GENESIS: Diskografie-Check Teil 3 | Platz 5 - 1

22.12.2024 | 23:41

Peter Gabriel oder Phil Collins? Extravaganter Frontmann mit Vorliebe zum ausgefallenen Kostüm oder doch der singende Schlagzeuger, der eigentlich gar kein Frontmann sein wollte? In unserem dritten Teil der Reise durch die GENESIS-Diskografie beantworten wir euch heute endlich die Frage, welche Stimme das für uns beste Werk der Briten eingesungen hat. Zwei Collins-Alben und drei Gabriel-Prog-Epen sind noch im Rennen, auf Platz 5 erwartet uns allerdings direkt eine kleine Überraschung.

5. The Lamb Lies Down On Broadway (1974)

Ein bisschen überrascht bin ich ja schon, dass "The Lamb Lies Down On Broadway" am Ende "nur" den fünften Platz in unserem Ranking belegt, war das Konzept-Doppelalbum für mich doch auch lange das Opus Magnum im Kosmos der britischen Progger, bevor mit etwas mehr Abstand das kompaktere "A Trick Of The Tail" den Platz an der Sonne übernahm. Und auch heute noch würde ich argumentieren, dass wir es bei der Geschichte rund um den in New York lebenden Protagonisten Rael mit einem der besten Konzeptalben der Musikgeschichte zu tun haben.

Ähnlich wie beim PINK FLOYD-Mammutwerk "The Wall" umfasste der Plan für die Umsetzung der Selbstfindungsreise von Rael nicht nur das Album, sondern auch eine von Peter Gabriel geschriebene Prosa-Aufarbeitung der Story und einen Film, der schlussendlich allerdings leider nie umgesetzt wurde. Unter anderem scheiterten weitere Pläne wohl auch daran, dass das Bandgefüge von GENESIS während der Arbeiten an "The Lamb Lies Down On Broadway" langsam in sich zusammenfiel. So bestand Gabriel als federführender Kopf hinter dem Konzept zwar darauf, sämtliche Texte zu verfassen, war wegen einer sehr komplizierten Schwangerschaft seiner damaligen Ehefrau aber auch abseits der Band verständlicherweise sehr eingespannt, was die Arbeiten am Album immer weiter verzögerte.

Die strikte Trennung von Texten (Gabriel) und Musik (alle übrigen Bandmitglieder) führte zu einer weiteren Vertiefung der Gräben innerhalb der Band, da frische Musik deutlich schneller fertig wurde als die zugehörigen Texte. Darüber hinaus wäre Gabriel bereits während des Songwritings beinahe ausgestiegen, als eine Zusammenarbeit mit Regisseur William Friedkin auf wenig Gegenliebe bei seinen Bandkollegen stieß, was schlussendlich dazu führte, dass Gabriel temporär GENESIS verließ und Phill Collins sogar den Vorschlag machte, "The Lamb Lies Down On Broadway" als komplettes Instrumentalalbum zu veröffentlichen. Schlussendlich rauften sich die Briten glücklicherweise aber doch wieder zusammen und vollendeten die Arbeiten am Doppelalbum, das für mich in gekonnter Weise eine durchaus komplexe Story in überraschend kompakten, poppigen und zugänglichen Songs verpackt.

Epen mit Spielzeiten jenseits der zehn Minuten sucht man entsprechend auch vergebens, sodass nur das ausladend arrangierte 'The Colony Of Slippermen' und 'In The Cage' die Acht-Minuten-Marke knacken. Gerade die letztgenannte Nummer wurde in der Folge zu einem Live-Klassiker, dessen Zusammenstellung als Medley sogar noch lange nach Gabriels Ausstieg beispielsweise auf der 2007er Reunion-Tour ihren Weg in die Setliste der Briten fand. Für mich ist der unheimlich abwechslungsreiche Track dann auch der klare Höhepunkt des Albums, dem der eröffnende Titeltrack mit seinen wunderschönen Gesangsarrangements dicht auf dem Fuße folgt.

