann. Das Stück wird zum Ende hin ruhiger und geht nahtlos in 'The Innermost Light (Sensus Fidei)' über, das mit Chören und Gesang einsetzt, bevor erst nach einigen Zeilen die Band dazustößt. Hier sind wir nun wenigstens spirituell und zahlenmäßig beim Höhepunkt und Herzen des Bogens angekommen, den "The Course Of Empire" ausspannt.
Mit 'A Secret Byzantium (Numbered As The Stars And The Sand)' widmen wir uns der Weitergabe von Wissen und Tradition im Angesicht von Aufstieg, Fall und Zerstörung von Kulturen, vom Tempo her erinnert das Stück hin und wieder an 'Enthroned In Clouds And Fire' vom Vorgänger und kann insbesondere auch in den Strophen mit einer schönen Gesangslinie auftrumpfen. 'He Who Walks Behind The Years (The Place Of Sounding Drums)' bietet sodann die deutlichsten MANOWAR-Referenzen des Albums und einmal mehr die Melancholie und Reflektion über die Vergangenheit und die Dinge, die verloren gingen, die im kurzen akustischen Zwischenspiel 'The Spell Of The Western Sea (Among Wolves And Thieves') ihre logische Fortsetzung finden.
Nach diesem thematischen Block sind wir bereit für den Titelsong, der in über zehn Minuten alles bisherige nochmal verhandelt, den Bogen von Mythologien, okkultem Wissen und Erahntem zum Hier und Jetzt schlägt und textlich schon beinahe deutlichen Klartext spricht. Hier werden wir als Kinder Europas direkt angesprochen und ATLANTEAN KODEX macht das, was so nur wenige Bands beherrschen, zum Nachdenken über unsere aktuelle Weltordnung anregen, ohne aus dem thematischen Rahmen des Epic Metals auszubrechen, einen Zeigefinger zu erheben oder offen politisch zu werden. Das Anfangsthema des Albums wird textlich und musikalisch wieder aufgegriffen, die weiße Göttin des Vorgängeralbums wird zitiert und so in beeindruckender Weise "The Course Of Empire" in das Gesamtwerk der Gruppe eingebettet. "Empires rise, empires fall" in der Tat, doch die letzten Zeilen geben auch Hoffnung, denn aus der Zerstörung entspringt Hoffnung für die Zukunft, das sich ewig drehende Rad der Zeiten, das bereits in 'People Of The Moon' beschworen wurde, es dreht sich immer noch. Dennoch spricht aus dem abschließenden 'Die Welt Von Gestern (Abendland)' vor allem Trauer und Resignation, ausgedrückt durch einige gesprochene Zeilen und beklemmend-melancholische Streicher.
Abschließend lässt sich feststellen: ATLANTEAN KODEX hat ein Album abgeliefert, das vielleicht nicht alle, teils enorm überzogenen Erwartungen erfüllen kann, in seiner detailverliebten Ausarbeitung, seiner feinjustierten Produktion und seinen Arrangements, sowie in seiner Einbettung ins Bandschaffen und der stimmigen Aufmachung mit dem Vorgänger auf Augenhöhe steht und somit klar ein Anwärter für das Album des Jahres ist. ATLANTEAN KODEX bleibt eine Ausnahmeband in der deutschen wie internationalen Szene, das kann man neidlos anerkennen, ohne direkt vom Erlöser des Stahls zu sprechen, manchmal reicht es auch einfach, konsequent seinen Weg zu gehen und eine künstlerische Vision in allen Belangen so gut wie nur möglich zu verwirklichen.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Raphael Päbst