Gruppentherapie: FRIENDS OF HELL - "God Damned You To Hell"
25.04.2024 | 22:15Tief schlummern oder brennenden Staub aufwirbeln: Was macht Catweazle in der Hölle?
Freunde des Metals, die Hölle war schon immer ein beliebtes Thema und AC/DC baute uns schon früh eine Autobahn dorthin. So können alle Freunde der Hölle diese auch schnell erreichen und dort Schabernack treiben. Zum Beispiel wie FRIENDS OF HELL dem okkulten Doom frönen. Stephan Lenze tut sich mit dem höllischen Treiben auf "God Damned You To Hell" allerdings ein wenig schwer und seine Fußnägel verwandelten sich zeitweise gar in Schneckenhäuser. Auch unsere Soundchecker sind zwiegespalten. Zwischen 8,5 und 4,5 Punkten wird hier alles aufgeboten. Klassischer Fall für den Therapiesessel, würde ich sagen.
Richtig, hier hebt der Proto-Doom seine erhabenen Fäuste in die Höhe, haut sie auf den Tisch - natürlich in einem sehr langsamen, gewaltigen Tempo - und der Knall kommt nächste Woche an. Doch was macht "God Damned You To Hell" in der Zwischenzeit mit mir? Es zieht mich runter und macht mich noch träger und müder als ich es eh schon bin. Mochte ich auf dem selbstbetitelten Debüt noch die zarten REVEREND BIZARRE-Vibes, gibt mir diese SENTENCED-, NIFELHEIM-, HARDRAW-, BEELZEEBUBTH- und AEONSGATE-Supergroup nicht das, was ich mir bei den illustren Namen, insgesamt drei Gitarren und dem höllenkeifenden Neuankömmling am Mikrofon gewünscht habe.
Richtig, ich bin enttäuscht, obwohl das Niveau ab der Mitte der Platte - Gott sei Dank - ein klein wenig nach oben geht. Die ersten Stücke, so okkult sie auch rüberkommen mögen, erzeugen bei mir gähnende Langeweile, zumal der Sound auch recht unausgeglichen scheint, und lässt meinen Skip-Finger zucken. Ab 'Arcane Macabre' und vor allem bei 'Let The Devil Take You' und 'Cross Inverter' kommt ein wenig Mystik auf, ein Hauch von Atmosphäre macht sich breit und ich erwache langsam - wir haben es hier schließlich mit Doom zu tun - aus meinem Tiefschlaf.
Noch schlaftrunken nickt der Kopf im Takt, doch durch die Bank weg werde ich das Gefühl nicht los, diese Art von okkultem Proto-Doom an anderen Ecken wesentlich authentischer, experimentierfreudiger und vor allem einfallsreicher vernommen zu haben. So zieht sich mir die Platte wie Kaugummi, doch gibt es sicherlich auch Kollegen, die mir widersprechen möchten, nicht wahr?
Note: 5,5/10
[Marcel Rapp]
Ja, lieber Marcel, ich möchte gerne widersprechen. Danke für die Einladung. Mit dem Begriff der Authentizität öffnest du hier ein großes Fass, das jeder von uns sicher anders befüllt. In meiner Wahrnehmung sind die FRIENDS OF HELL jedenfalls authentisch as fuck, um es mal neudeutsch auszudrücken. Ich meine, schau Bandleader Tas Danazoglou doch mal ins Gesicht und wiederhole dann deine Zweifel. Der Typ atmet Metal. Leider lässt uns mein geschätzter Chefredakteur nicht teilhaben, welchen Bands aus dieser Ecke er ihre Musik mehr abkauft.
Ein Vergleich mit REVEREND BIZARRE drängt sich natürlich auf, auch wenn Albert Witchfinder inzwischen nicht mehr bei den Höllenfreunden an Bord ist. Die FRIENDS OF HELL bolzen auf dem neuen Album deutlich zielgerichteter und auch weniger experimentierfreudig als das finnische Vorbild, die Verschrobenheit und das Eigenbrötlertum sind allerdings hervorragend konserviert worden. Ich meine, was ist 'Snakes Not Sons' bitte, wenn nicht eine großartige Weirdo-Hymne? Dazu passt auch der einfältige Gesang vom Neumitstreiter Hellbutcher, der mir hier sehr viel besser gefällt als bei NIFELHEIM.
Ich empfinde die schroffe Produktion direkt aus dem Keller als herrlich modrig und echt. Aber ich genieße auch gerne kantigen Sound zwischen all den Alben, die dem weichgespülten Zeitgeist entsprechen. "God Damned You To Hell" ist ein richtig geiles Stück Doom, das dem ebenfalls tollen Vorgänger in nichts nachsteht.
Note: 8,5/10
[Marius Lühring]
Auch das Widerspruchkommando Andrae muss sich hier zu Wort melden, werter KORPIKLAANI-mögender Chef! Mir ist es nämlich völlig schleierhaft, wie man von der hier gebotenen Musik runtergezogen werden kann. Für mich war "God Damned You To Hell" vom ersten Durchlauf an DAS Highlight des aktuellen Soundchecks. Das liegt zunächst mal daran, dass wir hier ausnahmsweise nicht von einer Noten-Druckwelle überfordert werden und dass die Dynamik aus der Musik und nicht aus den hochgedrehten Reglern am Mischpult stammt.
Aber ich möchte die Qualität dieses Albums nicht allein auf den angenehmen Klang reduzieren. Das ist lediglich ein von mir gern genommener Bonus, der mir beim Anhören aller Soundcheck-Alben besonders positiv aufgefallen ist. Auch die Songs sind herrlich altmodischer Kauz-Doom-Metal mit einer wunderbar catweazle-ligen Stimme. Ich mag zwar die Musik von NIFELHEIM nicht sonderlich, aber Hellbutcher ist schon ein auffallend angenehmer Krakehl-Kauz. Sicher, ein guter Sänger geht anders, aber so etwas brauche ich bei dieser Art von räudig-müffeligem Heavy Rock auch gar nicht. Schöngeist kann jeder, richtig kauzen ist da schon schwerer.
