Artikel | Edgar Allan Poe in Rock und Metal (Teil 2)

Edgar Allan Poe in Rock und Metal (Teil 2)

28.12.2023 | 12:29

Welche Erzählung ist in Rock und Metal am beliebtesten?

Im zweiten Teil unseres kurzen Überblicks über das Nachleben von Edgar Allan Poes Imaginationen wollen wir uns seinen Kurzgeschichten zuwenden. Sein erzählerisches Œuvre ist aufgrund seines frühen Todes nicht sehr umfangreich, aber dafür thematisch und erzähltechnisch ausgesprochen vielfältig. Das Spektrum reicht von Detektivgeschichten, Burlesken, grausamen Grotesken und Abenteuererzählungen bis hin zu Horrorgeschichten, die nicht selten seine Zeitgenossen abstießen. Zu seinen Lebzeiten erschien eine Anthologie in zwei Bänden unter dem Titel "Tales Of The Grotesque And Arabesque" in Philadelphia (1840), für die der Autor statt eines Honorars lediglich zwanzig Freiexemplare erhielt.

Im Prinzip schwieriger in Form eines Songs zu verarbeiten als seine Gedichte, erleichtert die von Poe entwickelte Theorie von der Einheit des Effekts, die die Weglassung aller unwichtigen Details beinhaltet, wiederum die musikalische Bearbeitung. Einigen Bands ist es sogar gelungen, die Handlung mit eigenen Mitteln dramatisch nachzuerzählen oder um eigene Elemente zu bereichern.
Es ist schon sehr auffällig, dass einige wenige Erzählungen immer wieder als Vorlage für musikalische Bearbeitungen in Betracht kommen. Habt ihr schon eine Idee, welche das sein könnten? Jedenfalls gehören diese auch zu den stärksten literarischen Erzeugnissen des Schriftstellers. Andere psychologisch und erzähltechnisch herausragende Arbeiten eignen sich weniger gut als Grundlage für einen Songtext. Hierzu würde ich den faszinierenden Monolog "The Man Of The Crowd" (1840) und die fabelhafte Doppelgängergeschichte "William Wilson" (1839) zählen. Immerhin verewigte die Power-Pop-Band THE SMITHEREENS aus New Jersey 1989 letztgenannte Erzählung in ihrem gleichnamigen Song.

Wie schon im ersten Teil erwähnt, üben die Burlesken und Grotesken keine besondere Anziehungskraft auf Metal- und Rockbands aus. Echte Fans von Poe klammern aber auch diese Texte nicht aus. So wird die humorvolle Kurzgeschichte "The Scythe Of Time" (1838) von GRAVE DIGGER auf dem bereits mehrfach erwähnten Album "The Grave Digger" behandelt und als dunkler Groover mit interessanten Breaks ausgearbeitet. Die Totengräber setzten auch "King Pest" (1835), einer dunklen Burleske über das Wüten der Pest, mit ihrem straighten Rocker gleichen Namens ein Denkmal. Auch '(The System Of) Doctor Tarr and Professor Fether' von THE ALAN PARSONS PROJECT gehört in diese Kategorie.

Weitere Arbeiten wurden selten von Musikern aufgegriffen. Die frühe, von einer romantischen Liebesbeziehung in Venedig handelnde und im Stil Lord Byrons verfasste Geschichte "The Assignation" (1834), bei der das Liebespaar Suizid begeht, wurde 2013 von dem Gothic Metal und Dark Wave spielenden Duo VALENTINE WOLFE in dem gleichnamigen Lied vertont. Dieses ist auf dem Album "Once Upon A Midnight" zu finden, auf dem sich übrigens alle enthaltenen Titel mit dem Schaffen Poes auseinandersetzen. So bleibt mir noch nachzutragen, dass auch vier Gedichte, nämlich 'Annabel Lee', 'The Lake', 'The Bells' und 'Spirits Of The Dead', behandelt wurden. "The Gold Bug" (1843) ist eine preisgekrönte Abenteuergeschichte, in der es um eine Schatzsuche und die Dechiffrierung einer Geheimschrift geht. Ein Instrumental mit diesem Titel findet sich auf dem Langspieler "The Turn Of A Friendly Card" von THE ALAN PARSONS PROJECT (1980).

