Gruppentherapie: WARKINGS - "Armageddon"
28.07.2025 | 21:49Ist Toast mit Marmelade das Ende des Heavy Metals?
Willkommen im Juli-Soundcheck! Sicherlich habt ihr die Liste aller Listen schon ausgiebig studiert und ausbaldowert, was diesen Monat Therapiebedarf haben könnte. Richtig, WARKINGS. Kollege Marios persönliche Hymnen-Sammlung "Armageddon" findet Kollege Stehle gar nicht reizvoll, obwohl er dazu schunkeln könnte. Will er aber nicht, oder habt ihr schon mal einen Raben tanzen sehen?
Nicht getanzt, aber gesprochen haben Kollege Englich und WARKINGS' Viking, was ihr hier nachlesen könnt. Nun allerdings sprechen die Therapeuten und zwar geht es um knallharte Themen: Plastikschwerter, Kinderlieder und weichgekochte POWERMETAL.de-Kollegen. Dachten wir nicht immer, die mit dem Heavy Metal, das wären die Bösen?
Selten habe ich ein Album gehört, das ich so scharf in zwei Teile teilen möchte. Die ersten drei Songs des Albums finde ich wahnsinnig langweilig. Inklusive des titelgebenden 'Armageddon' pendelt das für mich irgendwo zwischen Fahrstuhl (dudelt so daher) und Toast mit Erdbeermarmelade (schmeckt jedem, hat aber keinen Nährwert). Da hilft auch ORDEN OGAN als Schützenhilfe nicht. Auf die Frage, wie oft man in einem einzigen Lied den Namen des Songs rufen kann, antworten die WARKINGS mit dem Titeltrack einfach mit "ja". Dass ständig irgendwer aus der Fankurve im Stadion "Oohooohooh" brüllt, hilft mir persönlich auch nicht weiter. Im folgenden Zwischenspiel 'Morgana's Incantation' hätte ich die Zeile "Boil it in a silver pot, make it bubble, make it hot" daher folgerichtig gern auf "make it stop" umgedichtet.
Weiter gehört habe ich aber trotzdem. Und das war auch gut so, denn dann fängt der zweite Teil des Albums an und das von Sängerin Morgana le Fay dominierte 'Circle Of Witches' ist für mich der mit Abstand beste Track der Platte. Es folgen deutlich mehr Wiedererkennungswert und deutlich weniger Toast, dazu Anlehnungen an Granden wie HAMMERFALL oder GLORYHAMMER. Generell möchte ich den WARKINGS zurufen: Platz für eine Frauenquote im Reich der maskierten Kriegsherren – lasst Morgana öfter ans Mikrofon. Die Frau wertet für mich jeden Song auf dem Album auf.
Unterm Strich bleiben bei mir aber gemischte Gefühle. Vielleicht überzeugen mich die WARKINGS ja live in Wacken.
Note: 6,0/10
[Nils Pfennig]
WARKINGS? "Armageddon"? Ich höre hier nichts dergleichen. Hier geben nämlich simpelste Kinderliedmelodien, eine Hossa-Dschingis-Khan-Rhythmik der Siebziger, die von diversen Grand Prix d'Eurovisions bekannt ist und endlos gedehntes Geschunkel, das an Bierzelte gemahnt, in munterem Wechsel ihr Stelldichein. Ich finde das von A bis Z ganz gruselig, absolut unhörbar.
'The End Is Here' für mich, wenn ich da ein zweites Mal lauschen soll. Nun kommt 'Ohhhhoohhhooo', Gott findet sein Ende (was wirklich nicht wundert bei der Mucke), nun zitieren sie TONY MARSHALL oder ANDY BORG in etwas schneller. Okay, ein oder zwei abgelullerte Soli werden eingestreut, der Drachen wird jedoch nicht erweckt, möglicherweise ist er nun ganz hinüber.
'Hangman's Night' klingt genauso. Chöre, darüber Chöre, Choruswiederholungen, dann ein Refrain, ach ist ja das gleiche, was soll's. Geschraubter Kitsch trifft weiche Herzen, zuckerwattige Atmosphäre inklusive Plastikschwertchen. Das ist tatsächlich eine der Veröffentlichungen, deretwegen ich dem Metal ein freudiges Ade für immer entgegenrufen könnte. Einen Punkt dafür, dass hier nun alles schläft, einer für den goldfarbenen Schriftzug.
