HALESTORM: Interview mit Lizzy Hale
01.05.2012 | 14:16Lizzy Hale und ihre Jungs von HALESTORM haben mit "The Strange Case Of..." ein starkes Rockalbum aufgenommen, das vor allem live mächtig Laune macht, wie die Band im Vorprogramm von SHINEDOWN bewiesen hat. Wir nutzten die Gelegenheit, um mit Lizzy zu sprechen.
Das neue Album "The Strange Case Of..." zeigt, dass HALESTORM eine echte Rockband ist. Es ist roher, rockiger, dreckiger. Etwas, was der Band sehr wichtig war. "Wir wollten unbedingt die Liveenergie einfangen, die uns alle auf Tour zusprechen. So hat mein kleiner Bruder seine Drums alle in einem Take eingespielt und wir haben die Ecken und Kanten drangelassen. Da geht beim nächsten Mal vielleicht sogar noch mehr.", lacht Lizzy. Auch die Texte sind deutlich selbstbewusster und femininer, wie ein Songtitel wie 'You Call Me A Bitch Like It's A Bit Thing' beweist. "Ja, das stimmt. Es ist ganz einfach so, dass ich mich nicht das zuvor nicht getraut habe. Aber ich habe auf den Tourneen und über das Internet viele unserer Fans kennengelernt und hatte das Gefühl, dass ich dafür stillschweigend die Legitimation bekommen habe. Und als ich angefangen habe, mit den Texten etwas persönlicher zu werden, haben auch die Jungs in der Band gesagt, dass ich das unbedingt machen sollte und so weit gehen soll, wie ich es möchte. Das war durchaus ein befreiendes Gefühl." Wie viel 'Bitch' steckt denn jetzt in Lizzy? "Haha, ja, da steckt schon ein Stück Wahrheit drin. Als Frau in einer so von Männern dominierten Umgebung ist es nicht immer einfach, da muss man auch mal zickig sein dürfen. Ich denke aber, dass ich gut auszuhalten bin, die Jungs in der Band laufen immerhin nicht in Scharen davon.", lacht Lizzy.
Die Rolle einer Frau im Rockbusiness sieht Lizzy sehr differenziert. "Ja, manche Menschen glauben ja, man muss als Frau nur gut aussehen und das ein wenig zur Schau stellen und verkauft dann auch Platten. Aber das ist etwas, was ich so überhaupt nicht empfinde. Natürlich spiele ich gerne mit der Rolle und trage High Heels und enge, kurze Kleider, aber das allein reicht noch lange nicht. Viel mehr ist es so, dass ich eben auch als Musikerin besonders gut sein muss, damit diese 'Sex sells'-Karte gar nicht erst gezogen werden kann. Es muss schon etwas dahinter stecken, denn nur auf eine attraktive Frau, die nicht singen und nicht spielen kann, fällt niemand lange herein. Ich kann es mir auch nicht erlauben, betrunken auf die Bühne zu gehen oder sonst wie da zu versagen. Wo bei Männern dann gesagt wird, dass das dazugehört, müssen Amy, Skin etc. immer hochdiszipliniert sein. Von daher glaube ich auch, dass gerade bei Frauen im Business eine höhere Messlatte angelegt wird, als bei Männern. Und wer es dann dennoch schafft, hat sich das auch redlich verdient." Eine durchaus schlüssige Argumentation, doch Lizzy ist noch gar nicht fertig. "Man darf halt nicht vergessen, dass die Optik auch vergänglich ist. Mit 55 kann und möchte ich nicht mehr mit solchen Klamotten auf die Bühne gehen, aber auch dann möchte ich noch eine gute Musikerin sein, die vielleicht noch angehört wird, obwohl sie alt und faltig geworden ist.", lacht Lizzy.
Rockmusik mit einer weiblichen Stimme ist in den letzten 15 Jahren sehr alltagstauglich geworden, auch wenn sie Phasen durchmacht. Wo am Ende des letzten Jahrtausends Bands wie SKUNK ANANSIE oder die GUANO APES große Nummern waren, sind es heute Operettendamen, die den Durchbruch schaffen. Sind HALESTORM damit wieder eine Nischenband? "Das ist eine gute Frage. Aber ich denke, du hast Recht. Die meisten Bands, bei denen heute Frauen singen, sind mir viel zu theatralisch. Aber so richtige Rockbands sind eher selten geworden. Ich sehe uns auch gar nicht in dieser Riege von 'Female Fronted Bands', sondern einfach als Rockband. Wir spielen deshalb auch viel lieber mit THEORY OF A DEADMAN, mit DISTURBED oder jetzt mit SHINEDOWN, als mit anderen Bands, wo auch Frauen singen. Ich habe viel Respekt vor den Frauen, die so singen können und ich hatte sogar mal eine Phase, wo ich das auch machen wollte, aber dann meinte der Vocalcoach, dass das etwa acht Jahre Ausbildung braucht, da bin ich doch lieber beim Rock geblieben. Und ja, ich denke durchaus, dass wir damit wieder ein wenig eine Nische besetzen."
Diese Aussagen überraschen wenig, wenn man Lizzy Sozialisierungsprozess in der Musik kennt. "Ja, meine Eltern und mein Bruder haben mich da sehr geprägt. Zu Hause liefen BLUE ÖYSTER CULT, BLACK SABBATH, HEART und anderer Classic Rock, während um mich herum die Grungewelle ausgebrochen war. Aber das sollte ich nicht hören, sondern lieber etwas Vernünftiges. Den Grunge habe ich erst lieben gelernt, als die Welle längst vorbei war." Das hat nicht nur die Musik, sondern auch die Livegigs der Band nachhaltig geprägt. "Früher gab es die ganze Technik noch nicht, die heute auf und hinter der Bühne steht, da haben sich die Musiker auf die Bühne gestellt und haben gespielt. Genau das machen wir auch, denn es gibt nichts Schlimmeres als diese komplett einstudierten, routiniert abgespulten Gigs. Wir nutzen keine Computer, nicht einmal Click Tracks oder Ähnliches, sondern spielen einfach und wenn wir Lust haben, einen Song mal etwas schneller oder etwas langsamer zu spielen, dann machen wir das eben. Ich denke auch, dass man so viel mehr Spaß auf der Bühne hat, weil man einfach frei ist. Ich habe auf Tour schon diverse Bands kennengelernt, die das Touren gehasst haben und sich den ganzen Tag beschwert haben, wie langweilig alles ist. Ich kann mir vorstellen, dass das daran liegt, dass man jeden Abend exakt dasselbe macht und keinerlei Freiraum mehr hat. Bei uns hingegen ist keine Show wie die andere und deshalb sind wir auch jeden Abend total heiß aufs Spielen."
Etwas, was man der Band auch anmerkt. Wie ein Derwisch wird Lizzy später über die Bühne fegen und mit einer großen Rockröhre überzeugen, die auch bei einer Coverversion von 'Slave To The Grind' eine starke Figur macht. Abgerundet von einem spektakulären Drumsolo ihres Bruders, bei dem er das halbe Schlagzeug auseinander nimmt, erlebt man beste Unterhaltung. Sollte man sich unbedingt ansehen, wenn die Band mal in der Nähe ist.
- Redakteur:
- Peter Kubaschk