HATE SQUAD: Interview mit Burkhard Schmitt

17.12.2011 | 23:07

Obwohl HATE SQUAD nie weg waren und bereits Album Numero 6 draußen haben, schienen sie etwas in der Versenkung verschwunden. Die neue Wuchtbrumme könnte das ändern.

Mit "Katharsis" haben HATE SQUAD ihren dritten Rundling im neuen Jahrtausend am Start, nachdem man bereits in den Neunzigern zwei umjubelte ("Theatre Of Hate" und vor allem "I.Q. Zero") und ein zwiespältig aufgenommenes ("Pzyco!") Album fabrizierte und danach eher im Underground ohne die große mediale Beachtung weiterlärmte. Die unangebiederte, kompromisslose Attitüde, die durch die Mucke transportiert wird, als auch der Albumtitel selbst, legen die Vermutung nahe, dass das Ganze mit einem Prozess der "Selbstreinigung" einher ging. Ob sich das auch in den Songtexten widerspiegelt? Zu den Lyrics möchte Sänger Burkhard Schmitt nicht im Detail Stellung beziehen, da sie sehr persönlich geprägt seien, mit realen und privaten Gedanken oder sogar einer Art Zwiegespräch mit sich selbst. Jedoch seien die Texte sowieso recht einfach gestaltet, sodass sich die Hörer mit ihrer Fantasie ihr eigenes Gebilde draus basteln können. Dennoch ist es klar, dass "Katharsis" sich schon auf eine Reinigung im weitesten Sinne, auf eine Befreiung von seelischem Müll bezieht. Da ist es dann auch möglich, eine Brücke zu HATE SQUAD insgesamt zu bauen, die in ihrer Karriere sehr viele Scheiße erlebt hätten und sich von dem dadurch angesammelten Müll auf der Platte ein Stück befreit haben, um wieder Fahrt aufzunehmen.

Hungrig sind sie noch, das hört man der Platte deutlich an, und voller Enthusiasmus stellt Burkhard fest, dass HATE SQUAD noch weitere Alben machen werden und zukünftig auch wieder mehr live spielen wollen. Die Leidenschaft dafür kommt schlicht von dem tierischen Spaß, den es den Jungs bereitet, neue Songs zu schreiben, aufzunehmen und live zum Besten zu geben. Das hat dann schon fast etwas von einer Therapie, meint Burkhard, da er ohne Musik im Allgemeinen bzw. HATE SQUAD im Speziellen gar nicht mehr leben könne. Trotz all den negativen Aspekten wie eingebrochenen Plattenverkäufen (obwohl man da noch recht ordentlich mithalten könne), wenigen Liveauftritten und kaum Support von Veranstaltern und Printmedien, ist für ihn noch kein Ende in Sicht. Zudem habe man die Macht des Internets und vor allem dessen Möglichkeiten recht früh erkannt. Als Befürworter des "do it yourself"-Ansatzes könne man damit einiges bewirken. Denn auch wenn man bei einem Label ist, sei heutzutage nicht mehr zu erwarten, dass 100.000 Euro in den Aufbau einer Band gesteckt werden - da sei Eigeninitiative gefragt und durch das Internet hätte man alles in den eigenen Händen. Und wenn man nichts mehr zu verlieren hat und mit dem Rücken zu Wand steht - wie Burkhard HATE SQUADs Werdegang bildhaft in Worte fasst - sei nach vorne zu laufen die beste Lösung. All die Leute, die der Band seit 18 Jahren die Pest an den Hals wünschen, würden nur für noch mehr Motivation sorgen. Für jede Morddrohung und jeden tätlichen Angriff auf seine Person (was Ende der Neunziger mehrfach vorgekommen sei) wird es als Strafe ein weiteres HATE SQUAD-Album geben, kündigt Burkhard mit einem Augenzwinkern an.

Innerhalb der Band sei eh alles in Butter, man stecke voller Ideen und habe einfach Bock darauf, gemeinsam etwas Geiles zu kreieren. Beim Songwriting entfällt der Löwenanteil auf Gitarrist Mark und Drummer Helge, allerdings bringt sich Burkhard hin und wieder bei einem Songanfang bzw. -ende ein, denn das seien die wichtigsten Stellen - getreu dem Motto: Der erste Eindruck zählt und der letzte Eindruck bleibt. Dafür ist "Katharsis" die erste HATE SQUAD-Platte, auf der ausschließlich Burkhards Stimme zu hören ist (auf dem Vorgänger "Degüello Wartunes" "trällerten" ja noch als Gäste Marcus von HEAVEN SHALL BURN und Timo von MAINTAIN), auch die Backing Vocals stammen dieses Mal komplett von ihm. Da die Bandmitglieder nicht alle am selben Ort wohnen, ist das gemeinsame Proben schon etwas erschwert, und da gehen dann die Monate mitunter schnell ins Land, bevor die Songs stehen. Wobei speziell Drummer Helge wohl auch beim Autofahren oft gute Ideen hat, die man dann gemeinsam verwursten kann. Und aktuell hat man in Sachen Songwriting eh einen guten Lauf, was man auch ausnutzen will, um für den "Katharsis"-Nachfolger nicht so viel Zeit verstreichen zu lassen wie bisher.

Dass "Katharsis" bereits das dritte Album hintereinander ist, das man bei einem neuen Label herausbringt, kam eher zufällig zustande. "H8 For The Masses" kam ohne irgendwelche Verträge auf Swell Creek Records, dem Label von Bassist Bauke de Groot, raus. Danach nahm man ein Angebot von Dockyard1 für die "Degüello Wartunes" an und eigentlich sollte mehr aus Liaison werden, doch das Label ging den Bach unter und schließlich, quasi aus dem Nichts, ereilte die Band dann das Angebot von Massacre, das man ohne langes Pokern annahm. Da HATE SQUAD über eine kleine, aber feine weltweite Fanschar verfügt, die der Band die Treue hält und weiterhin die Alben kauft, rechnet sich das für beide Parteien. Selbst wenn man mal nicht mehr ausreichend Geld von einem Label bekäme, würde man eben wieder alles selbst machen und eigenes Geld in eine Platte stecken. Weitere HATE SQUAD-Alben wird es also mit Sicherheit geben.

