Gruppentherapie: BEHEMOTH - "Opvs Contra Natvram"

29.09.2022 | 22:24

Unsere Gruppentherapie-Reihe geht in die nächste Runde. Diesmal widmen wir uns Nergal und Co., die mit "Opvs Contra Natvram" ein ziemlich deftiges Stück Düstermetall an den Mann gebracht haben. Grund genug für uns, dem neuen BEHEMOTH-Epos auf den Zahn zu fühlen. Welche Auswirkungen der Gesamtkontext auf Mario und Kenneth hat, als wie wichtig Jakob die Abwechslung bei BEHEMOTH bewertet und warum Martin das Werk mit "Der Herr der Ringe" vergleicht, erfahrt ihr hier.

Selbstverständlich möchten wir euch im Zuge dessen auch auf die ausführliche Kritik von Tobias hinweisen, die ihr hier nachlesen könnt. Doch fangen wir einmal an:

Ein neues BEHEMOTH-Album steht in den Startlöchern und zunächst fällt dieses Artwork auf, das einerseits ungemein böse, andererseits durch den farblichen Aspekt eine sehr edle und geschmackvolle Note besitzt, somit seine komplette Wirkung entfalten kann. Und gleich zu Beginn baut sich eine geil finstere und alles mit schwarzem Teer überdeckende Grundstimmung auf, eine durch und durch fantastische und für den Black'n'Death-Overkill äußerst authentische Aura, bei der man die Wut und Schwärze im Bauch der Protagonisten Nergal, Inferno und Orion förmlich hört. Doch dieser akustische Höllenbastard prescht nicht einfach kopflos nach vorne, sondern hat beispielsweise mit 'The Deathless Sun' ob dieser atemberaubenden Melodie einen künftigen Klassiker mit im Gepäck. Generell wirkt das Album sehr durchdacht und anders als früher, als BEHEMOTH nicht genug Hass versprühen konnte, werden Gift und Galle punktuell und ganz gezielt in Szene gesetzt. Das ist auch der Grund, weshalb das punkige 'Off To War!' umso effektvoller aus den Boxen röhrt. Mit dem Opener 'Post-God Nirvana' gelangt der Hörer in eine andere, finstere und unheilvolle Welt, aus der er erst nach rund 43 Minuten entfliehen kann. In dieser Zeit sorgen 'Malaria Vvlgata', 'Neo Spartacvs' und 'Thy Becoming Eternal' für ein urböses BEHEMOTH-Fegefeuer nach Maß. Auch wenn mir insgesamt häufigere Hits wie 'The Deathless Sun' fehlen, ist "Opvs Contra Natvram" ein richtig toll-bitterböses, melodisch-tödlich-schwarzes Album geworden, auf dem sich Epik und Finsternis zum Großteil die Waage halten.

Note: 8,0/10
[Marcel Rapp]

Bevor ich mich mit BEHEMOTHs aktuellem Album beschäftigen durfte, war mir nur das genaue Gegenteil innerhalb der Diskographie bekannt. "Sventevith" schätze ich als Black-Metal-Klassiker, der toll atmosphärisch daherkommt, auch sehr. Kommen wir aber zu "Opvs Contra Natvram", das nun 27 Jahre nach dem Debüt auf den Markt kommt. Was beim Hören sehr schnell deutlich wird und mir bei all dem, was ich über die Band schon gelesen habe, auch klar war: Man hat sich von dem ehemaligen atmosphärischen Black Metal der ersten Tage weitestgehend verabschiedet und spielt eine Mischung aus Black und Death Metal, wobei mir scheint, dass die Death-Metal-Anteile sogar sehr zurückgefahren sind und eigentlich noch immer der Black Metal die Hauptzutat des polnischen Rezeptes ist. Hier und da werden auf "Opvs Contra Natvram" auch Anleihen aus dem klassischen Heavy Metal beigemischt. 'Neo Spartacvs' und 'Off To War!' sind sogar punkig angehaucht. Insgesamt ist das Album sehr abwechslungsreich gestaltet, was bei mir zumindest einen faden Beigeschmack hinterlässt. In meinen Ohren klingt der Langspieler zerfahren und irgendwie unentschlossen. Zum einen gibt es Songs wie 'Malaria Vvlgata', die ganz klar dem Black Metal zuzuordnen sind. Dann hat man das gerade angesprochene Zweigespann. 'Once Upon A Pale Horse' ist im Stampftempo unterwegs und 'Versvs Christvs' versucht sich in balladesken Gewässern. Dabei ist die Qualität der einzelnen Tracks natürlich hoch, jedoch gerät das Gesamtbild des Albums ein bisschen ins Wanken. Ein Plus sind zudem die Soli, die ja im Black Metal gar nicht so typisch sind, die Songs aber immer verfeinern und eine zusätzliche Ebene erzeugen. Als schwächste Teile des Ganzen empfinde ich das Intro, das zwar zweckdienlich ist, aber auch nicht wirklich besonders und 'The Deathless Sun', das sich einer GHOSTschen Poppigkeit anbiedert, aber gleichzeitig versucht eine schwarzmetallische Härte zu vermitteln. Funktionierte bei mir nicht ganz. Genauso wie das Album im Gesamten!

