Gruppentherapie: AVANTASIA - "A Paranormal Evening With The Moonflower Society"

21.10.2022 | 11:04

Tobias Sammet und AVANTASIA sind in diesen Tagen wieder in aller Munde, denn der Schöpfer solcher Alben wie "The Scarecrow" und "The Mystery Of Time" lädt seine Fans zu einem paranormalen Abend mit ihm und der Moonflower-Society ein. Was es mit dem etwas sperrigen Titel auf sich hat, das verriet uns der Mastermind der Metal-Opern schon in der Podcast-Folge. Und da nicht nur unsere Kollegin Hannelore mit geschultem Ohr in die neue AVANTASIA-Platte gehört hat, haben wir für euch eine neue Gruppentherapie an den Start gebracht, in der wir unsere Meinung zu "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" kundtun.

An dieser Stelle möchten wir auch nochmals auf die Rezension von Hannelore hinweisen, die ihr hier nachlesen könnt. So lasset die mit acht (!) Beiträgen äußerst üppige Gruppentherapie beginnen:

Da ist sie wieder, die fliegende Oper unter der Leitung von Tobias Sammet mit dem insgesamt neunten Album der Bandgeschichte, das auf den mehr als sperrigen Titel "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" hört. Und ich muss zugeben, dass ich auf den Langdreher sehr gespannt bin, denn nach einem extrem starken Lauf mit bärenstarken Alben, wollte der Vorgänger "Moonglow" irgendwie nicht so recht bei mir zünden. Von der paranormalen Abendgestaltung erhoffe ich mir also eine Rückkehr zu alten Stärken, in deren Hinsicht mich der Opener 'Welcome To The Shadows' nicht gerade optimistisch stimmt, denn die Nummer klingt irgendwie wie eine AVANTASIA-Resteverwertung und haut mich überhaupt nicht aus den Socken. Gleiches gilt auch für die Single 'The Wicked Rule The Night', bei der Ralf Scheepers von PRIMAL FEAR zwar einen blitzsauberen Gastauftritt hinlegt, die aber gleichzeitig eine wirklich zwingende Hookline vermissen lässt. Nein, so richtig startet der Silberling für mich erst mit 'Kill The Pain', bei dem Floor Jansen (NIGHTWISH) ihren AVANTASIA-Einstand gibt und dessen Refrain mir erstmalig einen hartnäckigen Ohrwurm verpasst. Ist der Knoten damit erst einmal geplatzt, schüttelt Tobi mit seinen Gästen dann plötzlich ein Highlight nach dem anderen aus dem Ärmel. 'The Inmost Light' etwa, bei dem Michael Kiske (HELLOWEEN) wieder mit von der Partie ist, ist ein wunderschöner Power-Metal-Brecher in 'Reach Out For The Light'-Manier, während Floor mit ihrem zweiten Beitrag auf 'Misplaced Among The Angels' einen weiteren Volltreffer landet. Und selbst das sehr besinnliche und ruhige 'Paper Plane' mausert sich bei mir mit jedem Durchlauf mehr zu einem echten Highlight. Danach wird die Luft aber wieder etwas dünner, denn hinten raus zitiert Herr Sammet sein eigenes Schaffen etwas zu sehr und so wirken die Nummern im letzten Drittel oftmals wie ein lauer Aufguss vergangener Großtaten. Einzig das Epos 'Arabesque' lässt noch einmal aufhorchen, kommt aber auch lange nicht an Großtaten wie 'Spectres' oder 'Let The Storm Descend Upon You' heran. Diese beiden Nummern sind ein gutes Stichwort, denn ebensolche Klassiker fehlen AVANTASIA anno 2022 leider in meinen Ohren wirklich und so bleibt "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" ein insgesamt gutes Album mit wie immer großartigen Gästen, dem aber für mich der letzte Kick fehlt, um mit den Höhepunkten der eigenen Diskografie mitzuhalten. Macht laut unserer Punkteskala eigentlich 7,5 Punkte, doch dank der durchaus vorhandenen Höhepunkte in der Mitte bin ich großzügig und zücke eine wohlgemeinte 8,0, auch wenn ich mir deutlich mehr erhofft hatte.

