Gruppentherapie: AXXIS - "Coming Home"

15.08.2024 | 17:54

Schunkelperlen für den Fernsehgarten oder Schlager mit Rentnerchor?

Diese Gruppentherapie widmet sich dem Abschiedsalbum von AXXIS. Betrachtet man die Soundcheck-Noten, sieht das eigentlich nach einer soliden Sache aus, die meisten finden es gut, Herr Rosenthal sogar super. Auch beim Chef ist "Coming Home" mit neun Punkten eine Bank (zu seinem Hauptreview). Interview mit Bernhard Weiß ist auch im Kasten. Muss man hier also therapieren?

Nun, wir haben Stimmen gesammelt! Von Fans, die AXXIS seit dem famosen Debüt "Kingdom Of The Night" begleiten (gebt euch das uralte Reviewschmankerl von Georg Weihrauch!), von Kollegen, die AXXIS danach aus den Augen verloren haben, aber auch von Redakteuren, die AXXIS nun das erste Mal bewusst hören. Das Therapieergebnis ist dann aber nicht mehr so ganz Friede, Freude, Eierkuchen und unser Jhonny verschluckt sich fast bei der Notengebung...

Sehr schön. Jetzt hat AXXIS zum Schluss nochmal richtig einen rausgehauen. Bereits die ersten Töne des Keyboards stellen alle Weichen auf Abschlussparty. Wie es sich für eine gute Playlist mit Rock, Metal, Power-Pop und der extra Portion Cheesiness gehört, setzt die Band nochmal komplett auf Abwechslungsreichtum in den eigenen Reihen. Der Titeltrack ist so eine Schunkelperle, dass ich direkt mal Karten für den Fernsehgarten geordert habe, nur um beim folgendem 'Atlantica' einen PRETTY MAIDS-Flashback zu kriegen. Geile Nummer! Jeder Song der Scheibe hat seinen eigenen Schwerpunkt und die Hitdichte bleibt über die kompletten zwölf Songs verdammt hoch. Sowas wie 'Moonlight Bay' versucht BLACKMORE'S NIGHT seit Jahren auf ein Album zu zaubern.

Leider gibt's für beste 'Ohohoho'-Chöre keinen separaten Preis, aber AXXIS ist hier ein starker Kandidat für das Treppchen 2024. Mein persönliches Highlight unter den Höhepunkten ist allerdings 'Irish Way Of Life'. Okay, das war einfach. Aber mit solch beschwingten, grünen Folknummern erobert man zügig mein Herz. Ein solches Lied fühle ich einfach anders. Der Track dürfte damit unter den Top 20 in diesem Jahr gesetzt sein. Über allem thront natürlich wieder Bernhard mit dieser unverkennbaren Klangfarbe seiner Stimme. Manche Sachen kann man vielleicht besser singen, aber der Wiedererkennungswert ist weiterhin einmalig. Seit 'Heaven In Black' bin ich Fan von ihm und AXXIS und bekomme zum Abschied nochmal ein solches Brett von Album geliefert. Hätte ich nicht mit gerechnet. Da verschmerze ich auch gerne, dass bei der Produktion noch etwas Luft nach oben gewesen wäre. Danke AXXIS – so geht man in Rente.

Note: 9,0/10
[Stefan Rosenthal]

Vermutlich ein jeder kennt das Phänomen: Es gibt Bands, die einen seit Beginn an zwar immer irgendwie begleiten, von denen man beständig nebenher in Form von Reviews, Konzertankündigungen, Newsmeldungen etc. Notiz nimmt, was aber trotzdem nie die Bereitschaft hervorruft, sich einmal eingehender mit dem Œuvre solcher Bands zu beschäftigen. Man konnte sich fast sicher sein, dass die Musik überhaupt nicht den eigenen Hörgewohnheiten entspricht. AXXIS ist in meinem Falle einer jener Kapellen. Und von daher bin ich mittlerweile auch im vorliegenden Fall nicht wirklich unglücklich, im Zuge unserer allseits beliebten Gruppentherapien quasi kurz vor Toresschluss nun doch noch einmal ein komplettes Album anhören zu dürfen.

Bereits nach der einleitenden (missglückten) Keyboardmelodie und einem gleichzeitigen Blick auf das furchtbar phantasielose Cover-Artwork frage ich mich aber schon, wie ich denn wohl nur die nächsten knapp fünfundvierzig Minuten aushalten soll. Nützt aber nichts, also Ohren, ähh, Augen zu und durch. Mal schauen, was da noch so alles kommt. Der Song wird allerdings auch trotz des in meinen Lauschern absolut passablen Gesangs von Bernhard Weiß nicht wirklich besser. Der Refrain klingt ein wenig wie "Hey ho, let's go" aus dem 'Blitzkrieg Bop' von den RAMONES, nur halt in schlechter. Chorustechnisch wird es allerdings auch im Titelsong nicht wirklich viel besser, obwohl das Gitarrenspiel zum Ende hin ein wenig besänftigen kann.