Auf ihrem Langspieler "The Narrative Of Arthur Gordon Pym" haben sich die Crossover-Progger AS FOLLOWS (2015) Poes längster Erzählung zugewendet. Auch das gesamte Album "The Giant" von den Funeral Doomern AHAB aus Heidelberg (2012) basiert darauf.

Die Kriminalerzählungen

Mit seinen drei Geschichten um den genialen Amateurdetektiv C. Auguste Dupin schuf Poe ein ganz neues Genre, das die zeitgenössischen Leser in den Bann zog und später viele Nachahmer fand. Zwei dieser, vom Schriftsteller selbst als "Tales Of Ratiocination" titulierten Erzählungen, können hier erwähnt werden. (Von "The Mystery Of Marie Rogêt" ist mir keine musikalische Adaption bekannt.) An erster Stelle muss natürlich "Murders In The Rue Morgue" (1841) genannt werden, das 1981 mit demselben Titel auf dem Album "Killers" von IRON MAIDEN verewigt wurde. Das dürfte die Poe-Adaptation im Heavy Metal sein, auf die ich als erstes gestoßen bin. Das müsste so um 1982 herum gewesen sein. Die in späteren Kriminalromanen beliebte Technik des "verschlossenen Raums" kommt in "Murders In The Rue Morgue" zur Anwendung. Bei IRON MAIDEN wird nun interessanterweise der Doppelmord in Paris aus der Sicht eines weiteren Zeugen, der der französischen Sprache nicht mächtig ist, berichtet. Hier hat sich Steve Harris eine richtig interessante neue Perspektive ausgedacht. Wie jeder Song auf "Killers" ist auch 'Murders In The Rue Morgue' musikalisch über jeden Zweifel erhaben und ein Klassiker der NWoBHM. Gemeinsam sind Eddie und Eddie unschlagbar!
Der ehemalige Gitarrist der Noise-Rock-Legende SONIC YOUTH, Lee Ranaldo, verarbeitete im Text 'Purloined' aus dem Jahr 2016 Einflüsse der Erzählungen "The Purloined Letter" (1844) – auch hier können wir Dupins Scharfsinn im Deduzieren bewundern – und 'The Tell-Tale Heart', der später noch ausführlicher behandelt wird.

Die Frauenfiguren

Frauen, besonders kranke, dem Tode unrettbar verfallene Frauen, haben unseren Dichter zeitlebens fasziniert. Wiederholt hat er sich in seinen Essays zu Aufgabe und Thematik der Dichtkunst geäußert. Berühmt ist seine Aussage, dass der Tod einer schönen Frau ohne Zweifel das poetischste Thema überhaupt sei. Niemand, der einmal "Berenice" gelesen hat, wird die schauerliche Auflösung am Ende vergessen. Eine vom Free Jazz geprägte neunminütige Avantgarde-Abfahrt dazu von MISTER BUNGLE mit dem Titel 'Carry Stress In The Jaw' kam 1995 raus. Eine hörenswerte Gothic-Anverwandlung mit dem Titel 'Berenice' erschien 2002 von der deutschen Kapelle PARALYSED AGE. Das bereits erwähnte Duo VALENTINE WOLFE besang 2013 'Morella', eine weitere typische Frauenfigur. "Ligeia" gehört zweifellos zu den größten Triumphen des Amerikaners, und auch hier ist VALENTINE WOLFE tätig geworden. Aber viel einschlägiger ist natürlich das gleichnamige Bravourstück von ANNIHILATOR auf "Alice In Hell" (1989). Fans der Kanadier wissen natürlich, dass es zuvor schon auf dem 1986er Demo "Phantasmagoria" vertreten war. Der Riff-Gott Jeff Waters konnte hier schon zeigen, was er kann, auch wenn sein "Gesang" seiner 'Ligeia' noch nicht so ganz gerecht werden konnte. Von den Bands mit Namen LIGEIA war ja bereits im ersten Teil dieses Artikels die Rede. Auch in "The Oval Portrait" (1842) geht es um eine schöne Frau, die von ihrem Mann porträtiert wird, wobei ihr durch diesen Vorgang immer mehr das Leben entzogen wird. Die bis 2004 aktive Post-Hardcore-Band THE OVAL PORTRAIT benannte sich nach diesem kurzen Prosastück. Auch auf "Once Upon A Midnight" von VALENTINE WOLFE wird diese kurze Erzählung berücksichtigt.

