Gruppentherapie: DAMN THE MACHINE - "The Last Man"

27.10.2022 | 11:41

Das neue DAMN THE MACHINE-Album hat alle Träume meines Kollegen Holger wahrwerden lassen, sorgte doch schon das 1993er Debüt der Kalifornier bei ihm für wohlige Schauer. Nun sind die Prog-Metaller wieder am Start und haben mit "The Last Man" ein durch und durch bemerkenswertes Werk erschaffen, dem sich auch andere Kollegen nicht entziehen können. Es wird also wieder Zeit für unsere allseits beliebte Gruppentherapie.

Natürlich möchten wir auch hier zunächst auf die Andrae'schen Lobeshymnen aufmerksam machen, die ihr hier nachlesen könnt. Und nun ran an den Speck!

 

Manchmal geschehen noch Zeichen und Wunder. Und die Freude darüber ist so ungetrübt wie die eines kleinen Kindes unterm Weihnachtsbaum. So in etwa habe ich mich gefühlt, als bekannt wurde, dass die begnadete Progressive-Metal-Band DAMN THE MACHINE ein Album mit bisher unveröffentlichten (Demo-)Songs herausbringen würde. Wenn der Begriff Forgotten Jewel jemals zutreffend war, dann im Falle dieser Truppe um die Gebrüder Poland, die zu Beginn der 1990er unsere Herzen und Seelen mit einer sensationellen selbstbetitelten Platte auf das Tiefste und Nachhaltigste berührte. Nach dem Lebenszeichen im letzten Jahr mit der Veröffentlichung von Demo-Aufnahmen zu eben diesem Album wird die Musikgeschichte nun im September 2022 um ein wichtiges Stück Tonkunst bereichert. Auf "The Last Man" gibt es zehn ganz außergewöhnliche Songs zu hören, die von einer wunderbaren melodischen und harmonischen Sensibilität zeugen und eine magische und beglückende Atmosphäre erschaffen, wie es so nur DAMN THE MACHINE kann. Dabei wirken die Lieder im ersten Moment auf den unbedarften Hörer vermutlich eher unaufgeregt, wenn nicht unscheinbar. Aber dann entdeckt man (hoffentlich) nach und nach immer mehr wunderbare kleine und große Spannungsbögen, emotionale und kompositorische Feinheiten, klangliche Farbtupfer und sonstige Großartigkeiten - und will das Album gar nicht mehr zur Seite legen. Es ist phänomenal zu hören, wie hier alle Instrumente und Stimmen gleichberechtigt miteinander musizieren, sich gegenseitig inspirieren, und vor allem auf jede plakative Aufdringlichkeit und jede plumpe Effekthascherei verzichten. Hier zählen einfach "nur" die herausragenden Songideen und die atemberaubend geniale, schnörkellose Umsetzung. In dieser Perfektion bekommt das sonst höchstens noch Gerry Nestler mit CIVIL DEFIANCE (ohne später PHILM) hin. Alle abenteuerlustigen Musikfreunde von RUSH bis DREAM THEATER sind hiermit aufgefordert, DAMN THE MACHINE ihre Ohren und Aufmerksamkeit zu schenken, damit diese außergewöhnlichen Musiker vielleicht mit fast dreißig Jahren Verspätung noch etwas von der Anerkennung bekommen, die sie vom ersten Ton des ersten Liedes an verdient gehabt hätten. Ich verneige mich voll Ehrfurcht!

Note: 10/10
[Martin van der Laan]

Schande auf mein Haupt. Ich muss gestehen, dass ich bisher noch nie etwas von der progressiven Metalband DAMN THE MACHINE gehört hatte. Da es aber durchaus begeisterte Stimmen in unserer Redaktion gibt und ich dem Genre auch wirklich zugetan bin, wollte ich diesen Zustand schnellstmöglich ändern. Somit schnell auf den Streaming-Anbieter des Vertrauens geklickt und ja, was soll ich sagen, ich kann doppelte Entwarnung geben. Nicht nur, dass es keine Schmach ist die Band nicht zu kennen, da trotz semi-bekannter Gründungsmitglieder die Abrufzahlen so gering sind, dass selbst Bands um die Ecke mehr Airplay generieren, sondern insbesondere, weil ich gestehen muss, dass ich die beschriebene Magie meiner beiden Kollegen nicht spüre. Puuh, also doch nicht jahrelang ein Juwel verpasst.

