Gruppentherapie: MOTORJESUS - "Streets Of Fire"

31.07.2025 | 15:22

Musik fürs nächste Grillfest oder Anwärter auf die Bestenliste?

Na, WARKINGS gut überstanden (zur Gruppentherapie)? 

Dann können wir ja sogleich zum Soundcheck-Sieger für den Juli übergehen. Das ist MOTORJESUS, eine Band, die wir heuer neben der Goldmedaille auch mit einem satten Zehner von Björn für das neue Album "Streets Of Fire" und mit einer Pommesgabel-Folge verwöhnt haben. Doch wer unsere Therapeuten kennt, der weiß, dass man als Band auch mal einstecken muss. Aber keine Angst MOTORJESUS, der Herr Ehlert macht hier nicht mit und die meisten finden dich gut. Oder nicht?

Das Album macht einfach große Vorfreude, denn bei MOTORJESUS gibt es kontinuierliche Weiterentwicklung, die Band tritt nicht auf der Stelle - und genau das macht den Reiz aus. Wie sieht es also aus mit "Streets Of Fire"?

Die Songs reißen mit, sind das Salz in der Suppe, sind weniger hardrockig als mehr schwermetallisch ausgefallen und generell ist die Variabilität auf diesem Album noch etwas stärker ausgeprägt als zuvor, gibt es doch von vorne bis hinten einen Volltreffer nach dem anderen. Dazu kommt Frontmann Chris, dessen Stimme nicht nur geil klingt, sondern sich auch nochmals weiterentwickeln konnte. Die Musik verbreitet das Flair sympathischer Jungs, die man einfach gern beim nächsten Grillfest bei sich haben möchte, die hart arbeiten und sich Schritt für Schritt ihre stets wachsende Fanbase erarbeitet haben.

Dabei hat die Platte auch einen wahnsinnig guten, transparenten Klang, für den einmal mehr Dan Swanö zuständig ist. Ohrwürmer wie 'Somewhere From Beyond', 'Back For The War' oder 'Return To The Badlands' zünden genauso auf Anhieb wie schnellere, für Jupp prädestinierte Geschichten wie 'They Don't Die'. Einfach nur wow!

Allerdings hängt das aktuelle Scheibchen die Messlatte für künftige Veröffentlichungen verdammt hoch, doch das ist Zukunftsmusik. In der Gegenwart hält "Streets Of Fire" fest das Heft in der Hand.

Note: 9,5/10
[Marcel Rapp]

 

Holla, da greift der Kollege Rapp aber ganz tief in die Kiste der Lobeshymnen und schießt vor lauter Euphorie mal gut ein ganzes Stück über das Ziel hinaus. In Marcels Ausführungen klingt es jedenfalls für mich so, als würde "Streets Of Fire" das MOTORJESUS-Rad geradezu neu erfinden. Das Gegenteil ist in meinen Ohren der Fall, denn die "Motor"-Gemeinsamkeit mit der Legende MOTÖRHEAD kommt beim Jesus der Motoren nicht von ungefähr, sind Chris und seine Jungs ähnlich wie Lemmy und Co. doch auch mit stoischer Sicherheit und großteils im rasanten Galopp irgendwo zwischen Heavy Metal und Hard Rock zuhause.

In diesem Schnittfeld hat man den eigenen Sound gefunden und bleibt jenem gemäß dem Sprichwort "Schuster bleib bei deinen Leisten" auch auf dem neuen Album treu. Fans der Mönchengladbacher werden entsprechend auch kein Vorglühen des Motors benötigen, um mit den Songs von "Streets Of Fire" warm zu werden und auch bei der nächsten Liveshow des Quintetts werden sich die Tracks problemlos in die Setlist einfügen und für schweißtreibende Unterhaltung sorgen.

Dass dem so ist, liegt daran, dass kompositorisch wie gewohnt auch auf dem neuen Silberling vieles richtig läuft und ein Volltreffer den nächsten jagt. Ja, der Refrain von 'Return To The Badlands' wird den tollen Gitarren des Tracks nicht ganz gerecht und gibt auf der Startlinie nicht genug Drehzahl, um das Hit-Rennen für sich zu entscheiden, dafür sind 'Back For The War', 'They Don't Die' und auch der Titeltrack ganz großes Kino und sorgen für einen flotten Griff zur Repeat-Taste. Die von Marcel versprochene Offenbarung sind die Straßen des Feuers also nicht, aber dafür ein weiterer bärenstarker MOTORJESUS-Release, der vor allem eines macht: jede Menge Spaß!