Note: 2,0/10
[Matthias Ehlert]
Ich höre die WARKINGS zum ersten Mal, und es beginnt gleich mit einem "Armageddon". Ich kann dabei der Musik deutlich mehr abgewinnen als Matthias, aber das liegt erst einmal daran, dass ich mit europäischem Metal der melodischen Prägung viel anfangen kann, auch wenn aktuelle Vertreter aus meiner Sicht nie an die Großtaten von HELLOWEEN, HAMMERFALL, GAMMA RAY oder STRATOVARIUS herankommen.
Die WARKINGS sind dabei teils etwas schunkeliger und leider nie speedig, dafür aber sicher etwas platt. Aber sie machen das alles nicht schlecht. Die Optik der Band ist fürchterlich, aber das gilt es hier ja nicht zu bewerten. Ich stehe generell nicht auf diese Kirmes-Variante des Metals, was das Auftreten angeht. Das stört mich auch bei ALL FOR METAL oder den BROTHERS OF METAL. Aber, und das ist schon mal positiv: Die WARKINGS verzichten auf anstrengende Elektro-Keyboard-Einspieler, die wirklich jede Form von Metal ins Bodenlose ruinieren. Wir haben es also nicht mit einer EDM-Schlager-Variante zu tun.
Manche werden aber den Schlager-Einschlag schon wahrnehmen. Den gab es auf "Louder Than Hell" oder vor 20 Jahren bei KORPIKLAANI aber auch schon, und das war für mich auch alles gut hörbar. Nils hat Recht, wenn er sagt, dass Morgana noch öfter singen sollte. Aber insgesamt bin ich erstaunlich angetan. Nach den Promobildern hatte ich Schlimmstes befürchtet. Aber "Armageddon" ist ein schönes Album. Noch besser wäre es ohne das fürchterliche Schlusslied mit SUBWAY TO SALLY. Aber hier überwiegt eindeutig die positive Überraschung.
Note: 7,0/10
[Jonathan Walzer]
Harte Worte vom Kollegen Ehlert, denen ich zumindest im Kern tatsächlich zustimmen möchte. Mir gibt Musik immer dann etwas, wenn ich die Emotionen der Musikmachenden praktisch in den eigenen Knochen spüren kann. Da ist es dann auch egal, ob die musikalische Untermalung nun als Rock, Country, Blues, Crossover oder Metal einsortiert werden würde. Kommen die Emotionen bei mir an, bin ich an Bord. Im Falle von WARKINGS geht die Übertragung aber irgendwo zwischen Kostümierung, recht austauschbaren Schunkelmelodien und Songwriting nach Schema-F komplett verloren, sodass "Armageddon" zwar vielleicht nicht das titelgebende Ende der Welt ist, mit Sicherheit aber komplett spurlos an mir vorübergeht.
Nun ist gleichzeitig Matthias mit seinem Urteil aber auch zu hart unterwegs, denn zwei Zähler würde ich nur dann vergeben, wenn hier handwerklich, kompositorisch und klanglich auf unterstem Niveau abgeliefert werden würde. Das ist allerdings nicht der Fall. Im Gegenteil, das gesamte Songmaterial ist ordentlich aufbereitet, wird handwerklich solide dargeboten und auch gesanglich wird hier zumindest problemlos in der Power-Metal-Liga mitgehalten. Das alles berührt mich in keiner Weise und wird nach dem Verfassen dieser Zeilen schnell vergessen sein, doch Fans des Unterhaltungsmetals - wie ich das Ganze hier mal wertfrei betiteln möchte - werden mit Sicherheit zuhause oder auf dem nächsten Festival ihren Spaß haben. Und deswegen gibt es objektiv 6,5 Zähler für ein klassisches Durchschnittsalbum mit kurzweiligem Unterhaltungswert, aber ohne Klassiker- oder Langzeitpotential.
Note: 6,5/10
[Tobias Dahs]
Da haben wir wieder den Graben, der sich durch die Metalwelt zieht. Einerseits die traditionsbewussten Metaller, denen stahlfarbener Kunststoff, wie er durchaus häufig im metallischen Mainstream zu hören ist, ein Graus ist, andererseits die aufgeschlossenen Härtner, die schon immer keine Berührungsängste hatten. Und dazwischen Leute wie ich, die mittlerweile irgendwie weichgekocht wurden.
