Gruppentherapie: SODOM - "The Arsonist"

08.07.2025 | 11:52

Sprengt SODOM sich jetzt selbst in die Luft?

Heiß ist es, war das Brandstiftung? Zumindest zündeln Tom Angelripper und seine Crew mal wieder und feuern einmal mehr gewaltige Thrash-Salven ab, die unseren Chef in ein neunfaches Grammatik-Dilemma ballern. Den Soundcheck-Thron verpasst "The Arsonist" hingegen knapp. Dafür darf uns Tom im Interview mit unserem Maik viel über das neue Album erzählen; und darüber, dass danach wohl nichts mehr mit SODOM geplant ist. Wäre "The Arsonist" denn ein würdiges Abschiedsalbum?  

Die im Vorfeld der Veröffentlichung von Tom Angelripper zu vernehmenden Aussagen, er wäre des Tourlebens müde geworden, und SODOM würde deshalb in absehbarer Zeit nicht mehr ganz so häufig auf den Bühnen dieser Welt zu sehen sein, sind absolut nachvollziehbar. Schließlich hat er das Unternehmen vor mittlerweile 43 Jahren aus der Taufe gehoben, durch alle Höhen und Tiefen gelenkt und dabei weder die Band noch sich selbst geschont. Von daher wäre es durchaus verständlich, würde der gute Mann demnächst eine längere Pause einlegen wollen. Sogar eine von unabsehbarem Ende könnte man verstehen.

Womit wir beim eigentlichen Thema wären: "The Arsonist". Das Quartett hat auf Studiodreher Nummer 17 einmal mehr alle Register gezogen und kredenzt ein keineswegs altbacken klingendes, aber dennoch ganz im Stile der "alten Schule" eingespieltes, brachial aus den Boxen donnerndes Album. Die Truppe sorgt für viel Abwechslung, vergisst aber zu keiner Sekunde, was Fans von SODOM hören wollen. Das bedeutet, dass sämtliche Trademarks enthalten sind, sprich, die Gitarren einmal mehr amtlich Druck erzeugen und auch die Rhythmus-Fraktion alles gibt. Ob man das nun überschwänglich goutiert oder doch nur als erwart- oder vorhersehbar deklariert, bleibt jedem selbst überlassen.

Dass die Band ihrem unvergessenen Langzeit-Schlagzeuger mit 'Witchhunter' eine Nummer, die für mich neben 'Battle Of Harvest Moon', 'Sane Insanity' und 'Twilight Void' mit zu den Album-Highlights zählt, widmet, bringt nicht nur Sympathiepunkte, sondern stellt obendrein auch unter Beweis, dass gegenseitiger Respekt und Zusammenhalt tatsächlich noch existieren. In Zeiten wie diesen leider keine Selbstverständlichkeit mehr. "The Arsonist" ist meiner bescheidenen Meinung nach ein in Summe grundsolides Album geworden, das allen Fans der Band zusagen wird; und zudem auch eines, das auch einen respektablen Schwanengesang darstellen würde, sollte Tom doch tatsächlich die unfassbare Entscheidung treffen, die Musik aufzugeben.

Note: 7,5/10
[Walter Scheurer]

 

Tom schlägt wieder zu. Das ist üblicherweise etwas, das ich zur Kenntnis nehme, aber die große Begeisterung, die ich noch in der Frühphase empfand, stellt sich normalerweise nicht ein. SODOM und ich flogen mehr als drei Jahrzehnte parallel durchs metallische Universum, ohne dass sich unsere Wege häufig kreuzten. Zuletzt sah ich SODOM 2024 live und bescheinigte eine reife Thrash-Leistung, sodass ich mit Spannung an "The Arsonist" herangegangen bin. In der Tat, neben typischen Brechern wie 'Trigger Discipline' oder 'Witchhunter' gibt es auch Abwechslung mit 'Scavenger' oder 'Taphephobia', sogar etwas Melodischeres wie 'A.W.T.F.' ist am Start. Tom und seine Mannen weichen nicht erheblich ab von ihrem Pfad, aber es gibt starke Riffs zuhauf, genug Abwechslung, um das Album in Gänze spannend zu machen, und eigentlich nur gute Songs, mit dem Opener 'Battle Of The Harvest Moon' als meinem Highlight. Ich bin ernsthaft in Versuchung, eine SODOM-Scheibe zu kaufen. Die letzte war "Tapping The Vein". Ich mache schon mal Platz im Regal.

