CANDLEMASS: Interview mit Leif Edling

26.03.2009 | 10:28

Anno 1986 erschien eine wegweisende Scheibe, die nicht nur mit dem programmatischen Titel "Epicus Doomicus Metallicus" den zukünftigen Weg der Band vorausgenommen hat, sondern auch zu Recht heute als Klassiker gilt. Für CANDLEMASS, dem Aushängeschild des Doom Metal, zumindest nach den Erfindern desselben BLACK SABBATH, war es dennoch nur der erste Schritt einer mittlerweile ins 24. Jahr gehenden Erfolgsgeschichte.

Diese war allerdings immer wieder geprägt von Schwierigkeiten mit ihrem zweiten Sänger. Wurde das Debüt noch von Johan Langquist eingesungen, veredelte ein gewisser Messiah Marcolin, der zuvor bei MERCY gesungen hatte, das Zweitwerk, das als Höhepunkt des Schaffens der Schweden gilt: "Nightfall". Selbst für Bandleader Leif Edling sind diese beiden Scheiben die Climax ihres Schaffens: "An einigen Tagen ist mein Lieblingsalbum "Nightfall", an anderen "Epicus". Es fällt mir schwer, eines zu wählen."

Die Probleme mit dem exzentrischen Sänger gipfelten in der Trennung 1989, nach dem vierten Album. Ein weiteres gutes Album konnte allerdings die Erfolgsgeschichte nicht fortsetzen, und CANDLEMASS lösten sich auf, nur um 1998 wieder erweckt zu werden. Doch Experimente mit anderem Sänger und neuen Sounds fanden keinen Anklang bei den Metalfans, so dass erst die Reunion mit Messiah gefeierte Auftritte und vor allem ein neues 'echtes' CANDLEMASS-Album brachte. Leider währte die Freude nur kurz, denn schon bei den Aufnahmen zum Nachfolgealbum warf Messiah erneut das Handtuch. Ein bis heute andauernder Ersatz war schnell in Robert Lowe gefunden, der auch SOLITUDE AETURNUS frontet und bei CANDLEMASS zwar zur Band gehört, aber nicht wie bei seiner Stammband die Songs schreibt.

Leif: "Rob hat am Songwriting nicht teilgenommen, ich habe alle Songs geschrieben und habe dann die Songs an die anderen Bandmitglieder weitergeschickt. Und dann haben wir angefangen zu üben. Dadurch haben die Songs ihre Gestalt bekommen, und Robert kam dann zu uns ins Studio. Er war mehr eingebunden, da wir natürlich über die Songs diskutierten, und im Gegensatz zu dem "King Of The Grey Islands"-Album, wo er seinen Gesang in Dallas aufgenommen hatte, war er diesmal vor Ort und wir konnten die Songs gemeinsam durchsprechen. Er war also mehr involviert, aber nicht direkt im Schreiben, sondern indem er die Songs durch seine Studioarbeit zu seinen Songs machte. Aber bei CANDLEMASS schreibe ich die Songs und Texte von Anfang an. Rob ist ein netter Kerl, er hat kein Problem damit, Songs und Texte zu singen, die er nicht geschrieben hat. Er macht das ja bei SOLITUDE AETURNUS, und diese Möglichkeit, sich auszudrücken, bleibt ihm ja. Aber wer weiß, vielleicht schreibt er ja für das nächste Album einen Song, oder ein, zwei Texte. Mir wäre das recht."

Bislang hat Leif Edling allerdings keine Hilfe nötig, denn das neue Album "Death Magic Doom" erhält schon vor Release ziemliche Lorbeeren. Für dieses Album hat Leif einige seiner besten Songs komponiert, dabei fragt man sich, ob man denn das ganze Jahr über Doomsongs schreiben kann, selbst wenn die Sonne scheint, was Leif lachend bejaht. Er beschreibt den Entstehungsprozess der Songs so: "Ich sitze normalerweise auf meinem Sofa, spiele auf der Gitarre rum und versuche, ein paar gute Riffs zu spielen. Die nehme ich auf, und nach einer Weile ist es dann Zeit, einen Song daraus zu machen. In diesem Fall dauerte es fünf Monate für die acht Songs, danach noch einen Monat, in dem ich die Songs als Demo aufnahm, das ich dann auf CD an die anderen Bandmitglieder geschickt habe. Danach habe ich drei Monate lang an den Arrangements gearbeitet, und im August haben wir dann zusammen geprobt. Erst danach ging es ins Studio. Grob überschlagen habe ich wohl 15 Monate an den Songs gearbeitet. 15 Monate vom kleinen Doom-Samen zum endgültigen Produkt."

Es macht dem Bandchef hörbar Spaß, über das Album zu plaudern. Davon abgesehen, dass ich das Glück hatte, relativ früh am Tag mit ihn zu reden, erntet er laut eigener Aussage von allen Seiten Lob: "Die Leute bei Nuclear Blast sagen, dass die Presse ihnen die Tür eintritt wegen "Death Magic Doom". Die Zeichen stehen gut, und wir wissen, dass wir ein sehr gutes Album angeliefert haben. Natürlich glaubt man als Musiker immer, dass man ein gutes Album gemacht hat, aber es ist eine andere Sache, wenn die Fans und die Presse das Album loben."

