Gruppentherapie: UNDERTOW - "In Deepest Silence"

24.12.2013 | 12:51

Ein Drilling aus Härte, Abwechslungsreichtum und Emotion schafft es auf Platz 3 im Dezember-Soundcheck. Hier die Gruppentherapie.

Die Schwaben UNDERTOW sind nun auch schon zwanzig Jahre lang im Geschäft. Mit seinem groovigen Metal schaffte es das Vorgängeralbum "Don't Pray To The Ashes" sogar zum Album des Monats bei unseren Kollegen vom Rock Hard und jetzt belegt das siebte Album "In Deepest Silence" auch bei uns das Stockerl. Kollege Passgang spricht von einem Meisterwerk des emotionalen Metals, das eigentlich kein Metalhead schlecht finden sollte (zum Review). Wir haben uns in der Redaktion umgehört und finden durchaus unterschiedliche Meinungen zu "In Deepest Silence". Wie immer nachzulesen in der Gruppentherapie.





Es ist schon seltsam: Ich habe viele musikalische Überschneidungen mit meinem geschätzten Kollegen Herrn Passgang, manchmal muss ich ihm aber vehement widersprechen. Wo er "In Deepest Silence" in den Himmel lobt und von Klassikerpotential redet, musste ich ganz schön kämpfen. In den guten Momenten erinnert mich UNDERTOW hier an die Riff- und Groove-Gewalt PANTERAs, diese sind aber viel zu rar. Die Musik ist für mich zu eindimensional, oft zu langatmig und spannungsarm geraten, als dass ich in Jubel-Arien ausbrechen könnte. Zudem wirkt der hardcorelastige Gesang Joachim Baschins manchmal einfach fehl am Platz und eben nicht perfekt umgesetzt. Mies ist "In Deepest Silence" bei weitem nicht, aber mich reißt es nicht mit.

Note: 6,5/10
[Jakob Ehmke]


Mitreißend, leidenschaftlich und melancholisch, in andere Worte lässt sich das neue Album von UNDERTOW nicht fassen. "In Deepest Silence" knüpft exakt dort an, wo "Don't Pray To The Ashes" seine traurigen Tore schloss. Wer in dieser tristen, beklemmenden Jahreszeit also den passenden Soundtrack sucht, ist bei diesem Schwall an Emotionen an der richtigen Adresse. Obgleich es für meine Ohren an manchen Stellen zu viel des Guten und die Brachialität oft fehl am Platz ist, kommen Fans vollends auf ihre Kosten: Mal gibt es knackig hartes Riffing, einige Blastbeats, mal traumhafte Melodien und auch der süßliche Hauch des Schmerzes kommt auf "In Deepest Silence" nicht zu kurz. Berührt wird durch diesen Longplayer garantiert jeder. Wie er im Endeffekt damit umzugehen hat, ob er sich nun zurücklehnt und neue Emotionsdimensionen für sich erforscht oder ob er trotz der dichten Atmosphäre und dem Gefühlsnebel dennoch die Ohren nicht hängen lässt, sei dem Zuhörer selbst überlassen. Nur stellt euch definitiv auf eine äußerst gefühlsbetonte Soundlawine ein, auch wenn UNDERTOW an manchen Stellen etwas zu dick aufträgt.

Note:7,0/10
[Marcel Rapp]





Huch, das geht ja flott los. 'Canvas Ghost' bietet neben dem Lust-und-Laune- Anfang auch gleich noch ein dickes Fettchen. Einfach geschraubt, aber mit Zünder. Ja, da freue ich mich drauf, dachte ich mir, denn die Melodie geht auch fix in das Ohr. Auch der Umweg am Ende ist nicht schlecht. Und versöhnlich ist das Ende allemal, nimmt es doch das Zündermotiv wieder auf. Anders geht es mir da schon mit dem Nachfolger... den Nachfolgern. Alles, was folgt, ist nichts, was mich auf Dauer zu fesseln vermag. 'Slatesoul' hat dann wieder einige Spannungsmomente, aber auch beim dritten Mal und dem Versuch, hier im Album größere Spannung zu erhaschen, scheitere ich. Der corige Gesang ist Ansichtssache und Teil der persönlichen Musikalisation, so passen die Kehlenparts in 'Everember' durchaus gut zu dem hypernervösen Stück. Also doch noch Versöhnung mit "In Deepest Silence"? Wenn wir uns nur gestritten hätten! 'The Strain' ist nämlich auch cool. Aber 'Now And Forever' spiegelt das gesamte Album wieder: Gesang auf Dauer zu bemüht und in einer Richtung festgelegt, auch ein gutes Riffing, aber insgesamt zu grau geblieben.