Hier gibt es mit dem fast schon rasanten 'Snakes Not Sons' zum Beispiel eine Überraschung mit unerwartetem Tempoanzug, ohne dass man dabei die eingeschlagenen Sumpfpfade durch den nebeligen Noten-Morast der anderen Songs verlassen würde. Und das Eröffnungsriff von 'Ave Satanatas' ist wahrscheinlich aus dem Flux-Kompensator gerutscht als der Tonmeister versehentlich das Jahr 1970 eingegeben hat. Proto-VENOM in Slow Motion ohne Abaddon, denn dieser langsame Takt wird ziemlich unfallfrei gespielt. Vielleicht war auch grad keine Treppe zum Runterfallen zur Hand. Man weiß es nicht. Jetzt werde ich schon wieder albern, obwohl es sich bei diesem Album doch um eine bierernste Angelegenheit handelt. Oder auch nicht? Mir macht dieses staubaufwirbelnde Werk nämlich höllischen Spaß. Ob das wohl erlaubt ist?
Note: 9,0/10
[Holger Andrae]
Ohne Zweifel sind FRIENDS OF HELL nicht THE BEACH BOYS, aber von wirklich schwierigen Genres wie Funeral Doom oder Suicidal Black Metal dann doch schon ziemlich weit entfernt. Somit darf man nicht nur Spaß mit dieser Mucke haben, sondern sollte es sogar. Und da liegen gar nicht so viele Steine für mich im Weg, wie man vermuten könnte. 'Bringer Of Evil' ist so toll melodisch, dass man doch geneigt ist die Stimme zu ölen und die Luftgitarre zu entstauben.
Apropos entstauben – hier klingt alles so herrlich muffig, als würde es gerade erst im Keller gefunden werden (direkt neben dem Necronomicon versteht sich). Genau solche LPs haben unsere Eltern unter dem Bett versteckt und immer nur heimlich bei Kerzenschein gehört, wenn die Erzeuger beim Tanzabend waren. Und wenn die Stimmung mich so einnimmt, dann ist mir das Thema fehlender Authentizität sowieso schnurzpiepegal. Diese würde ich bei unserer Distanz einer Band eh nie vorwerfen.
Sind wir hier nun näher bei VENOM oder bei SABBATH ASSEMBLY? Keine Ahnung. Mir gefallen die einzelnen Tracks, welche nochmal in Summe aufgewertet werden und eine wohlige Horror-Atmosphäre erschaffen, welche vielleicht sogar eher an eine roughe Version von THE VISION BLEAK erinnert (die großartigen 'Ave Satanatas' und 'Cross Inverter') als an die hier genannten Referenzbands. Auch wenn Kollege Andrae sich die Augen reiben wird – auch für mich ist "God Damned You To Hell" das Soundcheckhighlight und eine wohltuende Abwechslung zu meinen aktuell präferierten Musikerzeugnissen.
Note: 8,5/10
[Stefan Rosenthal]
Nun, ob diese Musik authentisch ist, das wage ich - wie immer - nicht zu beurteilen. Am Ende empfindet das jeder anders. Auf mich wirkt die Band aber äußerst charismatisch. Sound, Stimme und die gesamte musikalische Herangehensweise versprühen einen Charme, der mich hier gerne zuhören lässt.
Ob es für mehr reicht, ist aber nach drei Spins unsicher. Als einer, der okkulten Doom doch hin und wieder mag, wenn auch meist in Kombination mit einer weiblichen Stimme (z.B. JEX THOTH oder SABBATH ASSEMBLY), bin ich die Stimmen gewohnt, die dabei gerne mal einschlummern. Ein ganz klein wenig kann ich hier aber unseren Marcel und auch unseren Hauptrezensenten Lenze verstehen, wenn ihnen das Songwriting etwas zu behäbig erscheint.
Ja, die Freunde der Hölle wagen es in der Tat, einige der simpelsten Riffs und Melodiebögen unseres Lieblingsgenres zu recyceln und da hätte man meines Erachtens stellenweise ein wenig einfallsreicher sein können. Aber die Höllischen schaffen es auch, das gewisse Etwas zu addieren, den diabolischen Pfeffer, der die Scheibe zumindest wenn sie gerade läuft, attraktiv hält.
Note: 7,5/10
[Thomas Becker]
"God Damned You To Hell" ist ein wunderbarer Gegenentwurf zu vielen Entwicklungen in der Szene. Es klingt trocken, geerdet, fast prüde aus den Boxen. Kein Sparkle, keine 1000 Spuren, keine Sänger auf Speed. Kein Versuch, das Genre weiterzuentwickeln, keine Disruption, keine Revolution, nicht mal Evolution. Ich mache keinen großen Hehl daraus, dass das Doom-Genre mich in mancher Ausprägung eher abschreckt, doch was FRIENDS OF HELL hier bietet, ist eher wie eine Art VENOM (atmosphärisch) in der Geriatrie als ein echter Muffigkeits-Vertreter. Mich holt die Mischung aus okkult-satanischen Themen, dem schamlosen Bedienen an harter Gitarrenmusik aller Jahrzehnte und einer durch und durch charismatischen Besetzung sehr ab. Kein Wunder also, dass ich mich auf der Seite der Fürsprecher verorte.
Note: 8,0/10
[Julian Rohrer]
Fotocredits: Antonis Georgiadis (Rise Above Records)
- Redakteur:
- Thomas Becker