GOSPEL OF THE WITCHES - Salem's Wounds
Mehr über Gospel Of The Witches
- Genre:
- Dark / Experimental Metal
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Century Media
- Release:
- 09.03.2015
- Omphalos
- The Alchemist
- Ancient Ways
- Aradia
- Mother
- Father
- Goddess Of Light
- Howl At The Moon
- Pillars
- The Secret
- Salem's Wounds
- The Sword + The Stone
- The Ascent
Schwer verdaulich, einnehmend, spirituell und extrem: Eine großartige Metalsängerin geht an ihre Grenzen!
Großer Gott, ist das ein intensives Album! Eigentlich hatte ich mich auf ein weiteres nettes Retro-Okkult-Doom-Scheibchen mit Frauenstimme eingestellt, Musik die ich mag und die es mir leicht macht. Aber schon das Intro 'Omphalos' deutet an, dass hier stimmungsmäßig und musikalisch etwas ganz anderes abgeht. Du liebe Güte, was treibt diese Frau an, so abgründig und von den schlimmsten Qualen geplagt zu schreien? Allein dieses Intro wirkt schon wie ein Höhepunkt, auf den andere Experimental-Bands erst nach minutenlangem Aufbau zusteuern. Auch die männlichen Growls (Ross Dolan) flößen Respekt ein und die unheilvoll jammernde Gitarre lässt für die nächste Stunde Musik nichts unbedingt Liebreizendes erwarten.
Aber wer ist diese Frau? Hier hilft erstaunlicherweise der Promo-Zettel sehr viel weiter: Karyn Crisis ist Amerikanerin, geboren in Chicago. Ihre musikalische Karriere startete allerdings in New York, wo sie in der dortigen Hardcore-Szene Fuß fasste und mit CRISIS von 1993-2006 vier Alben herausbrachte. Vor allem aber die Live-Konzerte sollen wegen Karyns unbändiger Performance denkwürdig gewesen sein. Oh, ja, das kann ich mir beim Hören von "Salem's Wounds" sehr gut vorstellen!
Karyn Crisis könnte aber auch den Fans der vor kurzem verblichenen italienischen Extrem-Experimentatoren EPHEL DUATH ein Begriff sein. Karyn ist nämlich die Frau von Mastermind und Gitarrist Davide Tiso. Und hier ist Karyn auch schon als Sängerin zu hören gewesen, nämlich auf dem Abschiedsalbum "Hemmed By Light, Shaped By Darkness". Das Album war auch im Soundcheck (11/2013), aber Hand aufs Herz: Frau Crisis ist mir dort nicht aufgefallen.
Doch jetzt sind die beiden wieder als Team am Start, nennen sich GOSPEL OF THE WITCHES und sind drauf und dran, sich sich mit "Salem's Wounds" ganz tief in mein Musikherz zu spielen. Er, Davide Tiso, hat die gesamte Musik zwischen 2009 und 2014 geschrieben und Karyn ist für Konzept, Lyrics, Gestaltung und natürlich die Vocals zuständig. Und die haben es in sich. Karyn singt nicht nur, sie keift und kreischt, sie kratzt und beißt, sie betört und beschwört, sie bezirzt und verführt. Diese Performance macht mich von Spin zu Spin neugieriger auf die Künstlerin. Auf der Facebook-Seite sieht man ein freundlich lächelndes Wesen mit blonden Dreadlocks bis zum Boden. Die Promo- und Booklet-Fotos zeigen jedoch einen dunkelhaarigen, geschminkten Dämon mit Teufelshörnern und einem langen, geschwungenen schwarzen Kleid. Wie ein weiblicher Ringgeist. Oder eine Black-Metal-Queen.
Was mich wieder zurück zur Musik bringt. Diese ist nämlich außergewöhnlich und so eigen, dass mir überhaupt keine Referenzen dazu einfallen. Dies könnte neben den Vocals sicher auch an der extrem kreativen Gitarrenarbeit und dem wie schon bei EPHEL DUATH sehr ungewöhnlichen Harmonik von Davide Tiso liegen. Und auf fast jeden Song liegen Schwaden geheimnisvoller Mystik, Fassaden hinter denen jede Menge Abgründe und Abartigkeiten leben könnten. Auch wenn es vielleicht nicht die unmittelbare Absicht der Musik ist, muss ich beim Hören mitunter an die schauderhaften Bilder denken, die mittlerweile täglich aus allen Ecken der Welt über unsere Bildschirme flattern. Findet ihr nicht auch manchmal, dass die Welt immer brutaler, fanatischer und menschenfeindlicher wird? Dies hier wirkt auf mich wie ein Soundtrack dazu, der so voller Wut, Verzweiflung und Trauer ist, dass es mir beim Hören oft ganz anders wird. Vor allem nachts.
Allerdings verrät ein Blick auf die Texte, dass es sich hier nicht um das menschliche Böse geht. Karyn, die sich mittlerweile in spirituellen Kreisen bewegt, besingt hier eher Hexenbeschwörungen, dämonische Besessenheit, aber auch uralte Weisheiten und Bräuche, Knochengeheimnisse und Naturmystik. Jede Menge Esoterik also, die mich persönlich weniger anspricht, aber künstlerisch mitreissend umgesetzt wird.
Ihr merkt schon, "Salem's Wounds" ist ein Album, das einen regelrecht dazu auffordert, sich intensiver damit zu beschäftigen und das dadurch auch tatsächlich immer stärker wird. Eine Liveshow von GOSPEL OF THE WITCHES wird sicher ein großer Schmaus, doch bis das soweit ist, ist man mit der fein aufgemachten Konserve bestens bedient. Unbedingte Kaufempfehlung!
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Thomas Becker