DEAD ALONE: Interview mit Florian Hefft
04.06.2008 | 12:03Nicht gerade zaghaft haben sich die süddeutschen Dark-Deather von DEAD ALONE zu Wort gemeldet, als sie am Anfang des Jahres ihre neueste EP "Phobia" veröffentlicht haben. Ohne Label, Management oder sonstige professionelle Unterstützung hat die Band ein ganz bemerkenswertes Werk geschaffen, das mich auf ganzer Linie überzeugen konnte. Im Mai kam dann die Schreckensnachricht: Sowohl der Sänger (Martin Szeike) als auch der Drummer (Johannes Thoma) haben die Band in beiderseitigem Einvernehmen verlassen. Doch man hätte den Ersatz schon gefunden und könnte wieder durchstarten, hieß es im gleichen Atemzug. Grund genug für uns, der jungen Band ein wenig auf den Zahl zu fühlen und sie ins Kreuzverhör zu nehmen. Im Lichtkreis der aufgestellten Nachttischlampe stellt sich Flo Hefft (Bass und Gesang) unserem Fragenstakkato.
Julian:
Servus Flo, du bist Bassist und seit neuestem auch Sänger von DEAD ALONE. Stell euch doch mal den hungrigen und wissbegierigen Metalheads da draußen vor.
Flo:
Hallo Julian! Also, DEAD ALONE besteht aus Martin Hofbauer und Fred Freundorfer an den Gitarren, Sebastian Bichler an den Drums und mir als Basser und seit neuestem auch Sänger. Die Band gründete sich im Jahr 2004, wobei die einzigen übrigen Gründungsmitglieder noch Martin und ich sind. Musikalisch haben wir uns dem Death/Doom Metal verschrieben, wobei wir eigentlich recht offen sind.
Julian:
Was genau hat euch damals, 2004, dazu bewogen, DEAD ALONE auf die Beine zu stellen?
Flo:
Nun ja, die Idee entstand eines Abends bei einem kühlen Bier, hehe. Stefan (unser ehemaliger Drummer), Martin und ich waren gute Freunde und konnten bereits ein wenig Erfahrung in anderen Bands sammeln. Wir trafen uns dann eines Nachmittags um ein bisschen zu jammen und merkten, dass wir musikalisch einfach auf einer Wellenlänge liegen und die selben Vorstellungen haben. Und das war der Zeitpunkt, an welchem DEAD ALONE das Licht der Welt erblickte.
Julian:
Auf eurer Website habt ihr folgendes Statement geschrieben: "DEAD ALONE entführt Euch auf eine musikalische Reise in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele." Was bedeutet das konkret?
Flo:
Uns fasziniert irgendwie die Schattenseite des Menschen und die Lyrics sind unsere persönliche Sichtweise der Dinge. Wir sehen uns nicht als eine Band, die sich auf "Blut- und Gedärmetexte" stützt. Wir wollen mit unseren Texten eine gewisse Message vermitteln und die Menschen auch ein bisschen zum Nachdenken anregen. Und bis auf eine Ausnahme drehen sich die Texte immer um menschliche Gefühle, innere Ängste oder zwischenmenschliche Beziehungen. Es passieren in unserer Welt so viele Sachen und wir sollten davor nicht die Augen verschließen.
Julian:
Da muss ich natürlich gleich nachhaken: Was hältst du von den vielen Spaß-Metal-Bands heutzutage? Auf der einen Seite gibt es Bands wie JBO oder ähnliche, die Parodie zum Programm machen, aber auf der anderen Seite auch die ganze "sauf-Met-und-stirb"-Humpaa-Szene? Ist das noch Metal?
Flo:
Ja, ich sehe definitiv beide Stile als Metal! Eine Band wie JBO schau ich mir auch immer wieder gerne auf einem Festival oder so an, ich mag ihre Art von Parodie. Mit der musikalischen Richtung des Humpaa-Metals kann ich zwar persönlich nicht viel anfangen, aber ich finde es beeindruckend, wie gut die Stimmung bei diesen Bands ist und wie diese das Publikum anheizen. Also Spaß kann auch Metal sein...
Julian:
Dieses Jahr habt ihr eine EP namens "Phobia" veröffentlicht. Kannst du die Entstehung der Scheibe beschreiben? Einflüsse, Aufnahmeort, Entstehung des Konzepts/Layouts?
Flo:
Wir begannen mit dem Schreiben der Songs gleich nach der Veröffentlichung der Vorgängerplatte "Slivering Marrow". Die Songs entstanden also im Grunde in einem Zeitraum von ca. eineinhalb Jahren. Es war für uns alle aber von Anfang an klar, dass die Songs düsterer und grooviger werden sollten. "Phobia" ist kein Konzeptalbum im klassischen Sinne, der rote Faden liegt eigentlich allein darin, dass sich alle Songs um Ängste, Wut, Hass und dergleichen drehen. Auch das Artwork soll diese Stimmung widerspiegeln. Wie auch schon beim Vorgängeralbum fanden die Aufnahmen wieder im Mediabase Studio mit Jürgen Plangger statt, und der Mann hat meiner Meinung nach einen super Job gemacht. Die Einflüsse innerhalb der Band sind so verschieden wie die Menschen selbst. Aber wenn ich mich auf ein paar Bands festlegen soll, welche für uns alle Einfluss haben, dann würde ich DISBELIEF oder MOONSPELL nennen.
