ARCTIS: Teil 1 des Gesprächs mit der Band
30.10.2024 | 22:21Manchmal werden Interviews so schön und ausführlich, dass man gar nicht zum Ende kommen will. Das ist auch der Grund, weshalb wir das folgende Gespräch in zwei Teile gesplittet haben. Denn wie ihr lesen werdet, hatte die ARCTIS-Mannschaft sehr viel zu erzählen, um sich natürlich euch auch erst einmal vorzustellen. Die Modern-Metaller aus dem herrlichen Finnland sind mit ihrem selbstbetitelten Debüt am Start und da es zumindest mich ziemlich beeindruckt, baten wir die Band zum Gespräch. Es geht um Finnland, die Bestimmung, eine Band zu gründen, und einen starken Partner an der Seite. Vorhang auf für den ersten Teil.
Hallo und danke für die Beantwortung meiner Fragen. Wie geht es euch, wie ist die Stimmung bei ARCTIS?
Björn (Gitarre): Grüße, Marcel. Die Stimmung hier ist so heftig wie ein Schneesturm und so mächtig wie die Nordlichter. Wir bereiten uns darauf vor, unsere Musik auf die Welt loszulassen, und die Energie innerhalb von ARCTIS baut sich auf wie ein Sturm, der bereit ist, loszubrechen. Es ist eine aufregende Zeit, und wir können den Puls der Vorfreude fühlen, der uns durchströmt. Unsere Crew ist stark, und gemeinsam sind wir bereit, diese Reise ins Unbekannte anzutreten. Eiskräfte voll aufgeladen!
Da ihr Anfang November euer Debütalbum veröffentlicht, gibt es sicherlich einige Leser, die euch noch nicht kennen. Das wollen wir jetzt ändern! Wie kam es zur Gründung von ARCTIS und mit welcher Absicht habt ihr die Band gegründet?
Alva (Gesang): ARCTIS ist entstanden, als wir uns musikalisch an einem Scheideweg befanden. Wir hatten an Material für eine frühere Band gearbeitet, aber mit der Zeit entwickelte sich der Sound zu etwas viel Größerem und Ausgeprägterem als das, was wir ursprünglich vorhatten. Es war einer dieser Momente, in denen man merkt: "Moment mal, das ist nicht mehr das Gleiche - das ist etwas völlig Neues, und es braucht eine eigene Identität." In diesem Moment wussten wir, dass wir ARCTIS gründen mussten. Wir wollten nicht nur eine Band machen, sondern ein Universum erschaffen. Wir wollten alles mischen, was wir lieben: schweren, modernen Metal, eingängige Pop-Elemente und cineastische, fast filmähnliche Klanglandschaften. Wir dachten: "Warum sollten wir uns auf ein Genre beschränken, wenn wir so viele verschiedene Einflüsse nutzen können?" So begann ARCTIS Gestalt anzunehmen. Es ist eine Verschmelzung all dieser Gegensätze - Metal und Pop, hell und dunkel, Natur und Technologie, Fantasie und Realität.
Ein großer Teil dessen, was uns angetrieben hat, war die Tatsache, dass wir nicht einfach nur Musik machen wollten, sondern eine Geschichte erzählen wollten - eine, die die Fans interpretieren und an der sie teilhaben können. Covid hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, aber wir haben uns davon nicht unterkriegen lassen. Da wir nicht live auftreten konnten, haben wir unsere ganze Energie in die Entwicklung der visuellen Seite von ARCTIS gesteckt. Der Weg dorthin, wo wir jetzt sind, war gefüllt mit nächtlichen Studio-Sessions, ständigem Tweaking und einer Menge Aufregung, als wir merkten, dass wir etwas Einzigartiges geschaffen hatten. Die bisherige Resonanz ist erstaunlich, und wir stehen erst am Anfang. Also, für alle, die ARCTIS noch nicht kennen: Willkommen in der Welt, die wir geschaffen haben! Es ist nicht nur Musik - es ist ein Universum.