Lebendig begraben oder eingemauert

Im 19. Jahrhundert herrschte eine verbreitete Angst, lebendig begraben zu werden. Diese Furcht ist bekannt als Taphephobie. Es wurden raffinierte Vorkehrungen wie eine vom Sarg aus zu betätigende Glocke getroffen, um der Beerdigung als Scheintoter vorzubeugen. Auch der große amerikanische Erzähler behandelte auf trickreiche Weise dieses Thema in "The Premature Burial" (1844). Bereits VENOM zeigte sich 1982 mit 'Buried Alive' auf dem Zweitwerk "Black Metal" hiervon inspiriert. 1994 erschien auf "The Dark Chapter" von Michael Romeo ein virtuoses Instrumental mit diesem Titel. Es waren die Mannen von GRAVE DIGGER mit 'The Grave Digger' auf dem gleichnamigen Longplayer, die sich dieses Sujet nicht entgehen lassen konnten, denn mit Gräbern kennen sie sich natürlich aus. Mit der makabren Handlung in "The Cask Of Amontillado" (1846), das Einmauern eines Freundes durch den Ich-Erzähler aufgrund einer angeblichen Kränkung, konnte sich bereits THE ALAN PARSONS PROJECT anfreunden und hatte auf dem bedeutenden Konzeptalbum einen gleichnamigen Titel, der von John Miles zum Besten gegeben wurde. Wer das Stück noch nicht kennen sollte, unbedingt anhören! Der Gesang und das exquisite Arrangement sind großartig. Auch Michael Romeo nahm sich auf seinem instrumentalen Werk von 1994 dieser Erzählung an. RAMMSTEINs 'Stein um Stein' von 2004 ist wohl auch von 'The Cask Of Amontillado' angeregt. In "The Black Cat" (1843) wird das Motiv des Einmauerns abgewandelt, denn der Ich-Erzähler tötet im Zorn seine Ehefrau und versucht, ihre Leiche hinter einer Mauer zu verbergen. Zwei Katzen sind für die Handlung auch wesentlich. GRAVE DIGGER und SHADOWHISPERS, bereits im ersten Teil des Artikels erwähnt, haben jeweils einen Song mit diesem Titel im Angebot.

The Pit And The Pendulum (1843)

