Gruppentherapie: URIAH HEEP - "Into The Wild"

19.04.2011 | 15:04

Eine Hardrock-Legende startet durch und katapultiert sich auf Platz 3 unseres April-Soundchecks. Und diese Platzierung hat handfeste Gründe, wie unsere nachstehende Gruppentherapie verdeutlicht.

                                        


Das erste Mal lief "Into The Wild" auf einer sehr angenehmen und lustigen Autofahrt - und genau für diese Situation scheint der altehrwürdige Rock'n'Roll der alten Schule gemacht zu sein. Allerdings nur auf den ersten Blick, denn URIAH HEEP schaffen es auf ihrem grob geschätzt 100. Album, ein vielschichtiges und episches Stück Rock zu schreiben. Und das hebt sie völlig zurecht auf den 3. Platz im Soundcheck. Die Band groovt ein frisch wirkendes Tänzchen aufs Parkett, bedient sich dabei aus zig Jahren Rockgeschichte, die sie wie nebenbei mitgeschrieben hat, und setzt Akzent nach Akzent. Einzig die Angewohnheit, sich selbst in den Refrains so lange zu wiederholen, bis es auch der letzte Biker im Publikum mitsingen kann, möchte ich dem Album "Into The Wild" ankreiden. Ansonsten bleibt der Rock englischer Prägung prägnant wie gewohnt im Ohr hängen und muss sich allenfalls den Genrekollegen von DEEP PURPLE geschlagen geben, die mit "Rapture Of The Deep" das bessere Album veröffentlicht haben. Da das aber auch schon sechs Jahre her ist, dürfen wir uns alle über dieses opus rockum magnum freuen und die Haare kreisen lassen. "I'm Ready"!

Note: 8,5/10
[Julian Rohrer]



Vor inzwischen auch schon wieder drei Jahren gelang diesem alten, ehrwürdigen Flaggschiff des britischen Hardrocks mit "Wake The Sleeper" ein Comeback, das so mächtig war, wie es nur die wenigsten erwartet hätten. Folgerichtig wurde es seinerzeit auch mein Album des Jahres 2008 und katapultierte seine Urheber in meiner Gunst auf ein Podest, auf dem ich sie in meinen kühnsten Träumen nicht mehr erwartet hätte. Dementsprechend groß waren meine Erwartungen im Bezug auf "Into The Wild", und ich gebe zu, dass das neue Werk sich schwer tat, mit dem grandiosen Vorgänger gleich zu ziehen. Zwar hat mich auch die neue Scheibe sofort in ihren Bann gezogen, doch hat sie auch ein oder zwei Stücke, die mich nicht richtig berühren können. Dass mich auch Album Nummer 23 letztlich vollends begeistert und nur ganz knapp an der Höchstnote vorbei schrammt, verdankt es der tollen, warmen, faszinierend erdigen Produktion, der für die Herren dieses stattlichen Alters unglaublichen Durchschlagskraft, an die rundum königlichen Gesangslinien des Herrn Shaw, die insbesondere 'I Can See You' und 'Southern Star' zu grandiosen Hymnen machen. Zu guter Letzt gibt es dann aber auch noch 'Trail Of Diamonds', das ich schon jetzt zu den großen Glanzlichtern des noch jungen Jahres zählen möchte. Besser kann auch eine Legende wie URIAH HEEP den klassischen, märchenhaften, epischen Hardrock nicht zelebrieren.

Note: 9,5/10
[Rüdiger Stehle]



Dem künstlerischen Schaffen der letzten knapp drei Jahrzehnte der großen Hardrock-Legend URIAH HEEP habe ich offen gesagt bis vor kurzem nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Und dies, obwohl ich die Siebziger-Veröffentlichungen sehr mag und mein geschätzter Kollege Rüdiger nicht müde wird, die Klasse des Vorgängerwerkes "Wake The Sleeper" hervorzuheben. Mit "Into The Wild" habe auch ich mich endlich wieder mit Mick Box und Co. intensiv befasst. Während das wenig schmeichelnde Prädikat des abgehalfterten Altherren-Rocks leider bei den im aktuellen Soundcheck auch vertretenen NAZARETH und deren Album "Big Dogz" größtenteils zutrifft, zeigen URIAH HEEP, dass es auch um Klassen besser geht. Denn man fühlt sich musikalisch sofort bestens aufgehoben, wenn das würzige Doppel 'Nail On The Head' sowie das zügig vorgetragene 'I Can See You' (Ohrwurm!) bereits zu Anfang eines glasklar verdeutlichen: Die Hardrock-Urgesteine haben auch im Jahre 2011 noch Pfeffer! Mit dem grandiosen 'Trail Of Diamonds' haben URIAH HEEP außerdem einen im Anfangsteil geradezu magischen Titel auf diese Scheibe gebannt, der auch auf jedem ihrer Tonträger der 1970er als Knüller gegolten hätte. Obgleich mit 'T-Bird Angel' auch ein schwächeres Stück auf "Into The Wild" zu finden ist, so schmältert dies die Klasse dieser URIAH HEEP-Veröffentlichung keineswegs. Ergo: Qualitätsbewusste Hardrock-Fans kommen an dieser feinen Veröffentlichung, die übrigens klasse produziert wurde, nicht vorbei. In dieser Verfassung könnten HEEP noch gut und gerne zehn Jahre weitermachen.

Note: 8,0/10
[Martin Loga]


Nein, die große Euphorie, die den Herren Stehle befällt, kann ich beim Hören von "Into The Wild" nicht nachvollziehen. Natürlich haben wir es hier mit einem in weiten Strecken guten, stellenweise auch sehr gutem Album zu tun, dafür sind die Veteranen auch viel zu sehr Profis. Eine Legende wie URIAH HEEP hat ihren Sound gefunden, spielt souverän ihre Erfahrung aus und hat mit dem starken 'Trail Of Diamonds' einen echten Hit im Köcher. Am anderen Ende gibt es aber mit 'Lost' auch einen ziemlichen Stinker, der dröge das Album um unnötige fünf Minuten verlängert. Wo sonst zumindest die Gesangsmelodien und/oder die schöne Gitarrenarbeit für Pluspunkte sorgt, geht bei 'Lost' beides nicht zusammen. Die restlichen Nummern sind vom Niveau her natürlich deutlich näher am Hit als am Stinker, aber grandiose Hymnen sind 'I Can See You' oder 'Southern Star' eben doch nicht. Sondern "nur" sehr gute Rocker mit einem ordentlichen Drive und schöner Hookline. Das allein ist aber deutlich mehr als ein Großteil der Konkurrenz hinbekommt.

Note: 7,5/10
[Peter Kubaschk

 


Ich muss gestehen, dass ich den von Rüdiger so gelobten Vorgänger "Wake The Sleeper" bis vor einigen Stunden gar nicht kannte. Das lag vor allem daran, dass ich URIAH HEEP längst als Rock-Dinosaurier eingeordnet hatte, deren künstlerisch relevante Zeit mehrere Jahrzehnte zurück liegt. Somit kam das Erweckungserlebnis zu mir mit einiger Verspätung. Jetzt darf ich sagen: "Into The Wild" ist ein grandioses, farbenfrohes und absolut mitreißendes Stück klassischer britischer Hardrock geworden. Gleich der fantastische Opener 'Nail On The Head' löst eine amtlich Maulsperre bei mir aus. Woher nehmen diese alten Säcke nur so eine ungebändigte Frische und Dynamik? Mick Box malträtiert seine Sechssaitige wie ein hungriger Jüngling mit der Erfahrung und Weisheit eines reifen Mannes; der Killer-Chorus enthält eine kurze, frech-charmante Reminiszenz an QUEENs 'Another One Bites The Dust'. Kriegt man so schnell nicht wieder aus dem Ohr. Und wer dann zwei so unwiderstehliche High-Energy-Hymnen und Hook-Monster wie 'I Can See You' und 'Into The Wild' nachlegt, hat schon längst gewonnen. Im weiteren Verlauf der Scheibe schalten URIAH HEEP dann auch mal einen Gang zurück, verlassen aber nur sehr selten die kompositorische Meisterklasse. So ist das epische 'Trail Of Diamonds' in seiner getragenen Schlichtheit einfach nur schön. Das spannungsgeladene 'Lost' läßt die großen Momente des progressiv gefärbten Hardrocks der Siebziger noch einmal aufleben. Lediglich 'Believe' (doofer STATUS QUO-Chorus) und 'T-Bird Angel' (langweilig) finde ich weniger gelungen. Das kann den großartigen Gesamteindruck allerdings nicht trüben. Nachdem zu Beginn des Jahres MAGNUM zurecht als heißer Kandidat auf den Titel "Veteran Des Jahres" gehandelt wurden, laufen URIAH HEEP den Insel-Kollegen nun mit "Into The Wild" den Rang ab. Für die ersten vier Songs dieses Albums würde ich ja ohne Zögern die Höchstnote zücken.

Note: 8,5/10
[Martin van der Laan]

 




Tja, da schaffen es die doch älteren Semester von URIAH HEEP glatt auf mein persönliches April-Treppchen. Und womit? Zurecht und einem bärenstarken Album auf der Habenseite. Wurde mir die britische Hard-Rock-Legende durch keinen geringeren als meinem Vater näher gebracht, liegt es nun bei dem Sohnemann selbst, die glanzvollen Momente des legitimen "Wake The Sleeper"-Nachfolgers für sich zu entdecken. Davon bietet der (unglaubliche) 23. Geniestreich eine Menge. Wohin man nur hört, finden sich groovende Hard-Rock-Perlen, die mit viel Charme, Sympathie, einer Liebe fürs Detail und dem typischen HEEP'schen Ohrwurmcharakter versehen wurden. So erwischt man sich bei beinahe jeder Gelegenheit, wie man unbekümmert die Melodien beispielsweise von 'I Can See You', dem Titeltrack, oder dem famosen 'Trail Of Diamonds' dahersummt. Die Band um Ausnahmesänger Bernie Shaw und dem unermüdlichen Mick Box scheint auf "Into The Wild" ein paar ordentliche Schluck vom Jungbrunnen genascht zu haben. Es vermittelt schlicht und ergreifend ein geniales Gefühl, wenn man mit 'Believe' über die Autobahn braust. Sicherlich kommt man auch anno 2011 nicht an "Demons And Wizards" heran. Dennoch sorgen URIAH HEEP bereits im April für eine faustdicke Überraschung, die man in dieser wilden Form niemals von ihnen erwartet hätte. Von dieser respektablen Leistung kann sich so manch Jungspund eine gehöre Scheibe abschneiden. Ich ziehe den Hut, meine Herrschaften.

Note: 9,0/10
[Marcel Rapp]



Tipp: Lest auch die Einzelrezension zu "Into The Wild" von Frank Jaeger.

Redakteur:
Martin Loga

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