Note: 8,5/10
[Tobias Dahs]

 

Ich finde es ja auch gut. Trotzdem reibe ich mir etwas die Augen über die Euphorie hier. MOTORJESUS macht, was MOTORJESUS seit über zwei Jahrzehnten macht: kernigen, gut gemachten Hardrock mit mittlerweile häufiger Tendenz in den Metal. Das ist toll, keine Frage, und gehört zuerst einmal ins Regal und dann bitte auf jede Festivalbühne Europas! Aber ich gehe mit Tobias mit, dass wir es hier mit Topware zu tun haben, die aber auf der anderen Seite natürlich so originell ist wie ein Schnitzel in Wien.

Gleichzeitig finde ich ein paar Lieder nur gut, die ich aber nicht nennen will, weil die gleißenden Sterne auf dem Rundling diese Stücke weit überstrahlen und ich möchte hier lieber lobend über "Streets Of Fire" sprechen. Deswegen: starkes Album in einer starken Diskographie von jetzt sieben durchgehend lohnenswerten Alben. Eventuell habe ich tatsächlich beim Soundcheck ein wenig zu voreilig die 7,5 gezogen, mittlerweile einige weitere Durchgänge später tendiere ich sogar etwas höher, was ich hiermit leicht korrigieren möchte.

Note: 7,5-8,0/10
[Frank Jaeger]


Das ist einer der Bandnamen, hinter denen auch mit dem Inhalt nicht gemogelt wird. MOTORJESUS besteht seit 1992. Eisenflügel, Rockerkutten, Spagatschritt, Backenbart. Es gibt eine längere Diskographie, die auch an den Vokabeln des Genres nicht geizt. Volt, Motoren, Höllenlärm, jetzt Straßen voller Feuersbrünste. Der Devil fällt über die Stadt her und die Armee eherner Cyborgs wirft sich ihm entgegen. Und dazu liefert das Quintett die Untermalung.

Und weil das alles auch ohne Gefühligkeiten aus der Ecke "Hinsetzen und Durchschnaufen" auskommt und immer vorwärts geht, kann man auch mit den direkten Vorfahren und Begleitern um sich feuern: Mir kamen heute ältere SMOKE BLOW in den Sinn, MOTÖRHEAD verkauft den geschmuggelten Diesel und auch MUSTASCH, THE HELLACOPTERS oder die Bande um Hank von Helvete, also eine dicke Prise skandinavischer Hardrocktabak, steigen mir in die Nase, als ich MOTORJESUS auf dem Cruise durch die volle Innenstadt konsumiere.

Weitestgehend beflügeln mich die Riffs, die sich sehr gut ergänzen, ab und zu jagen und wieder einfangen, mehrere Male wird auch die Grenze zum Classic Heavy Metal überklettert. Der Dreiminüter 'City Heat' ist da ein ganz gutes Beispiel. Zu 'Holy Overdrive', 'The Confrontation' oder 'Back For The War' werden die Jeans enger gezurrt, direkt geht es mit flatternder Lederjacke auf den Weg durch ein direkt geschriebenes und durchgespieltes, kräftig geöltes Rockeralbum, das den Weg des aufgebockten Cabrios des Herrn Jesu aus Stahl durch die Werkstätten, Vorstadtbars und Diners finden sollte. Samt und sonders ist hier eben auch Platz für eine gehörige Aufzählung von Metaphern - weil die Klischees dann auch doch und trotzdem an mir zerren.

Note: 7,0/10
[Matthias Freiesleben]

Hier herrscht ja weitgehend einträchtige Einigkeit, dass MOTORJESUS sich stilistisch über die Jahre kaum verändert hat (oder positiv verpackt: sich weitgehend treu geblieben ist), und dem möchte ich auch prinzipiell gar nicht widersprechen. Und Frank möchte lieber loben und die negativeren Aspekte nicht so hervorheben - kein Problem, das kann ich gerne für dich übernehmen.

Denn mir fällt auf, dass mir der Sound und das ganze Songwriting irgendwie immer einen Tick zu glatt, zu sehr auf Eingängigkeit getrimmt erscheint. Klar, die Nummern rocken zumeist amtlich nach vorne, aber im Vergleich mit den ersten Veröffentlichungen fehlt mir der Rotz, das Kantige, das Unperfekte. Wenn ich mir zum Vergleich "Deathrider" aus dem Jahr 2006 anhöre oder das, was die Band noch davor als SHITHEADZ verzapft hat, dann ist da sicher weniger Finesse im Songwriting vorhanden, aber das Ganze klingt einfach direkter, basischer, echter. Das war noch erstklassiger Stoff!