Doch kommen wir nun zu den Prosastücken, die besonders häufig von Musikern aufgegriffen wurden. Diese actionreiche Story spielt zur Zeit der Spanischen Inquisition in Toledo. Der zum Tode verurteilte Erzähler findet sich gefesselt in einem völlig dunklen Verlies wieder. Ein an der Decke befestigtes rasiermesserscharfes Pendel bewegt sich immer mehr auf ihn zu. Die Hard Rocker ROSS betitelten 1974 ihren Langspieler mit "The Pit And The Pendulum". Eine für die Auflösung wichtige Szene bildet auch das Motiv auf dem Cover. Auch der Underground leistete seinen Beitrag, denn 1983 konnte HAWAII auf "One Nation Underground" mit dem rasanten 'The Pit And The Pendulum' aufwarten, das aber schon 1982 auf dem Demo enthalten war, als die Truppe sich noch ALOHA nannte. Der Gitarrenheld Marty Friedman, der HAWAII gründete, legte auf "Future Addict" (2008) eine an modernen Sounds orientierte Neubearbeitung vor. Auch in heimischen Landen wird die Geschichte verehrt, denn 1993 hatte RAGE auf "Missing Link" einen Track mit diesem Titel am Start. Die Progressive Metaller SYMPHONY X feierten auf ihrem sechsten Langspieler "The Odyssey" (2002) mit 'King Of Terrors' diese Horrorgeschichte, der Spoken-Word-Beitrag ist ein kurzer Auszug ihr. Als Artwork auf "Dark Passion Play" von NIGHTWISH (2007) ist das tödliche Pendel abgebildet. Auch findet sich hier das fast 14-minütige 'The Poet And The Pendulum', das sich allerdings nur oberflächlich an die dunkle Story anlehnt. Ein technisches Instrumental 'The Pit And The Pendulum' ist auf "Beyond The Wall Of Sleep" (2014) von Christian Muenzner enthalten. Auch Biff Byford, seines Zeichens Sänger von SAXON, scheint 'The Pit And The Pendulum' zu schätzen, denn er packte auf sein Solo-Album "School Of Hard Knocks" (2020) einen 7-Minüter mit diesem Titel.

The Fall Of The House Of Usher (1839)

"The Fall Of The House Of Usher" gehört ohne Zweifel zu den Meistererzählungen in der unheimlichen Phantastik. Der Niedergang eines altehrwürdigen Geschlechts, der sich im fortschreitenden Verfall des Familiensitzes widerspiegelt, ist wie gemacht für eine Bearbeitung in Rock und Metal. Die mehrteilige Suite mit dem gleichnamigen Titel, die von Claude Debussys unvollendeter Oper beeinflusst ist, nimmt fast eine gesamte Plattenseite auf "Tales Of Mystery & Imagination" von THE ALAN PARSONS PROJECT ein. Peter Hammill, Kopf der Kult-Progger VAN DER GRAAF GENERATOR, nahm 1991 eine Oper mit dem Titel "The Fall Of The House Of Usher" auf. Das Libretto stammt von Chris Judge Smith, der VAN DER GRAAF GENERATOR mitbegründete. Fun Fact: Herbert Grönemeyer übernahm auch eine Rolle. Ohne den Namen Usher im Text zu erwähnen, ist es doch überdeutlich, dass es diese Erzählung ist, die von GRAVE DIGGER in 'The House' verarbeitet wird. Wie es dem Thema angemessen ist, geht es im Song düster und mit schleppenden Riffs zu. Melodiöse Chöre lullen uns außerdem ein.

STORMWITCH aus Gerstetten konnte ein Jahr später auf dem 2002er Album "Dance With The Witches" mit dem melodischen Groover 'The House Of Usher' überzeugen. 2003 ging es dann auf "Unveiling The Grotesque" bei RA'S DAWN aus Koblenz weiter. Auch hier wurde das Haus in einem 10-Minüter besungen. Eine traditionelle Huldigung lieferte ICARUS WITCH aus Pittsburgh, Pennsylvania, auf "Song For The Lost" (2007) mit 'House Of Usher'. Auch VALENTINE WOLFE beteiligte sich auf dem 2013er Album an der Verehrung des großartigen Prosatextes. Und schließlich wäre da noch die Black-Metal-Truppe NIMPHAION aus Russland mit ihrem kurzen 'Welcome To The House Of Usher' auf ihrem 2018er Album "Quoth The Raven" zu nennen. Der Beginn des Originaltextes wird mit starkem russischen Akzent rezitiert.

