Gruppentherapie: SYNAPTIK - "The Mechanisms Of Consequence"

19.10.2014 | 21:18

Bei unserem Überraschungs-Zweiten im September-Soundcheck kommt eindeutig die Gniedelfraktion auf ihre Kosten. Hier die Gruppentherapie.

Kollege Macher spricht in seinem Review zu "The Mechanisms Of Consequence" vom gemeinsamen Zähneputzen mit PSYCHOTIC WALTZ und WATCHTOWER,  springenden Achtecken und Quadratwurzelbehandlung. Was dies mit der Musik auf dem Debütalbum (!) dieser britischen Newcomer zu tun hat, erfahrt ihr wie immer von euren Therapeuten.

Du liebes Lieschen, hier wird dick aufgetragen. In bester WATCHTOWER- und ATHEIST-Manier fliegen einem die Riffs und Breaks regelrecht um die Ohren - ein ungestümer Mix aus Prog und Thrash, wie ich ihn lange nicht mehr vernommen habe. Die Instrumentalabteilung spielt sich dermaßen die Finger und Füße wund, dass man aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt. Das ist natürlich nichts für einfach Gestrickte, hier kommen Knobler, Tüftler und andere Sportler voll auf ihre Kosten. Gesanglich hätte ich mir aber jemanden gewünscht, der nicht nur manchmal die Töne trifft und sich gegenüber dem dichten Klangteppich durchsetzen kann. Für diese Art Musik ist das eigentlich unabdinglich. Insbesondere die ganz hohen Tonlagen liegen John Knight nicht, auch passt der Gesang an einigen Stellen einfach nicht. So bin ich in meiner Euphorie etwas gebremst, nichtsdestotrotz handelt es bei "The Mechanisms Of Consequence" um einen starken Release mit viel Potential. Unbedingt hineinhören!

Note: 7,5/10
[Jakob Ehmke]


ATHEIST, das sind doch die Deather mit dem Jazzer-Gefühl? Und WATCHTOWER die Blaupausen-Konstruisten von Thrash-Abrissen? Darauf gleich in der Einleitung anzuspielen legt die Messlatte für SYNAPTIK aber gewaltig hoch!
Als Erstes fällt mir bei SYNAPTIK allerdings der Gesang auf, der deutlich gefühlvoller daherkommt als bei den beiden erstgenannten Frickeltruppen. Das Drumming ist mir dagegen zu stoisch geraten und zeigt nur selten diese ATHEISTische Leichtläufigkeit. An WATCHTOWER jedoch erinnert mich SYNAPTIK in den besseren Momenten in der Tat. Aber mal weg von den Vergleichen: "Hibbelig" und "anstrengend", das sind die beiden ersten Adjektive, die mir zu diesem Album einfallen. Doch mancher Gitarrenstrudel, manche Chor- oder Solo-Gesänge heben dann diesen oder jenen Song, diese oder jene Passage doch wieder heraus aus der scheinbar chaotischen Gleichförmigkeit. Und wenn letztere Phrase paradox klingt, kommt man dem genial-verrückten Kern der Sache damit deutlich näher als mit den obigen Bandvergleichen. Vom Sound her mag das Album zwar an WATCHTOWER oder ATHEIST - oder im Groovigeren auch mal an AMPLIFIER - erinnern, doch letztlich lässt sich die progressive Power von SYNAPTIK eher mit einem kräftigen Magnetfeld vergleichen, das ansonsten wirr umeinander fliegende Partikel in der Schwebe zu halten vermag. Insofern: Vergesst MEGADETH, dies hier ist der wahre "Super Collider".
Diese Art von Thrash-Prog ist sicherlich per se schon eine ganz spezielle Angelegenheit und nichts, was der Massenmarkt zu würdigen wüsste. Kommt dann wie etwa bei 'Your Cold Dead Trace' noch jazzige Rhythmik und bisweilen balladesker Gesang hinzu, dann entsteht fürwahr etwas sehr Eigenes. Dennoch ist mir "The Mechanisms Of Consequence" insgesamt zu anstrengend, um eine höhere Note als sieben Punkte zu zücken. Mit allem darunter würde man SYNAPTIK aber unrecht tun.

Note: 7,0/10
[Eike Schmitz]


Wer mich kennt, weiß ganz genau, dass ich nicht gerade im Dreieck hüpfe, wenn ein neues Progressive-Metal-Album angekündigt wird. Doch wenn dieser so faszinierend und beinahe schon hypnotisierend vorgetragen wird wie auf "The Mechanisms Of Consequence", dann finde auch ich zumindest stellenweise Gefallen an dem Prozedere. Zugegeben, das SYNAPTIK-Debüt braucht viel Zeit, sehr viel Geduld und wohl noch mehr Nerven. Doch - warum auch immer - habe ich speziell im August/September jene wie Drahtseile, sodass ich mir dieses doch komplexe Album in einem Durchgang antun kann, ohne direkt mit einer Gabel im Ohr gegen das Fenster zu springen. So funktioniert dieses Album wohl als Ganzes und obwohl man mit 'Truths That Wake', 'Your Cold Dead Trace' und 'Utopia In Our Eyes' durchaus das eine oder andere Highlight herauspicken kann, sind diese Stücke allein nie und nimmer repräsentativ für SYNAPTIK und den fabrizierten Tech Metal. Doch wie hätte es ausgesehen, wenn man mich Anfang des Jahres nach der Meinung über "The Mechanisms Of Consequence" gefragt hätte? Man weiß es nicht. So gibt es doch mit viel Wohlwollen, immerhin nur leichten Kopfschmerzen, aber einem doch faszinierten und interessierten Gemüt zumindest sieben Punkte, die sich die Jungs aus Norwich auch redlich verdient haben.

