CANDLEMASS: Interview mit Johan Längquist

25.11.2022 | 22:15

Im Hause CANDLEMASS ist die Sonne nicht der Bringer guter Laune, sondern Vorbote tonnenschwerer Riffs und klagender Töne. Im Gespräch: CANDLEMASS-Sänger und Doom-Urgestein Johan Längquist.

 

Sei gegrüßt Johan. Ich rufe dich aus Deutschland an, wo ihr gerade das "Hammer Of Doom"-Festival als Headliner gespielt habt. Wie war es für euch?

Es hat viel Spaß gemacht, das war ein tolles Festival!

Eine Zeit lang konnte Leif ja nicht alle Konzerte bestreiten, wie geht es ihm denn und wie klappt es mit euren Shows?

Leif hält sich fit und musste seit meinem Wiedereinstieg keine Show absagen! Wir versuchen natürlich, den Kalender nicht total vollzupacken, aber so funktioniert es sehr gut für uns.

Kommen wir gleich zu Beginn zu einigen offensichtlichen Fragen. Du hast auf dem ersten CANDLEMASS-Album gesungen. Das war 1986 - mein Geburtsjahr übrigens. Einige Dekaden später bist du wieder am Mikro. Wie ist das passiert?

Um es kurz zu machen: Sie hatten überlegt, CANDLEMASS zu Grabe zu tragen. Mappe [Björkmann, Gitarrist - Anm. d. Red.] hat Leif dann vorgeschlagen, mich wieder zu fragen, ob ich nicht neue Energie in die Band bringen könne. Nachdem ich mir das Material gleich am nächsten Tag im Studio angehört hatte, war ich sofort dabei. Und so kam es dann zu "The Door To Doom".

Ich muss zugeben: Das klingt nicht halb so dramatisch wie ich es gerne gehört hätte, aber dich wieder ins Boot zu holen, macht aus Sicht der Band absolut Sinn!

Für mich kam das Ganze auch zur richtigen Zeit im Leben. Ich habe vier Kinder, die inzwischen alle nicht mehr zuhause wohnen. Ich kann also tun und lassen, was ich will.

In der Zwischenzeit hast du auch gar nicht so viel Musik gemacht, kann das sein?

In irgendeiner Form habe ich immer Musik gemacht. Ich hatte stets ein kleines Aufnahmestudio, um Songs zu schreiben. Hier und da habe ich bei Freunden etwas beigesteuert, aber nichts davon war vergleichbar mit CANDLEMASS. Hauptsächlich lokal in Schweden.

Du hast erwähnt, dass CANDLEMASS eventuell vor dem Aus stand. In Fankreisen gilt die Band als unkaputtbar. Auch bei Trennungsgerüchten stand doch alle paar Jahre wieder ein neues Album im Regal. Wie hast du die Energie in der Band bei deinem Wiedereinstieg wahrgenommen?

Ich hatte absolut keine Sorge, was die Songs angeht. Leif ist ein sehr guter Songwriter und als Sänger hatte ich nie Probleme, mich in die Songs hineinzuversetzen. Das muss als Sänger einfach funktionieren, da kannst du kein Theater spielen. Und so hat es sich insgesamt auch angefühlt. Ich mag auch die Songs aus dem Katalog, auf denen die zahlreichen anderen Sänger gesungen haben.

Wo du die anderen Sänger ansprichst: Macht es für das Songwriting einen großen Unterschied, wer letztendlich singt? Oder schreibt Leif einfach das Material und kann sich darauf verlassen, dass du dich als Sänger einfindest?

Auch wenn manche das behaupten, wäre ich mir da nicht so sicher. Leif hat meistens fertige Songs im Gepäck, zu denen wir dann Demos mit unterschiedlichen Gesangsmelodien und -ideen aufnehmen. Man müsste Leif mal fragen, wie er das sieht. Aber ich als Songwriter muss sagen: Die Songs kommen zu einem. Leif wird kaum vor einem Bild von mir sitzen und eine Idee haben.