Julian:
Ich finde, dass das Cover eurer EP sehr ausdrucksstark ist. Was bedeutet der schreiende Mann auf dem Cover von "Phobia" genau? Ausdruck der ohnmächtigen Wut über die Gegenwart? Stellt er den Kampf des Ichs mit dem eigenen Bewusstsein dar, wie es in dem starken Song 'Dementophobie (Against Me)' heißt ("I am the man, a broken soul! You are my enemy, the unbreakable!")?
Flo:
Also erstmal herzlichen Dank für die Blumen! Du hast es schon ganz richtig erkannt, das Coverartwork soll in gewisser Weise den Kampf mit dem eigenen Bewusstsein darstellen. 'Dementophobie' beeinflusste ganz stark das Artwork und es ist ja auch im Grunde der Titeltrack der EP. Außerdem denke ich auch, dass der Song uns ganz gut widerspiegelt.
Julian:
Wie stark fanden persönliche Einflüsse den Weg auf das Album? Du bist ja mitverantwortlich für alle Lyrics auf der Platte - kannst du ein Beispiel deiner Inspiration geben?
Flo:
Persönliche Einflüsse und Ansichten sind sehr stark in die Lyrics und auch in die Musik eingeflossen. Für mich ist das Leben mit all seinen Seiten die Hauptinspiration. Egal, wo man hinsieht, es gibt immer wieder Ereignisse, welche uns erschrecken oder verängstigen. 'Every Night' zum Beispiel handelt von der schmerzhaften Seite der Liebe. Was lässt sich ein Mensch aus angeblicher Liebe und Hörigkeit alles gefallen.
Julian:
Apropos Liebe: Wer ist denn für die weiblichen Gesangparts verantwortlich? Habt ihr in Zukunft vor, mehr in diese Richtung zu machen?
Flo:
Die weiblichen Vocals bei 'On Raven Wings' und 'My Apocalypse' sind von meiner Freundin Sylvia und einer guten Freundin von uns, Nicki, eingesungen worden. Es ist eine angenehme Abwechslung zum restlichen Material. Außerdem wir hatten auch schon auf "Slivering Marrow" zwei Songs mit weiblicher Unterstützung. Wir werden diese Elemente auch weiterhin mit einbauen, allerdings liegt der Fokus nach wie vor auf Death-Metal mit Grunts und allem, was dazugehört.
Julian:
Damit wären wir ja gleich bei Thema: Vor nicht allzu langer Zeit habt ihr vermeldet, dass es sowohl einen Wechsel beim Gesang als auch an den Drums gab. Wie kam es dazu, zumal Smokie (Martin Szeike), euer alter Sänger, das Material auf "Phobia" zum Großteil eingesungen hat?
Flo:
Smokie war fast von Anfang an dabei und er ist immer noch ein guter Freund von uns. Leider kann er aufgrund beruflicher und persönlicher Gründe nicht mehr die nötige Zeit für DEAD ALONE aufbringen und entschloss sich so, uns zu verlassen. Es ist wirklich schade, aber es war die beste Lösung für beide Parteien. Bei Hansi (Johannes Thoma, Drums) führten persönliche Probleme zum Split, aber auch diese Trennung verlief in aller Freundschaft und wir sehen uns immer noch regelmäßig. Wir sind auch beiden sehr dankbar für die gemeinsame Zeit!
Julian:
Wird es mittel- oder längerfristig wieder einen Sänger geben oder singst du weiterhin in Personalunion mit der Rolle des Bassisten?
Flo:
Nein, wir werden uns keinen neuen Sänger suchen. Natürlich gab es Überlegungen in diese Richtung, aber wir merkten, dass es so, wie es jetzt ist, einfach passt. Wir haben ein gutes Gefühl dabei und freuen uns schon riesig auf die kommenden Konzerte.
Julian:
Seid ihr zufrieden mit dem Feedback auf eure EP? Gab es Überraschungen, Dinge, die ihr so nicht erwartet hättet?
Flo:
Wir sind sehr zufrieden mit den Resonanzen. Es gab keine wirklichen Überraschungen, aber es ist immer wieder schön zu merken, dass sich die Leute für uns interessieren und unsere Songs mögen.
Julian:
Was mich persönlich überrascht hat ist, dass ihr die Scheibe als EP veröffentlicht habt. Von der Songanzahl, der Spiellänge her, aber auch im Hinblick auf die schöne Aufmachung und die Mühe, die ihr ganz offensichtlich rein gesteckt habt, hätte das durchaus auch als Album veröffentlicht werden können. Warum habt ihr euch für die EP entschieden?
