AUGUST BURNS RED: Interview mit Matt Greiner
28.06.2013 | 07:14Der sympathische Ausnahmeschlagzeuger stand uns kurz vor der Veröffentlichung der neuen AUGUST BURNS RED-Platte und aktuellen Genrereferenz "Rescue & Restore" Rede und Antwort. In einem ebenso ungezwungenen wie tiefgründigen Gespräch plauderte Matt über musikalische Ambitionen, Lebensperspektiven - und Anlagebetrug.
Die jungen Metalcoreplatzhirsche aus Lancaster befinden sich am Anfang der fast zweimonatigen WARP TOUR in den USA, um ihr neues Album zu promoten, welches den Autor dieser Zeilen bereits zu euphorischen Lobeshymnen veranlasst hat. Kurz vor dem offiziellen Start der Tournee nahmen wir die Möglichkeit wahr, die Band telefonisch zu ihrem neuen Werk zu befragen, und erreichten Matt Greiner am Nachmittag vor einer Show. "Wir spielen ganz gerne vor solch einer großen Tour noch ein paar Aufwärm-Gigs, und unsere Finger und Füße zu entkrampfen und mit dem neuen Material warm zu werden. Anschließend sind wir fast den ganzen Sommer über unterwegs, bis Mitte August." Und im September verschlägt es die Band wieder nach Europa. "So sieht's aus, und ich freue mich sehr darauf. Ich denke auf der Europa-Tour werden wir sogar noch mehr Songs von der neuen Platte spielen, da das Teil bis dahin schon eine Weile in den Läden sein wird."
"Rescue & Restore", das neue AUGUST BURNS RED-Album, wird mit Sicherheit neue Maßstäbe in Sachen Metalcore setzen und die Grenzen des Genres verschieben. Wie ist die Band selbst mit dem Album zufrieden? "Also ich persönlich bin nach wie vor sehr begeistert von unserer neuen CD, auch weil es diesmal eine echte Herausforderung war. Okay, alle unsere Alben hatten etwas Forderndes, aber diesmal haben wir uns ganz bewusst den Anspruch gestellt, etwas zu schaffen was wir in der Form noch nicht gemacht haben. Es hat natürlich eine Weile gedauert, bis jeder von uns an dem Punkt war, über das neue Material sagen zu können, okay, damit bin ich voll und ganz einverstanden. Manche Parts sind wirklich etwas gewöhnungsbedürftig. Doch als wir schließlich fertig waren und uns das Ergebnis anhörten, saßen wir nur lächelnd da und dachten, darauf können wir wirklich stolz sein. Es war einerseits eine Menge Arbeit, andererseits auch etwas gewagt, all diese verrückten Ideen so zusammenzusetzen, dass es einheitlich und überzeugend klingt. Aber jetzt... Ja, ich bin wirklich stolz darauf, ich kann es kaum erwarten bis es alle hören können, sich den Kopf zerbrechen, die einzelnen Stücke auseinandernehmen, oder einfach die Musik genießen..."
In der offiziellen Presseveröffentlichung zu "Rescue & Restore" ließ die Band wenig bescheiden verlauten, man wolle den "Wahnsinn in der Metalcore-Szene aufhalten, die Langeweile stoppen". Klingt ziemlich ambitioniert. Ist es das erklärte Ziel von AUGUST BURNS RED, das Genre zu revolutionieren oder sich gar davon abzusetzen? Matt beschwichtigt: "Naja, als unser Ziel würde ich es nicht bezeichnen. Ich möchte vor allem Musik machen, die andere Metalbands, oder Bands jeglicher Art inspiriert, und sie dazu anregen, sich Gedanken darüber zu machen, was für Musik sie schreiben. Ich selbst habe eine Lieblingsband, die Alben rausgebracht hat, bei denen ich mich fragte "Wie um alles in der Welt kommen die auf so etwas?!?" – ganz großartig, wirklich! Daran denke ich gerne, wenn ich die Schlagzeugparts für unsere CDs entwickle. Denn das ist es was ich möchte: Unseren Hörern und anderen Bands zeigen, dass es immer besser ist, kreativ zu sein, als nur zu imitieren. Sucht das Risiko, geht die großen Schritte, bleibt nicht auf den Pfaden, welche andere Bands vor euch schon gegangen sind." Also doch, ein erklärtes Ziel? "Das Ziel, selbst Original zu sein, hat sicherlich höchste Priorität, so gewinnt man die Aufmerksamkeit der Hörer. Ja, es ist auf alle Fälle ein sinnvolles Ziel, stets kreative Wege zu gehen statt in erster Linie zu kopieren."