'Atlantica' holt mich dann allerdings ganz gut ab, weil es hier nun überwiegend angenehm vor sich hingroovt und ich auch mit den Hooklines durchaus etwas anzufangen weiß. Geht doch. Mit 'Moonlight Bay' folgt dann aber eine unfassbar nervtötende Mitsing-Hymne, grausig. 'Dark Angel' ist ein netter Hard Rocker mit powerballadesken Elementen und vernünftigem Gitarrensolo. Also die zweite Nummer, die ich ganz gut finde, immerhin. Doch bei einem stumpfsinnigen Text wie 'Love Will Shine For Everyone' will ich mich als Gelegenheits-Misanthrop und Hobbygrantler eigentlich nur noch schnellstens auf meine BETHLEHEM-Sammlung stürzen, denn auch musikalisch geht es hier nur unwesentlich unstumpfer zur Sache. Mittelalter-Rummel-Keyboardmelodien und entsetzliche Mitgröl-Refrains dominieren bedauerlicherweise auch in 'Irish Way Of Life' wieder. Bei 'Legends Of Phantasia' wird endlich mal ein wenig im Tempo variiert, was wenigstens für ein BISSCHEN Abwechslung sorgt. Würde man doch nun endlich mal mit guten Rockriffs, einem netten Gitarrenlick oder einer hörbaren Melodyline um die Ecke kommen...

Erst das fluffige 'Ready To Burn' ist wieder ein Song, bei dem ich ob des bluesigen Charakters und der erstmals richtig ordentlichen Gitarrenarbeit ein wenig hellhöriger werde. Die letzten beiden Songs fliegen dann aber leider auch schon wieder wie ein Kleingeschwader Fruchtfliegen in der Küche so an mir vorbei. Ist auf Länge gesehen einfach nichts für mich. Zu viel Kitsch, zu viel Pathos, zu viel choraler Brimborium, zu viel von allem, was für meine Ohren einfach nicht gut und gesund ist. Ich wünsche der Band aber trotz allem viel Freude und Genuss für das weitere Rockerrente-Leben. Vielleicht läuft man sich ja mal im Schunkel-Fernsehgarten über den Weg.

Note: 4,5/10
[Stephan Lenze]

 

Bereits die ersten Töne des Keyboards auf "Coming Home" machen mich ziemlich fertig. Wie kann sich eine so routinierte Band wie AXXIS für einen so schmerzhaften Keyboard-Sound entscheiden? Ganz fürchterlich! Ähnlich daneben sind die Chöre. Warum? Metal darf natürlich auch ein bissl Party-Stimmung transportieren, aber man bewegt sich hier phasenweise schon recht nah am Schlager! Das kennt man natürlich auch von anderen Bands (gestern erst wieder eine lange Diskussion über FEUERSCHWANZ ertragen), aber bei AXXIS dachte ich, man sei traditionsverwurzelt in der Szene. Das hier Gehörte würde aber sicher auch auf vielen bayerischen oder württembergischen Dorffesten funktionieren, und das ist nicht unbedingt als Kompliment gemeint. Immerhin: Das Songwriting ist nicht so schrecklich wie es die Produktion vermuten lässt. Mit einem vernünftigen, roheren Sound und ohne diese Keyboards wäre das vielleicht gar kein übles Album. 'Atlantica' zum Beispiel ist ein ziemlicher Hit, der einfach nur falsch abgemischt und produziert wurde.

Was mache ich jetzt mit der Note? 3,5 bis 5,5 würde ein langweiliges Album bedeuten, aber langweilig ist es ja gar nicht. Unter 3,5 ist es ganz übel, aber das ist bei "Coming Home" eigentlich nur das Klangbild. Am Schluss ist es ein vom Songwriting, vom Gesang und von der Instrumental-Leistung her ordentliches Album. Da könnte man sicher sieben Punkte geben. In Kombination mit den zwei Punkten für den Sound, die aber weniger stark gewichtet werden, komme ich auf einen Schnitt von sechs Punkten. Das ist eine faire Note. Wenn ich aber die Schlagzeug-Sound-Katastrophe bei 'Moonlight Bay' höre, muss ich sagen, dass die Note eher wohlwollend angesetzt ist. Vielleicht muss es doch ein halber Punkt weniger sein.

