Gruppentherapie: RAGE - "The Devil Strikes Again"

21.07.2016 | 00:56

Meinungen zur neuen RAGE, die nicht nur in der Stilfrage etwas auseinander gehen.

RAGE muss man nicht vorstellen, RAGE steht für sich selbst. Wobei man in den Neunzigern schon mal in die Falle tapsen konnte, wenn man sagte, dass man RAGE toll findet. Viele Menschen meinten damit RAGE AGAINST THE MACHINE. À propos Neunziger: Hier hatte RAGE eine Glanzphase und es wird konstatiert, an diese knüpfe das neue Album wieder an. Marcel zum Beispiel sagt sowas (zum Review). Ob das stimmt?



Ich hätte vor wenigen Wochen nicht geglaubt, dass ich diese Zeilen noch einmal schreiben würde, aber: RAGE ist zurück! Wer hätte das gedacht, nachdem die letzten Alben der Ruhrpott-Legende ja nun doch zumeist eher eintönig und etwas langweilig ausgefallen waren. Allerdings scheint die Frischzellenkur im letzten Jahr Früchte getragen zu haben, denn mit den Neuzugängen Lucky und Marcos ist auch die Spielfreude bei Mastermind Peavy Wagner neu erwacht. So geht es dann mit dem Opener 'The Devil Strikes Again' auch direkt gut nach vorne, oder besser zurück, denn wie Marcel in seiner Rezension bereits treffend bemerkte, weist der neue Silberling auffällig viele Parallelen zum Band-Klassiker "Black In Mind" auf. Natürlich kann die Scheibe dabei nicht ganz mit dem von mir so innig geliebten "The Missing Link" mithalten, das Peavy mit den alten Wegbegleitern unter dem Banner REFUGE aktuell ja glücklicherweise wieder aufleben lässt, trotzdem bietet die Platte mit 'My Way', dem hymnischen 'Spirit Of The Night' oder dem Up-Tempo-Rocker 'The Dark Side Of The Sun' einige wahre Gassenhauer, die jedem Power-Metaller Freudentränen in die Augen treiben werden. Neben Peavy überzeugt dabei vor allem Neu-Saitenhexer Marcos, der dem großen Victor Smolski nicht nur ebenbürtig ist, sondern den Ex-Klampfer mit seinen fetten Riffs und pfeilschnellen Soli auch gerne mal in den Schatten stellt. So kann schlussendlich der Titel des dritten Tracks als neues RAGE-Motto herhalten, denn die Jungs sind wahrlich 'Back On Track', was auch ihr sagenhafter Auftritt auf dem diesjährigen Rockfels Open Air eindrucksvoll untermauert hat. Ganz großes Power-Metal-Kino also, das in jede - ja wirklich JEDE - Sammlung gehört!

Note: 9,0/10
[Tobias Dahs]



RAGE ist eine Band, die ich in ihren Anfangstagen sehr gerne hören mochte. Peavy war lange einer meiner Lieblingssänger aus deutschen Landen, und die Scheiben bis einschließlich "Perfect Man" laufen immer mal wieder in den heimischen vier Wänden, wobei mein Lieblingssong 'Light Into The Darkness' von "Secrets In A Weird World" stammt. Danach ließ mein Interesse an der Band stark nach und die Alben mit Herrn Smolski habe ich niemals am Stück ertragen können. Aber diese Phase hat die Band ja zum Glück hinter sich gelassen und heuer wird wieder gradlinig nach vorne gerockt. Das ist auch alles gut und richtig soweit, aber wo auf dem Album auch nur einmal Power Metal geboten wird, muss mir bitte mal jemand erklären. Das ist Heavy Metal mit einem originellen Sänger und mit etlichen guten Melodien, aber Power Metal ist da nirgendwo zu hören. Nun ist mir durchaus bewusst, dass dieser Terminus seit Jahren falsch verwendet wird und dass jungen Menschen somit ein völlig falscher Eindruck von dieser Stilistik vermittelt wird. Aber nur, weil es alle anderen falsch verwenden, müssen wir das ja nicht auch mitmachen. Ein Steak bleibt ein Steak und nur, weil es heute schick ist, wird daraus auf zeitgemäßen Speisekarten keine "antivegetarische Knochenummantelung".