Note 6,5/10
[Kenneth Thiessen]

Ich bin ja bekanntlich kein ausgewiesener Black-Metal-Experte oder gar -Liebhaber, doch BEHEMOTH ist eine Band, die mich seit jeher fasziniert. Das funktioniert auch wieder mit "Opvs Contra Natvram"; aber da Kenneth uns ja gerade erklärt hat, dass da eigentlich gar kein richtiger Black Metal drauf zu hören ist, muss ich mich auch nicht weiter wundern. Spaß beiseite und hingewandt zu der Frage, was den typischen BEHEMOTH-Sound so prägnant macht. Ich persönlich denke, es ist diese kompromisslose, bergquellenklar unterkühlte und "erwachsen-böse" Stimmung, Ästhetik und Botschaft der Musik. Und es ist ein untrügliches Gespür für düster-cineastische Harmonien und Melodien. Man hat irgendwie immer gleich eine Filmsequenz vor Augen, in der Sauron die satanische Morgenmesse mit Elbenblut zelebriert. Ähnliches Empfinden zu ähnlicher Musik habe ich am ehesten bei SATYRICON. Schauen wir uns die aktuelle Platte noch etwas genauer an, dann fallen auch einige Längen auf, wie zum Beispiel in 'Ov My Herculean Exile'. Aber es dominieren präzise durchkomponierte Brecher wie 'Disinheritance' und atmosphärisch subtile Boshaftigkeiten wie in 'Off To War!' oder 'Once Upon A Pale Horse', wo ich mich etwas an die schwedischen Kollegen SHINING oder sogar frühen TIAMAT-Stoff erinnert fühle. Summa summarum hat BEHEMOTH die Erwartungen der Fangemeinde vermutlich souverän erfüllt und ein in allen Belangen starkes Album vorgelegt. Well done!

Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]

Ich kann mich in den Worten im Review von Kollege Dahs in vielfacher Hinsicht wiederfinden. Das Gesamtkunstwerk BEHEMOTH ist einfach ein Phänomen: Von den Alben, über die Videos, bis hin zu den Auftritten untermauern die Polen zurecht seit Jahren ihre Ausnahmestellung in der Szene stets aufs Neue. So spielte man bereits in einer zerstörten Kirche ("In Absentia Dei", 2020) oder zuletzt auf dem Dach des Palastes der Kulturen und Wissenschaften in Warschau, was hier zu begutachten ist. Zugegeben, so richtig warm wurde ich weder mit "I Loved You At Your Darkest" als auch "The Satanist", ein Album, das zwar eine Urgewalt war, doch mir fehlte eine gewisse Nachhaltigkeit. Das klingt auf "Opvs Contra Natvram" ganz anders, denn man legt mit Songs wie dem verspielten 'Disinheritance', dem groovigen 'Neo Spartacvs' oder dem epischen Ende 'Versvs Christvs' einen großen Wert auf Abwechslung und endlich sind mit 'The Deathless Sun' und vor allem 'Once Upon A Pale Horse' endlich mal wieder Hits vertreten, für mich die ersten seit 'Ov Fire And The Void' (2009). Und ja, die Gitarrensoli sind sehr gut in Szene gesetzt, werden nur noch getoppt von der äußerst geschmackvollen Schlagzeugarbeit. Das Album wird sich bestimmt in vielen Jahrescharts wiederfinden, denn im Extrem-Metal kommt man nicht dran vorbei.

Note: 8,0/10
[Jakob Ehmke]

Ich muss Jakob Recht geben. BEHEMOTH ist einfach ein Gesamtkunstwerk. Bei den Polen stimmt einfach alles: Cover, Videos, Auftritte und natürlich das Wichtigste, die Musik! Und dabei ist mir persönlich einfach komplett egal, wie hoch der Death-Metal-Anteil oder der Black-Metal-Anteil ist und ob BEHEMOTH früher anders geklungen hat. Natürlich haben Nergal und seine Mannen ihren Sound geändert. Aber der Erfolg gibt ihnen Recht! Denn ich glaube nicht, dass BEHEMOTH an der Stelle wäre, wo man jetzt ist (und das ist nirgendwo anders als an der Speerspitze des Extrem-Metals!), wenn man weiterhin so klingen würde wie auf "Sventevith (Storming Near The Baltic)". Die besagte Soundentwicklung mündet nun also im vorliegenden Album "Opvs Contra Natvram". Die Kollegen haben schon vieles zu den einzelnen Songs gesagt. Ich finde die Songs im Gesamtkontext einfach nur düster, böse und kompromisslos. "Opvs Contra Natvram" hinterlässt beim Hörer insbesondere mit den Songs 'The Deathless Sun', 'Off To War!' (funktioniert auch live hervorragend!) und 'Versvs Christvs' einen bleibenden Eindruck, wenngleich die Scheibe insgesamt nicht ganz an "I Loved You At Your Darkest" und "The Satanist" heran kommt. Trotzdem gibt es in meinen Augen kein Album im Extrem-Metal, das dieses Jahr "Opvs Contra Natvram" das Wasser reichen kann.

Note: 9,5 / 10
[Mario Dahl]

Redakteur:
Marcel Rapp

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