Gruppentherapie BORKNAGAR-"Urd"
10.04.2012 | 20:52Platz zwei im März-Soundcheck und das vielleicht beste Album der Band? Anlass genug, den Dingen auf dem Therapiesessel tiefer auf den Grund zu gehen.
Über BORKNAGAR muss man im Jahre 2012 wohl nicht mehr viele Worte verlieren. Kaum eine Band hat es je geschafft, den norwegischen Black Metal auf so einzigartige und überzeugende Weise mit einer melodischen, folkloristischen Note und kristallklaren progressiven Momenten zu verbinden, ohne dabei kitschig zu wirken. Dabei konnte die Truppe um Øystein Garnes Brun stets auf völlig überragende Instrumentalisten und Sänger zurück greifen, und mit dem neuen, ihrem auch schon neunten Album "Urd", ist der Truppe nunmehr der ganz große Coup gelungen. Mit Vintersorg und I.C.S. Vortex konnten sie zwei der stimmlichen Markenzeichen ihrer vergangenen Alben dafür gewinnen, das neue Album gemeinsam gesanglich zu veredeln. Diese gesangliche Perfektion trifft nun zusammen mit großartigen Melodien, begeisternden Kompositionen und all dem, was diese Art nordischer Klangkunst so unfassbar toll macht. Neben dem Gesang sind vor allem die Leadmelodien der Gitarren von Øystein und Jens F. Ryland unglaublich genial, und es gibt kaum einen Song, der trotz aller Progressivität und allen Anspruchs nicht direkt ins Ohr ginge.
Note: 9,5 / 10
[Rüdiger Stehle]
Bereits das letzte BORKNAGAR-Album "Universal" hat mächtig Laune bereitet, doch mit der Rückkehr von ICS Vortex schaffen es die Norweger auf "Urd" Black Metal, Epik und progressive Elemente auf die beste Weise miteinander zu verbinden. Zwar beginnt das Werk etwas verhalten mit den fast zu eingängigen 'Epochalypse', 'The Earthling' und 'The Beauty Of Dead Cities', doch spätestens mit dem völlig großartigen 'Mount Regency' leiten die Herren ein Finale furioso ein. Die Black-Metal-Teile sind nicht allzu garstig, die Epik steht der von PRIMORDIAL in überhaupt nichts nach und der Gesang - ganz egal, wer gerade das Mikro schwingt - ist auch über alle Zweifel erhaben. Aber - und das ist das Entscheidende - ab diesem Song sitzen die hymnischen Melodien perfekt, sind Breaks passgenau eingebaut und die Arrangements verdammt spannend. Der Höhepunkt hört dann auf den Namen 'The Winter Eclipse', wo klirrend-kalte Black-Metal-Riffs auf höchst epische Gesangsmelodien treffen und eine Hymne erschaffen, die es in diversen Jahreslisten weit nach vorne schaffen kann. Super.
Ein frostiger Schauer, die kalte Hand des dunkel und finster gefärbten Todes und der schwarze, bitterböse Schatten des unbekannten, schwarzen Mannes durchkreuzen meine Lenden (Anm. TB: Ist das erregend?). Der persönliche Soundtrack zu den kalten Wintertagen, jenseits der – 10 Grad-Grenze, stellt sich meterhoch auf und fährt seine Krallen aus. Nur leider kommt "Urd" viele Jahre zu spät. Und so gänzlich unbekannt wie eingangs beschrieben, ist der schwarze Mann gar nicht: BORKNAGAR, ein Name, den man völlig zu Recht mit der unterkühlten Fratze des norwegischen Black-Metals in Verbindung bringt, hat es völlig unerwartet auf das März-Treppchen geschafft. Und vielleicht gebe ich der Truppe mit meinen lächerlichen sieben Pünktchen zu wenig Anerkennung, aber mich lassen die Töne im wahrsten Sinne des Wortes völlig kalt. Das ist jedoch weniger der Verdienst von "Urd" als mehr jener der Gesamtspartei. Fans traditioneller, progressiver, bitterböser und furchteinfößender Black Metal-Töne können hier bedingungslos zugreifen und sollten nicht den Worten irgendwelcher Thrash/Speed-Freaks wie den meinen hören. Trotz der markanten Atmosphäre versetzen mich "Urd"-Stücke wie 'Epochalypse', 'Roots' oder 'Frostrite' nicht in totale Euphorie, vielleicht ist es auch der teils klare Gesang, der für meine primitiven Ohren etwas befremdlich wirkt. Ich jedenfalls erfreue mich an den ersten, mollig-warmen Sommerstrahlen des Märzes, vergebe eine dennoch respektable, bereits genannte Punktzahl und krame "Urd" in den dunklen Tagen des kommenden Novembers wieder raus.
Note: 7,0/10
[Marcel Rapp]
Ich kann mich noch erinnern, dass eine erlauchte Runde Metal hörender Mädels die Herren Vintersorg (Andreas Hedlund) und I.C.S. Vortex (Simen Hestnæs, siehe Foto unten) als ihre "Trällerschatzis" bezeichneten. Verständlich, denn sie haben ja auch elegische Klarstimmen, die Mädchenherzen zu brechen vermögen. Und wenn mich meine truemetallischen Kollegen wieder des Feldes verweisen, wenn sie ungestört über richtigen Metal labern wollen, geh ich halt zu den Girls BORKNAGAR hören. Das ist heutzutage doppelt spannend, da beide Herzensbrecher nun sogar gemeinsam dort singen. Und das machen sie wieder so herzerweichend, dass man sich doch mal 'ne Packung Taschentücher beiseite legen sollte. Den Begriff Kuschelblackmetal hab ich mal in unserem Forum aufgeschnappt und das passt hier wie Faust aufs Auge. Vintersorg sorgt mit harschen Vocals über sirrenden Gitarren gelegentlich mal für einen Anflug Black Metal-Feeling (wo mein Kollege Marcel aber hier furchteinflößende Musik hören will, ist mir vollkommen schleierhaft), ansonsten kann man wahrlich extrem viel kuscheln, schwelgen, sich gehen lassen und die Schönheit der Musik genießen. Nur die Mädels kriegt man bei der Mucke nicht rum. Die schwärmen nur noch von den süßen Simen und Andreas...
Warum mag ich eigentlich BORKNAGAR? Und das schon seit einiger Zeit, seit relativ frühen Alben, als sie noch breitbeinig im Black Metal standen. Natürlich könnte ich mit ein paar Zentnern Überheblichkeit, sagen, ich hätte damals schon das Potential erkannt, das in den Komponisten schlummert, aber machen wir uns nichts vor: dass sie mal zu "Universal" fähig sein würden, war nicht abzusehen. Und dass sie mit "Urd" noch einmal genauso nachfolgen können, ist zwar keine so große Überraschung mehr, aber dennoch nicht selbstverständlich. Der Black Metal ist zwar deutlich weniger zu hören, aber die verbliebenen Ansätze machen das Album in seiner melodischen Eingängigkeit spannend. Die Gitarrenleads sind atemberaubend, die Chöre episch, die Melodien eingängig, die Kompositionen abwechslungsreich (um das Wort progressiv mal weiträumig zu umschiffen). Also: What's not to like?
- Redakteur:
- Thomas Becker