Ich glaube, das ist ein typischer Fall von "da muss/sollte man dabei gewesen sein". Und damit meine ich genau die (Pionier-)Zeit 1992/1993, um damals das Fundament dafür gelegt zu haben, jetzt noch mal in diese Begeisterung zu verfallen und womöglich Höchstnoten zu ziehen. Keine Frage – die Musik ist nicht schlecht. Diese Mischung aus Prog, Jazz, kauzigen Metalklängen und, da liegt Holger gar nicht so falsch, einer sanften Integration von Thrash-Elementen hat ihren Reiz und klingt schon verdammt ungewöhnlich. Ich selbst höre sogar noch leicht bluesige Elemente und eine Atmosphäre, die mich sehr stark an bekannte Grunge-Größen erinnert. Da hat wohl jemand 1991 ganz genau hingehört. In Summe ist die Band besonders für Fans von früheren FATES WARNING und frühen QUEENSRYCHE spannend, da sie ähnliche Strukturen verwendet und doch andere Entscheidungen im Songwriting trifft. Und das ist des Pudels Kern – ich befürchte, bei DAMN THE MACHINE handelt es sich um eine Band insbesondere für Kritiker und Vielhörer, da sie ungewöhnliche Kniffe verwendet und andere Wege geht als viele bekanntere Vertreter. Für die Masse der Hörer verpuffen diese kleinen, feinen Wow-Effekte leider im Nirvana, da aufgrund fehlender Referenzen und Vergleichsmöglichkeiten die Nachvollziehbarkeit verschwindet. Denn, und da muss ich meinen beiden Vorrednern widersprechen, es gibt hier eben nicht fantastische Melodien und gigantische Hooks am Fließband, die den Zugang erleichtern. Das ist alles in Ordnung und insbesondere die letzten Minuten der jeweiligen Songs ('Welcome The Red' oder 'Menial War') blühen auch immer wunderbar auf, aber in Summe ist das allerdings nicht so stark und catchy genug, um nicht so gut trainierte Hörer auf eine solch anspruchsvolle Reise mitzunehmen. Und klar gewinnt eine obskure Scheibe mit einem Demo-Sound noch etwas Charme, darüber hinaus aber eben auch keinen Blumentopf. Für mich ist die Produktion ein elementarer Bestanteil einer Veröffentlichung und der Job des Produzenten ausschlaggebend für das jeweilige Klangbild. Bei dieser Gesangsabnahme und dem Drumsound bin ich leider raus. Somit lande ich bei ca. 8 Punkten, da mir für höhere Noten dann doch die stärkeren Refrains und Melodien fehlen. Und leider ziehe ich aufgrund des Sounds nochmal einen weiteren Punkt ab.

Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]