Nach nunmehr zehn Alben der Band sowie diversen Aufnahmen für Side Projects kann sich Leif dennoch seinen Spaß am Songschreiben, aber auch am Aufnehmen im Studio erhalten. "Ich bin tatsächlich jedesmal aufgeregt, wenn ich ins Studio gehe, und die anderen Jungs sind das auch. Wir nehmen ja auch nicht so häufig ein Album auf, die letzten beiden waren 2004 und 2007. Jedes Jahr wäre möglicherweise tatsächlich langweilig, aber so kann ich mir meinen Enthusiasmus bewahren." Auch in unserer Gruppentherapie, in der sich bunt gemischt alte Fans und junge Metaller, die unvoreingenommen von Gedanken an alte Klassiker an das Album herangehen konnten, das Album vorgenommen haben, ist der Tenor uneingeschränkt positiv bis enthusiastisch. Dabei klingt das neue Werk gar nicht so unähnlich den Meisterstücken der Achziger, doch eine Rückkehr zu ihren Doom-Wurzeln vermag Leif darin nicht zu erkennen: "Ich sage immer, wir sind eine Doom-Metal-Band (er betont das "Metal"), und ich glaube, dass der Metalanteil auf dem neuen Album noch stärker ist. Wir haben mit einigen Songs den Geist der Achziger wieder eingefangen, aber wir haben auch schon immer schnelle Songs gehabt, wie 'Into The Unfathomed Tower' oder 'Dark Are The Veils Of Death', das sehr schnell ist."

Der Vorgänger "King Of The Grey Islands" nahm eine Ausnahmestellung in der Bandgeschichte ein, nicht nur wegen der teilweise schon fast poppigen Melodien, sondern auch durch das Textkonzept. Wie bereits einmal 1989 bei ihrem vierten Album "Tales Of Creation", das tief christlich inspiriert den Ursprung des Lebens zum Inhalt hat, war dieses Werk nämlich ein Konzeptalbum. Davon ist allerdings auf "Death Magic Doom" nichts zu spüren, außer die blutende Baronin schwingt den Doomhammer? Leif verneint: "Auf "DMD" stehen acht separate Songs, ohne Konzept. Nochmal ein Konzeptalbum zu machen, wäre irgendwie anmaßend gewesen."

Dabei ist es aber im Metal nicht wirklich ungewöhnlich, Konzeptalben zu machen. Zugegebenerweise gilt das mehr für die progressive Richtung, aber auch der normale Metal ist davor nicht gefeit. Zumal das Ganze ja berechtigt ist, wenn die Musik nicht unter dem Konzept leidet, was bei beiden Werken von CANDLEMASS zweifellos nicht der Fall gewesen ist. Dass es einmal wieder ein solches Album geben könnte, will Leif nicht ausschließen: "In der Zukunft ist das zwar wieder möglich, aber nur, wenn ich wirklich den Drang verspüre, so etwas zu schreiben." Augenblicklich verspürt er aber keine Inspiration, es fällt ihm auch kein literarisches Werk ein, dass unbedingt einmal vertont werden müsste. Nach kurzem Nachdenken zeigt er ein sehr kritisches Verhältnis zu dieser kompositorischen Spielart und geht hart ins Gericht: "Ehrlich gesagt sind 19 von 20 Konzeptalben einfach schlecht, jeder glaubt, er wäre ein großer Poet und Schreiber und könnte Shakespeare zeigen, wo der Hammer hängt. Ich möchte keine protzige Musik machen, ich möchte unterhalten."

Das genaue Gegenteil von protzig sind, auch im Kontrast zu den Frühwerken der Band, die letzten vier Coverabbildungen. Da war das von Leif nur das "weiße Album" genannte "Candlemass" mit seiner fast anti-SPINAL TAP Farbgebung, danach kam die schwarze Phase mit "King Of The Grey Islands" und "Lucifer Rising". Doch das neue Motiv setzt dem Ganzen noch einen drauf, denn die Grundfarbe braun ist dann doch sehr extravagant. Aber das gehört zum neuen Konzept der Band, und Leif wehrt sich dagegen, damit einfach nur Geld gespart zu haben: "Neunzig Prozent aller Heavy-Metal-Cover sehen irgendwie gleich aus. Es ist ein bläuliches Gemälde, das Armageddon, die Hölle oder eine untergegangene Zivilisation zeigt, und alle sehen sich ähnlich. Wozu soll das gut sein? Wir haben dafür etwas Einzigartiges, etwas, das auffällt. Das weiße Album strahlt dich aus dem Regal quasi an, und das neue ist braun, die Leute werden es sehen. Außerdem wird es wirklich toll auf T-Shirts aussehen."

