HOWLING SYCAMORE - Howling Sycamore
Auch im Soundcheck: Soundcheck 01/2018
Mehr über Howling Sycamore
- Genre:
- Progressive Thrash
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Prostehtic Records
- Release:
- 26.01.2018
- Upened
- Obstinate Pace
- Let Fall
- Intermezzo
- Midway
- Chant Of Stillness
- Descent Of Light
- Dysphoria
Jason McMaster bläst uns den totalen Wahnsinn!
Ich wusste bis vor wenigen Wochen nicht, wer Davide Tiso ist. Da werden sie die Gelehrten jetzt am Kopf kratzen, denn der Herr ist der Gitarrist der langlebigen Band EPHEL DUATH, die vor einiger Zeit zu Grabe getragen wurde. Der gute Mann wollte vor einiger Zeit ein Projekt starten aus welchem nun HOWLING SYCAMORE hervor gegangen ist. Mit an Bord ist Schlagzeuger Hannes Grossmann, der unter anderem bei BLOTTED SCIENCE und NECROPHAGIST für quere Taktvorgaben zuständig ist. Bei der Suche nach einem geeigneten Sänger erinnert sich Mister Tiso an Jason McMaster, den er als Sänger von WATCHTOWER beim gemeinsam gespielten Headway Festival erleben durfte. Er scheint die richtige Stimme für seine krude Mischung aus progressivem Metal, Extren-Drumming und Instrumenten aus völlig anderen Stilistiken zu sein. Hört man das Ergebnis, kann man ihm nur zustimmen. Aber ich will hier nicht vorgreifen, denn wir sind ja noch beim Personal. Neben den drei Herrschaften – Tiso spielt auch Bass – hören wir auf dem Album noch Bruce Lamont am Bariton-Saxophon, sowie Fester und Kevin Hufnagel (DYSRYTHMIA) an den Sologitarren. Ja, richtig gelesen: Ein Saxophon! Der gute Mann ist unter anderem schon bei BIBLE OF THE DEVIL blasend in Erscheinung getreten und somit nicht komplett szenefremd. Allerdings ist das, was uns auf "Howling Sycamore" bietet, eine komplett andere Nummer.
Schon der rasante Opener 'Upended' hat mich mit seiner extrem hektischen Rhythmik sofort am Haken. Erstaunlich, erschreckt das Blasinstrument als direkter Kontrahent zur immer solierenden Gitarre, den Heavy-Metal-Hörer vom ersten Moment an mit jazzigem Gequietsche. Darüber schreit sich Jason die Lunge aus dem Hals und bildet so eine Art roter Faden in dem Notendschungel der Instrumentalisten. Aus den Ideen dieser knappen sieben Minuten basteln andere Bands ganz Diskographien. Das kann man anstrengend finden oder völlig grandios. Ich bin aufgrund des Sängers sicherlich mit leicht rosafarbenen Ohren an diesen Tonträger heran gegangen, war aber aufgrund meiner leichten Saxophon-Aversion sehr skeptisch. Völlig unberechtigt, denn alles ergibt zusammen einen Sinn. Sogar die Blastbeats, die ich in der Regel nicht mag. Hannes klöppelt aber bei allem Notenüberfluss immer so mitreißend, dass ich keine Probleme habe, ihm zu folgen. Da muss ich dann auch gleich die erstklassige Produktion loben, die eine ungewohnte Transparenz aller Beteiligten erzeugt.
Hat man sich von dem Schock des klug gewählten Openers erholt, legt man mit 'Obstinate Pace' dampframmend-swingend nach. Über einer Gitarrenwand, groovt sich Hannes die Finger blutig und vergisst dabei gelegentlich, dass er nicht die Vertonung einer Wasserbüffelstampede einspielen soll. Die herrlichen Leadgitarren sorgen für eingängige Übermalungen, während das Saxophon beweist, dass es auch über einer Doublebass ganz schön relaxed klingen kann. Kontrast, Alter! Das denkt sich auch Jason, der zuerst fast hypnotisch und schlussendlich dann hysterisch klingt. Herzfrequenz: Stark steigend.
Mit 'Let It Fall' kommt das Groove-Monster aus dem Hinterhalt. Selbst in so einem Song, der minutenlang fast stoisch vor sich hin drückt, gelingt es der Bande massiv spannende Elemente einzubauen. Mittendrin wird dann das Tempo verschleppt und plötzlich trötet es wieder. Ich erwische mich beim permanenten Ganzkörperwippen und muss bin verwirrt. Nach einem kurzen 'Intermezzo' geht es rockig weiter. 'Midway' wird von einer cleanen Gitarre über einem permanent nach vorne galoppierenden Schlagzeug angetrieben. Mister McMaster singt extrem melodisch und überrascht erneut mit seinem Facettenreichtum. Musikalisch fühle ich mich als Unwissender leicht an LONG DISTANCE CALLING erinnert. Mittendrein schält sich eine zweite Melodiegitarre heraus und fiedelt neben dem Rest beschwingt herum. Großartig. Wie auch die abgestoppte Passage, in der Jason nur zum Schlagzeug singt. Am Ende gibt es dann sogar einen modernen THIN LIZZY-Gedenkpart. Luftnot.
'Chant Of Stillness' ist dann wohl meine sehr frühe Nummer Eins des Jahres 2018. Völlig überraschend handelt es sich hierbei um eine Art Ballade, bei der vor allem Jason eine Seite zeigt, die mir bisher völlig unbekannt war. Fast schwerelos singt er sich äußerst gefühlvoll durch die gezupften Noten der Hintergrundbegleitung, die lediglich von sporadisch eingesetzten Akkordfolgen ergänzt werden. Das ist Balsam für die Ohren und die Seele. Durchatmen vor dem nächsten Sturm. Dieser heißt 'Descend To Light' und fällt gleich mit Orkanstärke 12 über den Hörer her. Leichte Parallelen zur Eröffnungsnummer, ohne dass hier auch sofort die Solokeule hereinbricht. Vielmehr agiert man hier so dicht am reinen Heavy Metal wie sonst nirgendwo auf dem Album. Natürlich überholt sich Hannes irgendwann selbst, was dazu führt, dass die Herrschaften danach erstmal kurz verschnaufen müssen, nur um danach mit strudelnden Gitarren den Hörer komplett aufzusaugen. Schlussendlich gibt einen das instrumentale 'Dysphoria' wieder frei, allerdings mit dem unweigerlichen Verlangen sofort erneut auf "Play" zu drücken.
Dieses Album ist der pure Wahnsinn! Und zwar im Wortsinn.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Holger Andrae