Note: 8,0/10
[Tobias Dahs]

Eigentlich kann ich mich meinem geschätzten Kollegen Tobias (Dahs, nicht Sammet) nahtlos anschließen, denn in all der Fülle illustrer Gastsänger und ob der Erfahrung, die ich mit dem großen Namen AVANTASIA schon machen durfte, schlägt dieser paranormale Abend im Hause Tobias Sammet und Freunde nicht gänzlich ein wie eine Bombe. Allerdings, und das rechne ich seit nun 21 Jahren diesem kreativen Kopf, dem musikalischen Genie und Tausendsassa Sammet hoch an, wird auch die neunte AVANTASIA-Scheibe von einer enormen Magie und Mystik umgeben. Nein, ich betrachte seine Alben und "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" nicht als Alben, sondern eher als Kapitel einer umfassenden Saga, aus dem wir in einer weit entfernten Zukunft unseren Enkelkindern noch vorlesen können. Zugegeben, die erste, sehr offensive Single-Auskopplung 'The Wicked Rule The Night' ist nicht sonderlich repräsentativ für die komplette Platte und speziell von 'Welcome To The Shadows' und stellenweise dem letzten Albumdrittel habe ich schlichtweg catchier Hooks erwartet, doch in Anbetracht des Aufgebotes, welches Sammets Tobias auch heuer wieder präsentiert, wie piekfein die Songs auf die Stimmen von Kiske, Jansen und Co. zugeschnitten sind und wie elegant mit 'Arabesque' der Ausklang dieses neunten AVANTASIA-Albums ausgefallen ist, ist das Fazit einfach: Man kann dem Mastermind nur erneut ein vorzügliches Album attestieren, bei dem einmal mehr die Seele, die Emotionalität und die Freude, die man als Kind verspürte, wenn es für längere Zeit auf Klassenfahrt ging, eine größere Rolle spielen als die unverwüstlichen Metal-Opera-Hits, mit denen Herr Sammet in seiner Vergangenheit wahllos um sich schmeißen konnte. Und vergessen wie niemals die Geheimzutat Magie, dank der das Album von Mal zu Mal weiter in die Höhe wächst.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]

AVANTASIA war zentral für meine Metal-Sozialisation. Die ersten beiden Alben sind für mich immer noch unter den besten deutschen Metal-Alben des neuen Jahrtausends zu führen. Aber auch danach mochte ich große Teile des Materials, zumal mit "Ghostlights" und vor allem "Moonglow" die Formkurve deutlich nach oben zeigte. Ein schwaches AVANTASIA-Album gab es bisher jedenfalls nicht. Musikalisch stimmt das natürlich auch ohne Abstriche für "A Paranormal Evening With The Moonflower Society". Tobias Sammet ist einer der am stärksten unterschätzten Sänger der deutschen Metal-Szene, der sich hinter Kiske, Hansen oder Kürsch nicht verstecken muss. Auch die Produktion von Sammet und Gitarrero Sascha Paeth ist wieder hervorragend. Teilweise ist auch wieder echter Metal zu hören, vieles ist aber Bombast-AOR mit Prog-Einflüssen, was mich aber auch auf den Vorgängern schon nicht störte. Was mich aber schon stört: Die Songs haben wenig Wiedererkennungswert, es klingt alles relativ austauschbar. Zumindest nach den ersten Durchläufen bin ich etwas unterwältigt. AVANTASIA war keine Band, die lange brauchte um zu wachsen, sondern die sofort mit Ohrwürmern im Gehör verwurzelt wurde. Das fehlt mir bei der neuen Scheibe bisher leider total. Bei den Gastsängern gibt es natürlich wie immer nichts zu meckern, wobei dem Line-up diesmal spektakuläre Hinzufügungen fehlen - Catley, Lande, Tate, Martin oder Kiske sind klasse, aber bei AVANTASIA eben auch schon gut bekannt. Floor Jansen oder Ralf Scheepers sind gute Sänger, aber eben nicht ganz so faszinierend wie manche frühere Highlights. Ich wünsche mir neue, spannende Stimmen - so wie einst David DeFeis, Alice Cooper, Jon Oliva, Klaus Meine, Hansi Kürsch, Mille Petrozza oder den Ripper. Aber in der Liga kann man halt auch nicht unbegrenzt wildern. Todd Michael Hall wäre mal klasse gewesen, oder Alissa White-Gluz. Was wünsche ich mir? Bitte endlich ein neues EDGUY-Album auf dem Niveau von "Space Police - Defenders Of The Crown". Oder eine wirklich spannende neue AVANTASIA-Scheibe. Zumindest nach den ersten Spins ist das diesmal zu wenig.

