Gruppentherapie: THE GATES OF SLUMBER - "The Gates Of Slumber"
09.12.2024 | 13:31Selbstbetitelte Alben haben bekanntlich immer etwas Besonderes und stellen nicht selten ein Aushängeschild in der Diskographie einer Band dar. Wir prüfen in unserer neuen Gruppentherapie, ob das auch für das Indiana-Doom-Trio und ihren sechsten Langdreher gilt.
Zudem möchten wir euch sowohl auf Nils' umfassendes Interview mit Karl Simon als auch auf das vollständige Review unseres Stephan Lenze hinweisen. Jetzt darf auch der Rest der Redaktion ein wenig doomen...
Neben Thrash- und Epic-Metal hat vor allem alles Doomige unserer Szene einen etwas schwierigeren Stand als andere Genres. Dabei kann ich diesen tonnenschweren Riffs meistens sogar noch etwas Positives abgewinnen, aber was bleibt, ist eine echte Aversion gegen diese Art von Drumming. Das klöppelt mich immer so ein wenig in Richtung Sekundenschlaf. Einzelne Songs sind kein Thema für mich, aber auf Albumlänge wird es dann schon diskutabel. In diesem Punkt macht THE GATES OF SLUMBER erstmal vieles richtig. Nur sechs Songs auf knapp 35 Minuten sind eine Hürde, welche auch für mich machbar ist. Des Weiteren haben die US-Amerikaner ihren Sound eher im traditionellen BLACK SABBATH-artigen Doom-Kosmos und nicht in der puren Zeitlupe des Funeral Dooms gefunden und zum anderen sind die Songs selbst extrem entschlackt und überaus simpel arrangiert. Das macht es mir dann doch unerwartet einfach und bietet in einzelnen Momenten sogar echte Unterhaltung. Und so kommt es, dass ich mit den beiden Songs 'We Are Perdition' und 'At Dawn' echt Spaß haben kann. Coole Nummern, die ich sogar mal in die Jahresplaylist packe. Leider bleiben das die einzigen Ausreißer nach oben. Im Gegensatz dazu gibt es aber ehrlicherweise auch "nur" zwei komplette Ausfälle. Das von Stephen King beeinflusste 'The Fog' kommt gar nicht in die Gänge und ist vertonte Langeweile. Da zieht im Harz der Nebel schneller vorbei als dieser Song. Ebenfalls ist der "schnellste" Track 'Full Moon Fever' eine sehr ernüchternde Angelegenheit. Das geht sogar so weit, dass ich in unserer Podcast-Folge diese beiden Klangerzeugnisse vermischt habe. Das plakative Wolfsgeheul und die obskuren Verwandlungsgeräusche gehören natürlich zur Werwolf-Thematik. Sorry for that! Das zeigt aber auch mit Nachdruck, wie undifferenziert diese Songs klingen, wenn sie nicht wie bei 'We Are Perdition' mit einer prägnanten Hook ausgestattet sind. Somit bleiben unter dem Strich zwei Killer, zwei Filler und zwei Graupen. In der Retrospektive ist die Band mit meinen 7 Punkten somit noch ganz gut bedient.
Note: 7,0/10
[Stefan Rosenthal]
Am Kommentar des geschätzten Kollegen Rosenthal zum Song 'The Fog' lässt sich erkennen, wie weit unsere musikalischen Wirklichkeiten auseinanderliegen. Ich kann hier förmlich die Kraft des 8x10 Ampeg-Kühlschranks spüren, der alles und jeden vor der Bühne in Vibration versetzt, wenn Steve Janiak in die Saiten greift. Klar gibt es hier SABBATH-Einflüsse, welche Doom-Band hat die nicht? Mir gefällt die kauzige Seite an THE GATES OF SLUMBER am meisten. Auch wenn die Songs hier in einer anderen Geschwindigkeit als bei CIRITH UNGOL stattfinden, schlagen bei mir bei beiden Bands durchaus ähnliche Geschmacksrezeptoren an. Auch wenn das Tempo wie bei 'Full Moon Fever' angezogen wird, geht der Signature-Sound des Trios nicht verloren. "Graupe"? Also in meiner Promo-Suppe gab es die nicht. Dafür aber eine gerade richtig abgehangene Nummer mit wunderbarem Gitarrensolo. Wo das jetzt vermeintlich "überaus simpel arrangiert" sein soll, erschließt sich mir nicht. Vor allem wenn Stefan wie im letzten Soundcheck so banalem "Tralala"-Metal wie FROZEN CROWN 8 Punkte verpasst. Aber sei es drum, ich werde hier niemanden bekehren können, der CAPILLA ARDIENTE mit 5 Punkten abfertigt. In meiner Welt machen die Herren um Karl Simon alles richtig und servieren uns ein überraschendes, wenngleich höchst willkommenes Doom-Highlight im Spätherbst.