Vielleicht kann man das Phänomen, das ich nicht nur bei MOTORJESUS erlebe, schlicht als Massenkompatibilität bezeichnen oder man ist nun halt bei der typischen Charakteristik für Stadionrock oder potentielle Festival-Headliner angekommen, jedenfalls höre ich solcherlei Alben ohne Schmerzen ein, zwei, drei Mal durch, und danach hat's sich dann auch erledigt. Ich hatte MOTORJESUS als coole Heavy-Rock-Kapelle abgespeichert, aber der Lack ist irgendwie ab und der Cadillac bleibt in der Garage. Schade, dass ich mir das nicht "schönhören" kann.

Und dank Mattes kann ich jetzt auch meine Assoziation zu MUSTASCH konkret benennen, die mir ebenfalls im Kopf umhergeisterte - ich kam aber nicht drauf. Auch die Schweden fand ich immer ein bisschen zu glattpoliert und sehr in ihrem 08/15-Trademark-Sound verhaftet. Passt also, denn das ist auch meine Erkenntnis zu MOTORJESUS anno 2025.

Note: 6,0/10
[Stephan Voigtländer]

 

Dann wollen wir die notentechnische Talfahrt mal ein wenig abbremsen, denn 6–7 Punkte sind für dieses Album schlicht zu knauserig. Hier wird Eingängigkeit beinahe schon als Makel ausgelegt, dabei ist es alles andere als einfach, solche zwingenden Hooks und catchy Gesangslinien zu schreiben. Dass MOTORJESUS dabei trotzdem noch mit ordentlich Tempo und Punch unterwegs ist, ist ein weiteres starkes Argument für jedes der Alben. Besonders aber für "Streets Of Fire".

Beim Lesen mancher Kritiken könnte man fast glauben, man sei bei KISSIN' DYNAMITE gelandet. Aber nein, lassen wir die Kirche mal schön im Dorf: Das hier ballert immer noch ordentlich und die metallische Legierung sitzt wie angegossen. Klar, der Sound ist nicht mehr so "räudig" wie vor 20 Jahren. Sänger Chris Birx hat hörbar an seiner Technik gefeilt, und auch der Rest der Band wirkt heute deutlich versierter an den Instrumenten. Dass sich dieser Fortschritt auch im Songwriting widerspiegelt, ist nur konsequent und auch wesentlich authentischer als der Versuch von "Dirty Pounding Gasoline" 2.0. 

Mich persönlich überzeugt die Truppe mit jedem Album ein Stück mehr, was sicher auch daran liegt, dass ich mit dem "Auto-Kram" anfangs wenig anfangen konnte, mich mittlerweile aber in den nerdigen Film- und Musikreferenzen richtig wohl fühle. Macht ordentlich Laune – und ist ein verdienter Soundcheck-Sieger.

Note: 8,0/10
[Stefan Rosenthal]




Hoppla, da ist es mal wieder, das Fragezeichen. Erst lese ich Björns Zehnerreview und widme mich dann fußwippend "Streets Of Fire", mit des Chefs fulminantem Einstieg in diese Gruppentherapie anstatt eines Textblattes als Lektüre. Seine Worte überschlagen sich fast, daneben wirkt die Musik doch ziemlich geerdet. Warum wird das hier so gefeiert und WARKINGS, was kurz zuvor hier lief, so getrasht? Auch auf die Gefahr hin, dass ich mir Feinde mache, aber treten nicht beide schon oft beschrittene Klischees aus, halt nur jeweils auf ihre Art?

Deshalb bin ich hier eher bei Mattes und dem Stephan mit dem V. Ja klar, das ist cool, es gibt ja auch kaum jemanden, der nix mit MOTÖRHEAD anfangen kann. Straighten Hochenergie-Rock mit ab und an guten Hooks kann jeder hören. Ein passender Kommentar kam dann aber bei der Autofahrt vom Beifahrersitz, als 'Somewhere Far Beyond' lief: "Also den BLIND GUARDIAN-Song finde ich viel besser." 

Genau. Weil der was hat, das für immer hängen bleibt, selbst bei Leuten, die bei Hansis Stimme Ausschlag kriegen. Doch so gut wie jeder MOTORJESUS-Song ist nach ner kurze Phase Fun dann auch ganz schnell wieder weg. Zumindest bei mir. Also wie WARKINGS. Im Vergleich zu diesen gibt es hier noch einen halben Lemmy-Gedächtnispunkt als Bonus.

Note: 6,5/10
[Thomas Becker]

Fotocredits: Noah-Manuel Heim (POWERMETAL.de)

Redakteur:
Thomas Becker

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