Note: 5,5/10
[Mathias Freiesleben]


Das ist doch eine sehr bizarre Situation, die es hier zu beklagen gilt. Da erklimmen meine Landsleute im Soundcheck völlig verdient einen eindrucksvollen dritten Platz, und in der Gruppentherapie folgt der Dolchstoß? Nein, da ist einiges an Widerrede gefragt, und diese wird dadurch geführt, dass ich die von den Kollegen hier ausgemachten Kritikpunkte nicht nur nicht teilen mag, sondern schon erst gar nicht nachvollziehen kann. Der Kollege Ehmke vergleicht die vermeintlich besten Momente auf "In Deepest Silence" mit PANTERA und beklagt ansonsten eine gewisse Eindimensionalität? Nun, da habe ich offenbar richtig Glück gehabt, denn wo die vom geschätzten Kollegen gewählte Vergleichsgröße in der späteren Phase ihrer Karriere für mich quasi die Definition eindimensionaler Aggressionskultur darstellte, da finde ich bei UNDERTOW so ungleich viel mehr, das mich anspricht: Joschis Gesang hat viele Facetten und einen gigantischen Tiefgang, wenn er es - was nicht selten der Fall ist - etwas ruhiger angehen lässt. Bei aller ungeschliffenen Rauheit hat seine Stimme doch jede Menge Seele. Auch ist die Mischung der Ostälbler einfach sehr stimmig und schmackhaft: Vielleicht nicht gänzlich einzigartig, denn auch Bands wie CROWBAR oder PIST.ON wilderten schon in ähnlichen Gefilden, aber gerade in heutigen Zeiten doch sehr eigenständig und charakteristisch, fein im Dreieck zwischen Sludge, Hardcore und Heavy Metal platziert, und von einer Emotionalität und Tiefe, wie man sie in diesem Bereich selten findet. Gerade das Titelstück mit seinen großartigen Hooklines oder 'Inside One' mit seinen herrlichen clean gezupften Melodien sind hierfür beste Beweismittel. Für mich hat die neue UNDERTOW daher einen absolut verdienten Stockerlplatz in unserem Soundcheck geholt und ist für jeden empfehlenswert, der sich den oben beschriebenen Stilmix in einer Form dargeboten wünscht, die gefühlvollen Arrangements, gesanglicher Tiefe und emotionaler Schwere mehr Raum lässt als Screamo-Anfällen und erdrückenden Riffgewittern. "In Deepest Silence" ist somit schlicht und ergreifend ein rundum gelungenes, schlüssiges und bewegendes Werk!

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]





Mich wundert es ja ein wenig, das Rüdiger darauf so anspringt. Harcoreeinflüsse, vor allem der melodischen Art, sind ja nicht sein Hauptbetätigungsfeld im Metal. Aber das sollte jedem Kenner der Szene ein Ansporn sein, denn Rüdiger hat vollkommen recht. Zwar bin ich etwas gebremster mit meiner Begeisterung, aber mittlerweile muss ich sagen, dass "In Deepest Silence" sogar noch gewachsen ist und ich eigentlich noch eine etwas höhere Punktzahl zücken würde als zum Abgabetermin des Soundchecks. Und ganz ehrlich, das stumpfe Gebolze von PANTERA höre ich hier zu keiner Sekunde. Zumal Sänger Joachim Baschin den Proll-Phil in jedem Takt in die Tasche steckt. Ich habe eher ab und an ein wenig an ATREYU gedacht, ohne dass ich das präzise festmachen kann. UNDERTOW spielt einen famosen, abwechslungsreichen Metal, der zwar heftig sein kann und etwas Hardcore-Attitüde an den Tag legt, aber vor allem durch starke Melodien besticht, melancholische Parts einbaut und durch das ganze Album eine passende Balance aus metallischen und ruhigen Parts findet. Und zwar meine ich ausdrücklich das Album als Ganzes, denn obwohl ich häufig Lieblingstracks habe, fällt es mir bei UNDERTOW sehr schwer, einen einzelnen "Hit" herauszupicken. Das Ding muss man komplett am Stück genießen.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]


Mehr zu diesem Album:

Review von Oliver Passgang
Soundcheck 12/2013

Redakteur:
Thomas Becker

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