BLUES PILLS: Interview mit Elin Larsson

08.08.2014 | 07:36

Gespräch mit dem heissesten Eisen der Retrorock-Booms!

Zwei Stunden Fahrt von München nach Donzdorf für zwanzig Minuten Gespräch mit Elin Larsson? Klar doch! Schließlich hat die hübsche junge Dame eine der coolsten Rockstimmen derzeit und ihre Band BLUES PILLS mischt die Szene ganz gehörig auf. Nach sensationellen Livegigs steht nun endlich das selbstbetitelte Debütalbum in den Läden und ein Großteil der Presse inclusive meinereiner überschlägt sich mit Superlativen. Dabei sind die Bluespillen doch fast noch Kinder. Im Interview wirkt Elin aber schon wie eine sehr gereifte Person, die in ihren jungen Jahren schon so einiges erlebt, und scheinbar schon ein paar wichtige und richtige Lebensentscheidungen gefällt hat.

Nach ihrem Highschool-Abschluss wollte Elin eigentlich an einer Musikhochschule studieren, doch sie wurde immer wieder abgelehnt. Dies war das erste Glied einer Ereigniskette, die schliesslich bis zu den BLUES PILLS führt: "Ich war gerade mal siebzehn Jahre alt und dies war eine harte Zeit für mich. Ich wollte an einer Musikhochschule lernen, die haben mich aber alle nicht genommen. Man verliert in diesem Alter dann schnell mal sein Selbstwertgefühl, wenn man überall abgelehnt wird und es ging mir folglich sehr schlecht. Dann habe ich auch noch meinen "normalen" Job in Schweden verloren, woraufhin ich entschieden habe, all mein Erspartes zusammenzukratzen, meine Bude in Schweden zu vermieten und eine Zeitlang nach Kalifornien zu ziehen. Irgendwie brauchte ich eine Veränderung, um wieder zu mir zu finden und auszuloten, was ich mit meinem Leben anfangen will. In San Francisco habe ich dann Zack (Anderson; Bassist) und Cory (Berry, Schlagzeuger) getroffen, mit denen ich dort viel Zeit verbracht habe. Irgendwann haben Zack und ich angefangen, Songs zu schreiben, die wir später Cory vorspielen. Er fand das cool, wir haben zusammen Demos aufgenommen und online gestellt, allerdings nie mit dem Hintergedanken, dass wir jetzt eine richtige Band sind. Es war ja klar, dass ich wieder nach Schweden zurückgehe. Aber es ergab sich dann später, dass uns eine Tour in Spanien angeboten wurde, und wir wollten diese Chance gerne gemeinsam ergreifen. Allerdings mussten wir erst unser viertes Mitglied finden. Das war dann Dorian (Sorriaux, Gitarrist), den Zack und Cory, die damals noch in einer anderen Band spielten, von früher her kannten. Sie haben ihn mal in Frankreich spielen sehen, da war er erst vierzehn, doch die beiden waren so angetan, dass sie ihn für den Posten vorschlugen. Und da Frankreich ja nicht allzu weit weg ist von Schweden (hier muss Elin schon etwas schmunzeln), erschien Dorian uns allen als ideale Lösung. Dorian spielte auch mit und folglich haben wir uns dann alle in Schweden getroffen, um ein paar Demos und Solos aufzunehmen und für die Tour zu proben."