Und ja, auch zwei quasi Single-Hits hat "The Lamb..." mit 'Carpet Crawlers' und 'Counting Out Time' im Gepäck, bei denen man überhaupt nicht erahnt, dass beide Kompositionen Teil eines größeren Gesamtwerks sind. Insgesamt genießt man "The Lamb Lies Down On Broadway" aber dennoch in seiner Gesamtheit, um in diesem Höhepunkt der Gabriel-Ära so richtig abtauchen und sich in den vielen kreativen Ideen der einzelnen Songs verlieren zu können. Genau dann entfaltet "The Lamb ..." für mich seine volle Magie.

Die öffentliche Meinung gegenüber dem Silberling sah bei Veröffentlichung allerdings erst einmal komplett anders aus, denn Kritiker und auch Fans waren am 22. November 1974 nicht restlos überzeugt. Mit etwas mehr Zeit und mit Sicherheit auch befeuert durch die tolle Liveshow, bei der das Album in seiner Gesamtheit aufgeführt wurde und Gabriel der Story mit verschiedensten Outfits Leben einhauchte, wurde "The Lamb Lies Down On Broadway" zu einem Fanfavoriten, der sich des Kultstatus' inzwischen sicher sein kann. Und auch die Kritiker kamen schlussendlich zu Sinnen, sodass der Schwanengesang von Gabriel mit GENESIS inzwischen auch allgemein als eines der bedeutendsten Konzeptalben der Rockgeschichte anerkannt wurde.

Entsprechend überrascht bin ich auch, dass Raels Geschichte auch nur bei Jens (Platz 1) und mir (Platz 2) auf dem Treppchen landete, während Jonathan beispielsweise das Album nur auf dem achten Rang der Diskografie sieht. Maiks Einordnung auf Platz 12 sprengt dann zumindest gänzlich den Rahmen meines musikalischen Verständnisses, auch wenn die gespaltene Rezeption innerhalb unserer Redaktion eigentlich nur illustriert, wie vielseitig und spannend die gesamte Diskografie von GENESIS insgesamt doch ist.

[Tobias Dahs]

 

4. Wind & Wuthering (1976)

Das Wörtchen "Ruhe" war in den Siebzigern im GENESIS-Kosmos unbekannt, denn gerade als sich die zum Quartett geschrumpfte Band nach dem Ausstieg Peter Gabriels nach der Tour zum eben besprochenen "The Lamb Lies Down On Broadway" mit dem grandiosen "A Trick Of The Tail" selbst neu erfunden hatte, brandeten die internen Streitigkeiten während der Arbeiten am Nachfolger "Wind & Wuthering" erneut auf. Der Leidtragende dieses Mal: Gitarrist Steve Hackett.

Der Stein des Unmuts kam dabei schon ins Rollen, als Hackett erst noch ein weiteres Soloalbum aufnehmen wollte, ihm diese Zeit vom Rest der Band allerdings nicht zugestanden wurde. Seine Bitte, die Anteile am Songwriting gleichmäßig aufzuteilen, stießen ebenfalls auf taube Ohren, wobei der Gitarrist schlussendlich sogar das Gefühl hatte, dass insgesamt die Kompositionen von Tony Banks den Vorzug erhalten würden.

Wie schon bei "The Lamb Lies Down On Broadway" schlugen sich diese Querelen innerhalb der Band beim musikalischen Output allerdings nicht nieder, als sich Collins, Rutherford, Banks und Hackett schließlich in Hilvarenbeek (Niederlande) zusammenfanden, um erstmalig außerhalb des Vereinigten Königreichs ein Album aufzunehmen. Mehr noch, in der Retrospektive haben sowohl Steve Hackett als auch Tony Banks den Silberling, der schlussendlich am 17. Dezember 1976 das Licht der Welt erblickte, als eines ihrer liebsten GENESIS-Alben bezeichnet.

Und ich kann diese Aussage verstehen, wobei das grundsätzlich starke Songmaterial in der öffentlichen Wahrnehmung wohl wahrscheinlich von 'Afterglow' überstrahlt wird. Als getragene Ballade mit einem mantrahaften Gitarrenpart ist diese Nummer vielleicht der größte Fingerzeig dorthin, wo es in der Zukunft für GENESIS gehen sollte, und der "Wind & Wuthering"-Song, der sich am beständigsten im Liveset für die nächsten Dekaden etablieren sollte.