Dabei hatte die Band vorher bereits einen anderen Coverentwurf, den sie aber verwerfen mussten, da er den Song "Hammer Of Doom" zum Titelsong gemacht hätte. Es gibt allerdings ein Festival gleichen Namens, das die Namensrechte innehat. Obwohl er sich darüber wohl ein wenig geärgert hatte, wie man öffentlichen Bemerkungen zufolge entnehmen konnte, ist der Zorn darüber verflogen und wohl der Anspannung im Zuge der "Tale Of Creation" des Album zuzuschreiben: "Wir haben also nochmal von vorne angefangen, aber wenn ich jetzt zurückblicke, finde ich "Death Magic Doom" als Titel besser und bin damit sehr zufrieden."

Nachdem das Album nun erschienen ist, bleibt die Frage nach der Live-Präsenz der Band, die, wo immer sie auf Festivals gespielt haben, zu einem Highlight gehört hat. CANDLEMASS selbst würden ebenfalls gerne eines der Sommerfestivals spielen, doch man gibt sich keinerlei Illusionen hin, denn dafür ist man doch sehr spät dran: "Obwohl wir auf einem großen deutschen Label sind, ist es schwierig, noch bei einem der deutschen Festivals unterzukommen. Aber wir hoffen, doch noch Wacken oder das Rock Hard Festival spielen zu können." Aber auch danach ist Touren angesagt, der Plan ist, ungefähr im September eine Tournee durch Japan zu starten. Schwierigkeiten wegen des Verfahrens gegen Gitarrist Mats, der angeklagt ist, Tonträger im Wert von fast einer halben Million Dollar entwendet zu haben, sind aber erstmal nicht zu befürchten: "Alles was ich dazu sagen kann, ist, dass Mappes Anwalt noch verhandelt. Wir haben noch keinen Richterspruch, und es wird wohl auch bis November, Dezember nichts geschehen."

Danach wird sich Leif seinem Side-Project KRUX widmen. Die Arbeitsweise bei CANDLEMASS ist nicht so rasant, so dass genug Zeit bleibt, sich anderweitig auszutoben. Nachdem man gerade in Skandinavien einige Gigs gespielt hat, wird aber 2009 nichts Weiteres geschehen, da Fredrik Åkesson augenblicklich mit OPETH alle Hände voll zu tun hat, und natürlich bei Leif CANDLEMASS absolute Priorität genießt. Aber: "Ich könnte mir gut vorstellen, dass da nächstes Jahr ein neues Album entstehen könnte." In der Zwischenzeit, also nach den Promotionterminen und den Sommerfestivals, so diese noch für CANDLEMASS stattfinden können, spielt Leif den Bass für den Zweitling von Carl Westholms Projekt JUPITER SOCIETY. "Es ist ein progressives SciFi-Album mit viel, viel, viiieel Keyboards. Es ist sehr symphonisch, hat mit Doom nichts zu tun. Man bekommt es nur über seine Homepage, er wollte das Ganze nicht groß aufhängen."

Eine Frage, die in der POWERMETAL.de Redaktion aufkam, ist, ob es vielleicht mal möglich wäre, dass man mit MANILLA ROAD touren würde. Immerhin sind die ja wieder sehr aktiv, und man kennt sich ja: "Ehrlich gesagt kenne ich die Jungs gar nicht. Wir haben uns nie getroffen. Es ist eine Annahme, dass wir uns kennen würden, weil wir auf dem gleichen Label waren. Andererseits: Die frühen Alben waren wirklich gut, ich hätte nichts dagegen, aber es gibt eine Menge guter Bands, mit denen wir touren könnten. Vielleicht könnten wir ein Package zusammenstellen mit MANILLA ROAD, ANGEL WITCH und CANDLEMASS. Das wäre fantastisch." Damit könnten wir Fans auch gut leben. Ein solches Paket muss es aber heutzutage auch sein, um auf einer Tour eine ordentlich gefüllte Halle zu schaffen. Trotz der gestiegenen Schwierigkeiten kann Leif "seit etwa acht Jahren von der Musik leben. Gut? Alles ist relativ, ich bin ein normaler Kerl und komme klar, ich kann zwar nicht auf eine extravagante Reise gehen oder so etwas, aber ich bin zufrieden." Die größere Schwierigkeit sieht er weiterhin im kostenlosen Herunterladen von Musik und er hofft, dass "die Leute unser Album kaufen und nicht nur herunterladen werden."

In Schweden stehen gerade vier Betreiber einer Internetplattform vor Gericht, eine Verhandlung, die mit Spannung verfolgt wird von gleichgesinnten "Idioten, die glauben, es müsste legal sein, Musik kostenlos herunterzuladen." Leif macht auch keinen Hehl daraus, welchen Ausgang er von dem Gerichtsverfahren erhofft: "Ich hoffe, die werden verknackt. Es gibt Leute, die nennen es "Kultur" und meinen, deswegen müsste es umsonst sein. Ich hoffe, es wird ein Exempel statuiert an diesen Idioten, die meinen, sie könnten mich um meine Einkünfte berauben, für die ich 15 Monate gearbeitet habe. Für mich ist das Diebstahl."

Redakteur:
Frank Jaeger

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