Note: 9,0/10
[Nils Macher]
Ich kann jeden verstehen, der mit der Musik von THE GATES OF SLUMBER nicht klarkommt, denn auch ich bin im Normalfall nicht besonders empfänglich für arg staubigen Wüstendoom. So finde ich zum Beispiel keinen Gefallen an solchen Größen wie ST. VITUS. Auch wenn ich mit den Frühwerken der hier unter die Lupe geratenen Band noch immer etwas fremdele, ist alles nach dem epochalen Dampfhammer-Meisterwerk "Conqueror" aus dem Jahr 2008 für mich nichts anderes als the real shit. Als Urviech Karl Simon mit den beiden Lichtgestalten einer anderen Ausnahmeband des Genres – namentlich APOSTLE OF SOLITUDE – anno 2019 die schlummernden Pforten erneut geöffnet hat, wurde mir warm ums Herz. Nun liegt endlich der lang erwartete Tonträger dieser Liaison auf meinen Ohren. Geboten wird eigentlich genau der müffelige Nebeldoom, den ich eingangs als schwer zugänglich beschrieben habe. Der Unterschied zu den anderen Staubaufwedlern ist schnell erklärt: Karl Simon kann einfach so unfassbar sensationell grooven, da stört sogar einen Hüftschwing-Legastheniker wie mich der modrige Grundklang nicht. Sein Organ klingt auch heute noch so herrlich einzigartig; ich habe das Gefühl von einem Grizzly umarmt zu werden. Die Ohren rutschen über einen warmen Morast aus Tönen, wenn die unvergleichlichen Melodien aus den Boxen wabern. Da sind mir sogar das Tempo und die ausufernden, psychedelischen Instrumentalpassagen egal. Die Glieder scheinen automatisch in wippende Bewegungen zu geraten und als Harz-Wanderer liebe ich auch den sehr langsam davonschwebenden Nebel dieser wundervollen Landschaft. Von daher kann ich den Vergleich der geschätzten Kollegen zwar nachvollziehen, komme unterm Strich aber zu einem gänzlich anderen Resultat. Alle sechs Songs packen den geneigten Hörer unwillkürlich am Schlafittchen und bimsen ihn mal eben 36 Minuten lang im Schneckentempo durch. Danach ist man glückselig und hofft auf weitere kehlige Brunft-Laute des Herrn Simon. Ihr merkt es: Diese Musik ist hocherotisch.
Note: 9,0/10
[Holger Andrae]
Hier mache ich es ganz kurz: THE GATES OF SLUMBER reißt bei mir gar nichts. Das monotone Riffgeschiebe ist ideenlos, uninspiriert und der Gesang nicht kraftvoll genug für schweren Stahl. Weder kommt die Band in die Nähe von CANDLEMASS, noch von Funeral Doom. Okay, nach dem Hören der neuen Alben von OPETH, DARK TRANQUILLITY und MÖRK GRYNING müssen sie es naturgemäß schwer haben. Etwas kauzig sind sie, mich erinnert es unter anderem manchmal an CIRITH UNGOL und solche schrägen Bands, die ich mir auch nur selten gebe. Ich kann damit einfach gar nichts anfangen, die schiefen Soli, die schon so oft gehörten Hooklines, dann in jedem Track der extrem schwächliche Gesang... Tracks der Güteklasse 'Wizard Of The Vortex', 'When Death Sighs' oder 'Goddess' von CANDLEMASS' letztem Album fehlen völlig, zwei oder drei Hits oder von mir aus etwas, das überrascht, hängenbleibt oder einfach nur stählern antreibt. Von mir aus auch nur Endsechzigergesäge, aber dann Hardblues mit Atmosphäre, die fehlt nämlich auch. Nehmen wir als Beispiel 'The Burial': vertonte Ödnis, geleierte Wäscheleine ohne jeden Spannungsaufbau. Krieg ich nicht runter. Seht es so: Einer muss auch was Schwieriges dazu schreiben.
Note: 5,0/10
[Matthias Ehlert]
Nein, Matthias, das Riffgeschiebe ist nicht ideenlos. Hier wird eine sehr originelle Mischung aus urklassischem Doom, Wüstenrock und episch-traditionellem Metal gespielt, und die Gitarren haben daran einen wesentlichen Anteil. Na gut, aber wer mit CIRITH UNGOL nichts anfangen kann... Holger kann übrigens die verstehen, die mit THE GATES OF SLUMBER nichts anfangen können. Ich kann es zumindest akzeptieren, dass jemand nicht meinen Geschmack teilt, aber ich finde es tatsächlich überraschend, denn diese Form des Metals müsste in meinen Ohren äußerst massenkompatibel, im positivsten Sinne, sein. Verstehen kann ich höchstens, dass es sich nicht für alle um einen künftigen Klassiker handelt. Ich finde die Scheibe bisher auch nur richtig gut, noch nicht überragend. Was mich wirklich mitreißt, ist das Schlagzeugspiel (sorry, Stefan!) – es erinnert mich an das filigrane und sehr punktgenaue Spiel von Neudi auf dem aktuellen SENTRY-Album. Dazu gibt es hochklassigen Gesang, der Ozzy-inspiriert, aber doch ganz anders ist. Da die Songs auch echt stark sind und mein Player seit Stunden von dieser Scheibe blockiert wird, gibt es keinen Grund für eine schwache Note. Im Gegenteil: Es wird höchste Zeit, dass die früheren Alben der Band vernünftig wiederveröffentlicht werden!
Note: 8,5/10
[Jonathan Walzer]
Photo-Credit: Marshall Kreeb
- Redakteur:
- Marcel Rapp