Ihr seid schon sehr früh in den Schoß von Napalm Records geraten. Wie fühlt es sich an, bei einem solchen Label von Anfang an dabei zu sein?
Mika (Schlagzeug): Ehrlich gesagt war es ein wilder Ritt, und wir versuchen immer noch, ihn zu verarbeiten! Napalm Records ist ein Label, zu dem wir immer aufgeschaut haben, weil sie so viele der Bands unter Vertrag haben, die wir bewundern. Von Fans ihres Roster zu einem Teil davon zu werden - das ist etwas, das wir so früh in unserer Reise nie erwartet hätten. Als wir ARCTIS gründeten, wussten wir, dass wir hoch hinaus wollten, aber bei Napalm zu landen, war ein wahr gewordener Traum. Was noch aufregender ist, ist, dass es nicht einfach über Nacht passiert ist. Wir haben wirklich verdammt hart an unserem Material, unseren visuellen Effekten und dem Gesamtkonzept der Band gearbeitet. Es ging nicht nur darum, gute Musik zu machen - es ging darum, etwas Zusammenhängendes zu präsentieren, etwas, das herausstechen würde. Wir haben unzählige Stunden im Studio verbracht, um unseren Sound zu perfektionieren, und noch mehr Zeit damit verbracht, herauszufinden, wie wir unsere Bühnenpräsenz, unsere Bildsprache und unsere Geschichten so episch gestalten können wie unsere Musik. Wir wollten sicherstellen, dass wir ARCTIS auf die bestmögliche Art und Weise präsentieren, wenn wir uns bei Napalm vorstellen. Zum Glück hat sich all die harte Arbeit ausgezahlt!
Wir haben uns riesig gefreut, als Napalm auf uns zugekommen ist und Interesse bekundet hat. Es ist eine Sache, an seine eigene Vision zu glauben, aber wenn ein Label wie Napalm hinter einem steht, fühlt sich das wie eine große Bestätigung an. Sie haben uns vom ersten Tag an unterstützt und uns die kreative Freiheit gegeben, die Grenzen dessen, was wir mit ARCTIS machen wollen, wirklich zu erweitern. Von Anfang an bei einem so angesehenen Label unter Vertrag zu sein, bringt allerdings auch einen gewissen Druck mit sich. Wir wollen ihrem Vertrauen und dem Erbe der anderen Bands, mit denen sie gearbeitet haben, gerecht werden. Gleichzeitig ist es aber auch eine unglaubliche Motivation. Wir sind bereit, jede Herausforderung anzunehmen, die sich uns bietet, und mit Napalm im Rücken haben wir das Gefühl, dass wir das richtige Team haben, um wirklich etwas zu bewirken.
"Arctis" steht in den Startlöchern und ihr zelebriert sehr eingängigen modernen Metal. Welche Einflüsse bestimmen den Sound von ARCTIS und inwieweit hat euch auch eure finnische Heimat beeinflusst?
Alva: Bei unserem Sound dreht sich alles um Kontraste, und ich denke, das spiegelt wirklich wider, wo wir herkommen - aus Finnland. Der Einfluss dieses Landes ist unbestreitbar. Genau wie die Jahreszeiten hier wechselt auch unsere Musik zwischen hell und dunkel, schwer und melodisch, hart und ätherisch. Im Winter sind wir von tiefer, endloser Dunkelheit umgeben - diese Abgeschiedenheit hat eine gewisse Intensität. Sie ist kalt, rau, und sie zieht etwas Gewaltiges aus dir heraus. Im Sommer dagegen ist es immer hell, und plötzlich gibt es diesen Ausbruch von Leben und Energie, der sich fast euphorisch anfühlt. Dieser Kontrast zwischen den Extremen ist etwas, das wir in unsere Musik einfließen lassen - genau wie unser Land ist ARCTIS eisig und wild, aber es gibt auch eine Wärme, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Musikalisch schöpfen wir aus so vielen Quellen. Im Mittelpunkt steht natürlich der moderne Metal - Bands wie BRING ME THE HORIZON und WITHIN TEMPTATION haben uns stark beeinflusst. Aber wir fühlen uns auch zu cineastischen Elementen und Pop-Melodien hingezogen, die im Gedächtnis bleiben. Man hört in unseren Songs große, epische Klanglandschaften, fast wie bei einem Soundtrack zu einem Film, aber man findet auch diese eingängigen Hooks, bei denen man nicht anders kann, als mitzusingen. Wir wollten etwas schaffen, das Grenzen überschreitet, das sich frisch und vertraut zugleich anfühlt.
Auch visuell kann man den Einfluss Finnlands erkennen – "Arctis" ist wie eine Verschmelzung von arktischer Natur und futuristischen Techno-Elementen. Es ist, als würden die Nordlichter über einer futuristischen Welt leuchten. Die kalten, eisigen Töne des Nordens, gemischt mit etwas Modernem und Technischem. Genau dort fühlen wir uns wohl - an der Schnittstelle zwischen Natur und Technologie, Licht und Dunkelheit, Metal und Pop. In gewisser Weise ist unsere Heimat also in alles eingebettet, was wir tun. Finnland ist ein Land der Extreme, und das ist genau das, was ARCTIS repräsentiert - das Schieben und Ziehen zwischen den Kontrasten, aber immer die Schönheit in der Balance zu finden.
Ihr konntet sehr renommierte Kollegen für Mixing und Mastering gewinnen. Inwieweit haben Jimmy, Stefan und Svante den Sound von ARCTIS beeinflusst und wie war es, mit diesen Namen zu arbeiten?
Michael (Gitarre): Die Arbeit mit Jimmy Westerlund, Stefan Glaumann und Svante Forsbäck war wie der Eintritt in eine magische Werkstatt, in der jede Note und jeder Sound verfeinert und in etwas Außergewöhnliches verwandelt wird. Jeder von ihnen hat seine eigene Art von Magie in das Projekt eingebracht, und sie haben unseren Sound auf eine Weise geformt, die wir nicht erwartet haben - aber unbedingt gebraucht haben.
Fangen wir mit Jimmy an - er war von Anfang an dabei und hat uns entscheidend dabei geholfen, den ersten Sound von ARCTIS zu finden. Er hat uns wirklich dazu gedrängt, verschiedene Ideen zu erforschen und Metal und Rock mit Pop und cineastischen Elementen auf eine Art und Weise zu mischen, die uns als Musiker herausforderte. Manchmal waren wir bis spät in die Nacht im Studio, und wie aus dem Nichts schlug Jimmy diese wilde Idee oder Veränderung vor, die die Richtung eines Songs komplett veränderte - zum Besseren, natürlich! Seine Energie ist ansteckend, und er gibt sich nie mit weniger als dem Unglaublichen zufrieden.
Und dann ist da noch Stefan Glaumann - der legendäre Mischer hinter Bands wie RAMMSTEIN und APOCALYPTICA. Wir waren so begeistert, ihn an Bord zu haben. Mit Stefan zu arbeiten, war, als ob ein Bildhauer käme und die rauen Kanten unserer Songs wegmeißelt. Er nahm das, was wir geschaffen hatten, und polierte es zu etwas, das sich überlebensgroß anfühlte. Es gab auch ein paar lustige Momente - zum Beispiel, als wir ihn baten, diese winzigen Überblendungen und winzigen Details, die wahrscheinlich niemandem je auffallen würden, mehrfach zu überarbeiten. Stefan dachte wahrscheinlich, wir würden den Verstand verlieren, aber er war super geduldig, und am Ende hatten wir Abmischungen, die unglaublich klingen. Ich meine, wenn man so lange im Studio ist, wird die Beschäftigung mit Details zu einer Lebenseinstellung!
Und schließlich Svante Forsbäck - er ist die Art von Mastering-Engineer, bei dem man sich völlig wohl fühlt. Wir hatten schon vorher mit ihm gearbeitet und wussten, dass wir in guten Händen waren. Es war immer aufregend, die gemasterten Tracks von Svante zurückzubekommen, denn er hat diese Art, alles genau richtig zum Klingen zu bringen. Die Balance, die Tiefe, der Punch - es ist alles da, und man hat das Gefühl, dass er das volle Potenzial eines jeden Tracks herausholt. Er ist der Mann, den man am Ende des Produktionsprozesses dabei haben möchte, weil er genau weiß, wie man seine Musik zum Strahlen bringt. Alles in allem haben diese Drei wirklich das Beste aus uns herausgeholt. Die Zusammenarbeit mit solch renommierten Namen war eine Mischung aus Ehrfurcht und Aufregung - sie verstanden unsere Vision und hoben sie auf ein neues Niveau. Wir hätten uns kein besseres Team wünschen können, um ARCTIS zum Leben zu erwecken.
Ich mag die Single 'I'll Give You Hell' sehr. Wie sehr repräsentiert der Song das ganze Album? Und wem genau wird die Hölle heiß gemacht?
Alva: Ich bin so froh, dass dir 'I'll Give You Hell' gefällt! Dieser Song fängt definitiv viel von der Energie und Einstellung ein, die sich durch das ganze Album zieht. Er ist schnell, kraftvoll und voller Trotz - genau das, was wir vermitteln wollten, als wir diesen Song zusammenstellten. Es ist einer dieser Songs, der dich am Kragen packt und nicht mehr loslässt. Aber während 'I'll Give You Hell' einen Vorgeschmack auf die raue, eingängige Seite von ARCTIS gibt, erkundet der Rest des Albums eine Reihe von Emotionen, Tönen und Texturen. Es ist für jeden etwas dabei, von energiegeladenen Hymnen bis hin zu tieferen, introspektiven Tracks.
Die Frage, wem die Hölle heiß gemacht wird, ist offen für Interpretationen. Das ist das Schöne daran. Auf einer Ebene geht es in dem Song darum, die eigene Macht zurückzuerobern. Es geht darum, das Drehbuch umzudrehen und sich zu weigern, das Opfer von jemandem zu sein. Wer oder was auch immer versucht hat, dich zu kontrollieren oder zu Fall zu bringen - das ist derjenige, dem in diesem Song die Hölle heiß gemacht wird. Das können innere Kämpfe sein, wie Zweifel oder Ängste, oder äußere Kämpfe, wie Menschen, die dich unterschätzen oder dir im Weg stehen. Es geht darum, sich zu behaupten und zu sagen: "Du dachtest, du hättest die Oberhand, aber weißt du was? Ich habe jetzt die Kontrolle." Wir wollten aber auch, dass der Song Spaß macht - etwas, bei dem man mitschreien kann, egal ob im Auto, auf einer Party oder bei einer unserer Shows. Diese Art von Energie zieht sich durch einen Großteil des Albums. Selbst wenn wir uns mit schwereren Themen wie psychischen Problemen oder existenziellen Fragen auseinandersetzen, versuchen wir immer, ein Gefühl der Ermächtigung und Befreiung zu vermitteln. In diesem Sinne ist 'I'll Give You Hell' eine großartige Darstellung dessen, worum es bei ARCTIS geht - sich durch die Dunkelheit zu kämpfen, Stärke zu finden und natürlich allem die Hölle heiß zu machen, was versucht, uns aufzuhalten!
Erfahrt im zweiten Teil mehr über die konzeptionelle Ausrichtung der Platte, ein zwar ungewöhnliches, aber doch passendes Cover und das Geheimnis Finnlands. Stay tuned!
Hier kommt ihr zum zweiten Teil.
- Redakteur:
- Marcel Rapp