The Tell-Tale Heart (1843)

Wer einmal "The Tell-Tale Heart" gelesen hat, wird die minutiöse Beschreibung des Erzählers nicht vergessen, wie er methodisch bei seinem Mord vorgeht, um der Heimsuchung durch das "Geierauge" seines Opfers zu entgehen. 'Tell-Tale Heart' auf dem schon mehrfach erwähnten Album "Tales Of Mystery & Imagination" von THE ALAN PARSONS PROJECT, war nicht nur die zweite Vertonung einer Erzählung von Poe, die ich nach IRON MAIDENs 'Murders In The Rue Morgue' hören durfte, sondern auch überhaupt die erste Begegnung mit dem Autor im Original. In der Schule lasen wir nämlich im Englischunterricht mit dieser Kurzgeschichte tatsächlich mal etwas Vernünftiges und hörten dann auch den von Arthur Brown großartig interpretierten Song. Ganz gelegentlich können wir also doch fürs Leben lernen. Als die Prog-Legende SIEGES EVEN noch nicht dem Underground entwachsen war, standen zunächst drei Demos an. Das zweite mit dem schönen Titel "Bootleg Kassette 1987" leistete mit 'Tell-Tale Heart' seinen Beitrag zur Poe-Rezeption im deutschen Heavy Metal. 'Buried Alive (Tell Tale Heart)' von RIOT auf ihrem grandiosen Album "Thundersteel" (1988) scheint wegen des Untertitels auch hierher zu gehören, doch verweist der Text vielmehr auf die Story "Premature Burial2. Wollte RIOT etwa ein Verwirrspiel mit uns treiben? "Blessing In Disguise", das erste Album von METAL CHURCH mit dem schmerzlich vermissten Mike Howe als Sänger, hatte 1989 mit 'Fake Healer', 'Badlands' und 'Anthem To The Estranged' gleich drei Stücke für die Ewigkeit am Start. Aber auch 'Of Unsound Mind' ist nicht von schlechten Eltern und hat einen sehr eindringlichen Chorus. Wir können mit dem wahnsinnigen Protagonisten einen Blick auf das Geierauge werfen. Aber METAL CHURCH arbeitet mit einem interessanten Perspektivwechsel. Musikalisch bemerkenswert: Kirk Arringtons Drumming ist wahres Donnergrollen! Die deutschen Metaller von BRAINSTORM hatten 1997 auf dem Erstlingswerk "Hungry" den Titel 'Tell-Tale-Heart', der besonders durch die Gitarrenarbeit besticht. Ebenfalls 1997 trugen die Alternative Thrasher TOURNIQUET mit 'The Tell-Tale Heart' auf "Crawl To China" zum Thema bei. Auch im Punk hat man Interesse an diesem Sujet, wie A NEW FOUND GLORY mit 'Tell-Tale Heart' auf dem Debüt "Nothing Gold Can Stay" (1999) bewies. Die Schwarzmetaller TREMOR hatten 2011 auf "The Poe Sessions" 'Vulture Eyes' zu bieten. Wie nicht anders zu erwarten, beteiligte sich auch VALENTINE WOLFE wieder. MIKE LEPOND'S SILENT ASSASSINS konnte 2020 auf "Whore Of Babylon" nicht nur mit dem Song 'Tell Tale Heart' (ohne Bindestrich!), der durch hervorragendes Spiel des Bassisten von SYMPHONY X besticht, überzeugen, sondern auch durch ein sehenswertes Video. Ach ja, Alan Tecchio (HADES, NON-FICTON, WATCHTOWER) singt erwartungsgemäß natürlich auch gut. DOOM ROT, das im Melodic Death Metal beheimatete Ein-Mann-Projekt aus Russland, präsentierte 2020 'Vulture's Eyes' auf der Full-Length "Eternal Void". 2021 war dann noch die Single 'Vulture’s Eyes' aus dem Blickwinkel des extremen Metals von OBSCURE PERCEPTION aus Brasilien zu hören.

