ATRIUM NOCTIS: Interview mit Hydra

16.03.2011 | 19:59

Als Musiker eigene Kompositionen und Emotionen künstlerisch umzusetzen und dabei auch noch erfolgreich ein größer werdendes Publikum zu erreichen – das mag der Traum vieler sein, die beginnen,  sich einem musikalischen Projekt zu widmen.
Die Kölner Melodic-Black-Metal-Band ATRIUM NOCTIS erlebt selbst, wie schwierig dieser Prozess voranzutreiben ist und lässt sich dennoch nicht davon abhalten, einen eigenständigen Weg einzuschlagen. Bandgründerin Hydra berichtet.

Erika:
Zunächst möchte ich dich bitten, die Band noch mal kurz vorzustellen. Auch wenn Ihr keine Neulinge im Geschäft seid, findet sich über euch als Musiker auf eurer Homepage nur wenig.  Daher: Wer seid ihr und wie habt ihr euch zusammengefunden?

Hydra:
Ja, was möchtest Du jetzt hören? Wir sind alle Musiker mit langjähriger Erfahrung und in verschiedenen Jobs tätig. Daher sind wir auch gezwungen,  unser bürgerliches Leben und unser Leben als Musiker zu trennen.
Die Bandgründung war eigentlich reiner Zufall. Ursprünglich habe ich für die Vertonung eines Kurzfilms nur ein paar Musiker gesucht, die dieses Projekt mit mir zusammen umsetzen wollten. Letztendlich hat sich dann aber die Zusammenarbeit als so erfolgreich und befriedigend für alle gestaltet, dass wir beschlossen, als feste Band zusammen zu bleiben.

Erika:
Über dich, Hydra,  ist zu lesen, dass du Musik studiert hast und deine musikalischen Einflüsse mit Brahms, Beethoven und Mussorgsky Komponisten der Klassik und Romantik umfassen. Was verbindet dich mit diesen Epochen? Wie schlägst du den Bogen zwischen ernster Musik und Black Metal?

Hydra:
Die Umsetzung intensiver Gefühle in große und phantasievolle Klangbilder, wie es die russischen Komponisten der Romantik umsetzten, hat mich schon in meiner Jugend fasziniert. Diese Musik wurde übrigens von ihren Zeitgenossen damals auch gern als Kitsch abgetan. Die Motive bieten eine hervorragende Vorlage für’s Songwriting und werden mit den Stilmitteln des Metal kombiniert. Durchkomponierte Linien für jedes Instrument, unter Berücksichtigung klassischer Kompositionsgrundlagen, bilden dann das Gesamtwerk.

Erika:
Nachdem ATRIUM NOCTIS im Jahre 2002 gegründet wurde und in den Jahren 2004 und 2005 zwei CDs und eine DVD erschienen sind, ist es veröffentlichungstechnisch zwischen 2005 und 2010 etwas still um euch geworden. Was war der Grund dafür und wie hat die Band sich in dieser Zeit entwickelt?

Hydra:
Oh, wir hatten immense Probleme, einen neuen Sänger zu finden. Als wir den endlich hatten, ist während der CD-Produktion unser Gitarrist Scathar über ein Jahr lang so schwer erkrankt, dass wir nicht wussten, ob er überhaupt jemals wieder spielen würde. Als er wieder da war, beschloss er, sich ein neues Equipment zu kaufen und alle Gitarrenlinien der CD neu einzuspielen. Das ließ unser Bassist Orpheus nicht auf sich sitzen und machte es ebenso. Ganz ehrlich: Es war eine gute Sache, aber es hat uns JAHRE gekostet.

Erika:
Gehe ich recht in der Annahme, dass ihr euch dem Genre des Black Metals verbunden fühlt? Das Schubladen-Denken ist ja immer heikel!
Steht hinter eurer Musik eine bestimmte Haltung, eine religiöse oder weltanschauliche Perspektive?

Hydra:
Unsere Wurzeln sind zur Zeit der Bandgründung musikalisch gesehen schon im Black Metal anzusiedeln gewesen. Heute ist es für uns selbst jedoch schwer zu sagen, welche Schublade für uns noch wirklich passt. Da wir beschlossen haben, uns von diesem Denken frei zu machen und nur noch ganz ehrlich unsere Musik zu spielen, sind Einflüsse des Folk und Epic Pagan in sehr melodischer Umsetzung nicht mehr von der Hand zu weisen. Politisch und religiös absolut neutral wollen wir einfach nur die Musik, die in uns ist, so gut wie möglich spielen und an den Mann bringen.



Erika:
Ich finde, ihr habt für eure aktuelle CD ein recht aufwändiges und ansehnliches Booklet kreiert. Durchaus stimmungsvoll – wenn auch ein bisschen kitschig – ist das Bild zum letzten Track 'Eternal Gardens'.
Was hat es denn auf sich mit dem Zuhause, wo die Seelen ruhn?  
Welche Story insgesamt steckt hinter "Home"?