Wer also spritzigen Adrenalin-Metal der Marke VICIOUS RUMOURS oder ARMORED SAINT erwartet, der wird hier irritiert sein. Auf "The Devil Strikes Again" gibt es kraftvollen Heavy Rock, der kurzweilig aus den Boxen ballert und der sehr schnell zündet. Das Problem ist allerdings, dass ich bereits beim fünften Durchlauf gelangweilt bin, denn die Refrains nutzen sehr schnell ab. Ein 'Don't Fear The Winter' oder 'Invisible Horizons' schreibt man eben nicht alle Tage. Obendrein erschlägt mich dieses Klangbild. Die Rhythmusgitarre schrubbt eine dermaßen fette Druckwelle vor sich her, dass man beim Zuhören Atemnot bekommt. Das mag man toll finden, mich überfordert das einfach. Eventuelle Feinheiten gehen in diesem Soundwall komplett unter, was ich sehr schade finde, denn die Musik von RAGE habe ich immer auch wegen ihrer Melodien gemocht. Von diesen gibt es zwar auch auf dem vorliegenden Album ein paar, aber so richtig zünden will bei mir nur 'War' und der kraftvolle Rausschmeißer 'Dark Side Of The Sun'. Insofern ist die Scheibe bei mir schon ein paar Zentimeter entfernt von einem Album, dass in JEDE Sammlung gehört.

Note: 7,0/10
[Holger Andrae]



Als ich RAGE das erste Mal gehört habe, war ich süße zwölf Jahre alt und die Band trat noch in Alt-Besetzung beim Bundesvision Song Contest mit 'Gib dich nie auf' an. Ich muss gestehen, dass ich damals schon einige Zeit gebraucht habe, um mit Peavy und Co. warm zu werden. Und auch wenn seither einige Jährchen ins Land gezogen sind, geändert hat sich mein Verhältnis zu RAGE auch mit der neuen Platte nicht wirklich. Denn ich stimme dem, was Holger zum Klangbild der Scheibe gesagt hat, voll und ganz zu. "The Devil Strikes Again" knallt nicht, es erschlägt einen. Den neu gewonnenen Spieleifer von Peavy, Marcos und Lucky in allen Ehren, aber für mich artet deren Motivation beinahe in einen klanglichen Overkill aus. Über ein oder zwei Songs hinweg machen die fetten Riffs ja richtig Spaß, aber auf Dauer fehlt mir auf "The Devil Strikes Again" dann eben doch ein etwas gediegeneres Stück zum Durchatmen.

Tatsächlich tue ich mich auch ein wenig schwer, das neue Album von RAGE daher in die Abteilung Power Metal einzuordnen: Auf den meisten Songs ballern Schlagzeug und Gitarre von Anfang an gnadenlos durch, wodurch raffiniertere Passagen nicht richtig zum Tragen kommen oder ganz und gar verloren gehen. Eine Ausnahme bildet dabei das schon gerühmte 'Dark Side Of The Sun', welches vor allem von Peavy Wagner als Sänger ganz großes Kino ist. Während ich auf den meisten Tracks "das Besondere" in seiner Stimme vermisse (so habe ich vor allem auf 'War' das Gefühl, ich könnte genauso gut Tomi Putaansuu von LORDI zuhören), zieht der Frontmann von RAGE hier alle Register und verleiht dem Album noch einen spannenden, überraschenden Abschluss. Noch ein paar mehr von diesen Nummern und wir finden vielleicht noch einen gemeinsamen Nenner, RAGE und ich.

