Gruppentherapie: BRAINSTORM - "Plague Of Rats"

15.03.2025 | 17:23

Zuckriger Schlager oder doch (noch) Power Metal?

Ich weiß, ihr seid heiß auf den März, habt den Winter satt, wollt Frühling und erste warme Tage. Aber wir haben noch einen für euch aus dem frostigen Februar. Eine ausgemachte Rattenplage gar. Na klar, es geht hier um BRAINSTORM. Für viele Metaller ist das ein No-Brainer, auch für die meisten unserer Soundchecker, die "Plague Of Rats" auf Rang zwei des Soundchecks hieven. Doch schon in Marius' Hauptrezension regt sich leise Kritik. Ob diese hier sogar noch lauter wird? BRAINSTORM, ein Therapiefall?

Eine der fantastischsten Metalbands und generell unterbewertetsten Bands ist mit einem neuen, tollen Album zurück, welches wie schon der Vorgänger "Wall Of Skulls" vor Kraft, Energie und Elan nur so strotzt. Es spricht weniger gegen das Album als mehr für die herausragende Diskografie der Jungs, dass "Plague Of Rats" jetzt nicht gänzlich herausragt, sondern den immens hohen Standard BRAINSTORMs einfach rechtfertigt. Die Melodien gehen sofort ins Ohr, angenehm ist der Spagat aus Härte und Harmonien, und selbst die Tatsache, dass auf Ruhephasen verzichtet wird, wirkt sich definitiv nicht negativ auf den Abwechslungsreichtum aus.

'Beyond Enemy Lines' ist gleich zu Beginn ein absoluter Volltreffer, der zeigt, dass Sänger Andy wieder vollends im Saft steht. 'Garuda (Eater Of Snakes)' ist ein Live-Garant vor dem Herrn, 'Shepherd Girl' greift eine heroische Epik auf, und die Gastauftritte von Elina und Alex von LEAVE'S EYES bei 'Your Soul That Lingers In Me' und 'From Hell' sorgen für Würze. Auch wenn das letzte Albumdrittel nicht so ganz zünden mag, ist die Band derart eingeschworen, die Scheibe so homogen und in einem Rutsch einfach heavy as hell. BRAINSTORM versteht es immer wieder, tolle, herausragende Alben an den Mann zu bringen, sich zwar nicht immer neu zu definieren, aber trotzdem das abzuliefern, was man als Fan mag und gerade auch braucht: hochwertigen Kraftstahl in Reinkultur.

Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]


So sehr ich immer ob der Meinungen meiner Soundcheck-Kollegen zu modernen Alben verzweifle, so sehr mögen sich eben jene Kollegen über meine Bewertungen von eher traditionellen Tönen wundern. BRAINSTORM ist mit "Plague Of Rats" wahrscheinlich wieder ein genau solcher Fall, denn in Bezug auf Marcels Beitrag kann ich nur unterschreiben, dass das letzte Albumdrittel wirklich etwas mau ausgefallen ist. Das Problem ist, den von Herrn Rapp beschriebenen Elan und die Kraft von BRAINSTORM höre ich auch vorher nicht wirklich heraus.

Klar, natürlich musiziert die Truppe aus Gerstetten handwerklich wieder auf hohem Niveau, die typischen Trademarks sitzen und Andy singt wieder mehr als überzeugend, doch keine der von ihm angestimmten Melodien vermag bei mir wirkliche Begeisterung auszulösen. Stattdessen stampft und rockt die Rattenplage eher vorhersehbar an mir vorbei, lässt mich zwischenzeitlich mal zustimmend mitnicken und tut auch überhaupt nicht weh, ist aber eben auch nach dem Verklingen des letzten Tons relativ schnell wieder vergessen.

Schade, seit Jahren lese ich die begeisterten Stimmen zu BRAINSTORM und würde ob der musikalischen Zutaten das Werk der Power-Metaller auch gerne so feiern wie die Kollegen, komme aber auch anno 2025 nur zu soliden sieben Zählern und der Erkenntnis, dass auch "Plague Of Rats" mich nicht zum BRAINSTORM-Fan machen wird.

Note: 7,0/10
[Tobias Dahs]

 

Mein Problem mit BRAINSTORM? Das Generische, das Erwartbare, das Absehbare, das kantenlose, geglättete Design. Und das erinnert mich an POWERWOLF, SABATON, HAMMERFALL, RUNNING WILD und Co. Die Band spult ihre Tracks professionell ab, ein wenig redundant zuweilen, was recht schnell enerviert, und sie vermeidet konsequent Ausflüge in garstige Gefilde. Es fehlt an Überraschungsharmonien, an effektiven Breaks, an wirklich kreativen Ideen.