BLUES PILLS war geboren und peu à peu sind dann alle Mitglieder auch permanent nach Schweden gezogen. Was insbesondere für den jungen Dorian schon ein großer Schritt war, den man auch den Eltern erstmal plausibel machen musste. Aber nach Elins Auffassung war ein solcher Schritt unabdingbar. "Ich glaube nicht, dass eine Band funktionieren kann, wenn jeder an einem anderen Ort ist. Man muss sich kennen, persönlich und auf musikalischer Ebene, damit man eine Bandchemie erschaffen kann. Und eine Band ohne dieses gewisse Etwas wird live nicht funktionieren. Doch jetzt sind alle hier in Schweden und diese Jungs sind meine Familie." Das merkt man, wenn man BLUES PILLS schon einmal live spielen hat sehen. Es ist schon ein bemerkenswert eingespieltes Team, bei dem zwar jeder Einzelmusiker seine eigene Faszination ausübt, das aber vor allem in der Gesamtheit durch das Zusammenspiel zu etwas Großem wird. So verwundert es nicht, dass die Berühmtheit der BLUES PILLS bislang auf ihren Livegigs basierte.


Doch nun wird es ernst, das erste Volllängen-Studioalbum "Blues Pills" steht an. Es wurde komplett analog im Studio von Don Alsterberg in Göteborg aufgenommen und gemixt. Ich frage Elin, ob man denn wirklich den Unterschied zwischen digital und analog so sehr hört. In dieser Frage streiten sich ja selbst Hi-Fi-Freaks leidenschaftlich. "Ich will jedenfalls nach dieser Erfahrung nie wieder zurück zu digitalen Aufnahme. Es ist einfach ein vollerer, wärmerer und dynamischerer Klang. Dies kommt sicherlich bei uns besonders zum Tragen, weil wir im Studio live spielen. Klar gibt es Overdubs in der Stimme und vor allem bei den Gitarren, doch im Grunde sind die Stücke Livetakes. Und hier muss man als Band erstmal das Gespür entwickeln, welcher Take denn nun der Beste ist." Ein Gespür, dass bei vielen modernen Produktionen leider verloren geht, wenn jeder Musiker quasi Takt für Takt separat aufnimmt, um möglichst perfekt zu klingen. Elin hat aber nicht grundsätzlich ein Problem mit modernen Acts. "Es gibt sehr viele gute moderne Acts, aber ich mag es einfach nicht, wenn es überproduziert ist, wenn z.B. die Vocals gedoppelt und durch zu viele Effekte verfälscht sind. Ich finde das nicht ehrlich. Ich mag aber beispielsweise AMY WINEHOUSE sehr, die meines Wissens auch analog aufgenommen hat und sehr ehrlich mit ihrer Stimme war. Die fand ich schon sehr cool!"

BLUES PILLS spielt nun aber im Grunde sehr "alte" Musik, was ich für solche junge Musiker schon erstaunlich finde. Deshalb frage ich Elin, welche Rolle diese alten Bands in ihrer musikalischen Sozialisation spiel(t)en.
"Die erste selbst entdeckte LP war von JOE COCKER. Seine harsche und bluesige Stimme hat mich als Sechsjährige sehr fasziniert und ist auch heute noch ein Einfluss für mich. Und natürlich gab es auch die Mainstream-Musik. Alle haben damals die SPICE GIRLS gehört, das war richtig groß hier, als ich noch klein war. Auch die Plattensammlung meines Vaters hat mich geprägt, in der viele Soul-Scheiben und BEATLES-Platten stehen. Und als Schülerin habe ich immer gerne Tapes und CDs mit anderen Musikverrückten ausgetauscht. Ein paar Metal-Dudes von der Schule wollten mich in ihrer BLACK SABBATH-Tribute-Band haben und so habe ich auch viele Metal-Sachen kennen gelernt."