Diesen Anspruch erfüllt AUGUST BURNS RED seit den Gründungstagen der Band. Sieht man sich unter diesen Aspekten denn überhaupt als Teil einer bestimmten Musikszene? "Wir sind mit Sicherheit nach wie vor eine Metalcore-Band. Oder sagen wir, eine Metalband. Bei uns findet man ja nach wie vor keinen Klargesang. Auf der neuen Platte gibt’s zwar ein paar Choreinlagen, aber im Großen und Ganzen bleiben wir geprägt vom Schreigesang." Ein Grund, weswegen seichtere Kost gewohntes Publikum mit Sicherheit nicht leicht Zugang findet zu eurer Musik. "Klar, alles was ein Nicht-Metal-Hörer bei uns wahrnimmt, ist das Schreien; damit ist die eigene Hörerschaft natürlich von vorne herein begrenzt. Aber wenn jemand Außenstehendes einige der Instrumental-Parts auf unserer neuen Platte hörte, würde er sicher sagen "Hm, das klingt jetzt wieder überhaupt nicht nach Metal", und hätte Schwierigkeiten es einzuordnen. Das ist irgendwie auch ganz gut so. Aber wie dem auch sei, wir sind und bleiben eine Metalband, und das wird sich mit Sicherheit nicht ändern."
Dabei fällt auf, dass "Rescue & Restore" einen deutlichen Schwerpunkt auf die Melodien der Instrumentalfraktion legt, als sei dies eine bewusste Vorgabe für das neue Album gewesen. "Gewiss wollten wir unseren Songs einprägsame Melodien zu Grunde legen, aber das hat sich teilweise auch einfach so im Entwicklungsprozess ergeben. JB (Gitarrist und Hauptsongwriter – TK) verbrachte Monate im Voraus damit, die Gitarrenparts für das Album zu schreiben. Als wir uns seine Ideen gemeinsam anhörten, stand es außer Frage, dass sich diese im Einklang mit unseren Vorstellungen von unserem Sound befinden, ebenso mit der Richtung unserer bisherigen Veröffentlichungen. Aber zugleich war es einfach noch ambitionierter, noch gewagter, noch melodiöser." In der Tat klingt "Rescue & Restore" geradezu magisch berauschend, gewagt, und doch wie aus einem Guss. "Die Magie kommt allerdings erst ins Spiel, wenn wir uns zusammenfinden und jeder seinen Teil spielt, die Lieder dann endlich als Ganzes erklingen und sich der typische AUGUST BURNS RED-Sound entwickelt. Davor klingt es teilweise schon etwas seltsam, um ehrlich zu sein."
Wenn es um den Inhalt ihrer Songs geht, sprechen die fünf bekennenden Christen mit entwaffnender Ehrlichkeit über alles, was in ihren Augen wichtig und wesentlich ist im Leben. So auch im Falle von Album Nr.5, mit dem AUGUST BURNS RED der Metalszene einmal mehr einen tiefgründigen, beinahe kontemplativen Stempel aufdrückt. Worin liegt der tiefere Sinn, das erklärte Ziel der Musik der auch kommerziell erfolgreichen Metalcore-Truppe aus Pennsylvania? "Interessant, mit dieser Frage wurde ich erst letzte Nacht konfrontiert", überlegt Matt, "als mich ein Junge auf der Straße fragte, was denn das Ziel unserer Musik und unserer Auftritte sei. Ich selbst sehe es als mein Ziel, den Menschen mit unserer Band Hoffnung zu geben." Ob es wohl noch viele andere Metalbands auf diesem Planeten gibt, die sich dieses Ziel gesetzt haben? Spätestens an dieser Stelle nimmt unser Gespräch einen sehr vertrauten Ton an. "Mit unserer Musik, mit unserer Karriere, wollen wir erreichen, dass die Menschen die uns sehen und hören mit einem Lächeln weiterziehen, dass sie Kraft finden, für alles was sie durchmachen, oder Energie tanken für ein schweres Ereignis in der Zukunft. Auf geheimnisvolle Weise kann Musik sehr bewegend sein, sehr kraftvoll, ohne dass man dies in Worte fassen kann. Sie kann auf positive wie negative Weise wirken, und wir wollen unserer Generation auf alle Fälle ein positives Vorbild sein. Ich könnte nachts kein Auge zu machen, wenn wir mit unserer Musik Egoismus proklamieren würden, wenn wir Menschen dazu ermuntern würden, sich über andere zu stellen, oder von sich selbst schlecht zu denken, sich runterzumachen." Diese bescheidene, reflektierte Einstellung basiert bei Matt und seinen Bandkollegen auf ihrem christlichen Glauben: "Als Kern des Ganzen steht für mich meine Beziehung zu Jesus im Mittelpunkt. Es fällt mir schwer, woanders Hoffnung zu finden. Es gibt einfach nicht viel Hoffnung in der Welt, den Nachrichten, nicht einmal in uns selbst. Wir brauchen die Liebe, die Sicherheit, die uns Jesus Christus gibt, das ist meine persönliche Ansicht – natürlich nicht nur auf unsere Musik bezogen. Wenn man daran glaubt, dass du und ich, unsere Fans, die Menschen an sich uneingeschränkt geliebt sind, unabhängig davon wie gut oder schlecht man in seinem Leben war, strömt daraus doch eine große Hoffnung für jeden Einzelnen. Und was unsere Texte angeht, finden unsere Hörer bei uns sicherlich etwas anderes als bei vergleichbaren Bands, und wenn sie unsere Interviews lesen, stoßen sie ebenfalls darauf. Die Musikindustrie ist voll von schrillen Stimmen - wir wollen eine Stimme sein, die auf einfache, unaufgeregte Weise von Hoffnung spricht, davon, dass es eine positive Sicht der Dinge gibt, dass es eine Kraft gibt, die nur gefunden werden muss. Wenn wir das vermögen, kann ich beruhigt zu Bett gehen, in der Erkenntnis dass wir etwas Wichtigeres schaffen als nur Begleitmusik für den Workout im Fitnessstudio", erklärt Matt lachend.
Auch "Rescue & Restore" scheint diesem tiefgründigen Anspruch von AUGUST BURNS RED Rechnung zu tragen. Wie sieht es im Einzelnen mit den Songtexten des neuen Albums aus, wo liegen die Schwerpunkte? Matt überlegt ein wenig. "Nun... Wir handhaben es immer so, dass jedes Bandmitglied Texte für unsere Songs verfasst. Auch ich habe wieder ein paar Texte geschrieben, vor allem über Dinge die mir in den vergangenen zwei Jahren zugestoßen sind. Track Nr.1 ('Provision' – TK) handelt von einer unangenehmen Erfahrung, als ich einen Haufen Geld verloren hatte. Die Frage war, wie ich damit umgehe, dass ich einen Großteil meines persönlichen Besitzes, für den ich hart arbeiten musste, verloren habe, und dass es einen "Bad Guy" im Hintergrund gab, der dafür verantwortlich ist. In der Mitte des Songs gibt es diesen markanten Teil, diesen Break, als alles aussetzt und Jake schreit:
I’m just as much the problem as the man behind bars
He did with his business what I do in my heart
Das sagt nichts anderes aus, als dass mir, während ich mich mit diesem großangelegten Betrug befasste, klar wurde: Ich bin selbst keinen Deut besser als der Kerl der mir das angetan hat. Er wird seine Zeit absitzen müssen, aber in meinem Herzen – und das sagt auch die Bibel zum Thema "Sünde" – mag es auch ganz anders aussehen als es nach außen hin den Schein hat. Nur Gott kann das beurteilen, und ich selbst bin keineswegs ein besserer Mensch als dieser Betrüger." Kurz muss Matt lachen: "Okay, ich werde wahrscheinlich niemals jemandem so viel Geld klauen, aber zugleich bin ich selbst auch nicht ohne Fehler. Darum geht es in diesem Song. Und darum, dass Gott für mich sorgt, auch wenn ich eine Menge verloren habe. Daher kommt auch der Songtitel: Versorgt zu sein, mehr zu haben als man benötigt. So heißt es am Ende:
I have more than I lost...