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch das ruhige, mit feinen Gitarren verzierte 'Blood On The Rooftops' und das ebenso verträumte 'Your Own Special Way', das vielleicht klanglich die meisten Bezüge zum direkten Vorgänger "A Trick Of The Tail" hat. Die Prunkstücke des Langspielers sind für mich aber die Momente, in denen Mr. Banks mit seinen Synthesizern so richtig das Zepter an sich reißt, wobei hier vor allem die vertrackten und deutlich proggigeren Tracks 'Eleventh Earl Of Mar' und 'One For The Vine' für die nachhaltigste Begeisterung gesorgt haben, während auch das zweigeteilte Instrumental 'Unquiet Slumber For The Sleepers' und '...In That Quiet Earth' immer wieder maßlos begeistern kann, sodass schlussendlich nur das reichlich jazzige 'Wot Gorilla?' meinen Nerv nicht so richtig trifft.

Allgemein bleibt "Wind & Wuthering" aber ein Album, das diese kreative GENESIS-Hochphase zwischen den poppigen Trio-Jahren und der verkopften Gabriel-Ära perfekt verkörpert und den Test der Zeit mit Sicherheit bestanden hat. Das spiegelt sich auch in den Wertungen unserer Redaktion wider, wo das Album von Maik sogar ganz oben platziert wird, während Jens und ich den dritten Platz vergeben. Einzig Frank zieht den Notenschnitt mit einer Nennung auf dem zehnten Rang nach unten, was dafür sorgt, dass "Wind & Wuthering" den Sprung aufs Treppchen knapp verpasst. Was wohl mit GENESIS passiert wäre, hätte Steve Hackett nach den Frustrationen während der Entstehung des Albums und der folgenden Tour nicht seine Sachen gepackt und die Briten verlassen, ist damit wohl die größte Frage, die wir wohl nie werden beantworten können. Zum Pop-Superstar wäre die Prog-Legende mit Hacketts Liebe zu vertrackten Tönen wohl jedenfalls nicht geworden...

[Tobias Dahs]

 

3. A Trick Of The Tail (1976)

Dass die Pop-Hit-Jahre aber in unserer Redaktion sowieso nicht die Favoriten sind, habt ihr ja im Ranking bereits erfahren, und so gehört der dritte Platz in unserem Diskografie-Check dem direkten Vorgänger von "Wind & Wuthering", der im Jahr 1976 erschien und den man wohl im heutigen Sprachgebrauch als "make it or break it"-Release bezeichnen könnte.

Nach dem Ausstieg von Peter Gabriel am Ende der "The Lamb Lies Down On Broadway"-Tour gab es jedenfalls reichlich Fans und Kritiker, die GENESIS am Ende sahen. Das Steve Hackett-Soloalbum "Voyage Of The Acolyte", das im Jahr 1975 erschien, befeuerte die Gerüchte nur weiter, sodass sich das verbliebene Quartett schlussendlich mit einer Trotzhaltung ins Trident Studio begab, um der Welt zu beweisen, dass es noch immer spannende Musik komponieren konnte, auch ohne den so prägenden Frontmann Gabriel an der Spitze. Immerhin hatten Banks und Rutherford schon immer den Löwenanteil der Songs geschrieben.

Die Aufnahmen verliefen dann auch mehr als vielversprechend, auch wenn die Band zu diesem Zeitpunkt nicht einmal einen Ersatz für Gabriel angeheuert hatte. Diverse Kandidaten wurden ausprobiert, doch niemand schien die Fußstapfen des schon damals legendären abgewanderten Fronters füllen zu können. Schlussendlich überredeten Mike und Tony Schlagzeuger Phil Collins, der schon immer Backing-Vocals beigesteuert hatte, den Song 'Squonk' als Testballon aufzunehmen. Das Ergebnis überzeugte alle Beteiligten schlussendlich so sehr, dass Collins die Sticks außerhalb des Studios an Bill Bruford und später Chester Tompson weitergab und die Rolle des Frontmanns übernahm, der zumindest in der Aufnahmesituation weiterhin auch das Schlagzeug bediente.