A propos Metal, BLUES PILLS wird erstaunlich gut von den Metalfans aufgenommen, z.B. beim Rock Hard-Festival (zum Bericht). Und sie sind bei einer Plattenfirma, die traditionell aus der Metalszene entstanden ist. "Bei Nuclear Blast haben wir uns einfach zu Hause gefühlt. Sie vermitteln uns den Eindruck, dass sie wissen, wer wir sind, was wir wollen und was wir brauchen. Und sie haben uns anderen Bands näher gebracht, die wir sehr gut finden wie WITCHCRAFT oder GRAVEYARD. Ich denke, ganz unabhängig von der Größe des Labels ist es das wichtigste für eine Band, Leute zu finden, die an die Band glauben. Und deshalb fühlt es sich für uns richtig an, bei Nuclear Blast zu sein." Nun, ja, ich denke, Nuclear Blast wird es auch sehr leicht fallen, BLUES PILLS groß zu machen, schließlich hat man so eine Art Lionel Messi des Musikbusiness an Land gezogen, den jeder mal spielen sehen will. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass die Erwartungshaltung an das erste Studioalbum auch deshalb enorm hoch ist und frage mich, ob die Band hier möglicherweise auch Druck verspürt hat. "Ja, ein kleines bisschen schon, wir haben schliesslich einige der Demosongs ein wenig umarrangiert, auch 'Devil Man'." Elin wirkt bei der Frage aber wirklich nicht, als ob es Druck gäbe, sondern eher ein wenig entschuldigend und verlegen, dass es im Grunde gar nicht so viel arg Neues an Songmaterial für den Fan auf der CD gibt.



Dass auf "Blues Pills" nur drei von zehn Songs wirklich neu sind, weiss sie jedoch plausibel zu erklären: "Die Demosongs waren ja nicht mehr als bessere Proberaumaufnahmen oder Live-Mitschnitte. Jetzt hatten wir das erste Mal ausreichend Zeit, uns intensiv genug mit unseren Songs zu beschäftigen, um sie bestmöglich zu arrangieren und sie endlich auch professionell aufzunehmen, worauf wir sehr stolz sind." Berechtigterweise. Wobei gerade 'Devil Man' natürlich in seiner Originalfassung mit Elins Gesang am Anfang live DAS große BLUES PILLS-Ereignis ist. "Ja, aber gerade 'Devil Man' haben wir jetzt schon zum dritten Mal veröffentlicht und hier war es einfach nötig, es umzuarrangieren und ihm einen anderen Anfang zu verpassen. Live werden wir den Song aber auch in Zukunft so spielen, wie man ihn kennt." Und es ist der wichtigste BLUES PILLS-Song. Er wurde beispielsweise als Einzugshymne für den Halbschwergewichts-Boxer Jürgen Brähmer verwendet. "Also erstmal möchte ich sagen, dass ich völlig gegen Gewalt bin und Gewalt niemals unterstützen würde. Ich hatte allerdings auch keine Ahnung von Boxen, aber wir dachten uns, okay, das sind Sportler und werden schon wissen was sie tun, wenn sie aufeinander eindreschen. Hinterher haben wir allerdings erfahren, dass dieser Mensch schonmal im Gefängnis war (Anm. T.B.: erst wegen schwerer Körperverletzung, später wegen Unfallflucht), worauf mir dann doch etwas mulmig wurde. Am Ende war das für uns aber etwas, das wir als neue Erfahrung abbuchen. Offenbar wollte dieser Boxer 'Devil Man' als Einlaufmusik und hat unsere Plattenfirma kontaktiert und wir haben uns darauf eingelassen. Und 'Devil Man' war auch ein schöner Kontrast zu dem Lied seines Gegners Roberto Bolonti (Elin pfeift ihn mir vor, doch ich kann nicht rausfinden, welcher Song das war). Es war also insgesamt eine coole Erfahrung  Einen großen Fan des Boxsports gibt es aber bei den BLUES PILLS nicht." Und dennoch verteidigte Brähmer an jenem Abend seinen Titel. Generell scheint Elins Support für deutsche Sportler mit einem guten Omen behaftet zu sein. Auf meine Frage, wen sie sich als Fußball-Weltmeister wünscht sagte sie offen und ehrlich: "I really hope that Germany wins". Wer weiss, was Bundesjogi so alles an Mucke in der Kabine hatte. Vielleicht ja auch 'Devil Man'.

Redakteur:
Thomas Becker
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