DISILLUSION - The Liberation
Auch im Soundcheck: Soundcheck 08/2019
Mehr über Disillusion
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Prophecy Productions
- Release:
- 06.09.2019
- In Waking Hours
- Wintertide
- The Great Unknown
- A Shimmer In The Darkest Sea
- The Liberation
- Time To Let Go
- The Mountain
Nix Desillusionierung - dieses Comeback ist unerwartet groß!
Im Fall der Leipziger Progressive Metaller ist die 13 keine Unglückszahl, denn 13 Jahre nach dem letzten Longplayer "Gloria" ist DISILLUSION wieder zurück und haut uns frische sieben Nummern (inkl. Intro) um die Ohren, die in der Form nicht unbedingt zu erwarten waren. Dass "The Liberation" überhaupt das Licht der Welt erblickte, ist einem gelungenen Patreon-Crowdfunding zu verdanken. Offenbar war die Vorfreude auf einen Longplayer nach dem Appetithäppchen in Form der 2016er Single 'Alea' groß genug, um dies erfolgreich werden zu lassen. Und das ist absolut verständlich, da man als geneigter Fan das Werk der Band mit zwei Alben plus eine Mini-CDs ("Three Neuron Kings") und eine EP ("The Porter") nach der plötzlichen Funkstille ja durchaus als unvollständig empfinden konnte.
Nachdem DISILLUSION wie ein Vulkanausbruch mit "Back To Times Of Splendor" (2004) über die Musiklandschaft fegte und im Progressive Death Metal ein absolutes Referenzwerk erschuf, schieden sich am Zweitwerk "Gloria" (2006) bekanntermaßen die Geister. Die Band wollte ganz bewusst keine schnöde Kopie des Erfolgsrezepts abliefern, wie Frontmann Andy Schmidt in Interviews immer wieder betonte - stattdessen betrat man elektronischere Pfade, liebäugelte etwas mit Industrial und Alternative. "Gloria" hat durchaus seinen Reiz und ein paar Songs wie 'Don't Go Any Further' oder 'The Black Sea' finde ich auch nach wie vor richtig gut, wer aber eine neue Perle des Progressive Death Metal erwartete, konnte sich hingegen leicht vor den Kopf gestoßen fühlen. Die Band spielte nach einigen Headliner-Shows in der Folgezeit immer weniger Konzerte und legte ab 2011 offiziell eine Ruhepause ein. Ein erstes Lebenszeichen war dann wie erwähnt die Single 'Alea' - ein schönes, zehnminütiges Stück, das aber vom neuen Album deutlich übertroffen wird.
Es ist kein reines back-to-the-roots-Album, das uns die Leipziger hier kredenzen, aber es ist so viel näher am Debüt als an "Gloria", dass viele Fans der ersten Stunde begeistert sein werden. "The Liberation" enthält zwar schon einige ruhige und harmonische Anteile, aber daneben gibt es etliche ruppige Parts mit Growling und wilden Riffs, die den (Melodic) Death Metal in den Sound zurückholen. Schon 'Wintertide' eröffnet als Zwölfminüter nach dem Intro 'In Waking Hours' mit einem atmosphärischen Part, der immer wieder in härteren Ausbrüchen mündet. 'The Great Unknown' ist dann die Death-Metal-Abfahrt, die DISILLUSION auch 15 Jahre nach "BTTOS" immer noch exquisit hinbekommmt. Aber auch das majestätische 'A Shimmer In The Darkest Sea' (Entenpellealarm!) und der absolut furiose Titeltrack sind unbedingt hervorzuheben. Insbesondere die vielseitige Gitarrenarbeit des Quintetts (drei Gitarristen) beeindruckt - überhaupt ist die Platte mit so viel Kurzweil ausgestattet, dass es fast überrascht, wenn man bei Blick auf die Tracklist feststellt, dass man soeben drei Songs mit über zehn Minuten Länge gelauscht hat.
Ich gehe auch davon aus, dass der Titel "The Liberation" proklamatisch gemeint ist, und auch die Band selbst es als eine Befreiung oder Erlösung nach der lange Phase des Wartens empfindet. Obwohl "Gloria" wie gesagt kein schlechtes Album ist, wollte man so vermutlich doch nicht von der Bildfläche treten. Und "die Neue" wirkt wie aus einem Guss, da ist nichts zusammengestückelt, und ich kann auch nach fast 20 Durchläufen immer noch nicht den einen Lieblingssong benennen. Irgendwie hat jede Nummer das gewisse Etwas. Dieses Album ist episch und vertrackt, hart und zerbrechlich zugleich.
Wollte mich bei 'Alea' noch nicht die ganz große Euphorie packen, so ist das mit "The Liberation" nun definitiv der Fall. Genau genommen ist jeder einzelne Song des Albums noch ein gutes Stück besser als 'Alea' - insbesondere der Gesang fällt wesentlich variabler und eindrücklicher aus. Die Hooks und Melodien fräsen sich ins Gedächtnis hinein und auch in punkto Härtegrad konnte man beim Comeback mit 'Alea' durchaus noch etwas Schmackes vermissen, den "The Liberation" in Form von kraftvollen Melodic-Death-Metal-Passagen ebenfalls bereit hält. Es klingt abgedroschen, aber DISILLUSION ist zurück und das stärker als zuvor.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer