DEMON HEAD: Interview mit Birk und Marcus

23.08.2024 | 11:21

Von Dämonen, 50 Tagen Studioarbeit und den ganz großen Fragen des Lebens.

DEMON HEAD ist ein vergleichsweise gut gehütetes Geheimnis, dabei sind die Dänen schon viele Jahre aktiv. Wir nehmen das aktuelle Album zum Anlass, den Inspirationsquellen und persönlichen Visionen von Sänger Marcus und Gitarrist Birk auf die Schliche zu kommen.


"Through Holes Shine The Stars" ist euer erstes Post-Covid-Album, würde ich sagen. War die Band während dieser Zeit in Gefahr?

Birk: Wenn ich deine Frage richtig verstehe, als ob wir negativ an der Schwelle zu etwas standen, dann nicht wirklich. Es hätte schlimmer sein können, denke ich. Wir beendeten "Viscera" gerade als der Covid unseren Teil der Welt traf. Das machte es definitiv schwierig für die Platte, ihren Platz in der Welt zu finden. Wir konnten nicht wirklich touren und so weiter. Aber ansonsten denke ich, dass wir das Beste daraus gemacht haben, uns an so viel wie möglich angepasst, wie wir konnten, und haben einfach weitergemacht. Wir hatten einige Release-Shows für "Viscera" abgesagt, also sind wir stattdessen in ein kleines Haus auf einer dänischen Insel gezogen und begannen mit der Arbeit an "Through Holes Shine the Stars".Marcus: Covid war eine Tragödie, wenn man bedenkt, wie viele Menschen dadurch große Probleme bekamen, ihr tägliches Brot zu verdienen. Und natürlich die verpassten Chancen, besonders für prekär Beschäftigte wie Künstler. Aber für uns als Band und für mich persönlich war es die natürliche Fortsetzung einer Pause, einer Zeit, die wir uns genommen hatten, um uns selbst wiederzufinden. Nach einer anstrengenden und wilden Periode, in der wir extrem hart gearbeitet haben. Aber nach dem ersten Jahr oder so, und vor allem, als "Viscera" aufkam, konnte man wirklich den Drang spüren, wieder zu spielen. Ich denke, das gab uns den Anstoß, an den neuen Songs zu arbeiten und wirklich mit dem Herzen dabei zu sein.

Ihr seid auch zurück bei Svart Records. Passt dieses Label besser zu euch?

Birk: Ohne Zweifel passt es besser zu uns.
Marcus: Ich denke, kreativ und philosophisch gesehen ist Svart eines der besten Labels der Welt. Es fühlt sich wirklich gut an, zurück zu sein!

"Viscera" klang sehr introvertiert, während "Through Holes Shine The Stars" viel mehr rockt. Mit welchen Ambitionen seid ihr ins Studio gegangen?

Birk: Nachdem wir ein paar Jahre an Demos gearbeitet hatten, wollten wir die Songs gemeinsam im Studio improvisieren, die Songs im Proberaum in Form bringen und eine energischere und rockigere Platte machen. Das war sozusagen der Plan und wir hatten ein paar Wochen im Studio gebucht, um ein paar Songs aufzunehmen. Aber dann konnten wir aufgrund familieninterner Gesundheitsprobleme nicht alle dabei sein, also mussten wir die Idee aufgeben, es so aufzunehmen. Wir sind es dann mehr wie ein klassisches Studioalbum angegangen, was sich als überraschend inspirierend für uns herausstellte, und alles kam irgendwie sehr schnell zusammen. Wir haben während dieser ersten Session die komplette Grundlage der Platte aufgenommen anstelle von nur einigen Songs. Wir hatten also schon vor, eine rockigere Platte zu produzieren, aber die Inspiration und die Improvisationen im Studio gingen auch ihren eigenen Weg und ermöglichten die Kombination aus einem eher geradlinigen Rocksound und einigen sehr texturierten und abenteuerlichen Details und Arrangements.

Marcus: Ich glaube, wir hatten alle eine Art Sehnsucht nach etwas, das mehr nach außen geht und, wie du sagst, rockiger ist. Der Prozess, den Birk beschrieben hat, mag dem entgegenstehen, aber ich denke, er hat es uns ermöglicht, unmittelbarer zu sein und das größere Bild zu sehen als beim letzten Album. Wir haben auch eine Menge über das Aufnehmen und Produzieren gelernt, das wir immer nach bestem Wissen und Gewissen selbst gemacht haben, und das macht es einfacher, Klänge auf eine ausdrucksstarke Weise einzufangen.

Die Gesangsarrangements sind komplizierter und bestehen oft aus mehreren Schichten. War die Produktion dieses Albums anders als die der vorherigen Platte(n)?

Marcus: Einer meiner Lieblingsaspekte des neuen Albums ist, dass Birk fast ständig mit mir singt, und seine brillanten, verrückten Vocals sind endlich dort präsent, wo sie hingehören - ganz vorne.

Birk: Wir haben dieses Mal sehr viel Zeit im Studio verbracht. Und wir hatten auch eine Pause zwischen zwei großen Teilen der Studiozeit. Das habe ich persönlich genutzt, um viel tiefer in den Sound einzusteigen, dem wir uns angenähert haben. Die Gesangsarrangements waren auch ein Ergebnis dieser Zeit, die ich hatte, um die Produktion in mein tägliches Leben als Komponist und Produzent einzubringen und eine Art Intimität damit zu erlangen, anstatt alles unter dem Druck des Studiobetriebs herauszuholen.

Marcus: Alles in allem haben wir etwa 50 Tage im Studio verbracht (zumindest ein Teil der Band). Es war sehr intensiv, harte Arbeit, anspruchsvoll und befreiend zugleich, aber was den Songs wirklich Tiefe verleiht, ist die Arbeit, die Birk in den Pausen zwischen zwei Perioden geleistet hat, in denen sowohl der Gesang als auch die Arrangements wunderbar geformt wurden.

Vor 10, 15 Jahren haben viele Bands versucht, auf den Zug von THE DEVIL'S BLOOD aufzuspringen. DEMON HEAD hatte von Anfang an einen eigenständigen Sound. Welche Bands oder Musiker beeinflussten die Entstehung und den Sound von DEMON HEAD?

Birk: Ich denke, auf diese Frage würden wir alle sehr unterschiedliche Antworten geben. Aber die Idee, diese Band zu gründen, kam uns, als wir in einem alten Wohnmobil auf dem europäischen Festland herumfuhren und hauptsächlich Kassetten hörten, die bis zum Rand mit klassischen Heavy-Rock-Hits gefüllt waren. Eher als die schwereren experimentelleren und raueren Metal- und Punkbands, in denen wir zu der Zeit spielten. Also die Lust und der Wille, zu lernen, wie man Songs spielt und schreibt, die ein anderes, jugendliches Gefühl von Hoffnung und Freiheit vermitteln, waren der unmittelbare Beweggrund. Was die konkrete Musik angeht, erinnere ich mich an einige Truppen wie THIN LIZZY, BLACK SABBATH und verschiedene NWoBHM-Bands, aber auch indirekt an Songwriter wie NEIL YOUNG, BOB DYLAN und BRUCE SPRINGSTEEN. Jedenfalls für mich. Ich denke, der Grund für den "Stand-Alone"-Sound, wie du sagst, war für uns auch das Ergebnis davon, dass wir nicht wirklich wussten, wie man Dinge zu tun hat. Das bringt eine Menge Persönlichkeit in den Sound. Auch ich persönlich wusste nicht wirklich, wie man Gitarre spielt, als wir anfingen, und Marcus hat den Gesang übernommen, weil wir einen Sänger brauchten, und nicht, weil er ihn gesucht hat oder wusste, was er in dieser Rolle einbringen sollte.


Letztes Jahr habt ihr einen Song und ein Video mit der Occult-Rock-Legende Jinx Dawson aufgenommen. Traurigerweise ist dieser Song nicht auf eurem neuen Album enthalten. Wird 'Demon Head' eines Tages auch physisch veröffentlicht werden?

Marcus: Jinx und COVEN sind Freunde, mit denen wir gespielt und getourt haben, und es war eine tolle Erfahrung, dass sie zu Beginn unserer Aufnahmephase im Studio auftauchten und sich uns anschlossen!

Birk: Wenn jemand bereit ist, eine 7" herauszubringen, dann sind wir zweifelsohne bereit dazu, aber es scheint so, als ob das Geschäft mit dem Pressen von Platten heutzutage nicht mehr so gut läuft.

Der letzte Song 'This Vessel Is Willing' erforscht noch weitreichendere Klangwelten. Habt ihr das Gefühl dass der musikalische Rahmen, den ihr DEMON HEAD gesetzt habt, in Zukunft zu eng sein könnte?

Birk: Ja, dieser Song geht für uns in eine ganz neue Richtung. Und er erforscht auch eine mehr improvisierte und frei strukturierte Erzählung. Die endgültige Version des Songs basiert auf einer Improvisation, zu der wir einige ziemlich spezifische Arrangements geschrieben und produziert haben. Es ist wahrscheinlich der Song auf dem Album, mit dem ich am zufriedensten bin. Manchmal kann man zu viele spezifische Ideen für ein Musikstück haben, was die Möglichkeiten des Songs aber eigentlich einschränkt. Wenn ich auf unsere Platten zurückblicke, sehe ich, dass wir den Schlusstrack immer dazu nutzen, um neue Richtungen aufzuzeigen. Aber ich würde nicht sagen, dass der Rahmen zu eng ist, denn es gibt nicht wirklich einen Rahmen oder zumindest erweitert er sich schnell genug, dass er uns nicht einschränkt. Es ist vielleicht eher eine Frage der körperlichen und geistigen Unfähigkeit, bestimmte Inspirationen zu verwirklichen. Wir arbeiten gerade an einer neuen Platte, die in die Richtung von 'This Vessel Is Willing' geht. Es ist ein großartiges Stück Arbeit und ich hoffe, dass wir es zum Leben erwecken können. Aber es ist schwer, und wir werden nicht jünger, wenn es darum geht, Geist und Energie und die Zeit nach unserem Willen zu lenken. Also vermute ich, dass dies das Ende unserer Erkundungen sein könnte. Aber das ist auch in Ordnung und ich hätte nichts dagegen, etwas zu erforschen, das einfacher ist und mehr mit einem gemeinsamen Lebensgefühl zu tun hat als mit den Abstraktionen davon. Aber das ist wieder nur ein Gedankengang von mir und nichts, worüber wir gesprochen haben.