Hydra:
Thematisch dreht sich das neue Album "Home"  um den Übergang vom Leben zum Tod, den Moment davor, Hoffnungen, Ängste und Unvorhersehbarkeit. "Home" bedeutet für uns die Auseinandersetzung mit der großen Sehnsucht nach Hause zu kommen - menschlich, seelisch, räumlich, musikalisch und auch am Lebensende. Gefühle wie Ehre, Trauer oder Schmerz darzustellen ist natürlich in der heutigen Zeit ein Wagnis, aber letztendlich auch kein völlig neues, sondern ein zeitloses Thema, das mit ebensolchen Mitteln von uns bearbeitet wird.

Erika:
Warum gibt es mit 'Spuren eines Wolfes' einen einzigen Song in deutscher Sprache auf der Scheibe? Ich finde den Text ein bisschen zu typisch für das Pagan-Genre. Das gezeichnete Bild vom einsamen Wolf in der Kälte, eingebettet in Begriffe wie Frost, Nacht, Schmerz, Tod, Wald, Mond, Eiche. Habt ihr nicht selbst dein Eindruck, hier ein ziemlich abgenutztes Klischee zu bedienen?

Hydra:
Oh, so gesehen magst du Recht haben.
Es ist jedoch ein verschlüsselter Abschiedssong über eine große Liebe, in dem die Komponistin und der Lyriker ihre Trennung voneinander verarbeiten. Wir fanden hier den Text auf Deutsch authentischer und klanglich ansprechender. Dabei geht es also keineswegs um Wölfe, die Nacht oder den Schnee. Der Titel gibt allerdings einen kleinen Hinweis auf den Namen des Mannes, dem der Song gewidmet ist.

Erika:
Gar nicht klischeehaft, sondern sehr reizvoll finde ich die Idee, die Songs mit Variationen eines Beethoven-Werkes zu untermalen. Wie seid ihr darauf gekommen?

Hydra:
Als wir die Erstfassung der "Home" hörten, fanden wir die Songs in ihrer Abfolge zu mächtig und für den Hörer möglicherweise auch erschlagend. Also überlegten wir zunächst, Variationen der einzelnen Stücke als Zwischenparts zu nehmen um die Stimmung erst mal wieder etwas zu neutralisieren und zu beruhigen. Diese zeigten aber nicht die gewünschte Wirkung. Ein relativ unbekanntes Werk des großen Ludwig  zu nehmen und zu verarbeiten war ein lang gehegter Traum von mir und als Zwischenparts zunächst ein Experiment. Dass diese Variationen so viel Beachtung finden würden, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht gedacht.

Erika:
"Home" ist ja nun schon einige Wochen auf dem Markt. Wie hat sich euer Bandalltag seitdem entwickelt? Bemerkt ihr eine Art Anschubwirkung hinsichtlich der Verpflichtung zu Live-Konzerten?

Hydra:
Ach, Erika, DAS wäre schön! Egal wie wir uns abstrampeln: Es passiert einfach zu wenig.

Erika:
Wie ambitioniert seid ihr, um mit der Band ein höheres Maß an Popularität zu erlangen? Ist das überhaupt ein wichtiges Thema?

Hydra:
Das ist schon ein Thema. Natürlich sind wir nicht allein Musiker geworden, um bekannt zu werden, sondern erst mal um die Musik zu spielen, die wir mögen. Aber eine größere Popularität wäre schon die Anerkennung, die wir uns für jahrelanges Arbeiten und Investieren von Zeit, Kraft, Ideen und Geld wünschen. Dazu lassen wir nichts unversucht: Wir machen Werbung, schalten Anzeigen, treten auf, veranstalten selbst Konzerte, CD-Release Parties, machen durch Merchandise-Artikel und give aways auf uns aufmerksam und achten auf eine hohe Internetpräsenz. Aber letztendlich sind wir keine Werbefachleute und es ist in der Branche einfach schwer.

Erika:
Was würdet ihr gerne musikalisch bzw. kompositorisch künftig noch umsetzen?
Könntest du dir vorstellen, mit einem Orchester zu arbeiten? Ich finde jedenfalls, dass das eurer Musik gut zu Gesichte stehen würde. Dass das auch eine Frage des Budgets ist, ist natürlich klar. Siehst du das auch so?

Hydra:
Also mit einem Orchester zu spielen, ist natürlich ein Traum. Aber wie Du schon sagtest, finanziell kaum zu realisieren. Ich denke, wir werden uns 2012 erst mal mit größeren Sequenzer-Programmen beschäftigen und so ein künstliches Orchester erschaffen. Dann sehen wir weiter.

Erika:
Euer Album wurde mir von Markus, vom Online Mag METALMESSAGE.de nahegelegt, der eure Musik mit den Frühwerken von DIMMU BORGIR vergleicht. Wie beurteilst du die Entwicklung eurer Band angesichts eines solchen Vergleiches bis heute?

Hydra:
Uns ehrt es natürlich, mit so namhaften Bands in einem Atemzug genannt zu werden.  Wir sind aber mittlerweile viel melodischer geworden, setzen auf zweistimmiges Spiel und haben einige Epic Sinfonic Pagan- Parts in den Songs.  

Erika:
Und zum Schluss: Gibt es etwas Wichtiges, das du gerne noch los würdest? Dann jetzt!

Hydra:
Kauft die CD "Home" von ATRIUM NOCTIS! Die wird mal der absolute Kult.

Erika:
Danke und meine guten Wünsche für euren weiteren Weg!



Redakteur:
Erika Becker

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