Gruppentherapie: ENSIFERUM - "One Man Army"

28.02.2015 | 14:55

Finnischer Metal zieht die Fans immer wieder in den Bann. Wie sich ENSIFERUM mit "One Man Army" hier schlägt, wird ausführlich in der Gruppentherapie diskutiert.

Die Geschichte von ENSIFERUM reicht zwar laut der Bandhomepage bereits zwanzig Jahre zurück, doch sind die Finnen in den Köpfen der Fans eher eine Band, die den Metalzirkus des neuen Jahrtausends prägt. Daraus ist auch erklärbar, weshalb ein aktuelles ENSIFERUM-Album von unserer Redaktion als interessant genug erachtet wird, um es trotz mittelmäßiger Platzierung im Februar-Soundcheck einer eingehenderen Behandlung auf dem Therapiesessel zu unterziehen. Und zu "One Man Army" gibt es tatsächlich einiges zu sagen, was Kollege Rapp in seinem Review noch nicht erläutert hat. Viel Spaß!




Ein kurzes Hineinhorchen reicht bereits aus, um sich sämtliche, bei ENSIFERUM wohl bekannten Kritikpunkte an "One Man Army" ausmalen zu können. Ich werde mich nicht bemühen, diese hier auszuwalzen (vielleicht tut das ja einer der geschätzten Kollegen noch), denn mir sind all diese schlichtweg egal. Jeder hat Bands für unterschiedliche Gemütslagen, Bedürfnisse und Stimmungen - diese halbnackten, fellumhangenen Finnen gehören für mich in die Kategorie "kurzweilige Freude bei ohnehin guter Laune". Da zücke ich dann halt das vom Karneval übriggebliebene Plastikschwert und kloppe zu 'Axe Of Judgement' auf wehrlose Topfplanzen ein. Es muss nicht immer beinharter Stahl sein, damit etwas richtig Spaß macht; und das gilt für Stichwaffen wie für Musik. Manche Nummern sind etwas geradliniger (Titelsong), manche etwas folkloristischer angehaucht ('Cry For The Earth Bounds') und manche doch ziemlich klamaukig ('Two Of Spades'). Auf Albumlänge ergibt sich jedoch ein absolut rundes (und verglichen mit der ein oder anderen Kapelle keineswegs triviales) Soundbild, das schlichtweg passt. Die insgesamt elf Titel sind kompositorisch sicherlich nicht das Maß aller Dinge und großartig neue Krieger wird die Truppe mit ihrem Sechstling auch nicht rekrutieren, aber ganz ehrlich: Wenn man ENSIFERUM mal "Hand aufs Herz"-mäßig fragen würde, ob "One Man Army" (vor allem im Vergleich zu den eigenen Frühwerken) ein musikalisch richtig großes Werk sei, bezweifle ich, dass die Antwort positiv ausfallen würde. Aber das ist ja auch gleich. Die Platte ist das, was sie sein soll: Unterhaltsame Schlachtenmucke für die einfacheren Minuten des Lebens. Nicht mehr - und auf keinen Fall weniger.

Note: 7,5/10
[Oliver Paßgang]