Eine durchaus mutige Entscheidung, die sich aber mehr als bezahlt machen sollte, denn "A Trick Of The Tail" wurde dank toller Kompositionen nicht nur ein kommerzieller Erfolg, sondern erfreute sich auch bei Kritikern großer Beliebtheit und legte damit den Grundstein für die GENESIS-Zukunft ohne Gabriel. Angesichts der musikalischen Qualität, die schon im wunderbar abwechslungsreichen Opener 'Dance On A Volcano' eindrucksvoll unter Beweis gestellt wird, ist der Erfolg der Silberlings aber auch nicht verwunderlich.

Im Gegenteil, Ausfälle sucht man in der Spielzeit vergeblich, sondern hangelt sich von einem Höhepunkt zu nächsten. Wer es verträumt und mit viel Popappeal mag, der wird mit 'Ripples' und 'Entangled' bedient, die beide von tollen Gitarren-Arrangements leben. Wer lieber düstere Synthesizer hört, dem werden 'Squonk' und vor allem der temporeiche Mittelteil von 'Robbery, Assault And Battery' eine Gänsehaut auf den Nacken treiben, während 'Mad Man Moon' als epische Piano-Nummer mit exzentrischen Auswüchsen einen klaren Blick in die Bandvergangenheit wirft. Vom starken Titeltrack und dem unsterblichen Instrumental 'Los Endos', das die Platte mit einem Paukenschlag beendet, haben wir da noch gar nicht gesprochen.

Ihr hört es sicher schon, ich persönlich liebe "A Trick Of The Tail" innig, weshalb es das siebte GENESIS-Album auch auf den Platz an der Sonne in meinem Ranking geschafft hat. Ähnlich sehen das auch Maik und Jonathan, die beiden den 2. Rang vergeben, während Frank (10. Platz) und Stefan (8. Platz) untermauern, dass sie nicht die größten Fans der Übergangsperiode zwischen Gabriel-Ära und Trio-Ära sind. Euch sollte das aber nicht davon abhalten, diesem wunderbaren Album ein Ohr zu schenken und im tollen Prog Rock der Briten abzutauchen, wobei insbesondere im 2007er Remaster dabei die Details des Silberlings ganz besonders toll zur Geltung kommen.

[Tobias Dahs]

 

2. Foxtrot (1972)

Unser Platz 2 geht an ein Album aus der frühen Phase, das zu Recht als Klassiker des Progressive Rocks gilt und alle Trademarks dieses Genres in Perfektion vereint: musikalisches Können, Innovationsgeist und kompositorische Brillanz. "Foxtrot" war das erste Werk der Peter Gabriel-Ära, das ich als Ganzes genießen konnte. Zuvor kannte ich nur den Song 'Carpet Crawlers' von "The Lamb Lies Down On Broadway" und das auch nur oberflächlich. Mir war zwar immer klar, dass mir GENESIS in der progressiven Phase gefallen müsste, aber es fehlte immer die Gelegenheit für den richtigen Einstieg in diesen musikalischen Kosmos. Anfang der 90er war es dann endlich so weit, denn mein damaliger Mitbewohner besaß alle frühen Scheiben auf Vinyl und war auch willens, mir diese zu leihen.

Gleich bei den ersten Keyboardklängen des Openers 'Watcher Of The Skies' war es um mich geschehen und eine neue musikalische Leidenschaft war geboren. Textlich basiert das Stück auf einer dystopischen Erzählung von Arthur C. Clarke, in der ein Alien auf die Reste der menschlichen Zivilisation blickt, nachdem es zur vollkommenen Selbstauslöschung gekommen ist. Die Art, wie Tony Banks mit Orgel und Mellotron den Klang von GENESIS atmosphärisch beeinflusst, ist überragend. Was mir aber immer schon besonders gut gefallen hat, ist neben dem einfühlsamen Gesang von Peter Gabriel das pochende, progressive Morsezeichen aussendende Bassspiel von Michael Rutherford. Auf keinem anderen Langspieler der Briten klingt der Tieftöner ähnlich. Klar, nicht jeder mag 'Time Table' mit seinem anspielungsreichen Titel. Manche finden den Song zu ruhig und zu verhalten, aber meiner Meinung nach ist er zauberhaft und zudem genau an der richtigen Stelle platziert. Der Blick auf ein historisches Artefakt, das viel von vergangenen Zeiten zu erzählen hat, aber später niemanden mehr interessiert und folglich nur verstaubt, ist textlich sehr überzeugend umgesetzt. Aber das ist nur eine Textebene, bei der ich es hier mal belasse.