Note: 6,0/10
[Jonathan Walzer]

Dass Tobias Sammet eingängige Melodien schreiben kann, ist hinlänglich bekannt, und auch das neunte AVANTASIA-Album macht da keine Ausnahme. Die Refrains sind schon catchy. Die Beiträge der Gäste am Mikro sind erwartungsgemäß auch nicht zu verachten. Eine gehörige Portion Bombast weiß ich schon sehr zu schätzen, und der Name AVANTASIA ist da natürlich eine Hausnummer. Aber ein wenig Fingerspitzengefühl ist dennoch geboten, damit das Gesamtergebnis nicht allzu überladen wirkt. Auf "Moonglow" konnte diese Balance zwischen Kunst und Kitsch noch gewahrt werden. Zudem gab es starke Songs wie 'The Raven Child'. Das auf "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" in Bezug auf die Opulenz der Stücke anscheinend ausgegebene Motto "viel hilft viel" ist nicht unbedingt zielführend und vermag auch nicht die etwas dürftige Substanz zu kaschieren. Mein Hauptproblem mit dem paranormalen Abend ist neben dem immer mehr zum Musical tendierenden, schablonenhaften Songaufbau die Produktion, und hier vor allem der Drumsound. 'The Inmost Light' wirkt schon beinahe unfreiwillig komisch. Bei Bands mit kleinem Budget sollte man natürlich Toleranz bezüglich der klanglichen Qualitäten einer Veröffentlichung walten lassen. Wenn es sich jedoch um einen Kandidaten für die Nr. 1 der deutschen Album-Charts handelt, muss ich unterstellen, dass exakt dieses leblose Klangbild in der Absicht seines Schöpfers lag. In diesem Zusammenhang fällt mir ein, was der französische Philosoph und Semiotiker Roland Barthes dereinst in seinem Buch Die Mythen des Alltags im Kapitel über "Plastik" schrieb: "In welchem Zustand es sich auch befindet, es behält ein flockiges Äußeres, etwas Vages, Cremiges und Erstarrtes, eine Unfähigkeit, jemals die triumphale Glätte der Natur zu erlangen. Am stärksten verrät es sich durch den Ton, den es gibt, diesen hohlen und matten Ton." Angesichts des Albumtitels, der tatsächlich die Fantasie anregt, würde man eigentlich etwas zauberische Atmosphäre erwarten. Diese geheimnisvolle Tiefe vermisse ich jedoch.

Note: 6,0/10
[Jens Wilkens]

Manchmal beginnt alles mit einem vagen Verdacht. Der Titel des neuen AVANTASIA-Albums war mir vom ersten Moment an suspekt, zu dick aufgetragen, zu paranormal-mondblumig hypertroph. War das schon der Porsche Cayman, mit dem charakterliche Leere vorab überpinselt werden sollte? Natürlich gehört die langfristig angelegte Storyline genauso zu AVANTASIA wie die Ästhetik aus Alice im Wunderland, kleiner Prinz und Hexe Lisbeth (Eltern wissen wovon ich hier schreibe). Aber das entbindet selbst einen Tobias Sammet nicht von der künstlerischen Aufgabe, seine Hörer jedes Mal wieder zu entführen, zu überraschen, zu verblüffen und zu faszinieren. Diese gebannte Gefühlslage vermochte "Moonglow" noch in mir auszulösen; das aktuelle "A Paranormal Evening With... whatever" kann es kaum bis gar nicht. Die im Grunde paradoxe Situation haben schon andere Kollegen hier beschrieben: Schlechte Musik gibt es auf dieser Platte natürlich so gut wie gar keine. Dafür aber einiges an "Dienst nach Vorschrift". Nehmen wir den Scheepers-Song: Die Hookline ist schon fett, aber wenn man K.I. damit beauftragen würde einen Sammet-Song mit Scheepers-Strophe zu bauen, käme vermutlich exakt das hier raus. Die gute Floor Jansen ist von ihrer Hauptband ja - soll ich wirklich schreiben zum Glück? - schon Kummer mit schwächelnden Komponisten gewohnt. Interessant ist, dass die Platte in der zweiten Halbzeit deutlich an Spannung und Dramatik gewinnt. Der Titeltrack macht mich glücklich, vor allem natürlich wegen des formidablen Gesangs, aber hier zündet auch der Song selbst. Außerdem mag ich das Ende mit dem vielschichtigen 'Arabesque'. Das Gesamtkunstwerk AVANTASIA liegt mir auch weiterhin am Herzen, aber es wäre echt toll, wenn Tobi uns beim nächsten Mal wieder etwas vor den Latz knallen würde, womit wir nicht gerechnet und das wir so auch noch selten bis nie gehört haben. Es muss ja nicht gleich eine Electro-Swing-Nummer mit Barnie Greenway am Mikro sein. Aber üppig-opulenter Theater-Metal lebt nun mal von den Knalleffekten, den irren Überraschungen und dem Brechen von Konventionen. Dazu hat offenbar der Mut aktuell gefehlt. Oder der Wille. Die Note enthält sehr wahrscheinlich einen halben grundsätzlichen Sympathiepunkt.