Note: 8,0/10
[Frank Jaeger]

 

"The Arsonist" ist die erwartete Abrissbirne geworden. Punkt. SODOM ist seit Jahren in Topform, und auch der Austausch der kompletten Besetzung nach dem phänomenalen "Decision Day"-Album hat die Band nicht gebremst. Natürlich gibt es hier "same procedure as every year", aber keine der großen deutschen Thrash-Bands zockt die Hymnen momentan so souverän herunter wie Angelripper und seine Jungs.

Die messerscharfen Riffs überzeugen ebenso wie die Melodieführung, die zeigt, warum diese Band einst eine der Hauptinspirationsquellen für den Zweite-Welle-Black-Metal war. Was Tom gesanglich mit 62 Lenzen abzieht, ist phänomenal. Während KREATOR seit einigen Jahren auf Breitwand-Sound setzt und DESTRUCTION einfach nicht die großen Ohrwürmer aus dem Ärmel schüttelt, bleibt "The Arsonist" auch beim Erstdurchlauf bereits im Ohr und reißt mit. Hier ist der Titeltrack neben meinem bisherigen Highlight 'Trigger Discipline' eine fette Empfehlung. Für mich wohl das bisher stärkste Thrash-Album des Jahres.

Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]

 

Auch SODOM ist mit "The Arsonist" kämpferisch unterwegs. Intro, ab auf die Zwölf, rasch "out of the trenches". Den Innovationspreis wird man so nicht bekommen, warum auch, wenn der frontal ausgeführte Angriff böllert und zu allgemeiner Panik und Daueralarm führt. Manchmal allerdings auch unter den Angreifenden, so könnte man meinen. Schiefe Soli, kurze Verlagerung, dann wird auch die Brücke abgeräumt und zwar genau dann, wenn die schweren Panzer sich darauf befinden, ach das waren die eigenen, egal, der Abschnitt ganz vorn hat seine eigenen Gesetze.

Auch in den folgenden Songs scheint sich die Band noch im Angriffsmodus zu befinden. Dass sie an KREATÖR, DESTRUCTIÖN und TÄNKARD erinnert, ist auch bekannt. Man fühlt sich angenehm zu Hause, könnte das Album doch auch von 1991 sein. Mehr als vier Minuten am Stück hält ohnehin keiner eine ausschwärmende Infanterie aus, da ist es doch gut, dass es einskommafünfsekündige Pausen zwischen den Tracks gibt.

'Witchhunter' tönt noch oldschooliger als der Rest. Wozu Musik nach 1991 überhaupt wahrnehmen, wenn alles schon da war, Rock, Metal, Punk? 'Scavenger' nimmt Tempo raus und ist wegen des schrägen, düsteren Refrains für SODOM-Verhältnisse progressiv zu nennen. Inzwischen sind die Gräben erobert, die Vorräte einkassiert, bisweilen fliegen noch Granaten durch die Gegend, geballte Ladungen, Flammenwerfer erhellen die Szenerie, immer wieder werden auch die eigenen Reihen ausgedünnt. Sind wir nun zu weit nach vorn gestürmt? Das wird SODOMs nächstes Album beantworten. Das hier ist so überraschend wie Bayern Münchens 56. Meisterschaft am Stück. Unterhaltsam uninnovativ, Spandex, Killernieten und Kutte für Graumelierte.

Note: 7,0/10
[Matthias Ehlert]

Mein Verhältnis zu SODOM in den letzten Jahren lässt sich ganz ähnlich zu dem von Frank umreißen: Keines der letzten Alben war schlecht, aber wirkliche Begeisterung wollte sich bei mir nie so richtig einstellen. Im Gegensatz zu meinem geschätzen Kollegen wird aber auch "The Arsonist" wohl kaum den Weg in meine Sammlung finden, denn wie es meine Vorredner bereits korrekt angemerkt haben, bleibt SODOM auch anno 2025 in neuer Besetzung SODOM. Im Guten wie im Schlechten.