Das als Dialog verschiedener Stimmen angelegte 'Get ’Em Out By Friday' ist sozialkritisch in seiner Stoßrichtung. Ein Sprung in das Jahr 2012, für uns natürlich längst vergangen, führt dann noch eine SciFi-Perspektive in das Stück ein. Die Flöte trägt sehr zur Wirkung bei. Miet-Haie und Stadtentwickler aufgepasst, 'Get ’Em Out By Friday' handelt von euch! 'Can Utility And The Coastliners' ist der heimliche Hit auf "Foxtrot", der über die Jahre immer größer und größer wird. Majestätische Gesangslinien und sprudelnde Songideen machen diesen Grower zu einem der besten Songs von GENESIS.

Das kurze akustische Instrumental 'Horizons' verschafft uns dann eine kurze Atempause, bevor der überragende Track, das 23-minütige 'Supper’s Ready', folgt. Neben 'The Ivory Gate Of Dreams' von FATES WARNING ist 'Supper’s Ready' meiner bescheidenen Meinung nach der wohl beste Longtrack, der jemals geschrieben wurde. Konzipiert als eine Suite in sieben Teilen, lotet dieses Meisterwerk alle kompositorischen und atmosphärischen Möglichkeiten des Progressive Rocks aus. Jede Sekunde ist ein Geschenk an verwöhnte Gehörgänge. An einer Deutung des Textes, der mit Bildern aus der Offenbarung des Johannes spielt, versuche ich mich lieber nicht. Gerade der Schluss ist aber selbst eine Offenbarung, wenn auch in musikalischer Hinsicht. Das Artwork von Paul Whitehead, der schon die Cover von "Trespass" und "Nursery Cryme" gestaltete, ist ikonisch und bildstark, ob es auch technisch gelungen ist, darüber lässt sich sicher streiten.

Dass auch verbriefte Klassiker in unserem Team nicht unwidersprochen zum Durchmarsch ansetzen, zeigt Tobis 12. Platz, der dann auch den Sieg verhindert. Das ist ja auch das Tolle an unseren Diskografie-Checks, dass Reputation wenig und persönlicher Geschmack alles ist. Hinsichtlich des Klassikerstatus von "Foxtrot" lässt Frank mit seinem ersten Rang überhaupt keinen Zweifel aufkommen. Lenze und ich setzen das Juwel auf Platz 2, Maik und Jonathan auf Platz 3. Auch Rang 5 bei Stefan ist mehr als respektabel.

[Jens Wilkens]

 

1. Selling England By The Pound (1973)

"Can you tell me where my country lies? Said the uni faun to his true love's eyes"

Noch bevor der erste instrumentale Ton im Eröffnungssong 'Dancing With The Moonlit Knight' erklingt, ist der Hörer bereits nach den ersten zehn Albumsekunden vollständig beseelt von jener unvergleichlichen und mystischen Atmosphäre, die dem fünften Studioalbum innewohnt. Die Band hatte sich mit den ersten Studioalben und dem einige Monate zuvor erschienenen ersten Live-Album nun fast endgültig im Prog-Olymp festgesetzt, bevor man sich im August 1973 in den Island Studios zu London an die Aufnahmen des "Foxtrot"-Nachfolger machte. Den kompletten Schreibprozess der Songs im Vorfeld hatte die Band indes in erstaunlichen sechs Wochen abgewickelt.