Note: 7,0/10
[Martin van der Laan]

Ich gehöre zu dem Personenkreis von Menschen, welche AVANTASIA großartig finden und im gleichen Zug mit EDGUY und vor allem Herrn Tobias Sammet so gar nix anfangen können. Somit liegt mein Interesse grundsätzlich an der konzeptionellen Ausrichtung der Truppe und der Tatsache, dass im Rahmen der Fantasy-Saga mittelmäßige Songs (und die gibt es zuhauf) durch die verschiedenen Gastbeiträge unterschiedlich stark über den Durchschnitt gehoben werden. Dementsprechend schade finde ich die Tendenz des Projekts hin zur "Band" und halte es für bedenklich, dass aufgrund der nun doch konsequenten Live-Umsetzung es durchaus Sinn macht, auf weniger Gastbeiträge zu bauen und den identischen Personenkreis häufiger einzusetzen, da dieser, so scheint es zumindest, ständig griffbereit ist. Noch leichter wird es für Tobias, wenn er selbst immer mehr Gesangselemente übernimmt und wie beim Opener einfach komplett allein performt. Für jemanden wie mich, der seine Art zu singen ziemlich anstrengend findet, nicht die schönste Entwicklung. Somit bietet "A Paranormal Evening With The Moonflower Socitey" im Vergleich zu seinen Vorgängern wenig Neuland und leider noch mehr Tobias als bisher. Das hat zur Folge, dass ich ähnlich wie meine Kollegen nicht nur den Opener als totalen Fehlstart bezeichnen möchte, sondern auch mit den folgenden Songs meine Probleme habe. Bei aller Faszination für Floors Gesang sind das zwei so generische Auftritte, dass alles was sie bei "Sing meinen Song" geliefert hat, deutlich stärker war. Ihre eigenen aktuellen Solo-Veröffentlichungen ('Fire', 'Storm') liegen da mal eine komplette Liga drüber – von ihrer Hauptband möchte ich schon gar nicht sprechen.

Richtig schwierig wird es mit einem Lied wie 'The Inmost Light' - damit kann man mir tatsächlich den Tag versauen. Nichts liegt mir ferner als solcher uninspirierter Euro-Metal mit zwei so extremen Stimmen. Dem gegenüber stehen mit 'Scars', 'Paper Plane' und 'I Tame The Storm' drei solide Nummern, die durch ihre jeweiligen Gastbeiträge, wie oben schon geschildert, deutlich an Qualität gewinnen. Insbesondere letztgenannter Brecher zeigt, was für Jorn Lande möglich wäre, wenn er endlich wieder einen starken Songwriter an seiner Seite hätte (ich vermisse MASTERPLAN). Somit bleiben unter dem Strich nur drei Tracks, welche mich tatsächlich begeistern. Bei 'Rhyme And Reason' gibt's endlich wieder diese Wagenladung "viel hilft viel" und das funktioniert bei mir anscheinend deutlich besser als bei Kollege Jens. Beim Longtrack bin ich komplett bei Tobias und trauere höchstens einem angemessenen Chorus hinterher, welcher der Nummer leider noch abgeht, aber ansonsten hat diese schon einen klasse Flow – auch über die Laufzeit. Bleibt noch der Titeltrack und den finde ich tatsächlich fantastisch. Bob und AVANTASIA ist eh ein Perfect Match und diese Nummer hat zusätzlich noch diesen Spaß in den Backen, den die anderen Nummern leider vermissen lassen. Das ist verspielt, opulent und fantasievoll kreativ, wie es einem der Albumtitel und das Artwork eigentlich schon zu Beginn suggerieren. Davon bitte das nächste Mal wieder mehr. Also komme ich (nach mehreren Vergleichen mit "The Mystery Of Time") nicht umhin festzustellen, dass Album Nummer neun leider das schwächste in der Karriere von AVANTASIA ist.

Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]

Im Gegensatz zu meinen geschätzten Kollegen war ich nie ein AVANTASIA-Fan. Genauer gesagt habe ich AVANTASIA über viele, viele Jahre bewusst gemieden. Erst seitdem ich wieder viel mehr Power Metal höre, habe ich irgendwann angefangen, doch mal Tobias Sammets Bands EDGUY (von der ich früher alles bis einschließlich der "Mandrake" mochte und ich stimme Jhonny zu, dass hier mal ein neues Album fällig wäre) und eben AVANTASIA neu anzutesten. Dementsprechend ist "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" auch das erste Album der Truppe, das ich bei Erscheinen kaufen werde. Denn eben durch meine letztlich fehlende Erwartungshaltung und gleichzeitig geringer Vorkenntnisse über das musikalische Werk AVANTASIAs, fehlt mir halt nicht, wie einigen der Kollegen, das Neue in den Songs. Für mich sind sowohl der Opener 'Welcome To The Shadows' als auch beide Floor-Songs und 'The Inmost Light' absolute Ohrwürmer und absolute Hits. Okay, die Gesangslinie im Refrain in 'Misplaced Among The Angels' erinnert mich an einen nicht-metalischen Hit: 'Symphonie' von SILBERMOND (ich glaube selber kaum, dass ich einen solchen Vergleich mal schreibe...). Aber auch 'Paper Plane', der Titeltrack und das abschließende 'Arabesque' sind traumhafte Nummern. Natürlich machen die Gastauftritte viel vom Gesamtsound aus, aber das ist ja auch das Konzept hinter AVANTASIA. Und hey, der Auftritt von Geoff Tate weckt in mir größere Erinnerungen an QUEENSRYCHE als das neue QUEENSRYCHE-Album selbst... Für mich ist "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" ein fantastisches Album voller Ohrwurm-Melodien und das mit Abstand beste Melodic-Power-Metal-Album des Jahres.

Note: 9,5/10
[Mario Dahl]

Ich habe Jahre gebraucht, um Tobias Sammet zu verstehen. Der Bruch zwischen den ersten, das Genre definierenden Melodic-Power-Metal-Alben ("The Metal Opera", Teil I und II) und dem Stadion Rock von "The Scarecrow" – den zumindest mein damaliges Ich unterstellte – war mehr, als mein Rüschenhemd umfasstes Herz ertragen konnte. Ein Treffen im Jahr 2019 – es war ein Interview mit Tobias zum damaligen Album "Moonglow" – öffnete mir die Augen, dass der Tausendsassa ein Getriebener ist. Nichts scheint schlimmer für ihn zu sein als Stillstand. Deswegen lotete er die Genregrenzen, die Gastsänger und -sängerinnen und die produktionstechnischen Möglichkeiten seiner Alben kontinuierlich aus. Er verschob Grenzen – und zwar seine eigenen! Umso höher rechne ich ihm an, dass er mit seinem vielleicht persönlichsten (AVANTASIA-)Album einen vorsichtigen Rückgriff auf die Anfänge des gewaltigen Musikprojekts wagt. In seinem eigenen Studio schrieb er Stücke, die sein gesamtes eigenes Schaffen übergreifen und in sich kombinieren – sozusagen die Filetstücke der Schaffensphasen vereinen. Warum schreibe ich diese Zeilen? Weil ich finde, dass "A Paranormal Evening With The Moonflower Society" ein Album ist, mit dem sich nicht nur Fans des Sammetschen Schaffen beschäftigen sollten. Es ist eine Reise durch den melodischen, europäisch-deutsch geprägten (das ist als Qualitätssiegel zu verstehen) Metal, ein kleiner Nostalgie-Trip, in dem gleichzeitig viel Moderne steckt. Es lädt aufgrund seiner sehr unterschiedlichen Songs inklusive passgenauer Gast-Gesänge zum Entdecken ein und ist nur in den seltensten Momenten cheesy. Aber bei aller Liebe – in diesen dunklen Zeiten haben wir doch auch das Recht auf ein bisschen Eskapismus, der mit im Mondschein glitzerndem Frosting daher kommt.

Note: 9,0/10
[Julian Rohrer]

Redakteur:
Marcel Rapp
1 Mitglied mag diesen Artikel.

Login

Neu registrieren