Gruppentherapie: BLACK TRIP - "Shadowline"

06.10.2015 | 12:12

BLACK TRIPs "Shadowline" und die bereits therapierte, aktuelle DEAD LORD-Scheibe lassen unbestreitbar den klassischen Rock der 70er und 80er hochleben. Und auch sonst sind die Parallelen zahlreich: zweiter Longplayer, Treppchenplatz im August-Soundcheck, deutliche THIN LIZZY-Schlagseite, Schweden und nicht nur, aber auch visuell sehr "retro". Und doch unterscheiden sich "Shadowline" und "Heads Held High" musikalisch recht deutlich voneinander, nur eben nicht in punkto Qualität. Dieses Urteil fällen die Gruppentherapeuten dieses Mal sehr einhellig.

Mit "Goin' Under" lieferten die Burschen ein formidables Debüt und wurden für ihren authentischen wie gefälligen Retro-Sound allerorts gelobt. Zu Recht, schließlich konnte die Formation mit einem Mix aus deftigem Hard Rock und feinen Heavy-Metal-Zutaten, inspiriert von diversesten Größen, die - geschätzt - zwischen 1977 und 1984 ihr Unwesen getrieben haben (bzw. es immer noch tun), überzeugen. Da der Name BLACK TRIP quasi aus dem Nichts auftauchte, war man zunächst ein wenig erstaunt über die Qualität der Tracks der vermeintlichen "Newcomer", doch das Wissen es mit einer Horde überaus erfahrener Musiker zu tun zu haben, die in Bands wie ENTOMBED, ENFORCER oder NECROPHOBIC tätig waren bzw. sind, machte klar, dass hier jemand ganz einfach sehr genau weiß, wo die Reise hingehen soll. Diese wird nun auch auf nicht minder imposante Weise fortgesetzt, wobei es erneut die zwingenden, sich sofort ins Langzeitgedächtnis einprägenden, lässigen Gitarrenklänge und die zwar nicht wirklich "saubere", und wohl auch nicht übermäßig "trainierte" Stimme vom etat-mäßigen ENFORCER-Klampfer Joseph Toll ist, die unmissverständlich klar machen, wer hier aufgeigt.

Alles andere als eine konsequente Fortsetzung von "Goin' Under" wäre daher auch eine herbe Enttäuschung gewesen. Doch man braucht sich um diese Band keinerlei Sorgen zu machen, denn der Fünfer, der sich bekanntermaßen schon knapp zehn Jahre vor dem Debüt auf eine Zusammenarbeit geeinigt hatte und sich als gemeinsamen "Nenner" unter anderem auf Helden wie IRON MAIDEN, SAXON, SCORPIONS, THIN LIZZY oder UFO verständigte, hat logischerweise erneut nichts anderes getan als Songs mit Hingabe und Esprit aufzunehmen, die unter jenem Einfluss entstanden sind. So einfach das auch klingen mag, es ist erneut die beindruckende Klasse, mit der die vermeintliche Simplizität der Tracks umgesetzt wird.