Für mich selbst war das "Selling"-Album im zarten Alter von 17 Jahren nicht nur der Einstieg in den GENESIS-Kosmos, sondern meine erste jungfräuliche Berührung mit Prog Rock überhaupt. Es ist, trotz aller progressiven Momente, ein Album voller unvergleichlich schöner und sich schnell einprägender Tongebilde. Viele jener fantastisch eingängigen Meldodylines könnte ich jederzeit und überall quasi wie im Schlaf nachträllern. Keine Platte (von der "The Dark Side Of The Moon" von PINK FLOYD mal abgesehen) hat seitdem bis zum heutigen Tag öfter seine verlässlichen Runden im heimischen CD-Schacht gedreht, was natürlich erahnen lässt: Es ist und bleibt für mich das beste Werk der Band und landet auch in unserem Gesamtranking völlig verdient auf der Pole Position. Das sieht Jhonny glücklicherweise ganz genau so, während die anderen Kollegen es wenigstens noch auf die Plätzte drei bis fünf positionieren, mein Namensvetter Stefan es aus mir völlig unerklärlichen Gründen aber auf Platz sieben (!) setzt. Ok, der gute Mann hält "Invisible Touch" aber auch für das Magnus Opus der Gruppe. Keine weiteren Fragen, euer Ehren.

Der naive, aber (musikalisch) wissbegierige Junge von damals in Gestalt meiner Person hörte in den einleitenden Zeilen von Peter Gabriel seinerzeit übrigens statt 'Uni faun' das Wort 'Unicorn' heraus und ging daher sehr lange Zeit davon aus, dass es auf dem Album eben um Einhörner und andere fantastische Fabelwesen aus einer märchenhaften und jenseitigen Welt gehen würde. Erst viele Jahre später sollte er erfahren, dass dem mitnichten so ist und die Band ganz irdische und in diesem Fall erstmals politische Themen in den Vordergrund rückte. Eine eskalierende Weltwirtschaftskrise, exorbitant steigende Staatschulden im eigenen Land in einer immer erbarmungsloseren und kommerzialisierten Welt waren vordergründig die Sujets, an denen sich die Band hier in lyrischer Sicht abarbeitete.

Warum das Album in unserer Liste letzten Endes da steht, wo es hingehört und warum ich auch heute, dreißig Jahre später, noch immer der festen Überzeugung bin, dass es kein besseres Einstiegsalbum in die Welt des Sophisticated Prog Rock gibt als eben dieses Meisterwerk, ist schnell erklärt. Es wartet zum einen mit GENESIS-typisch mehrschichtigen und komplex ausufernden Songs wie 'Firth Of Fifth', 'The Battle Of Epping Forest' und 'Cinema Show' auf, die aber aufgrund toller, gefälliger Melodien und eingängiger Hooks einen relativ leichten Zugang in das Liedwerk ermöglichen. Ganz im Gegensatz zu den zu der Zeit doch weitaus vertrackter agierenden Bands wie VAN DER GRAAF GENERATOR, KING CRIMSON, GENTLE GIANT oder auch ELP.

Mit 'I Know What I Like (In Your Wardrobe)' ist der Band hier auch ein erster radiotauglicher und angenehm poppig angehauchter Single-Hit gelungen. Dass man massentaugliche Songs, gepaart mit einem hohen Maß an künstlerischer und musikalischer Qualität, schreiben konnte, kann die Band zu jener Zeit im Gegensatz zu späteren musikalischen Komplettsünden ab den 80er Jahren eben noch eindrucksvoll demonstrieren. Auch die von Phil Collins gesungene, wundervolle Gitarrenballade 'More Fool Me' ist einprägsam, in seiner ausdrucksstarken Einfachheit aber nichts weiter als ein verdammt starkes Stück Liedgut, welches Soloarbeiten des späteren Sängers bereits dezent andeuten sollten.