Du erwähnst, dass du als Sänger ein tiefes Verständnis der Songs brauchst. Das wird natürlich auch für die Texte gelten. Besprecht ihr die Inhalte und Interpretationen im Zuge der Aufnahmen?

Ja, natürlich sprechen wir darüber. Ich spreche alle offenen Dinge an, manchmal nehmen wir auf meinen Wunsch hin auch kleine Anpassungen vor. Popsänger singen den lieben langen Tag über ihr schönes Leben, aber im Doom Metal geht es um einen anderen Themenkatalog, bestimmte Schlüsselworte und so etwas. Da finde ich mich zu einhundert Prozent wieder.

Viele der Themen haben einen biblischen Hintergrund. Der Titel 'Angle Battle' ist ein hervorragendes Beispiel dafür. Ist Doom Metal DAS existenzialistische Genre?

Man darf zwar nicht vergessen, dass es auch gute Dinge auf der Welt gibt. Aber ja, natürlich findet sich die Stimmung der Musik auch in den Texten wieder.

Zurzeit fällt es doch ohnehin schwer, gut drauf zu sein, wenn man Radio hört, aus dem Fenster schaut oder im Internet unterwegs ist, oder?

Ja, ich denke da geht es uns allen ähnlich. Und da Leif ständig kreativ ist und mit neuen Ideen ankommt, denke ich das bei ihm auch. Es gibt viele Themen zu verarbeiten und man weiß nie, wann er mich fragt, ob wir die nächsten Tracks aufnehmen können.

Inzwischen gilt seine Aufmerksamkeit wieder hauptsächlich CANDLEMASS, Nebenprojekte wie AVATARIUM oder THE DOOMSDAY KINGDOM spielen für ihn keine Rolle mehr. Merkt man das?

Sicherlich!

Kommen wir zum aktuellen Album zurück. Der letzte Song endet mit der Zeile "The Beginning Of The End" - das letzte BLACK SABBATH-Album begann mit dem Song 'End Of The Beginning' und dort heißt es "Is This The End Of The Beginning? Or The Beginning Of The End?". Eine Hommage von dir oder interpretiere ich zuviel hinein?

Du wirst vermutlich wissen, dass Leif ein riesiger BLACK SABBATH-Fan ist. Ohne es konkret zu wissen, würde ich dir zustimmen. Es passt schon ganz gut zusammen.

Apropos zusammenpassen: Wie passt denn die aktuelle Weltlage zur Musikindustrie und Metalszene? Funktioniert es für CANDLEMASS zurzeit gut?

Ja, ich finde schon. Damals in den 80ern haben wir für Getränke und ein paar Hot Dogs gespielt, damals war es auch nicht rosig. Inzwischen sind unsere Tourneen aber sehr gut geplant und wir hatten bislang noch keine Absagen wegen zu geringen Vorverkaufs etc. Ich habe zwar meinen normalen Job, möchte mir aber nächstes Jahr noch mehr freinehmen, um mit CANDLEMASS unterwegs zu sein. Auch wenn wir es aus Leidenschaft machen - unter dem Strich lohnt es sich schon.

Ich hoffe, dass bei CANDLEMASS die Leidenschaft bis zum bitteren Ende dabei ist und wir nicht noch zahlreiche "letzte" Tourneen sehen, auf denen die Band wie ein Schatten ihrer selbst wirkt.

Das wirst du nicht. Uns ist klar, dass man aufhören sollte, wenn alles gesagt ist. Sobald es keinen Spaß mehr macht und man sich auf die Bühne quält, sollte man aufhören. Man kann zwar nicht jeden Abend 100% liefern, aber das Publikum merkt trotzdem, ob eine Band mit ganzem Herzen dabei ist.

Damit haben wir den perfekten Schluss für unser Gespräch erreicht, denke ich. Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute!



Foto-Credit: Linda Akerberg

Redakteur:
Nils Macher

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