Gruppentherapie: MY DARKEST HATE - "Rust And Bones"
06.12.2025 | 22:36Wieso tut man sich eigentlich Death Metal an?
Nach FESSUS (zur Gruppentherapie) stellt sich das gleiche Therapeuten-Team (und Marcel) einer weiteren Death-Metal-Herausforderung. Doch für MY DARKEST HATE sind die Vorzeichen günstiger als für die gurgelnden Österreicher. Sie kommen nämlich aus Deutschland.
Okay, Spaß beiseite. Die Herkunft wird hier nicht bewertet. Es muss etwas anderes sein, was "Rust And Bones" auf den fünften Platz des Soundchecks bringt (FESSUS war Achtzehnter). Wie Jhonny in seinem Hauptreview schon richtig feststellt, ist die Band schon länger im Geschäft und präsentiert ihm hier ein Jahreshighlight des Genres. Auch sonst kommen die Checker allesamt gut klar mit diesem Album. Gilt dies auch für die Therapeuten? Und wer im Team stellt sich die Frage aus dem Teaser?
Die kleinen Freuden sind das Salz in der Suppe des Lebens - das hat bestimmt mal ein wichtiger Philosoph gesagt. Eine solche bereitet mir die Tatsache, dass der Knittel-Jörg seine Death-Metal-Combo MY DARKEST HATE wieder reaktiviert hat. Die bisherigen Alben der Truppe haben mir immer zugesagt und "Rust And Bones" macht da keine Ausnahme.
Hier wird knapp 40 Minuten lang stilechter Todesblei der kurzweiligen Sorte geboten, der sich bei der schwedischen Riff-Schule genauso freudig bedient wie bei der britischen Kompositionslehre, alles verfeinert mit einem gestrichenen Esslöffel Old-School-Thrash. Dadurch entsteht eine feine Dynamik ohne Hektik, eine entspannt geschwungene Abrissbirne, die stets mit richtiger Dosis auf den richtigen Punkt trifft.
Der eine oder andere mag vielleicht einwenden, das klinge alles ein wenig nach Schema F und es fehle an Kreativität. Sachlich entkräften kann ich dieses Argument nicht vollständig, aber in Anbetracht der kompositorischen Klasse und dem tollen Klangbild von "Rust And Bones" wage ich zu schreiben: Wenn schon Schema F, dann bitte exakt so.
Note: 8,0/10
[Martin van der Laan]
Viel ergänzen muss man zu Martins Ausführungen tatsächlich nicht, denn er hat den Sound und die musikalischen Eckpfeiler bereits sehr treffend beschrieben. Bei mir persönlich wiegt allerdings stärker, dass insbesondere die über vier Minuten langen Tracks kaum mit Ideenreichtum oder Variationen überraschen. Besonders bitter trifft das 'He Who Never Sleeps'. Der Song bietet dem Gastbeitrag von Dave Ingram leider nicht den Rahmen, den er verdient hätte, um wirklich als Hit herauszustechen. Schade.
Positiv hervorzuheben ist immerhin der Ausflug in die Muttersprache mit 'Flammenland', der gut gelungen ist. Auch 'From Ruins I Rise' hat ein kleines Gimmick an Bord, das den Track vor völliger Austauschbarkeit bewahrt. Darüber hinaus bin ich der Ansicht, dass der Band insgesamt etwas mehr Tempo gutgetan hätte – vor allem, da man sich im Doom-Death-Bereich in diesem Monat auch der starken Konkurrenz aus der Ukraine (1914; zum Review von "Viribus Unitis") stellen muss und dabei klar den Kürzeren zieht.
Unterm Strich bleibt so ein solides Genre-Album, das man jedoch nicht unbedingt in der eigenen Sammlung haben muss.
Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]
Puh, neun Jahre sind eine viel zu lange Zeitspanne. Aber damit hatten die Ludwigsburger nach "Combat Area" die Geduld ihrer Fans schon einmal auf die Probe gestellt. Doch wie lange wir jetzt auch immer warten mussten, "Rust And Bones" ist als sechste MY DARKEST HATE-Scheibe endlich auf dem Markt und bockt wie Sau! So muss Old School Death Metal made in Germany klingen, so rasiert mir Todesblei die Falten aus dem Sack, so frisst sich die alte Schule durch meine Venen, so sorgen ein geiles Artwork und eine zähflüssige, brennend heiße und alles unter sich begrabende Lava für ein wohlig warmes Bauchgefühl.
