Gruppentherapie: DOWNFALL OF GAIA - "Ethic Of Radical Finitude"

18.02.2019 | 22:57

Die Blackies DOWNFALL OF GAIA hatten in unserem ersten Soundcheck des neuen Jahres einen schweren Stand. Der vorvorletzte Platz sprang heraus, auch wenn der Schnitt mit 6,7 Punkten gar nicht so schlecht ausgefallen ist. Zwei begeisterten und zwei zufriedenen Soundcheckern stehen drei Kollegen gegenüber, die mit "Ethic Of Radical Finitude" weniger bis sehr wenig anfangen konnten. Allerbestes Material also für eine Gruppentherapie mit den Kollegen Schnapp, Dahl, Walzer und Freiesleben. Eine spannende Zusammensetzung verspricht eine spannende Gruppentherapie - und eine Wiedergutmachung oder Bestätigung des schlechten Abschneidens im Soundcheck?

Ich bin positiv überrascht. Zum ersten Mal verstehe ich (zumindest in Ansätzen) was Post Black Metal sein kann. Meine Vorerfahrung mit der Band war das Album "Suffocating In The Swarm Of Cranes" von 2012, was mich damals etwas ratlos zurückgelassen hat. Eine gewisse Faszination war da, aber insgesamt hat mich das nicht überzeugt. Ganz anders "Ethic Of Radical Finitude": Knapp zweieinhalb Minuten Intro, dann ballert 'The Grotesque Illusion Of Being' um die Ecke. Zunächst mal ganz ohne irgendwelche Post-Spielereien, einfach guter Black Metal. Im Verlauf des Albums wird's zwar mit ellenlangen Sprechpassagen wieder etwas gewöhnungsbedürftig, aber das sind Kleinigkeiten. Alles andere ist einfach so viel besser als das, was ich von dieser Band im Kopf hatte. Der Satz, der sich durch die Titelliste zieht, der Gesang, der auf jedem 90er Black-Metal-Album eine gute Figur gemacht hätte und auch die allermeisten atmosphärischen Passagen. Kollege Haris spricht in seiner Rezension davon, dass man sich darauf einlassen muss. Gerade ich brauche eigentlich immer lange Zeit und intensive Beschäftigung, um diese Art von Musik, ohne allzu offensichtliche Melodien, zu verstehen. Aber hier hat es irgendwie sofort gepasst. Schon nach zwei bis drei Durchläufen halte ich 'We Pursue The Serpent Of Time' oder 'As Our Bones Break To The Dance' für kleine Hits, tauche tief in die im übrigen superb produzierte Klangwelt ein und erfreue mich genauso an manischen Rasereien wie an sphärischen Klangteppichen. Ich kann dem Rezensenten nur zustimmen, hat man dieses Album einmal durch, erwischt man sich, trotz aller scheinbaren Unverdaulichkeit, immer wieder bei einem erneuten Durchgang. So geht (Post) Black Metal im Jahre 2019!

Note: 9/10

[Jakob Schnapp]

Ich kann die Begeisterung für diese Platte nicht so ganz nachvollziehen. Okay, Post Black Metal ist eh nicht so meine Baustelle, ich stehe eher auf Black Metal der typischen schwedischen Art. Aber was DOWNFALL OF GAIA auf der neuen Scheibe abliefert, kann mich nur sehr selten mitreißen oder gar begeistern. Diese seltenen Momente sind auch nur in den schnellen Passagen zu finden, in denen das Gaspedal ordentlich durchgedrückt wird. Jedoch stört mich in diesen Situationen oftmals der Gesang, der einfach zu wenig Akzente liefert und monoton durchrauscht. Noch mehr stören mich jedoch die ruhigeren Momente auf "Ethic Of Radical Finitude", sie reißen mich nämlich ständig aus der hin und wieder aufkommenden Hörfreude heraus und verursachen bei mir tatsächlich Langeweile. Es gibt Black-Metal-Bands, die auch langsam sein können und trotzdem diese Genre-typische düstere und furchteinflößende Atmosphäre versprühen. DOWNFALL OF GAIA gehört für mich mit "Ethic Of Radical Finitude" nicht zu diesen Bands, denn dafür müssten die wechselnden Passagen aus "Raserei" und ruhigen, getragenen Teilen trotzdem einheitlich wirken. Und das gelingt zu keinem Zeitpunkt. Wenn, wie Jakob es schreibt, Post Black Metal im Jahre 2019 so geht, dann verstehe ich dieses Subgenre wohl einfach nicht.