Wenn die Metal Archives nicht lügen, spielt ihr immer noch mit der Originalbesetzung von 2013. Was ist eure Erfolgsgeschichte als Gruppe?

Birk: Es sind immer noch dieselben 5 Leute. Ich denke, der Erfolg liegt zum Teil daran, dass wir wirklich am Teamwork interessiert sind. Das Interesse an der Gruppe und dem Kollektiv als Kraft und was es bedeutet, etwas gemeinsam zu tun. Auch im weiteren Sinne, wie wir als menschliche Wesen miteinander leben. Über die Jahre hinweg war es ein ziemliches soziales Experiment. Wir haben gelernt, die Kämpfe und die Ideen, die man loslassen muss, nicht als Versagen zu sehen, sondern als Teil des Mechanismus und der Qualität dessen, was wir zusammen haben. Aber man muss auch die Fähigkeit haben, sich anzupassen und sein Ego loszulassen. Die meisten von uns haben nebenbei auch noch andere Musikprojekte, was definitiv hilft, wenn man sich mehr ausleben möchte.

Marcus: An diesem Punkt sind wir auch eine Familie, und ich kann mir den Rest meines Lebens ohne die anderen nicht mehr vorstellen.

Das Cover-Artwork zeigt einen ähnlichen Stil wie euer 2019er Werk "Hellfire Ocean Void". Gibt es eine Verbindung zwischen den beiden?

Marcus: Es gibt eine Verbindung in Bezug auf das Symbol, unser dämonisches Narrativ, aber die Idee dazu kam, als wir das Foto während der Aufnahme des Albums sahen. Für mich ist es ein wirklich inspirierendes Foto, das Textur, Tiefe, Mystik und Äußerlichkeit hat, wie eine feurige Landschaft, die auf den Nachthimmel gemalt ist. Es wurde von der äußerst talentierten Analogfotografin Christine Björk in einer verfallenen Kirchenruine in den schwedischen Wäldern aufgenommen. Die Symbole sind von unserem Freund Back Metal Smide handgeschweißt.

Birk: Es gibt keinen direkten Zusammenhang, das glaube ich nicht. Aber ich denke, "Through Holes Shine The Stars" ist die erste Platte, auf der wir bewusster auf das zurückblicken, was wir getan haben und was wir gelernt haben. Es war schon immer notwendig und offensichtlich für uns, unsere eigenen Grenzen zu erweitern, aber mit diesem Album versuchen wir, auf dem aufzubauen, was wir kennen und lieben. Daher scheint es passend, dass das Artwork auch die Vergangenheit zusammenfasst.

Gibt es ein lyrisches Konzept hinter der Platte?

Marcus: Die Texte sind definitiv die besten, die ich bis jetzt geschrieben habe. Jeder ist mehr in der Form einer Art von Kurzgeschichte, der der Leser oder die Leserin folgen kann wie einer Brotkrümmel-Spur. Es gibt ein übergreifendes Thema des persönlichen und kollektiven Widerstands gegen die Tyrannei, der sich in verschiedenen Szenen abspielt, die entweder vor sehr langer Zeit, morgen oder in der nahen Zukunft stattfinden. Ich lasse mich immer von der Natur inspirieren und von der Frage, die über allem steht: Welchen Sinn geben wir unserer Existenz als Spezies auf diesem Planeten? Einige meiner Lieblingsautoren, die ich jedem zu lesen empfehle: Ursula K. LeGuin, Jorge Luis Borges, Clarice Lispector, China Miéville, Octavia E. Butler, die Strugatsky-Brüder, Cixin Liu und Otessa Moshfegh.

Mit diesen philosophischen Worten und literarischen Empfehlungen bedanken wir uns für das Gespräch und verabschieden uns bis zum nächsten Album!

Photo-Credit: Jeppe Wittus, Live-Bild von Christine Björk

Demon Head, feat. Jinx Dawson, COVEN



https://www.youtube.com/watch?v=lgOK409Ckg4

Redakteur:
Nils Macher

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