GRENDEL'S SŸSTER: Interview mit Tobi
26.08.2024 | 10:12Ein Gespräch über Eichhörnchen, Beowulf und literweise Ostfriesentee.
In unserem Soundcheck gibt es immer wieder Überraschungen. Diesen Monat ist GRENDEL'S SŸSTER der Geheimtipp, den vorher die wenigsten auf dem Zettel hatten. Mit "Katabasis Into The Abaton" gelingt den Süddeutschen für viele von uns ein Kandidat fürs Jahres-Treppchen.
Ihr seid schon einige Jahre aktiv, die anstehende Veröffentlichung von "Katabasis Into The Abaton" über Cruz Del Sur (nach dem Re-Release der "Myrtle Wreath"-LP) wird euch sicherlich im Underground bekannter machen. Bitte stellt unseren Lesern doch kurz die Band und eure Entstehung vor.
Ich (Tobi) habe lange Jahre unerfüllte Metal-Träume gehegt, weil ich einfach nicht die richtigen Leute finden konnte und dann eher Folk gemacht habe. Till und Kathi (unsere erste Sängerin) habe ich über eine Freundin kennengelernt, und Silvester 2015/2016 wurde mir dann klar, dass es jetzt endlich losgehen konnte und musste. Wir haben unsere erste Probe mitgeschnitten und als Single veröffentlicht. Caro hat dann 2017 Kathi, der es zu viel wurde, am Mikro abgelöst und wir haben zwei EPs aufgenommen ("Orphic Gold Leaves" und "Myrtle Wreath"). Dann hat uns noch der Bassist gefehlt, bis Simon letztes Jahr zu uns gestoßen ist. Mit den Aufnahmen zu "Katabasis Into The Abaton" haben wir schon 2020 begonnen, hatten aber eine ganze Reihe von Hindernissen zu überwinden. Was unseren Sound angeht, wollte ich eigentlich vor allem dem US Metal der 1980er huldigen, aber meine Liebe zum Folk kommt in den Melodien immer wieder durch. Wir haben alle vier ziemlich unterschiedliche musikalische Vorlieben, aber auf IRON MAIDEN, QUEEN, RAINBOW usw. können wir uns gut einigen.
Wir in der Redaktion sind uns einig, vor allem kauzige Bands wie SLOUGH FEG und viel Folk-Musik, die ich nicht kenne, als Referenzen rauszuhören. Gibt es eine musikalische Geburtsstunde, die euch zur Gründung inspiriert hat?
Die erste Probe mit Till und Kathi hat sich so magisch und kraftvoll angefühlt - es war klar, dass das ein Anfang sein würde. SLOUGH FEG ist großartig und ich höre sie wirklich gerne. Allerdings würde ich sagen, dass wir weniger von Bands beeinflusst sind, die ohnehin schon Metal und Folk in irgendeiner Mischung spielen, sondern eher von "klassischen" Metalbands wie IRON MAIDEN oder MANOWAR und ganz traditionellem Folk wie THE WATERSONS, TRIAKEL oder SVANEVIT. Oder auch von elektrisch verstärkten Folkbands der 1970er, wie STEELEYE SPAN oder KEBNEKAJSE.
Produktionstechnisch habt ihr einen großen Sprung nach vorne gemacht. Habt ihr euch das selbst angeeignet oder waren berufene Hände im Spiel?
Wir haben im selben Studio aufgenommen, wieder im Soundmann in Stuttgart und dort zumeist mit Mitch Meister. Vermutlich wissen wir jetzt aber eher, wie der Hase läuft und wo wir genau hinwollen. Mitch kennt uns inzwischen auch recht gut und es ist immer familiär und entspannt, aber trotzdem mit Zug drin. Aus unserer Sicht also optimal, zumal das Studio nur wenige Fahrradminuten von mir weg liegt, sodass ich auch mal zwischendurch was einspielen konnte.
Vermutlich ist diese Frage jedes Mal dabei, aber würdet ihr eure selbst zugeschriebene Stilrichtung "Jungian Epic Metal" einmal erläutern?
Unsere Musik und die Texte haben für mich eine Stimmung, die ich als 'märchenhaft' bezeichnen würde, irgendwie zeitlos-überpersönlich. Dieses Element, dass da etwas durch uns Menschen wirkt, dass sich aus Quellen jenseits unserer analytisch-kognitiven Wahrnehmung der Welt speist, lässt natürlich an die Jung'schen Archetypen denken. Ich bin mir jetzt nicht so sicher, was Carl Gustav von GRENDEL'S SŸSTER halten würde und Therapeut bin ich auch nicht, von daher sollte man diese Bezeichnung vielleicht mit einem kleinen Augenzwinkern nehmen.