Die Songs dümpeln mittig trällernd und bisweilen etwas musical- oder operettenhaft vor sich hin, im hinteren Teil des Albums noch stärker als vorn, wo sie immerhin gerade so noch mit ihren "Teutonen"-Trademarks punkten können. Ich bin jetzt ohnehin nicht DER Fan, aber irgendwie hatte ich das zupackender in Erinnerung, auch mal auf die Zwölf, etwas PRIEST-mäßiger.

Allzu bekannte Tremoli, der zuckrige, etwas schlagerhafte Gesang, die immer präsente weiche Opulenz  mit einem solchen Paket wird BRAINSTORM nun locker von PRIEST an die Wand gespielt. "I Can Fly, My Wings Touch The Sky"? Alter Verwalter, nun aber rasch zu Stanne in die Komponisten- und Texterschule! Für mich Ahnungslosen ist das weder Brain noch Storm, eher COLDWIND IN A SUBURB.

Note: 5,0/10
[Matthias Ehlert]

"Überraschungen sind das Salz in der Suppe des Lebens", sagt der zweitklassige Kalenderspruch-Dichter. Zurecht. Ich wusste gar nicht, welch ein begnadeter Satiriker der Kollege Ehlert ist. Den sollten wir glatt mal an die Heute-Show ausleihen, so lustig wie der van der Horst ist er allemal. Die neue BRAINSTORM stilistisch und qualitativ mit SABATONischem Schlager-Metal in Verbindung zu bringen, verdient zumindest mal den Orden wider den tierischen Ernst. Darum sei hier eines klargestellt: BRAINSTORM ist auch anno 2025 mit "Plague Of Rats" immer noch die perfekte Verschmelzung aus europäischem und amerikanischem Power Metal, die selbstbewusste Symbiose aus BLIND GUARDIAN und VICIOUS RUMORS!

Okay, die inzwischen etwas gesetzteren Herren um den begnadeten Frontmann Andy B. Franck mögen nicht mehr ganz so viel Dampf auf dem Kessel haben wie in Zeiten von "Ambiguity" oder "Soul Temptation". Auf der aktuellen Platte gibt es neben den gewohnt fetten Uptempo-Krachern ('Beyond Enemy Lines') und drückenden Riff-Monstern ('From Hell') auch den einen oder anderen sehr schönen AVANTASIA-Moment ('Your Soul That Lingers In Me') und hoch willkommene kulturelle Aneignungen wie 'Garuda (Eater Of Snakes)', das Elemente aus der traditionellen indischen Musik verarbeitet. Somit habe ich hier gar nichts zu meckern und freue mich als langjähriger BRAINSTORM-Fan über ein tolles, lebensfrohes Metal-Album für die kommenden Frühlingstage. Da kann man nur inständig hoffen (Achtung: Retourkutschen-Alarm!), dass sich der hier agierende augenzwinkernde Fire/Desire-Reimgott niemals von kreativitätsbefreiten Melodeath-Breiköchen einschläfern lassen wird.

Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]

Also, BRAINSTORM, das ist mittlerweile auch ganz klar eine der Bands, bei denen man genau weiß, was man bekommt. Und so ist auch "Plague Of Rats" in keiner Weise eine Überraschung. Aber das ist nicht schlimm. Ich behaupte mal, wer die letzten Jahre an BRAINSTORM seine Freude hatte, der wird auch mit dem neuen Album gut zurechtkommen.

Ich bin primär ein Fan der Alben der frühen und mittleren Nullerjahre, in denen BRAINSTORM für mich am stärksten war. Was mich auf "Plague Of Rats" daher phasenweise ein wenig stört, sind die doch teils recht dick aufgetragenen Keyboards. Teilweise wirkt es sogar wie eine elektronische Spielerei. Dass Bands wie METALITE mit solchen Elementen heute wie selbstverständlich unterwegs sind, ist mir klar. Ich will das auch nicht grundsätzlich verdammen. Aber mir ist es hier  für den BRAINSTORM-Sound  teils etwas zu viel.

Andy ist als Sänger natürlich auch heute noch Weltklasse, einen Alterungseffekt spürt man bei ihm bisher nicht. Auch das Songwriting hält die gewohnte Qualität der letzten Jahre, und das Gitarrenspiel ist erfreulich kreativ. Meinetwegen dürfte die Produktion ruhig etwas weniger modern und weniger europäisch sein. Aber das mag Meckern auf hohem Niveau sein. "Plague Of Rats" ist ein starkes Album geworden, das von vorne bis hinten Spaß macht!

Note: 8,0/10
[Jonathan Walzer]

Redakteur:
Thomas Becker

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