Vielleicht habe ich bei ENSIFERUM ja besonderes Glück. Denn wie so oft bin ich auch bei dieser Band Spätzünder und muss mich von daher nicht über eventuell vorhandene Redundanzen mit vorherigen Alben ärgern. Ich habe die Finnen mit "Unsung Heroes" kennen gelernt und das hat mir damals schon gut gefallen (zum Review). Vor allem die große stilistische Bandbreite von Harschem über orchestrale Sounds bis hin zu Folkloristischem hat mir dort gut gefallen. Und mit 'Passion Proof Power' hat es sogar richtig geproggelt. "One Made Army" erscheint mir jetzt insgesamt homogener und organischer. Es ist ein fantastischer Sound, der von akribischer Prouktions-Arbeit zeugt. Voll im Trend liegend hat man analog aufgenommen und dabei noch stärker Wert darauf gelegt, authentische (würg, ich hasse dieses Wort eigentlich) Chöre aufzunehmen. Das Album laut aufdrehen oder unterm Kopfhörer hören macht einfach riesig Spaß. Dazu trägt auch bei, wie man jederzeit hören kann, dass ENSIFERUM allesamt Klasse-Musiker sind. Alles klingt irgendwie lässig und easy gezockt, über die Jahre organisch gewachsen, und ich habe den Eindruck, die Band ist mit ihrer Musik sogar leicht unterfordert. Aber besser so als Kompliziertes im Studio so hinzubiegen, bis es passt. So gebe ich dem Oli und auch dem Marcel recht: ENSIFERUM ist einfach kurzweiliges Metal-Vergnügen für Plastikschwertler mit Sinn für Humor. Ja, ich mag die von Marcel kritisierte Passage bei 'Two Of Spades' in der Tat sehr; einfach nur mal auf den spielerischen Bass hören könnte hier ein Trick sein. Ja, der überaus positive Eindruck von ENSIFERUM ist konsolidiert. Ganz feine Band!

Note: 8,5/10
[Thomas Becker]


Oliver hat ja irgendwie recht: ENSIFERUM ist eine Band für eine bestimmte Gemütslage. Für Festivals, für's Biertrinken aus den Hörnern ehemaliger Lebewesen, für's verschwitzte Gegeneinanderhüpfen. Doch das war nicht immer so klar einzugrenzen. Auch auf den ersten Alben der Finnen gab es Songs für diese Stimmungen, aber es gab auch eben noch etwas anderes. Es gab Atmosphäre, gelebte Finnen-Melancholie und stimmige Balladen. Das vermisse ich im aktuellen Schaffen der Gruppe, das sich ziemlich auf Melo-Black-Metal mit Geschunkel zwischendurch versteift. Hinzu kommt, dass der Klargesang vom einzigen verbliebenen Gründungsmitglied und Gitarristen Markus Toivonen immer mehr vom sehr gleichförmigen Kreischen Petri Lindroos' verdrängt wird. Das Wechselspiel zwischen klarem und harschem Gesang war für mich immer eine Art Markenzeichen, die geschaffene Abwechslung bot Widerhaken. Ich war 2009 von "From Afar" nach erster Euphorie sehr enttäuscht, was auch dazu führte, dass ich "Unsung Heroes" gar keine Chance mehr geben wollte. "One Man Army" schafft nun nicht mal mehr diese anfängliche Freude. Es gibt natürlich ein paar tolle Songs, das kurze Intermezzo 'Burden of the Fallen' und das interessante 'Cry for the Earth Bounds' wirken allerdings wie Fremdkörper, während 'Warrior Without a War' ein künftiger Livehit zum Mitschunkeln ist und tatsächlich einen Ohrwurm darstellt. Naja, und 'Two of Spades' ist auch ganz witzig, so tuntige 70s-Disco-Keyboards hört man ja eher selten. Alle anderen Stücke aber, und das ist nunmal die klare Mehrheit, fallen dagegen stark ab. Das gilt sogar für den elf-minütigen Longtrack (ich bin da fetischistisch veranlagt). Und über das abschließende 'Neito Pohjolan' hülle ich lieber den Mantel des Schweigens. ENSIFERUM wurden schon lange vom Folk-Metal-Thron gestoßen, die Gründe dafür sind auf "One Man Army" zu hören.

