17.06.2018 | 09:53
Hymnen in Dauerschaltung
COR SCORPII ist in der Vergangenheit immer wieder mit Bands wie WINDIR und ULCUS in einen Topf geworfen worden, was letztendlich aber auch naheliegt, weil sich die Band aus einzelnen Mitgliedern beider Truppen rekrutiert hat und nach dem tragischen Ende der Erstgenannten schließlich auch als deren legitime Nachfolger bezeichnet wurde. Allerdings tönen die Norweger auf "Ruin" nicht ganz so Folk-lastig wie ihre Vorläufer, nehmen stattdesen aber gerne wieder den altbekannten Kurs symphonischer Sounds auf - und das in einem angenehm reduzierten Maße, so dass die albernen Sellout-Vorwürfe ebenso wenig in den Raum kommen werden wie aufgeblähte Arrangements oder Tastenkleisterei jedweder Art.
Nein, auf "Ruin" hat die Band die Kernessenz des melodischen Black Metals noch einmal hinterfragt und versucht, die gebotenen Fragmente so weit in die Balance zu bekommen, dass hymnische Melodien auf der einen und aggressive Vorstöße auf der anderen Seite harmonisch koexistieren können. Und in der Tat sind nahezu alle Stücke auf dem zweiten Album von einer bewegenden Epik durchsetzt, mit der COR SCORPII die Hörerschaft in die Mitte des vorletzten Jahrzehnts zurückversetzt, als ENSLAVED, VINTERSORG und schließlich auch DIMMU BORGIR ähnliche Ideen verwerteten - nur eben dass "Ruin" mit einer viel belebteren Dynamik an die Sache herangeht und Keyboard-Sounds lediglich weit im Hintergrund zulässt.
Umgekehrt schickt es sich für ein Album mit solcher Klasse eigentlich nicht, die immergleichen Parallelen aufzuzählen, denn COR SCORPII steckt selbst manche Legende locker in die Tasche. Die Band verzichtet auf allzu viel Schnickschnack, kann aber trotzdem progressiv und vielseitig auftreten, da sie ihre Vision auch nicht aus den Augen verliert, wenn tatsächlich mal ein kurzer Schwenk in die nordische Folklore vorgenommen wird oder eine sphärische Phase ausgedehnt zelebriert wird. Insofern kann die Band gerne auch damit werben, die Nachfolge von WINDIR anzutreten, weil es ähnliche Qualitäten waren, mit denen die nordische Kultcombo seinerzeit begeisterte. Und auch wenn die Umstände des Dahinscheidens traurig sind, so lebt der Geist von WINDIR in einem Album wie "Ruin" weiter - und das auf mindestens dem gleichen Niveau!
Anspieltipps: Skuggevandrar, Helveteskap, Siste Dans
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Björn Backes