'After The Ordeal' ist eine kongeniale Kollaboration zwischen Banks und Hackett, die ebenfalls bereits erahnen lässt, in welche Richtung sich der Gitarrist später auf seinen Soloarbeiten entwickeln sollte. 'Aisle Of Plenty' fungiert als musikalische Reprise, greift das Leitmotiv des Eröffnungssongs noch einmal auf und beendet die vermutlich nicht nur bei uns am besten abschneidende Platte einer bis heute einzigartigen und außergewöhnlichsten Formationen des gesamten Prog-Rock-Genres. Grandiose Flötenklänge, einige der besten Hackett-Soli, fulminante und einprägsame Melodie- und Gesangslinien im Zusammenspiel ergeben in Summe ganz einfach das ultimative one and only "all killers, no fillers"-Album in der Geschichte von GENESIS.

[Stephan Lenze]

 

Und damit sind wir am Ende der spannenden Reise durch die vielseitige und wechselhafte Karriere der Prog-Legende GENESIS angekommen. Wie immer hoffen wir, dass euch das Lesen Freude bereitet hat. Und wenn ihr anderer Meinung seid, dann nutzt doch gerne unser Forum, um mit uns gemeinsam über unser Ranking zu diskutieren. Zum Abschluss gibt es nun natürlich wie gewohnt die Listen der einzelnen Redakteure:

Maik Englich:

01. Wind & Wuthering
02. A Trick Of The Tail
03. Foxtrot
04. Selling England By The Pound
05. We Can’t Dance
06. …Calling All Stations...
07. Nursery Cryme
08. Genesis
09. Duke
10. Invisible Touch
11. …And Then There Were Three
12. The Lamb Lies Down On Broadway
13. Trespass
14. Abacab
15. From Genesis To Revelation
Jens Wilkens:

01. The Lamb Lies Down On Broadway
02. Foxtrot
03. Wind & Wuthering
04. …And Then There Were Three
05. Selling England By The Pound
06. A Trick Of The Tail
07. Duke
08. Nursery Cryme
09. We Can’t Dance
10. …Calling All Stations…
11. Invisible Touch
12. Trespass
13. From Genesis To Revelation
14. Genesis
15. Abacab
Jonathan Walzer:

01. Selling England By The Pound
02. A Trick Of The Tail
03. Foxtrot
04. We Can’t Dance
05. Genesis
06. Wind & Wuthering
07. Invisible Touch
08. The Lamb Lies Down On Broadway
09. Nursery Cryme
10. ...And Then There Were Three
11. Trespass
12. ...Calling All Stations...
13. Duke
14. Abacab
15. From Genesis To Revelation
Tobias Dahs:

01. A Trick Of The Tail
02. The Lamb Lies Down On Broadway
03. Wind & Wuthering
04. Selling England By The Pound
05. Genesis
06. ...Calling All Stations...
07. Invisible Touch
08. We Can’t Dance
09. Duke
10. Abacab
11. Nursery Cryme
12. Foxtrot
13. Trespass
14. ...And Then There Were Three
15. From Genesis To Revelation
Frank Jäger:

01. Foxtrot
02. Nursery Cryme
03. Selling England By The Pound
04. Trespass
05. The Lamb Lies Down On Broadway
06. We Can’t Dance
07. Genesis
08. Invisible Touch
09. A Trick Of The Tail
10. Wind & Wuthering
11. ...And Then There Were Three
12. Duke
13. ...Calling All Stations...
14. Abacab
15. From Genesis To Revelation
Stephan Lenze:

01. Selling England By The Pound
02. Foxtrot
03. Trespass
04. Nursery Cryme
05. A Trick Of The Tail
06. The Lamb Lies Down On Broadway
07. Wind & Wuthering
08. ...And Then There Were Three
09. Abacab
10. Duke
11. Genesis
12. From Genesis To Revelation
13. Invisible Touch
14. We Can't Dance
15. ...Calling All Stations...
Stefan Rosenthal:

01. Invisible Touch
02. Genesis
03. We Can’t Dance
04. The Lamb Lies Down On Broadway
05. Foxtrot
06. Wind & Wuthering
07. Selling England By The Pound
08. A Trick Of The Tail
09. Trespass
10. Duke
11. Nursery Cryme
12. …And Then There Were Three
13. …Calling All Stations
14. Abacab
15. From Genesis To Revelation

Redakteur:
Tobias Dahs

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