In diesem Zuge interessiere ich mich auch für eure Texte beziehungsweise eure Motive, der Promo-Text setzt diese ja in einen direkten Zusammenhang mit der "Jungian Psychology".
Unsere Texte stehen einfach im Dienst der oben beschrieben Stimmung oder wie man es nennen mag. Das bedeutet, dass wir Mythen, Legenden oder Märchen nicht linear 'nacherzählen', sondern versuchen, ihrem archetypischen und numinosen Gehalt Raum zu geben. Meistens geht es dabei irgendwie um eine Transformation, ob gelungen oder gescheitert. Es ist einfach so, dass mir C.G. Jungs Gedanken in vielen Punkten eine andere Sichtweise auf die Welt ermöglicht haben. Natürlich handelt es sich bei den Lyrics um einen kreativen Umgang damit und nicht um die Wiedergabe von Textbuchwissen.
Gibt es eine bestimmte Zielgruppe für eure Musik? Sind das eher Metaller, Leute aus der Mittelalter- oder Folk-Szene?
Ersteres. Allerdings habe ich auch den Eindruck, dass unsere Musik (trotz aller von manchen Leuten wahrgenommenen Merkwürdigkeit) eigentlich ganz anschlussfähig für diese Szenen wäre. Vielleicht werden wir da noch nicht so richtig wahrgenommen? Irgendwelche Vorschläge, wie wir das ändern könnte?
Die Gestalt Grendel ist ein Antagonist im Beowulf-Epos. Habt ihr die Schwester dazu gedichtet oder gibt es dafür auch eine literarische Vorlage?
Dazu gedichtet (ist in unserer Musik präsent durch Caros Gesang). Obwohl ich später feststellen musste, dass es da wohl einen Roman gibt, den ich aber nicht kenne.
Ihr veröffentlicht eure Songs sowohl auf Englisch als auf Deutsch. Welche Fassung entsteht zuerst und wie schwierig ist es, im passenden Versmaß die Sprache zu wechseln, wenn die Musik bereits steht?
Von raren Ausnahmen abgesehen kommt zuerst die Melodie, dann der englische Text und dann der deutsche Text. Es ist ein bisschen knifflig und gleichzeitig ziemlich intensiv und stimulierend. Fast möchte ich sagen, dass es irgendwie süchtig macht, weil jede gelungene Übertragung einem einen kleinen Kick gibt. Mein schönsten Erlebnisse hatte ich in langen Winternächten vor der Tageslichtlampe, mit literweise starkem Ostfriesen-Tee.
Aus dem Trio ist augenscheinlich ein Quartett geworden. An eurer Arbeitsweise hat sich eher nichts geändert? Wer schreibt bei euch die Songs und Texte?
Simon, unser englischer Streetfighter aus Margate, ermöglicht uns richtiges Proben und Live-Auftritte. Außerdem kennt er sich mit Technik aus und sorgt dafür, dass wir ein paar mehr Demo-Skizzen von neuen Liedern machen. Songwriter bin ich.
Das Cover Artwork ist mindestens so interessant wie der englische Titel des Albums. Eine Auftragsarbeit von euch oder die Nutzung einer existierenden Vorlage?
Das Cover hat Remo Pohl angefertigt, ein befreundeter Künstler, der auch schon "Myrtle Wreath" gestaltet hat. Es soll die waldige Folkstimmung (Eichhörnchen etc.) mit dem US Metal verbinden (Hommage an eine bekannte Vorlage aus dem Jahr 1981, ratet selbst). Gleichzeitig steht es für das Aufsteigen heilsamer Träume während eines Schlafs im unterirdischen Allerheiligsten eines Tempels (wurde in der Antike so praktiziert), worauf der Albumtitel Bezug nimmt.
Konzerte waren in der Vergangenheit nicht so sehr im Fokus und auf YouTube findet man demzufolge keine Live-Videos. Jetzt habt ihr auf Facebook schon den zweiten Gig für dieses Jahr angekündigt, wenn ich das richtig sehe?
Dieses Jahr durften wir im Februar in Schorndorf für die fantastischen MOUNTAIN THRONE eröffnen, was (dank Simon) unsere Live-Premiere war. Dann spielen wir noch am 28. September auf dem Black Forest Fest. Weiterhin haben wir die Ehre, am 19. Oktober in Braunschweig Messa und FLAME, DEAR FLAME zu supporten.
Zum Abschluss noch eine Frage aus persönlichem Interesse: Plant ihr, eure früheren EPs nochmal auf CD rauszubringen?
Im Moment planen wir da nichts, was aber nicht heißen soll, dass es für die Zukunft total ausgeschlossen ist.
Photo-Credit: Tilman Weigele
Boar's Tusk Helmet
https://www.youtube.com/watch?v=tHofBKHwhic
- Redakteur:
- Nils Macher