Aber vielleicht liegt es auch daran, dass ich WARKINGS jetzt zweimal live gesehen habe und zugeben muss, was die Jungs machen, hat Hand und Fuß. Ich finde den Begriff Unterhaltungsmetal super, Tobias, das passt und ist besonders auf Festivals ein absoluter Garant für eine Party für Tausende. Ich glaube, ich stimme dir daher absolut zu, meine höhere Note erkläre ich mit dem Fakt, dass ich ein großer Fan von Sänger Neuhäuser bin, dessen Stimme ich einfach mag. Ich werde vielleicht nicht direkt ein WARKINGS-Jünger und finde das Image immer noch ziemlich doof, aber ich bin langsam soweit, dass ich den Widerstand aufgebe. Weichgekocht eben.
Note: 7,5/10
[Frank Jaeger]
Ich sehe hier vieles ganz ähnlich wie Matthias und komme trotzdem zu einer etwas anderen Einschätzung. Denn so schlimm wie das Ende der menschlichen Zivilisation ist das neue WARKINGS-Album doch beileibe nicht geworden. Es ist nur halt wirklich immer wieder das gleiche Gebräu, was uns hier serviert wird, und einmal mehr kommt man zu dem Ergebnis, dass es wieder nicht mit den großen Werken von HAMMERFALL, MANOWAR usw. konkurrieren kann, sich aber dennoch auch wieder spürbar vom Output von HAMMERKINGS und Co. abhebt.
Irgendwo im metallischen Niemandsland ist das Album jetzt für die Die-Hard-Fans ein paar Wochen lang relevant und wird dann auch bei dieser Klientel aus der Playlist verschwinden, weil an allen Ecken und Enden Nachschub im gleichen Stil wartet. Hinzu kommt, dass ich zwar im Gegensatz zu Frank kein grundsätzliches Problem mit diesem Image habe, mich aber darüber ärgere, dass es sein Potenzial nicht richtig ausschöpft. Mit so wilden Charakteren hätte man eine tolle "Heldenreise" und interessante Gedankenspiele musikalisch umsetzen können, doch statt sich von AYREON ("Into The Electric Castle") inspirieren zu lassen, findet sich dieser Kniff nur rudimentär in der Musik und den Lyrics wieder. Das ist echt eine vertane Chance.
Note: 6,5/10
[Stefan Rosenthal]
Hach ja. Ich habe schon viele wunderbare Stunden mit solchem Happy Metal verbracht, der bei den vermeintlichen Geschmackshütern der metallischen Kirche so verpönt ist. Aber wenn ich diese ganzen neuen Brüder und Schwestern des metallischen Hammers, die heutzutage gefeiert werden, so höre, muss ich immer denken, dass die besten Jahre dieser Spielart wohl vorbei sind. Die Glanzpunkte wurden schon lange von HELLOWEEN, RHAPSODY, STRATOVARIUS und meinetwegen auch HAMMERFALL gesetzt, die Musik dieses WARKINGS-Haufens maskierter Männer mit Schwertern wirkt da wie eine bis aufs Einfachste stilisierte Version, die für mich nichts zum Anfassen, nichts zum Liebhaben bietet. Mit dieser Musik möchte ich gar keinen Death-Metal-Fan ärgern.
Muss ich deswegen tief in die Notenkiste greifen? Nein, weil es ganz sicher auch in diesem Monat wieder sehr viel Schlimmeres gibt. Muss ich mich darüber lustig machen? Ganz und gar nicht, sollen die Leute doch ihren Spaß haben. Am Ende muss ich sagen, ich höre auch hier mal wieder keinen Schlager heraus und auch die Musik, die ich dieses Jahr vom ESC gehört habe (den ich mir vollständig zugemutet habe), klingt ganz anders. Also ganz ganz anders. Das hier ist immer noch Heavy Metal mit verzerrten Gitarren und pumpenden Drums, der Klon eines Klons eines Klons dessen, was in den 80ern groß wurde. Deswegen kann ich es gar nicht hassen.
Note: 6,0/10
[Thomas Becker]
Fotocredit: POWERMETAL.de
- Redakteur:
- Thomas Becker