Note: 5,5/10
[Jonathan Walzer]

 

AXXIS gehört für mich einfach seit 1989 zur Metal- und Rockszene! Ich sah die Band, die im Laufe der Jahre ein paar Mal bei Festivals vor mir auf der Bühne stand, zum ersten Mal bei meinem zweiten großen Festival, "Rock im Park" 1995, im Münchner Olympiastadion. Damals war ich richtig heiß auf die Mannen um Bernhard und Harry, liebte ich doch wie so ziemlich jeder das erste Album, damals als von Kumpels überspieltes Tape in meiner Kassettensammlung. Im noch aktuellen Interview mit Maik Englich sagt Bernhard, dass sie gehasst und geliebt wurden, polarisierten, aber der Szene ihren Stempel aufdrücken konnten. Dem stimme ich zu 100% zu, vor allem den positiven Seiten dieser dialektischen Betrachtung, denn in meinem Umfeld wurde immer in Erwägung gezogen, zum AXXIS-Konzert zu gehen, wenn die Jungs in der Gegend waren, genau wie die neuen Scheiben immer Erwähnung in Gesprächen über Musik fanden und diskutiert wurden.

Die Vergangenheitsform schmerzt hier aber bereits etwas, finde ich! Während ich diesen Beitrag schreibe, empfinde ich das dringende Bedürfnis, einen der im nächsten halben Jahr stattfindenden letzten Gigs in Süddeutschland zu besuchen. Denn abseits des ersten Albums war/ist AXXIS für mich nämlich in erster Linie immer eine geile Live-Band (gewesen)!

Von Tonträger-Konserve schlaucht mich aber seit jeher die Signature-Schlagzeug-Rhythmik einfach zu sehr, irgendwo angesiedelt zwischen volkstümlicher Musikkapelle und Schlagerkram. Das von Stefan und Marcel bereits erwähnte unverwechselbare, glockenklare Timbre in der Stimme von Bernhard Weiß konnte jedoch auch die fragwürdigsten Neuveröffentlichungen der Band veredeln, so dass ich mich bei Freunden, in Kneipen oder in der Rock-Disco immer freute, wenn AXXIS gespielt wurde, von welchem Album auch immer.

Eigentlich habe ich meine emotionale Einstellung zum neuen Album mit diesen Erläuterungen schon zusammenfassend ausgedrückt, möchte aber dennoch ein paar direkte Worte dazu formulieren: "Coming Home" ist für mich typisch AXXIS, so wie die Band klingen muss. Neben dem Tschak-Bumm-Gehoppel ist diese, meine Haut im Moment des Hörens leicht fiebrig anfeuchtende, überdrehte Hektik in 'Blackest Vision', aber auch in den meisten der anderen Lieder die mich spätestens nach dem fünften Lied zur Psychohygiene einmal genervt die Augen rollen lässt, einfach charakteristisch für die Band. So klingt AXXIS eben! Die ersten drei Songs bis 'Atlantica' sind für mich gut bis toll! In 'Moonlight Bay' nerven mich dann die zentnerdicken, SANTIANOesken Wohohoo-Chöre deutlich mehr, als das Keyboard eingangs von 'Blackest Vision', lieber Jhonny. Die Mondlicht-Bucht schlagert somit an mir vorbei, und ohne jetzt jedes Lied nochmals besprechen zu wollen, wechseln sich bei den verbleibenden Stücken des Albums schließlich Licht und Schatten für mich ab.

Daher gibt es von mir, wie zu erwarten, keine übermäßig hohe Note. Ich ziehe jedoch voller Respekt meine Basecap vor Bernhard, Harry und der ganzen Band für ihren Part in den letzten 35 Jahren deutscher Rockmusik-Geschichte!

Note: 6,5/10
[Timo Reiser]

Ein Hauch von Trennungsschmerz schwingt nahezu immer mit, wenn eine Band ihren Abschied bekannt gibt. Wenn das finale Album noch dazu den Titel "Coming Home" trägt, bekommt man obendrein auch noch eine amtliche Portion Melancholie frei Haus mitgeliefert. Doch bei AXXIS war schon immer alles irgendwie anders, und von daher verwundert es kaum, dass auch auf dem Abschiedswerk Spontanität und Spielfreude regieren.