Denn so solide und gefällig hier die Thrash-Sause begangen wird, so austauschbar und altbekannt sind dann eben auch die Riffs und Versatzstücke, mit denen Mr. Angelripper und seine Mitstreiter das Genre zelebrieren. Die Topform, die Jonathan hier heraushört, finde ich zumindest nicht, sondern komme auch nach mehreren Durchläufen zu dem Ergebnis, dass "The Arsonist" ein solides Album der Ruhrpottler ist, das ein paar Höhepunkte im Gepäck hat ('Battle Of The Harvest Moon' etwa punktet ordentlich), gleichzeitig aber auch viel bekannte Thrash-Hausmannskost bietet, die mich nicht aus den Socken haut.

Schlecht ist die ganze Angelegenheit damit natürlich nicht und Fans der Band werden hier ordentlich bedient, weshalb ich am Ende auch objektiv gefärbte 7,5 Zähler vergebe. Fragt ihr mich aber in fünf Jahren nach "The Arsonist", wird das Album sicher keinen langfristig bleibenden Eindruck hinterlassen haben und dauerhafte Klassiker aus der Trackliste werden mir wohl auch nicht einfallen.

Note: 7,5/10
[Tobias Dahs]

 

Die Ankündigung, dass SODOM nach der Veröffentlichung des brandneuen Drehers "The Arsonist" vorerst alle Bandaktivitäten für unbestimmte Zeit auf Eis legen wird, hat mich offen gestanden durchgeschüttelt. Denn die Band um Tom Angelripper begleitet mein Dasein als Metalfan bereits seit knapp über 30 Jahren und SODOM zählt ferner zu meinen Lieblingsbands.

Mit "The Arsonist" veröffentlicht die Thrash-Legende aus dem Ruhrpott ein intensives, qualitativ überaus homogenes Werk, das gewaltig Arsch tritt. Soundtechnisch wurde die Scheibe dank analoger Aufnahmetechnik bei den Schlagzeugspuren (24-Spuren-Bandmaschine) sehr stark in Szene gesetzt. Wegen des überaus natürlichen Drum-Sounds knallen auch die durchgehend starken Kompositionen noch eindrucksvoller. Uptempo-Granaten wie das mächtige 'Trigger Discipline' (geiler Gesang von Tom!) oder 'Guns With Groom' mit seinen kurzen Blastbeat-Einflechtungen knallen ebenso packend wie beispielsweise das eher Midtempo-orientierte 'The Scavenger', das eine willkommene Auflockerung im Gesamtfluss der Scheibe darstellt. Weitere Highlights: Viele!

Exemplarisch möchte ich hier die packende musikalische Hommage an den 2009 verstorbenen Drummer Chris Dudek alias 'Witchhunter' oder auch 'Taphephobia' sowie den mittelschnell aufgezogenen Brecher 'Twilight Void' nennen. Die Intensität und Aggression, die SODOM auf dieser Platte an den Tag legt, ist definitiv sehr beeindruckend. Dazu Gesangsspuren von Tom Angelripper, die variabler als je zuvor klingen. So, wie ein guter Rotwein reift, hat sich auch die stimmliche Bandbreite von Tom deutlich entwickelt. Mich jedenfalls packt das aktuelle Werk von vorne bis hinten. "The Arsonist“ ist aus meiner Sicht ein Glanzpunkt der Karriere von SODOM!

Note: 9,0/10
[Martin Loga]

 

Puh, lieber Martin, also ein Glanzpunkt in der Karriere von SODOM ist "The Arsonist" ganz bestimmt nicht. Denn an ein Meisterwerk wie "Agent Orange" oder das letzte starke SODOM-Werk "M-16" kommt dieser vermeintlich finale Output von Tom und Co. nun wirklich nicht heran.

Der Kollege Loga lobt insbesondere den Schlagzeug-Sound. Mann, da müssen wir echt unterschiedliche Ohren haben, denn mir gehen die Drums fast so sehr auf den Zeiger wie bei "St. Anger". Gleichzeitig ist mir Toms Gesang zu sehr im SLAYER-Stil und fast nur schreiend. Echt anstrengend. Da kommt es wohl nicht von ungefähr, dass mir auf "The Arsonist" 'Scavenger' mit Abstand am besten gefällt, da Tom hier wieder mehr im 'Remember The Fallen'-Stil singt und nicht schreit. Aber auch hier macht mich der Snare-Sound wahnsinnig und nimmt mir gewaltig die Freude an dem besten Lied der Band seit besagtem "M-16"-Album.

