EYEHATEGOD - A History Of Nomadic Behavior
Auch im Soundcheck: Soundcheck 03/2021
Mehr über Eyehategod
- Genre:
- Doom Metal / Sludge
- ∅-Note:
- 7.00
- Label:
- Century Media / Sony
- Release:
- 12.03.2021
- Built Beneath The Lies
- The Outer Banks
- Fake What's Yours
- Three Black Eyes
- Current Situation
- High Risk Trigger
- Anemic Robotic
- The Day Felt Wrong
- The Trial of Johnny Cancer
- Smoker's Piece
- Circle of Nerves
- Every Thing, Every Day
Ein Album mit möglicherweise kathartischer Wirkung auf die Frustrierten und Enttäuschten?
Ach herrje, da haben die NOLA-Sludge-Veteranen EYEHATEGOD ja mal wieder was angerichtet in unserem Soundcheck und die Kollegen von der Plüschohrfraktion und weit darüber hinaus reihenweise zum Einklappen der Lauschlöffel gebracht, denn wie es der gute Name verlangt, hat Mike Williams einmal mehr richtig derb hinaus gekotzt, was so alles schief läuft in New Orleans und um New Orleans herum. Dass ihm Jimmy Bower, der Großmeister der so zähen wie sperrigen Sludge-Riffs und Dissonanzen, dazu die passende Schwere und Nachdrücklichkeit auf den Leib geschneidert hat, dürfte ebenso wenig jemanden überraschen wie die Tatsache, dass die Rhythmusgruppe mit Gary Mader und Aaron Hill einen ganz und gar nicht geschmeidig schwofenden Groove unter das Ganze legt, sondern sich bisweilen gar jeder Rhythmik verweigert, sondern immer wieder den Hörer ganz gezielt martert, und den nächsten Schlag auf die Snare völlig bewusst erst dann setzt, wenn der dissonante Akkord die Nerven zum Zerreißen angespannt hat und wir uns nach einer harmonischen Auflösung sehnen mögen, die nimmer zu kommen scheint.
'Current Situation' ist dafür ein grandioses Beispiel. Im Hause VENOM hat man so etwas anno 1981 im kakophonischen Outro eines Songs gemacht, bei EYEHATEGOD läuft das mitten im Stück ab. Williams röchelt schmerzverzerrte Agonie-Laute ins Mikro, Bower lässt die Klampfe wirklich mies gelaunte Rückkoppelungen, Dissonanzen und Obertöne absondern, die nahezu körperliche Schmerzen verursachen, und der Rhythmus wird so weit dekonstruiert, dass das Stück so paralysiert wie zum Bersten angespannt in sich verweilt. Man kann sich die Antwort auf die vom Songtitel angestoßene Frage denken: In New Orleans findet man die derzeitige Situation buchstäblich unerträglich. Zumindest wenn man EYEHATEGOD heißt.
Es arbeiten indes längst nicht alle Songs mit dieser Strategie, den Hörer im Zustand der unwohligen Anspannung zu halten und zu martern. Andere Songs martern schlicht mit ihrer tristen Hoffnungslosigkeit, mit ihrer bissigen, nihilistischen Angepisstheit, die Williams uns gallig und frustriert ins Gesicht speit, wie etwa bei 'Anemic Robotic', wenn er uns nicht gerade sprechsingend und vorwurfsvoll die Leviten liest wie bei 'The Day Felt Wrong'. Der doomige Sludge streift im Riffing natürlich den Doom, und so gibt es auch ein bisschen formelle nähe zu BLACK SABBATH, aber die schweren Riffs fließen nicht, wie bei den Altmeistern, sondern sie sind zerhackt, sie sind schroff und sie sind knochentrocken. Am ehesten als "positives" Songerlebnis geht noch 'The Trial Of Johnny Cancer' durch, das einige sehr coole Gitarrenmelodien aus seiner Garstigkeit hervorlugen lässt.
Wer also wissen will, wie es sich anfühlt, wenn einen alles um ihn herum quält und aufreibt, und vor allem anwidert, dann darf er sich das gerne von EYEHATEGOD ausführlich erläutern lassen, indem er sich einen Song nach dem anderen gleich brennenden Spänen unter die Fingernägel schieben lässt. Das kann die Band richtig gut, und deshalb ist "A History Of Nomadic Behavior" auch ein gutes Album, wenn auch eines, für das man eine Stimmung haben sollte, die man hoffentlich nicht allzu oft hat. Wer sie aber doch hat, dem mag die Scheibe durchaus kathartische Aspekte offenbaren, die das sehr feine Artwork unterstützen darf.
- Note:
- 7.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle