ARMORED SAINT: Interview mit John Bush

31.10.2020 | 18:06

Dass ARMORED SAINT die beste Heavy-Metal-Band der Welt ist, steht für den Autor felsenfest und wird unlängst durch "Punching The Sky" einmal mehr bewiesen. Grund genug, um mit John Bush zu quatschen.

"Hast du schon gehört? Trump hat Corona", eröffnet der bestens gelaunte Sänger das Gespräch. "Er hat ja auch wirklich darum gebettelt", lacht John weiter, stellt aber auch klar: "Ich habe Freunde auf beiden Seiten, Demokraten und Republikaner, denn es ist für mich nicht weiter entscheidend, was jemand wählt, solange er ein anständiger Mensch ist. Ich bin keiner, der blind einer Partei oder einem Präsidenten folgt. Ich finde es wichtig, sich selbst eine Meinung zu bilden. Und da kann es natürlich passieren, dass ich bei einem Thema auf der einen und beim nächsten Thema auf der anderen Seite bin. Das Problem mit Trump ist einfach, dass er verrückt ist und diese Verrücktheit das Land spaltet und er sie außerdem in die Welt hinausträgt. Ich meine, hier ist es gerade wirklich am Gären und wir stehen kurz vor der Explosion, von daher würde uns ein wenig Gelassenheit echt mal gut tun. Nicht, dass ich glaube, dass wir sie bekommen, falls Trump abgewählt wird, aber es wäre schon schön sie mal zu haben."

Entspannung gab es gerade in Kalifornien zuletzt nicht. Da gab es nicht nur CoVid-19, sondern auch noch die Waldbrände. "Ja, Kalifornien hat in den letzten Monaten noch mal extra gelitten, aber es war zuletzt generell nicht so einfach. Wenn du durch L.A. gehst, siehst du immer mehr Schmutz, immer mehr arme Leute, nicht mehr nur in den heruntergekommenen Vierteln, sondern sie sind überall. Es gibt immer mehr Arbeitslosigkeit. Und die Regierung, übrigens Demokraten, scheint nichts zu tun, um die Probleme zu lösen, um zu helfen. Stattdessen werden die Olympischen Spiele nach Los Angeles geholt. Ich verstehe das nicht. Aber na ja, es hat auch etwas Gutes: Es mangelt nicht an Inspirationen für Songs", lacht John.

armored saint punching the sky

Aber genug von der Politik, reden wir über die Musik. Meiner Einschätzung, dass "Punching The Sky" eine Mischung aus der Gelassenheit von "La Raza" und der Energie von "Win Hands Down" ist, stimmt John nur bedingt zu. "Ich finde, alle unsere Alben zeigen diese beiden Seiten. Ja, vielleicht einige etwas mehr und andere etwas weniger, aber für mich ist das einfach ARMORED SAINT. Das ist es, was uns ausmacht und wie du selbst richtigerweise sagst, verbinden auf "Punching The Sky" einige Songs auch beide Seiten. Ich finde zum Beispiel 'Lone Wolf' und 'My Jurisdiction' ziemlich heavy. Die Nummern haben diesen typischen Gonzo-Vibe, diesen Groove. Und das ist etwas, das gab es auch schon auf "March Of The Saint" bei 'Stricken By Fate'. Von daher würde ich dir weder Recht geben noch Unrecht. Das ist einfach, was wir sind und das ist die Musik, die wir lieben und machen wollen."

Diese Liebe und auch dieses Selbstbewusstsein ist etwas, das vor allem bei den Alben seit der Reunion auch immer durchscheint. "Ja, wir haben einfach keine Verpflichtung mehr, sondern die totale Freiheit. Ich habe neulich zu den Jungs gesagt, dass ARMORED SAINT eigentlich fast ein Hobby ist und habe damit erst einmal für Erstaunen und Widerspruch gesorgt. Aber ich meine ja nicht, dass die Musik nicht so gut wie möglich sein soll oder wir unsere Platten nicht mehr professionell abmischen lassen, aber wir sind halt unabhängig. Die Band sorgt für etwas zusätzliches Einkommen, aber keiner von uns muss oder könnte davon leben. Wir machen es alle vor allem, weil wir Spaß daran haben, weil wir Freunde sind und zusammen Zeit verbringen wollen. Und jedes Album könnte auch unser letztes sein, weil man eben nie weiß, was passiert. Klar, manche Bands rocken es noch in ihren Siebzigern wie UFO oder URIAH HEEP, aber wir können das ja nicht voraussetzen. Deshalb fühlen sich die letzten Alben vielleicht so an, weil wir immer mit dem Gedanken daran gegangen sind, dass es auch das letzte sein könnte. Und das, was wir kontrollieren können, ist die Qualität. Und ich denke, wir sind mittlerweile wirklich gute Songwriter geworden. Also versuchen wir immer die bestmögliche Qualität abzuliefern, da kann dann niemand sagen, dass wir am Ende aber mies waren", lacht John.

armored saint

Natürlich gibt es auch musikalisch wieder ein paar Überraschungen, über die man sprechen muss. Da ist zum Beispiel das sehr traurige, beinahe bedrückende 'Unfair'. "Ja, der Song ist in der Tat sehr traurig und bedrückend, auch wenn ich finde, dass er am Ende schon auch einen Hauch Optimismus durchlässt. Die Geschichte dazu ist auch wirklich tragisch, denn der Song handelt von zwei Kids, die mit meiner Tochter auf die Schule gegangen und bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind. Und ich kannte die Eltern von Elternabenden und die Kids so ein wenig von Schulveranstaltungen und als ich das gehört habe, wollte ich darüber einen Song schreiben. Es ist gar nicht so, dass die Kinder oder die Familie unserer Familie besonders nahe gestanden hat, aber dennoch hat mich das wirklich mitgenommen, weil es eben so plötzlich und so unfair war. Ich habe dann mit den Eltern gesprochen und ihnen erzählt, dass ich einen Song darüber machen möchte und sie waren sehr gerührt und haben gleich ihr Okay gegeben", erzählt John, dem das Thema auch immer noch merklich nahe geht. "Die Eltern, die wirklich tolle, interessante Menschen sind und beide auch als Künstler ihr Geld verdienen, haben mittlerweile den Song gehört und sie mögen ihn sehr gerne. Ich werde ihnen in den nächsten Tagen dann das fertige Produkt bringen und hoffe, dass ihnen das bei diesem tragischen Verlust zumindest ein bisschen hilft."

Textlich ebenfalls interessant ist 'End Of The Attention Span', das sich unter anderem den sozialen Medien widmet. "Ja, das ist schon etwas, was mir immer und immer bewusster wird. Und es sind ja nicht nur die Kids, die Erwachsenen sind ja kaum besser. Ich habe schon erlebt, wie Eltern ihren Kleinkindern ein Smartphone gegeben haben. Das ist doch verrückt. Die Kinder saugen so viele Eindrücke von allem, was um sie herum passiert, auf, die brauchen doch kein Smartphone bevor sie laufen können. Aber ich habe sowieso den Eindruck, dass Eltern das machen, damit sie Ruhe vor ihren Kindern haben und sich selbst ihren Telefonen oder Tablets widmen können. Das gefällt mir alles gar nicht. Klar, die Technologie hat natürlich auch große Vorteile, gerade jetzt während der Pandemie. Leute können von zuhause aus arbeiten, wir können dieses Interview per Videochat führen, das ist alles super. Aber ich habe zum Beispiel keinen Account bei sozialen Medien, brauche ich auch nicht. Wenn Leute sagen, dass sie so einfacher in Kontakt mit anderen Leuten bleiben können, ist das natürlich nicht falsch, aber meist redet man ja gar nicht miteinander, sondern sieht nur, was der andere so treibt. Und dann kontaktiert mich irgendein Bekannter von der High School von vor 30 Jahren? Nee, es hat ja auch einen Grund, warum man 30 Jahre keinen Kontakt hatte. Aber gut, man kann da die Uhr wohl auch nicht mehr zurückdrehen."

Redakteur:
Peter Kubaschk
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