Flo:
Wir wollten ein Dankeschön für all die Leute, welche uns die letzten Jahre immer unterstützt haben. Ohne diese Menschen hätte es "Phobia" nicht gegeben. Und davon wollen wir einfach etwas zurückgeben - "value for money"!
Julian:
Hey Flo, du klingst ja wie Joey DeMaio. Eine gute Überleitung zu meiner nächsten Frage: Was hörst du privat? Wo siehst du deine persönlichen musikalischen Wurzeln, welche möglicherweise auch Einzug in DEAD ALONE halten?
Flo:
Also ich weiß jetzt nicht, ob ich das als Kompliment oder nicht werten soll, haha. Ich höre privat sehr viel Musik und auch die verschiedensten Bands, von GOJIRA über EVERGREY oder IN FLAMES bis hin zu BEHEMOTH. Es ist mir eigentlich egal, welcher Stil es ist, Hauptsache es ist cool! Meine musikalischen Wurzeln liegen im Death- oder Gothic Metal und lassen sich sicherlich bei DEAD ALONE wiederfinden; es ist ja auch ganz normal, dass uns andere Musik inspiriert...
Julian:
Haha, das sollte natürlich keine Beleidigung sein. Interessant, dass du GOJIRA erwähnst. Die Band ist ja aus Frankreich und Vorreiter der französischen Schule des Melodic Death Metals. Was hältst du von dieser Verlagerung musikalischer Innovation von Norden nach Süd-Westen? Siehst du auch DEAD ALONE als Teil dieses Phänomens?
Flo:
Na dann bin ich ja beruhigt, hehehe! GOJIRA ist eine Klasse für sich, aber ich finde es super, dass sich auch außerhalb von Skandinavien solche außergewöhnlichen Bands etablieren können. Und ich hoffe drauf, dass wir da noch viel mehr zu hören bekommen. Gerade im Underground gibt es sehr viele innovative und großartige Bands, welche aber leider immer übersehen werden. Ich maße es mir nicht an uns als Teil des Phänomens zu sehen, aber wir wurden davon sehr wohl beeinflusst.
Julian:
Und genau das Stichwort "Underground" kann nicht erschöpfend genug debattiert werden: Ihr habt schon einige Konzerte in München und Umgebung gespielt. Wie geht es dir persönlich, wenn du siehst, dass zu kleinen aber feinen Underground-Konzerten zum Teil nur eine Handvoll Leute kommen, das Paganfest in München mit über 1500 Menschen aber ausverkauft war?
Flo:
Ich finde es natürlich schade, dass den "kleinen" Bands relativ wenig Chancen gegeben werden. Einerseits sind die Hallen meistens recht teuer zu mieten und andererseits weiß man nicht, ob wirklich genug Leute kommen werden, um die Kosten zu decken. Wie ich schon sagte, es gibt im Underground sehr viele gute Bands und diese haben auch Chancen verdient. Andererseits fällt mir immer öfters auf, dass dieses Problem mit zu schlecht besuchten Konzerten nicht nur "kleine" Bands trifft. Letzten Herbst war ich bei DISBELIEF und GRAVEWORM in München und es kamen gerade mal 30 Leute, ähnlich war es beispielsweise auch bei PAIN. Und das ist dann wirklich sehr traurig. Es freut mich aber für die Bands, wie auf dem Paganfest, wenn sie ausverkaufte Hallen haben. Aber nochmal: Man sollte auch mal unbekannten Bands eine Chance geben...
Julian:
Wenden wir uns noch einmal positiveren Dingen, als zu gering besuchte Konzerte, zu: Wie sieht eure weitere Planung aus? Gibt es bald ein neues Album? Wenn du in fünf Jahren zurück blickst – was ist passiert?
Flo:
Wir werden im Juli erstmal ein kleines Konzert mit der neuen Besetzung als Einstand geben. Ab September versuchen wir so viele Shows wie möglich zu spielen und "Phobia" live zu promoten. Ich denke, Anfang 2009 machen wir uns an neue Songs und werden uns genug Zeit lassen. Aber es wird sicherlich noch was von uns zu hören geben!
Julian:
Wie sieht es Label-technisch bei euch aus? Gibt es schon Angebote oder sogar Zusagen?
Flo:
Nein, leider gibt es in dieser Hinsicht nichts zu vermelden. Also hier nochmal an alle Labels: WIR SIND NOCH ZU HABEN!
Julian:
Na, liebe Label-Leute, das sollte doch deutlich genug gewesen sein! Zuschlagen, ehe es zu spät ist und sich die Konkurrenz ins Fäustchen lacht. Dann danke ich dir für das nette und informative Interview, danke, dass du dir Zeit für POWERMETAL.de genommen hast und überlasse dir in guter Tradition das letzte Wort!
Flo:
Ich sage auch herzlichen Dank für die Zeit und das nette Gespräch. Und vielen Dank an alle Personen, welche uns die Jahre über immer begleitet und unterstützt haben. Wir hoffen, euch alle auf den nächsten Konzerten zu sehen!
- Redakteur:
- Julian Rohrer