Letztere konnte erneut in eine facettenreiche Vorstellung umgemünzt werden, weshalb von Up-Tempo-Tracks wie 'Blackest Vision' bis hin zu (mehr als) grenzwertig kitschigen Balladen ('Dark Angel') ein breites Sammelsurium an Klängen geboten wird. Diese wirken jedoch zu keinem Zeitpunkt aufgesetzt oder gekünstelt, sondern wie gehabt locker, und werden mit einem Grinsen serviert, selbst wenn sie bis ins Detail durchstrukturiert sind.

Da es Bernhard Weiß und seine Kollegen ohnehin noch nie gekümmert hat, in welche Schublade man AXXIS steckt, bekommt man also auch auf dem letzten Studiowerk jede Menge Spielspaß präsentiert. Der wird jedoch auch auf dem Abschiedsdreher mehrmals ('Moonlight Bay' drückt gehörig auf die Tränendrüse) zu pathetisch und dramatisch inszeniert, wodurch der Gesang irgendwie nicht zur Geltung kommt. Und da man auch klangtechnisch dieses Mal nicht den perfekten Ton getroffen hat, schleicht sich sogar ein gewisses "Schnellschussgefühl" ein.

Trotzdem schade, dass es nun wirklich vorbei sein wird. Von mir gibt es jedenfalls ein lautstarkes "Danke" für die äußerst unterhaltsamen Shows und die vielen, konsequent eigensinnigen Veröffentlichungen, zu denen auch "Coming Home" gut passt.

Note: 7,0/10
[Walter Scheurer]

 

Ich bin ebenfalls mit den großartigen ersten Scheiben von AXXIS aufgewachsen, danach habe ich die Band aus den Augen verloren und den Faden auch nicht mehr aufgenommen. Musikalisch überrascht mich das Abschiedsalbum "Coming Home", hat es nämlich mit dem kernigen Hard Rock der Anfangszeit nicht mehr viel gemein. Bitte bedenkt, dass ich seit gut dreißig Jahren keine Scheibe von Bernhard, Harry und Konsorten mehr gehört und dementsprechend einen eventuellen musikalischen Wandel nicht mitbekommen habe.

Die Musik auf diesem finalen Werk pendelt irgendwo zwischen Kirmes-Pop-Metal und Mittelalter-Shanty-Rock. Das ist so gar nicht meine Baustelle. Gerade die Nähe zu Bands wie SANTIANO oder SALTATIO MORTIS möchte ich einfach nicht von einer Band wie AXXIS hören. Die bereits viel kritisierte Produktion passt ebenfalls nicht zu meinem Bild der Band. Ich hätte mir da lieber eine erdige, luftige Herangehensweise gewünscht. Klar, einige der Songs werden sicherlich für Partystimmung in den Klubs sorgen, aber alte Haudegen wie ich legen dann doch lieber wieder "Kingdom Of The Night" oder "The Big Thrill" auf.

Note: 6,0/10
[Chris Staubach]

"Aaaaaalright! I've Got The Kingdom Of The Night!". Jawohl, dieser Dampfhammer hat damals auch mich fasziniert. War das echt schon 1989? Leute, wie die Zeit vergeht. Doch wenn ich diesen alten Klassiker höre, fühle ich mich wieder jung.

Ganz anders bei den neuen Songs. Meine Güte, was ist denn das beim Titelsong? Schlager mir Rentnerchor? Natürlich waren auch die alten AXXIS-Songs keine Intelligenz-Bestien, aber allerweil mitreißend und Metal durch und durch. Bei 'Coming Home' will ich auch den Kopf gegen die Wand rammen, aber nicht, weil die Mucke so geil ist. Das reiht sich noch vor 'Moon Fire' von ORDEN OGAN und 'Sunrise In Eden' von SERVANTS OF THE TIDE unter die erfolgreichsten Ohrenquäler dieses Monats. Und auf AXXIS' Abschiedsalbum gibt es noch andere Lowlights, die aber von meinen Vorrednern schon genannt wurden, eventuell aber als Highlights getarnt.

Trotzdem möchte ich bei meiner Note eher milde sein, denn in einem gebe ich Walter recht: Hört man das ganze Album, wirken die einzelnen Songs gar nicht mehr so schlimm, denn es wirkt so, als wäre dies von AXXIS wirklich so gewollt, locker und mit Spaß gezockt. Wie die Musik eben, auf die die Band für ihr letztes Album Bock hatte. Und warum sollte sie zum Schlusspunkt der Karriere auch etwas anderes machen als das, was sie möchte? Ich muss allerdings feststellen, dass mir das die allermeiste Zeit einfach gar nicht gefällt.

Note: 5,5/10
[Thomas Becker]

Fotocredits: Dirk Schelpmeier

Redakteur:
Thomas Becker

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