The Masque Of The Red Death (1842)

Nach mehreren Jahren Pandemieerfahrung blickt man vielleicht noch einmal anders auf die fast einem Prosagedicht gleichende Horrorgeschichte "The Masque Of The Red Death". Sie gehört definitiv zu den beliebtesten in Rock und Metal. 1985 zeigte STORMWITCH bereits Begeisterung für unseren großen Erzähler und legte auf "Tales Of Terror" mit 'Masque Of The Red Death' eine gelungene traditionelle Metal-Adaption vor. Eine wahre Meisterleistung ist der gleichnamige Track von HADES auf dem Debütalbum "Resisting Success" aus dem Jahr 1987, der den Langspieler abschließt. Diese gleichnamige Suite in drei Teilen verweist nicht nur vage auf das Original, wie bei anderen hier diskutierten Beispielen, sondern wagt sich sogar daran, die Handlung frei nachzuerzählen. Wie oft habe ich völlig versunken mit dem Textblatt in der Hand HADES' kongenialer Version gelauscht! Interessant ist, dass auf dem Textbeileger mehr zu lesen ist, als tatsächlich auf der LP verarbeitet ist. Natürlich ist auch die Musik vom Allerfeinsten. Es beginnt mit einem irrwitzigen Basssolo und etlichen technischen Finessen. 'The Masque Of The Red Death' ist eine musikalische Reise mit dramatischen Wendungen und Tempowechseln, bei denen Alan Tecchio am Mikro glänzen kann. Ebenfalls 1987 erschien von MANILLA ROAD 'Masque Of The Red Death' und zwar als Thrasher angelegt.

Wer mich kennt, weiß, dass ich "Transcendence", das Zweitwerk der US Metaller CRIMSON GLORY aus Florida aus dem Jahr 1988, für eines der zehn besten Alben aller Zeiten halte. Der vierte der zehn makellosen Tracks ist 'Masque Of The Red Death'. Na ja, vielleicht ist makellos etwas übertrieben, denn gerade bei 'Masque Of The Red Death" hat sich CRIMSON GLORY für das Hauptriff bei 'Powerslave' von IRON MAIDEN bedient. Aber die Vokalakrobatik des unvergleichlichen Midnight ist unfassbar gut. 'The Univited Guest' von MARILLION auf "Season's End" (1989) gilt als Anspielung auf den Roten Tod, doch lässt der Text selbst dies offen. Ein Instrumental 'Masque Of The Red Death' kann man auf Michael Romeos "The Dark Chapter" (1994) genießen. Auf "The Illusion Of Safety" (2002) handelte die Post-Hardcore-Formation THRICE 'The Red Death' in nur zwei Minuten ab. Nur eine sehr entfernte Bezugnahme ist 'Red Death at 6:14' von THE WHITE STRIPES. Diese 7" lag 2002 dem Magazin "Mojo" bei. Eine Empfehlung wird hier ausdrücklich nicht ausgesprochen. Auf dem bereits erwähnten Langspieler "Unveiling" (2003) von RA'S DAWN ist auch 'The Masque Of The Red Death' vertreten, ebenso bei VALENTINE WOLFE. Auf dem selbstbetitelten Album von MIKE LEPOND'S SILENT ASSASSINS aus dem Jahr 2014 wird 'Red Death' in einer interessanten Komposition dargeboten. Die Symphonic Gothic Metaller ETERNAL SILENCE präsentierten 2021 auf "Timegate Anathema" ein schön arrangiertes 'Red Death Masquerade', das auch wegen des Bassspiels hörenswert ist. Erst in diesem Jahr wurden die US Metaller KINGDOM OF TYRANTS und ihr Album "Architects Of Power" bei uns von Holger Andrae in seiner Rezension mit neun Punkten belohnt. 'Masque Of The Red Death' ist eines der Highlights.

Ich hoffe, ihr hattet ein wenig Spaß mit diesem Überblick über den Einfluss Edgar Allan Poes auf die Rockmusik und auf den Heavy Metal im Besonderen. Vielleicht habt ihr ja Lust, den einen oder anderen Song bei Gelegenheit nachzuhören oder die Erzählungen im Original zu lesen. Ein kleines Schmankerl noch am Schluss: Textlich sehr empfehlenswert ist 'The Tragic Period' von EXHORDER auf dem bekannten Thrash-Nackenbrecher "Slaughter In The Vatican" (1990). Hier wird die Biografie Poes mit sehr viel Sachkenntnis abgehandelt. Und gut gereimt ist der Text auch noch!