Mit 'Die With Me' geht es zunächst zwar ein wenig verhalten und melancholisch los, die Melodie fräst sich aber dennoch sofort ins Gedächtnis ein und "widerhakt" sich auf Anhieb. Das folgende 'Danger' und der Titeltrack lassen dann die schwermetallische Seite der Band in den Vordergrund geraten, während die erste Single-Auskoppelung 'Berlin Model 32' (nein, der Text handelt nicht von einem Mädel!) und 'Clockworks' eher im Hard Rock verwurzelt sind. Dass auch die Stammband von Joseph und Drummer Jonas Wikstrand inspirierend gewesen ist, darf durchaus angenommen werden, denn mit 'Rooms' hat auch BLACK TRIP ein Instrumental zwischen die Tracks gepappt, auch wenn dieses eher nach einem Zwischenspiel anmutet und auch als solches wirkt. Die feinen Melodien in 'Subvisiual Sleep' und 'Sceneries' lassen dann auch noch erkennen, dass die Band keineswegs ausschließlich britische Helden verehrt. Dabei kommen dem Hörer nämlich BLUE OYSTER CULT und andere US-Classic Rock-Ikonen in den Sinn, ehe es mit einem gewissermaßen "europäischen" Track ins Finale geht. 'The Storm' beginnt zunächst verhalten und gefühlvoll, die Huldigung der Gitarrenfraktion an Gary Moore und Michael Schenker ist dabei aber unüberhörbar. Welch feinfühlige und dennoch massive Griffbrett-Exkursion - Wahnsinn! Mit 'Coming Home' (kein SCORPS-Cover!) beenden die Schweden ihre wirklich grandiose Vorstellung, die dennoch für gewisse Sorgenfalten bei den Fans sorgen dürfte. Schließlich besteht durchaus die Gefahr, dass sich Joseph und Jonas eines Tages für eine ihrer beiden momentan überraschend erfolgreichen, mit unglaublicher Hingabe und Arbeitswut betriebenen "Baustellen" entscheiden müssen.

Note: 9,0/10
[Walter Scheurer]

Da ich bekanntermaßen zu den 80ern einen anderen Bezug habe als viele meiner Kolleginnen und Kollegen, hatte ich auch einen anderen Zugang zu "Shadowline", dem zweiten Full-Length von BLACK TRIP. Die Verbindungen zu Urvätern unseres heiß geliebten Metalls wie THIN LIZZY oder SAXON und UFO (wie sie Kollege Scheurer aufführt) fehlen mir demnach. Daher maße ich mir auch nicht an, zu beurteilen, ob das Gehörte nun sonderlich originell ist oder nicht. Aber das ist im Falle des Zweitlings auch ganz egal. Denn das Album macht vom ersten bis zum letzten Takt einfach unglaublich viel Spaß. Mit Joseph Tholl hat das Quintett einen Sänger in den Reihen, dessen stimmliche Performance nur so vor Selbstvertrauen strotzt. Spielerisch wechselt der hauptamtliche ENFORCER-Klampfer zwischen angerotzt-verraucht zu emotional, zwischen exzentrischer Rampensau und dem Teamplayer im Hintergrund - ganz hervorragend! Ganz hervorragend sind aber auch die Songs per se. Ein Blick ins Line-up erklärt dann Einiges: Die Instrumentalfraktion hat sich skandinavientypisch durch ein Gros an Bands gehurt. Dabei sticht von den von Walter genannten Bands vor allem eine ins Auge bzw. ins Ohr: ENTOMBED. In meinem musikalischen Mikrokosmos lautet ein Gesetz: Augen auf bei ehemaligen ENTOMBED-Mitgliedern. Seien es THE HELLACOPTERS, IMPERIAL STATE ELECTRIC, DEATH BREATH oder auch DISFEAR. So unterschiedlich die genannten Acts auch sein mögen, eines haben sie aber gemeinsam: Es wird - mal härter, mal weniger hart - mit viel Authentizität und Spirit gerockt.

Im Fall von BLACK TRIP ist mit Peter Stjärnvind der direkte Nachfolger von Tausendsassa, Multiinstrumentalist und -genie Nicke Andersson bei ENTOMBED an ... nein, nicht am Schlagzeug, sondern an der Gitarre. Die Hooks und Twinleads, die er und sein kongenialer Partner Sebastian Ramstedt sich aus den Fingern saugen, sind allerfeinste Sahne, sorgen für Gänsehautmomente und ein THC-freies Dauergrinsen in der Fresse. Da ich gerade einen der Großen der schwedischen Musikszene erwähnt habe: Nicke Andersson kann es nicht nur an Gitarre, Bass, Schlagzeug, hinterm Mikro oder sonst was. Nein, er kann auch hinterm Mischpult. Die angenehm erdige und sehr ausgewogene Produktion des BLACK TRIP-Zweitlings passt perfekt zu den Songs und der Gesamtattitüde des Fünfers. Im übrigen belegte "Shadowline" einen wohlverdienten zweiten Rang im August-Soundcheck. Es bleibt zu hoffen, dass Ihr lieben Leute der Scheibe eine Chance gebt. Und, um meinen Beitrag abzurunden: Ex-oder-immer-noch-wer-weiß-das-schon-ENTOMED-Klampfer Alex Hellid wird nicht müde, BLACK TRIP auf Facebook oder Instagram zu featuren, als ob er selbst dabei wäre. Ist er aber nicht - aber einen ganz vorzüglichen Musikgeschmack hat der Gute!