Note: 7,0/10
[Marcel Rapp]

Ja, Marcel, da bin ich ganz bei dir. Vermeintliche Highlights des Progressive Metals können mich in aller Regel auch gepflegt am Abend besuchen, halte ich die Stilbeschreibung doch meistens für ähnlich nichtssagend und ausgelutscht wie die Musik der meisten, seit den Neunzigern ihr Unwesen treibenden Exponate des generischen Prog Metals, die kaum progressiver sind als AC/DC mit "Black Ice". Deswegen käme ich auch im Leben nicht darauf, die feine Mucke der englischen Synaptiker mit diesem Begriff zu stigmatisieren. Nur weil jemand komplex agiert und den Rhythmus auch ein- bis zweimal öfter wechselt als die genannten Aussies, ist er noch lange nicht progressiv und zwar weder im Wortsinn noch im Genresinn. Stattdessen gibt es bei SYNAPTIK schlicht und ergreifend eine ganz feine Mischung aus technischem Thrash Metal, melodischem Heavy Metal und ein wenig fein dosiertem Pathos (wie zum Beispiel bei 'I Am The Ghost'). Das alles wird gekrönt von John Knights sehr starkem Gesang, der in seiner hohen Tonlage ähnlich gut zu der synaptischen Musik passt wie die Herren McMaster oder Tecchio zu WATCHTOWER. Von deren Klasse und instrumentalem wie rhythmischem Irrwitz sind die Briten zwar sowohl kompositorisch als auch spielerisch noch ein gutes Stückchen entfernt, doch so lange "Mathematics" auf unbestimmte Zeit weiter als ungeborener Messias der Techno-Thrash-Szene durch die Anderswelt schwebt, kann eine passable Ersatzdroge keinesfalls schaden. Zumal der gute Alan Tecchio dem Bonustrack noch seine Stimme leihen darf, was dem einen oder anderen Kollegen sicherlich zusätzliche Freudenmomente bescheren wird, auch wenn es nur der Bonustrack ist und die Stimmlage des Meisters nun nicht so grundlegend anders ist als jene des Gesellen.

Note: 8,0/10
[Rüdiger Stehle]


Hier wurden ja bereits mehrfach die üblichen Verdächtigen erwähnt, wenn es um frickelige Musik geht. Doch neben Wachturm und griechischer Hölle sind es vor allem die frühen Werke zweier Musiker, die im aktuellen Soundcheck als einzige vor den Briten gelandet sind, die hier als Vergleich herhalten müssen. Denn Kracher wie 'As I Am, As I Was' erinnern vor allem mal an frühe NEVERMORE oder auch das zweite SANCTUARY-Album mit ihrer Mischung aus anspruchsvollem Songwriting, frickeliger Instrumentalarbeit und einem eigenständigen Sänger. Denn im Vergleich zu WATCHTOWERs Taktschiebe-Orgien hat SYNAPTIK es geschafft, eine ganze Reihe extrem eingängiger Momente auf "The Mechanisms Of Consequence" unterzubringen. Allein der Opener 'Truths That Wake' lässt sich prima mitsingen und ist ein echter Hit. Dazu noch besagtes 'As I Am, As I Was' und das wütende 'Allies', dazwischen jede Menge toller, komplexer Songs, fertig ist ein klasse Debüt zwischen Thrash und Power Metal mit Anspruch. Und den Gesang von Herrn Knight finde ich auch alles andere als schwach, weshalb hier alle Daumen hochgehen.

Note: 9,0/10
[Raphael Päbst]

Keine Gruppentherapie mehr ohne mich! Nein, keine Angst. Das ist nur eine leere Drohung. Aber "The Mechanisms Of Consequence" schreit förmlich nach weiterer Wertschätzung. Endlich mal wieder eine neue Truppe, die sich dem guten alten Techno Thrash und nicht der modernen Djent-Variante verschrieben hat! Ein wenig zum Leidwesen unseres Djentie-Boys natürlich, aber der hat sich ja unlängst beim Euroblast zu Genüge die Gehörgänge djentös durchblasen lassen. Den vielen Referenzen, die schon genannt wurden, füge ich an dieser Stelle gerne CONFESSOR hinzu, u.a. weil der Gesang bei SYNAPTIK ähnlich exzentrisch ist, wie der von Scott Jeffreys. Dass Alan Tecchio den Rausschmeißer 'Your Cold Dead Trace' mit seiner unnachahmlichen Sirene veredelt, besiegelt dann endgültig die Klasse dieses Albums. Oder habt ihr schon mal ein schlechtes oder auch nur mäßiges Werk gehört, auf dem Mister T. mitwirkt? HADES, WATCHTOWER, NON-FICTION, SEVEN WITCHES, AUTUMN HOUR, LEVEL FIELDS und zuletzt MIKE LEPONDs Soloalbum sprechen für sich. Konsequenterweise (No pun intended!) hat "Mechanisms Of Consequence" mindestens 8 von 10 Punkten verdient.

Note: 8,0/10
[Alexander Fähnrich]

Redakteur:
Thomas Becker
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