Note: 6,0/10
[Marius Lühring]

Die Finnen stehen für hübsch komponierte Intros, Chorpassagen zum Mitsingen, einprägsame Riffs und bei Gelegenheit auch für ein paar krachige Nummern, und all dies findet man auch auf "One Man Army" wieder. Wer allerdings zur "Jari Mäenpää-Trauergemeinschaft" gehört, sollte sich das Geld sparen und den oben genannten Herren lieber mit seiner Crowdfunding-Kampagne für das nächste WINTERSUN-Album unterstützen. Bei den alten Alben zeigte ENISFERUM ein besonderes Gespür für Melodien und hübsche Verflechtungen finnischer Lyrik in den Texten, wofür ich die Band liebe. Doch sie entwickelt sich heute mit jeder neuen Scheibe weiter weg von diesem Konzept. Zum einen sind, wie meine Kollegen bereits angemerkt haben, Folk-Anteil wie Klargesang zurück gegangen, zum anderen überfrachtet man die Songs dafür mit Orchestrierung. Auch wenn die Finnen sich seit "From Afar" (zum Review) mit dem Attribut "epic" schmücken, leidet auf der neuen Scheibe die Gitarre besonders darunter.
Bereits im Vorfeld fragte ich mich, ob ENSIFERUM es überhaupt noch schaffen kann, sich irgendwie weiter zu entwickeln und ob die Kreativität nicht langsam erschöpft ist. Diese Gedankenspiele waren letztendlich gar nicht so verkehrt, denn beim Hören habe ich mich öfters gefragt ob die Finnen beim Komponieren in Anlehnung an ihren Song 'One More Magic Potion' selbige zu sich genommen haben. Und spätestens der Diskopart bei "Two Of Spades" lässt mir diese Vermutung evident erscheinen. Sicherlich hatte man bei der Aufnahme dieses Songs potenten Spaß und wird damit in Zukunft die eine oder andere Festivalshow erheitern, aber das reicht für mich als Fan nicht zur Ekstase. Dafür zeigt "One Man Army" letzendlich doch zu viele Lücken und Tücken.

Note: 7,0/10
[Hang Mai Le]


Nun denn, eine Schwäche für kitschige Artworks mit schwertschwingende Nordmänner habe ich ja durchaus. Dass sich bisher dennoch keine einzige ENSIFERUM-Scheibe in meine Sammlung verirrt hat, mag manchen verwundern, doch die Ursache dürfte darin zu suchen sein, dass mir das Oeuvre der Finnen bisher dann doch etwas zu locker, flockig, beschwingt und dudelig war. Irgendwie erwarte ich mir in meinem Folk- und Pagan Metal doch ein wenig mehr Ernsthaftigkeit, Tiefgang und Düsternis, als hier geboten ward und wird, und glaubt man den Kollegen, ist die Tendenz ja nicht unbedingt steigend. So gibt's bei ENSIFERUM packenden Pagan-Pathos leider nur in überschaubaren Dosen, wenn überhaupt, und so ist auch "One Man Army" das, was man als Skeptiker erwarten darf: Mal stampfender, mal rasender, im Gitarrenbereich stets melodischer Melodic (Death) Metal, der sich überraschend unfolkig gibt, dafür aber sehr massig orchestriert, keyboardschwanger, von Backing Chören übersät, und insgesamt genau richtig, zum Schwerterschwingen und Weisensingen. Richtig schlecht mag ich das zwar nicht finden, doch zu Begeisterungsstürmen reicht es leider auch nicht. Bei Weitem nicht, denn "One Man Army" schafft es nicht einmal ansatzweise, die Schlüsselreize zu bedienen, für die ich bei heidnischem Stahl der ernsthafteren Art so offen bin. Das Ganze schmeichelt sich ein, doch weitgehend leider ohne Biss und ohne Schmiss, keine Narbe im Gesicht und keine Kerbe im Schwert. Sollte ich doch noch irgendwann eine ENSIFERUM-Scheibe kaufen wollen, dann werde ich es wohl eher mit Hang und Marius halten, und mich am charismatischeren Frühwerk versuchen. Oder ich bleibe eben doch gleich bei anderen Bands des Genres.

Note: 6/10
[Rüdiger Stehle]

Redakteur:
Simon Volz

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