Darum geht es also in 'Provision'. Der Albumtitel selbst drückt sicherlich eine ganze Menge aus, für jeden etwas anderes. Ganz allgemein hoffe ich, dass wir viele Menschen inspirieren können, und nicht zuletzt - worüber wir vorhin gesprochen haben - einfach andere Musiker ermutigen, etwas zu schreiben, was gegen den geschliffenen Sound und den kommerziellen Glanz der Musikindustrie geht."
Und was inspiriert dich persönlich, wenn wir religiöse Vorbilder zum einen, musikalische Idole zum anderen außen vor lassen? "Mein Vater ist eine große Inspiration für mich und beeinflusst mich stark", meint Matt. "Davon abgesehen halte ich viel von C.S.Lewis, dem Autor. Und ich bin ein großer Fußballfan..." - Kurze Gedankenpause – "Hey, es sind doch eure Teams die zur Zeit die Welt auseinander nehmen!" Ja, nur dass der Verfasser dieses Interviews alles andere als ein Bayern-Fan ist – großes Gelächter auf der anderen Seite des Atlantiks.
Aber zurück zu einer anderen Seite des Musikgeschäftes: Gerade in Zeiten sinkender CD-Verkaufszahlen müssen Bands ausgedehnte Tourneen in Kauf nehmen, um über die Runden zu kommen. Oftmals keine leichte Situation, wenn man Familie, Frau und Kinder zu Hause hat, oder? Matt wendet ein: "Naja, also wir sind mittlerweile deutlich mehr zuhause als wir es vor sechs, sieben Jahren waren. Die Shows sind größer geworden, die Touren aber auch kompakter, und anschließend ist meist eine lange Erholungspause angesagt, so wie diesen Sommer nach der WARP TOUR. Ich selbst bin nicht verheiratet, habe aber eine sehr enge Verbindung zu meiner Familie daheim, und der Aufbruch fällt oft nicht leicht. Aber dann triffst du am ersten Ziel der Tour ein, machst deinen ersten Soundcheck, spielst den ersten Gig, und – zack! - bist du zurück bei der Arbeit. Es hilft manchem sicherlich, auch mal die Familie, die Partnerin auf Tour mitzunehmen, aber ich glaube ohnehin, dass es für die Daheimgebliebenen viel schwerer ist als für die Musiker selbst, wenn sie dich aufbrechen sehen und wissen, du bist erst einmal für zwei Monate weg. Andererseits machen wir das jetzt schon so lange, alle Beteiligten haben sich daran gewöhnt."Ist die Band dann nicht auch so etwas wie eine Ersatzfamilie? Die Mitglieder von AUGUST BURNS RED kennen sich ja zudem schon von der High School. "Ja, Brent und JB gingen zusammen zur High School, und ich wohnte nur fünf Meilen weg von ihnen. Wir sind eng befreundet und quasi zusammen aufgewachsen. Jake und Dustin kamen später dazu, und es passte von Anfang an hervorragend. Ich kann es mir gar nicht mehr anders vorstellen." Matt gesteht: "Um ehrlich zu sein, ich sage selbst meinen besten Freunden zuhause, dass ich froh bin, nicht mit ihnen auf Tour gehen zu müssen." Ausgelassenes Gelächter. "Das würde sicher nicht gut gehen. Ich glaube, man muss schon ein spezieller Typ Mensch sein, um es lange auf Tour mit den anderen aushalten zu können. Glücklicherweise gibt es diesbezüglich keine Probleme bei uns."
Im September wird uns die sympathische Truppe auch in Deutschland wieder besuchen. "Ja, und ich freue mich sehr darauf. Wir können uns jedes Mal auf unsere deutschen Fans verlassen, ich bin stets gelassen und zuversichtlich wenn wir dort auftreten. Wir kommen wieder als Headliner, und werden sicherlich einiges von unserer neuen Platte spielen."
Die Livetermine im Spätsommer und das Release-Datum von "Rescue & Restore" am 28.Juni sollten sich Metalheads aller Couleur fett im Kalender markieren. AUGUST BURNS RED, die alte und neue Referenz in Sachen Metalcore, mischt mit Album Nr.5 die Szene mächtig auf, und wird mit Sicherheit auch in den deutschen Klubs wieder für ausgelassene Stimmung sorgen. Wer sich einen ersten Eindruck verschaffen möchte, sollte sich die offiziellen Lyric-Videos zu 'Spirit Breaker' und 'Fault Line' nicht entgehen lassen.
- Redakteur:
- Timon Krause