Insbesondere die Gastauftritte - von BENEDICTION-Dave ('He Who Never Sleeps') und meinem PESSIMIST-Spezi TZ ('Flammenland') - sorgen für große Ausrufezeichen und auch flottere Nummern wie 'Rust' und 'When The Abyss Opens' machen den Bock fett. Von vorne bis hinten macht "Rust And Bones" einfach Freude und das sollte den MY DARKEST HATE-Jungs doch das Zeichen geben, nicht noch einmal so lange für neue Musik zu brauchen. Sonst fahre ich persönlich nach Ludwigsburg und versohl' ihnen den Hintern!
Note: 8,5/10
[Marcel Rapp]
Dann schauen wir mal, wieviel von Marcels Freude bei mir ankommt und ob ich MY DARKEST HATE auch den Hintern versohlen muss. Also begebe ich mich nach FESSUS zum zweiten Mal in die mir normalerweise nicht allzu genehme Death-Metal-Welt.
Bei FESSUS fehlte mir trotz einiger positiver Ansätze die Stringenz im Songwriting, diese bekomme ich hier. Die Songs folgen einer klaren Linie, schnell wird evident, was das hier ist und was man über knapp vierzig Minuten bekommt. Der transparente, nicht überproduzierte Klang passt mir dabei sehr gut ins Ohr. Und doch ist es mir altem Nörgelpeter schon wieder nicht recht. Warum?
Irgendwie finde ich, dass die Musik total in einem Korsett gefangen ist. Was die Kollegen van der Laan und Rosenthal schon andeuten, fällt für mich hier umso deutlicher ins Gewicht. Sag einer KI, sie solle ein typisches Death-Metal-Album generieren, ein gut trainiertes Modell könnte hier vielleicht durchaus bei einem ähnlichem Ergebnis landen. Heißt für mich, die Musik hat so gut wie gar keine Überraschungen parat, irgendwie auch keine Identität, ich finde absolut kein Trademark. In einer Musikrichtung, bei der mich der Gesang nur in den seltensten Fällen triggern kann, höre ich zwangsläufig eher auf Gitarren und Drums und hier wirkt auf mich fast alles austauschbar; recht hat er damit, der Herr Rosenthal.
Meine Güte, Jungs, ihr heißt MY DARKEST HATE! Vielleicht solltet ihr mal einen Song schreiben, wenn ihr dieses Gefühl wirklich auch von Herzen empfindet und dann die Sau rauslassen. Aber nicht in Form völlig generischer Blastbeat-Passagen oder mit Gesang, vor dem kein Kind über sechs Jahren mehr Angst haben muss. Vielleicht kann dieser Beitrag ja etwas bei euch stimulieren.
Note: 4,5/10
[Thomas Becker]
Huch. So aus der Kalten heraus angebrüllt zu werden, ist ja schon mal aufregend. So beginnt das neue Kapitel der Band aus Ludwigsburg, wie ich der Schilderung des geschätzten Kollegen entnehme.
Ich frage mich: Wieso tut man sich eigentlich Death Metal an? Das beschäftigt mich echt und ehrlich schon seit ich den Bands dieser (Nicht-)Lebens-Form zusehe, beiwohne, folge. Nahe stehe. Da haben wir es. Die Rohheit ist es, das auch unbekümmerte Heranrobben der zumeist Männer an Riffs, Erfindungen, Zusammenspiel. Das Riffing in dieser Art des Death Metals ist auch bratzend und tiefgestimmt, in einem typischen Trampeln und Poltern durch die Strophen und Refrains, die zumeist eine klare Struktur der Wiederholung aufrufen.
Aber das ist ja auch das Gute. Wenige Experimente, der Baukasten ist aber auch schon gut bestückt. MY DARKEST HATE hat den dabei und bedient sich. Scheint sich nicht um einen so genannten Zeitgeist zu kümmern, was den einen sympathisch, den anderen suspekt ist. Wenn ich aber die Arbeit an den Instrumenten auch wahrlich hören kann, so wie hier, bin ich es zufrieden.
Das Konzept ist einfach. Und deshalb ist es gut und pur. Wenn man wie MY DARKEST HATE auch schon eine Weile dabei ist und merkt, wie man seit 1998 immer noch Lust auf diese gut abgehangene Kumpelei mit Geschrammel hat, immer noch das 'Flammenland' anbrüllen möchte - so wie auch mich - und sich aus dem Baukasten des Todes die richtigen Fragmente herausklaubt, der bekommt von mir ein aufrichtiges "Gut so!".
Und wer bei 'King Of Slaves' nicht zuckt, der ist verloren. Gut zusammengefasst findet sich der ganze Entwurf auch im letzten Stück des Albums. Der auch irgendwie wie ein Abgesang klingt.
Note: 7,0/10
[Mathias Freiesleben]
- Redakteur:
- Thomas Becker