Note: 7,0/10
[Leoni Dowidat]


Egal, ob es sich bei der neuen RAGE-Scheibe um ein Power-Metal-Album handelt oder nicht - auf diesem Metal-Album gibt es mehr Power als auf mancher klassischen US-Metal-Scheibe. Abgesehen davon bin ich selbst nicht der größte RAGE-Fan, und meine Meinung zu den Alben schwankt meist zwischen "ganz ok" und "ziemlich stark". Die neue Scheibe geht allerdings definitiv in die zweite Richtung. "The Devil Strikes Again" ist wesentlich druckvoller produziert als der Vorgänger "21". Die teils modernen, teils neoklassisch-progressiven Ansätze der letzten Longplayer sind weggepustet, dafür tritt RAGE ordentlich das Gaspedal durch, und nimmt auch sonst keine Gefangenen. Der vielzitierte Vergleich zu "Black In Mind" drängt sich mir allerdings nicht auf. Vielmehr darf ich mich an einem kompakten Album erfreuen. Nach einer Dreiviertelstunde gibt es keinen echten Ausfall zu verzeichnen, dafür aber einige echte Hits wie die Vorab-Single 'My Way', 'The Final Curtain' oder das von Holger schon angesprochene 'War'. Fans der Band, die die letzten Alben auch etwas durchwachsen (böse Zungen würde behaupten: belanglos) fanden, können also aufatmen und sich über eine starke RAGE-Scheibe freuen - mit Sicherheit die beste seit mindestens zehn Jahren! Zu meckern gibt es trotzdem etwas: Wie Holger und Leoni schon anmerkten, finde auch ich die Produktion bei aller Heavyness fast erdrückend. Es gibt wenig Luft zum Atmen für die gut geschriebenen Songs. Ein bisschen weniger "Power" wäre hier mehr gewesen.

Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]



Ähnlich wie Kollege Walzer war auch ich nie der große RAGE-Fan. Während ich das vor zehn Jahren blind gekaufte und im Allgemeinen eher übersehene "Reflections Of A Shadow" auch heute noch abfeiere, hat sich beispielsweise "XIII" schnell abgenutzt. Die neueren Sachen blieben immer nur als beliebig im Gedächtnis. Umso mehr war ich nach dem ganzen Aufsplitten in mehrere Projekte gespannt, was Peavy mit "The Devil Strikes Again" auftischt. Und zum Glück, da gebe ich meinen Vorrednern recht, gibt's aus dem Hause Wagner im Jahre 30 nach Umbenennung in RAGE ganz klassischen Stoff. Die Geschwindigkeit ist hoch, die Riffs sind keine Göttergaben, aber laden ein zum Faustschwingen und die Melodien gehen auch in Ordnung. 'My Way' und vor allem 'Back On Track' glänzen gar durch im Gehörgang festklebende Hooks. Es fällt nach ein paar Durchgängen auf, dass gerade die softeren, leichteren Stücke jene sind, die auf dem 22. Werk der Herner Traditionsschmiede besonders strahlen. Klar, das harte 'War', das oft lobend erwähnt wurde, klingt während der ersten Durchgänge abwechslungsreich, doch es nutzt sich extrem schnell ab. Das direkt folgende 'Ocean Full Of Tears', das stattdessen auf einen astreinen Melodic-Metal-Refrain setzt, macht auch dann noch Spaß, wenn 'Times Of Darkness' lang vergessen ist. Letztendlich ist dem RAGE-Trio ein aber ein hübsches Album gelungen. Der mal wieder sehr erzwungen böse tönende Gesang (gibt's da wirklich keine Stimmlage, die nicht so aufgesetzt wirkt?) sorgt für ein paar Punkte Abzug, aber empfehlenswert ist "The Devil Strikes Again" trotzdem.

Note: 7,5/10
[Marius Luehring]

Redakteur:
Thomas Becker

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