Note: 9,5/10
[Haris Durakovic]

Ich bin so ein Dummschlumpf! Da habe ich das erste Album von BLACK TRIP quasi ignoriert, weil ich dachte, es würde sich um eine skandinavische All-Star-Truppe mit entsprechendem Rückenwind handeln. Nun legt die Truppe im gleichen Monat wie ihre Artgenossen DEAD LORD, deren Debüt ich noch immer zu den besten Schlaghosen-Rockern der letzten Zeit zähle, ihr Zweitwerk vor und fegt meine Favoriten mal eben vom Sockel. Während die toten Lords nämlich irgendwie durchdachter musizieren, hauen die Jungs von BLACK TRIP permanent voll auf die Kacke. Das heißt nichts anderes als dass alle Nummern auf "Shadowline" mit Vollgas ins dreckige Rock'n'Roll-Paradies düsen. Besonders hervorheben möchte das supercoole 'Berlin Model 32', bei welchem ich immer an 'SS Giro' von FIST denken muss. Was für ein Kompliment, halte ich diese Nummer doch für einen ewiggrünen Schlüpferstürmer der NWoBHM. Aber auch die restlichen Titel sind musikalische Feuerbömbchen, die jedes Cabriolet zum Ferrari machen. Das dreckige Klangbild versprüht obendrein ein beinahe punkiges Feeling bei einigen Nummern, was ich absolut großartig finde. So geht Gute-Laune-Musik!

Note: 9,0/10
[Holger Andrae]


Nach ihrem mehr als ordentlichen Debüt vor zwei Jährchen kehren die Schweden von BLACK TRIP auf "Shadowline" mindestens genauso ordentlich zurück. Dabei kam und kommt es aktuell ihnen auch zu Gute, dass der sogenannte "Retro-Sound" aktueller und angesagter denn je ist. Knackiger Hard Rock, eine Prise THIN LIZZY und UFO hier, ein wenig IRON MAIDEN im 1980er-Jahre-Outfit gedacht dort, garniert mit netten Hymnen, einer nicht zu verachtenden Abwechslung und entsprechenden Produktion und wir dürfen uns auf einen deftigen Soundbraten freuen. Hierbei stechen vor allem der famose Eröffnungstrack 'Die With Me', 'Clockworks', das etwas auf die Tube drückt, sowie 'Sceneries' heraus, da sie BLACK TRIP in wunderbarstem Licht erstrahlen lassen, die Bandstärken offenbaren und die Band ihr gesamtes Können präsentiert. Leider - und das ist der springende Punkt, warum es nicht zu einer höheren Benotung geführt hat - gibt es an manchen Stellen lediglich gehobenes Mittelmaß zu hören, dass in Anbetracht der Gesamtverfassung der Schattenlinie jedoch nicht sonderlich schwer ins Gewicht fällt. Also mir - und da spreche ich wohl für den Großteil der Redaktion - gefällt BLACK TRIPs "Shadowline" gut bis sehr gut, den Spirit der längst vergangenen Tage scheinen die Schweden jedenfalls mit der Muttermilch aufgenommen zu haben und wer kann dazu schon "nein" sagen?

Note: 7,5/10
[Marcel Rapp]

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Hauptreview von Raphael Päbst

Soundcheck August 2015

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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