Nach den Beiträgen der Jubel-Oldies Martin und Holg auf der einen und dem Genre-Prog-Afficionado Stefan auf der anderen Seite, stehe ich mit meinem Fazit zu DAMN THE MACHINE irgendwo in der Mitte. Was mir aus biografischer Perspektive völlig fehlt, ist jegliche Vorfreude oder Kult-Erwartungshaltung. Ich kannte die Band bis zu den vorangegangenen Diskussionen im Forum nur vom Namen her, was natürlich an der namhaften Verwandtschaft liegt. Doch einige Durchläufe von "The Last Man" später ist mir das alles wurscht, denn die Musik regelt. Ich mag diesen pumpenden Bass-Sound, wie er hier superb dargeboten und in den Vordergrund gemixt wird. Der hypnotisierende, RUSH-süchtige Groove erwischt mich bei 'Welcome The Red' zum ersten Mal so richtig, auch wenn das Material nicht gerade als eingängig zu deklarieren ist. Für die Verspeisung von Schinken wie 'Heaven's Gate' sollte man also mehr an 70er Prog gewöhnt sein denn an Progmetal seit den 90ern. Was hier als Stilmittel noch gut funktioniert, bremst meine Euphorie aber bei Songs wie 'The Prize' und 'Menial War' etwas. Das Klangbild gefällt, aber unter dem Strich stellt sich hier nicht die Neugier ein, das Material immer und immer wieder zu hören, um es zu durchdringen. Ob das der Tatsache geschuldet ist, dass wir es auf "The Last Man" mit Aufnahmen aus verschiedenen Jahren zu tun haben, lasse ich mal offen. Dazu kenne ich DAMN THE MACHINE nicht gut genug. Was mir die Compilation aber definitiv gebracht hat, ist die Lust auf mehr Material der Kauz-Progger. Hoch lebe die Nische!

Note: 8,0/10
[Nils Macher]

Das ist schon erstmal eine Hausnummer, wenn bei vier Rezensenten gleich zwei 10er Noten von Kauz-Experte Holg und Thunder-Maddin fallen, die hier offensichtlich von einer ihrer Lieblingsbands der Neunziger ein unerwartetes Lebenszeichen gnadenlos abfeiern. Meine Voraussetzungen sind gänzlich andere, ich kann die Scheibe unvoreingenommen hören, da der Name DAMN THE MACHINE in meinem Musikkosmos bislang noch nicht gefallen ist und ich aber genau diese Perspektive hier gern ergänzen möchte. Progressiv und melodisch darf es gerne sein und ich finde auf "The Last Man" vor allem den warmen Gitarrenklang und die einschmeichelnden Harmonien ziemlich gelungen - das hat etwas Eigenes, Spezielles, das mir gut gefällt. Für die ganz großen Gefühle reicht es aber nicht. Für mich fällt das Ganze einerseits mit dem Gesang, den ich als gewöhnungsbedürftig und manchmal sogar recht schräg wahrnehme, und zum anderen empfinde ich die Produktion ebenso wie Stefan, der es Demo-Sound nennt, als ausbaufähig, auch wenn das wohl die Entstehungszeit der Songs adäquat widerspiegelt. Dabei geht es eigentlich ziemlich gut los. 'The Final Amendment' und insbesondere die sehr prägnante Nummer 'Welcome The Red' machen definitiv Lust auf mehr. Das sind Songs, die in punkto Riffing und Tempo gefallen, was mit einigen Abstrichen auch noch für 'Legend Maker' und 'Menial War' gelten mag. Doch nach dem recht vielversprechenden Auftakt bietet die komplette zweite Hälfte, also alles ab 'A Brighter Day' neben den genannten rein geschmacklichen Herausforderungen auch noch ein Songwriting, bei dem ich das Gefühl habe, man kommt einfach nicht aus dem Quark. Besonders 'The Prize' und 'All That We'll Ignore' wirken so zerfahren und gebremst, dass ich ich mich schnell erinnern muss, dass zu Beginn zumindest recht ordentliche Riffs geboten wurden, die auch mal Widerhaken setzen konnten. Mein Fazit lautet also, dass es mich wirklich ernsthaft interessiert hat, was die Kollegen da so abgefeiert haben und unbedingt mit einer Gruppentherapie zusätzlich würdigen wollten, dass ich diese Bildungslücke nun geschlossen habe und dass ich DAMN THE MACHINE vermutlich nie wieder hören werde. Trotzdem ein erhellendes Hörerlebnis, von dem zumindest hängen bleibt, dass dies eine Band mit einem hohen Maß an Eigenständigkeit und einem originellen Stil ist.

Note: 6,0/10
[Stephan Voigtländer]

Redakteur:
Marcel Rapp

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