Note: 6/10

[Mario Dahl]

Da gehen die Meinungen ja auseinander bei den Kollegen. Das finde ich natürlich spannend und muss gestehen: "Ethic Of Radical Finitude" (seltsamer Name) ist mein Erstkontakt mit DOWNFALL OF GAIA. Die fünf Songs (plus ein kurzes Intro) bieten tatsächlich etwas, was man als Post Black Metal identifizieren kann. Aber wen interessieren eigentlich diese Schubladen? Klar ist die Truppe von Bands wie PANOPTICON beeinflusst, also der Cascadian Black-Metal-Schule, aber auch von diversen schwedischen und norwegischen Truppen der neunziger Jahre. Ich kann mit dieser Suppe schon einiges anfangen, finde die Emotionalität, die garstigen Gesänge und die ganz eigen klirrenden Gitarren ebenso geil wie das abwechslungsreiche Schlagzeugspiel. Auch die gesprochenen Passagen stören mich nicht. Ich glaube, dass ich insgesamt nicht ganz so positiv überrascht wurde wie Jakob. Zum einen hatte ich eh erwartet, dass mir diese Scheibe gefallen würde. Zum anderen finde ich Post Black Metal auch sonst in Ordnung. Ach ja, und drittens bin ich nicht völlig mitgerissen, finde die Scheibe aber insgesamt gut und will mich intensiver mit der Truppe beschäftigen.

Note: 8/10

[Jonathan Walzer]

Das dunkle Quartett spielt sich gefühlt seit Jahren die Finger wund, denn in den Listen der Clubs unserer Hemisphäre kann ich DOWNFALL OF GAIA seit langem regelmäßig finden. Wer die Band bereits einmal sehen und hören konnte, weiß auch, was da auf einen zurollt: Mal der ledergepanzerte 66-Tonner, der keine Lust auf Bremsen hat, mal der behutsame Schaukler, der sich in großen sinnlichen Runden um sich selbst dreht und sich dabei in den schwadigen Abendhimmel sehnt. Sogar bei gefühlten 45 Grad Hitze hat mich die Band beim letztjährigen Stoned From The Underground überzeugt. Sonne, Schatte, Sonne, Schatten, und dabei Black Metal? Funktioniert gut, wenn das Herzlein offen ist. Irgendwie hat mich der Auftritt an die seligen PLANKS erinnert, die scheinbar unnahbar doch großartige harte Herzschmerzmusik ersonnen haben. Wenn diese Energie, die mit vielen kleinen Zwischentönen, schüchtern und halluzinierend, auch auf einem Album eingefangen werden könnte, so dachte ich in der Hitze, dann freu ich mich auf den bitterkalten Winter. Und es ist passiert. "Ethic Of Radicale Finitude" ist geworden: Spannend, auffordernd, zurückhaltend, druckvoll, klanglich versiert, verbogen und dabei geradlinig, es wächst mir bei jedem Hören mehr noch in mein Bewusstsein. Neben den oben genannten PLANKS fühle ich mich zudem mehrmals an die Klangwände der verehrten Franzosen YEAR OF NO LIGHT erinnert, wo die garstigen Gitarren sich mit himmelsflirrenden Sympathien vereinen. Die Verbindung der vielen musikalischen Chancen zu gutem Metal, zu irgendeinem Post-Irgendwas, ist gelungen. Berührungsängste des Vierers, sich in anderen Genres einfach still beobachtend umzusehen, um dann den eigenen Stil zu bilden, scheint es nicht zu geben. Wie auch der Auftritt beim eher Sludge- und Stoner-lastigen SFTU 2018 verrät. Ich persönlich habe nichts zu meckern und freue mich über ein sehr gutes Album.

Note: 8,5/10

[Mathias Freiesleben]

Review zum Album
Soundcheck 01/2019

Redakteur:
Haris Durakovic

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