Neben den wirklich anstrengenden Punkten sorgt auch der Rest der Platte nicht unbedingt für Begeisterung. Die Riffs hauen mich nämlich auch nicht wirklich vom Hocker. Schon das Abschneiden der Platte in unserem Soundcheck zeigt, dass SODOM den direkten Vergleich mit dem Big Teutonic Four-Kollegen DESTRUCTION verliert. Aber nicht nur DESTRUCTION ist Tom und seinen Mannen voraus, auch andere, jüngere Bands wie beispielsweise GODSLAVE oder ERADICATOR haben SODOM qualitativ den Rang abgelaufen.

Note: 6,0/10
[Mario Dahl]

Wollen wir da wirklich ein Fass aufmachen, Mario? Einen Konkurrenzkampf zwischen den teutonischen Vier? Nein, denn unser Soundcheck zeigt da wirklich rein gar nichts, außer dass "The Birth Of Malice" im Schnitt 0,07 Punkte mehr hatte als "The Arsonist". Preisen wir dann noch ein, dass du DESTRUCTION die vollen zehn Zähler angeheftet hast, SODOM indes nur derer sechse gönnst, dann weist das eher darauf hin, dass bei den anderen sieben Soundcheckern Gelsenkirchen vor Südbaden ins Ziel kommt. N'est-ce pas? Du hast damit angefangen!

Aber egal, denn beides sind tolle Bands und beide haben ganz hervorragende Spätwerke abgeliefert. Beim "Warum?" wird dann recht schnell vieles klar, denn wie du richtig feststellst, hast du andere Schlagzeug-Ohren als Martin, und die meinen sind sicherlich eher bei Martin, denn auch ich halte das, was SODOM hier trommelnderweise ertönen lässt, für etwas, das im Thrashbereich gerne mein Referenzsound sein dürfte: Kein steriles, glattes, viel zu lautes, totgetriggertes Geballer, mit welchem man uns gerade in den Staaten ständig auf die Nerven geht (EXODUS, anyone?), sondern man hört den Bass dahinter mehr als prominent heraus, was gerade bei 'Witchhunter' ein formidables Hoppeldigaloppel abgibt, das auch in den Achtzigern gut durchgegangen wäre.

Wenn dann die Leadgitarre sich monumental oldschoolig einflicht, wird alles noch besser, und am Ende bleibt der Gesang. Araya? Nö. Such! Okay, ja, beim allerersten Vorabstück bekam auch ich ein paar SLAYER-Vibes mit, doch davon abgesehen hat SODOM meines Erachtens anno 2025 hiervon viel, viel weniger im Gepäck als etwa noch bei "Code Red".

Wo du recht hast, Mario, das ist, dass 'Scavenger' ein Hit ist. Witzigerweise hat er, nicht gesanglich, sondern atmosphärisch aber gerade auch einiges von SLAYER-Hymnen aus der "South Of Heaven"- und "Seasons"-Ära. Im Großen und Ganzen liefert SODOM jedoch genau das, was man von dieser Band erwarten darf: Ein räudiges, finsteres Thrashfest im ureigenen Stil, das Tom  wie Jhonny richtig sagt  wirklich als einen der Godfathers of Second Wave Black Metal ausweist.

Er schreit zu viel, Mario? Echt jetzt? Ich verstehe da jedes Wort, und  last time I checked  haben die Mitanbieter sicher nicht weniger und vor allem nicht weniger schrill geschrien. Der Mann klingt so schön nach sich selbst und eben nach SODOM, dass es eine wahre Freude ist: eindringlich, wuchtig, gallig. Man höre nur 'Taphephobia'... herrlicher Punk'n'Roller!

Sollte also das Unsagbare wahr werden und "The Arsonist" möglicherweise echt das letzte SODOM-Werk sein, dann wäre dies eine Karriere, die mit einem echten Ausrufezeichen endet. Will ich aber nicht glauben.

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]

Fotocredits: Moritz "Mumpi" Künster

Redakteur:
Thomas Becker

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