Sind HATE SQUAD nun eigentlich eine Metalcore-Band? Sie hatten ihren eigenen Stil ja bereits am Start, lange bevor dieser Begriff Einzug hielt, zudem unterscheidet man sich schon ein Stück vom Standard-Metalcore, vor allem weil man abwechslungsreicher, thrashiger und grooviger agiert. Burkhard ist die Bezeichnung erwartungsgemäß egal, von "Metalcore", "Hatecore", "Deathcore", "Thrash Metal" und "Death Metal" bis hin zu "Hardcore influenced Thrash Metal", "brutal Death Metal" und "Industrial Hardcore" hat er alles schon auf Flyern und in Magazinen gelesen. Es wurde halt damals vieles in einen Topf geworfen und als "Wegbereiter des Metalcore" bezeichnet sich die Band ja nicht selbst, sondern so steht es "offiziell" auf Wikipedia. Für "Crossover" waren Härtegrad und Vocals zu heftig - die Zutaten Thrash Metal, Death Metal und Hardcore wurden halt mit Aggression und Groove verfeinert, das waren schon immer die HATE SQUAD-Zutaten. Unüblich war zu der Zeit aber vor allem die Verwendung von Samples. Als Metalcore bezeichnet zu werden, ist Burkhard aber auf jeden Fall lieber als "2. Klasse SEPULTURA" - im Endeffekt sind HATE SQUAD aber schlicht aggressive, brutale, reale und ehrliche Musik, unabhängig welches Etikett da irgendjemand draufklebt.

Wenn man Burkhard nach dem besten Moment befragt, der am Nachhaltigsten in Erinnerung geblieben ist, dann hat man natürlich automatisch den Auftritt auf dem Dynamo Open Air im Hinterkopf und der HATE SQUAD-Fronter würde dem im Prinzip auch zustimmen und sofort "JAAA!" schreien. Doch gab es daneben noch viele weitere geniale Erlebnisse, z.B. die Auszeichnung als Newcomer des Jahres bei Viva Metalla (noch vor KORN, FEAR FACTORY und SIX FEET UNDER). Auch die Tour mit KREATOR und GRIP INC., die Full-Of-Hate-Easterfestivals mit DEATH und GOREFEST oder auch Auftritte als Support von EXODUS bzw. SEPULTURA sorgten für unvergessliche Momente.

Wenn Burkhard daran zurückdenkt, dann denkt er einerseits an eine supergeile Zeit, von der er gerne so manchen Moment noch mal erleben würde, aus heutiger Sicht vielleicht lediglich mit etwas mehr Gelassenheit. Andererseits war es damals eine komplett andere Zeit mit anderen Regeln und Gegebenheiten im Musikbiz. Inzwischen fehlt der Band allerdings eine entsprechende Lobby und die Verkaufszahlen, um insbesondere mit Touren und Shows richtig groß abzuräumen, allerdings ist man sehr dankbar und stolz auf die treuen und fanatischen HATE SQUAD-Supporter auf der ganzen Welt. Diese persönlichen Kontakte, aus denen teilweise richtige Freundschaften entstanden sind, geben das Gefühl einer großen Familie, was Burkhard viel lieber und wichtiger ist als aller Erfolg und alles Geld der Welt. Zumal die "Familie" kontinuierlich weiter wächst und es immer wieder überrascht, aus welchen Winkeln der Erde plötzlich Leute auftauchen, die seit 15 Jahren HATE SQUAD-Fans sind. Und wenn ihm Leute schreiben, dass die Musik und Texte ihnen Kraft für ihr tägliches Leben geben, dann weiß Burkhard, der er das Richtige tut. Zumal er der Meinung ist, dass sie die beste HATE SQUAD-Platte noch gar nicht geschrieben haben. In punkto "gute alte Zeit" und etwaige Nostalgie fasst Burkhard das Ganze so zusammen: Die Vergangenheit und Tradition im Herzen, sein Herzblut für die Gegenwart und mit festem Blick der Zukunft zugewandt!

Zur "Pzyco!"-Phase befragt, muss Burkhard etwas weiter ausholen. Sicher würden ihnen viele Leute dieses Album auch heute noch übel nehmen und hätten sich danach nicht mehr wirklich für die Band interessiert. Als einheimische Antwort auf SEPULTURA, MACHINE HEAD oder FEAR FACTORY, die HATE SQUAD für einige Leute waren, hatten sie es damit komplett verkackt. In dem Zusammenhang kam es auch zu den bereits erwähnten Gewaltandrohungen und tätlichen Angriffen. Nachdem nun mit "Katharsis" die dritte Platte seit "Pzycho!" draußen ist, könne man das Thema eigentlich auch einfach mal ruhen lassen und sich stattdessen mal etwas mehr mit der Gegenwart beschäftigen, meint Burkhard. Doch die Enttäuschung scheint immer noch da zu sein, obwohl sich HATE SQUAD längst wieder in der Spur befinden, in der sie früher unterwegs waren. Doch statt sich von dem Groll freizumachen, haben manche noch nicht einmal mitbekommen, dass es die Band überhaupt noch gibt. Auch wenn in manchen Medien das so zu lesen war, hatten sich HATE SQUAD nie aufgelöst, doch um wieder Boden gut zu machen, müsste man ein paar große Festivals wie Wacken oder With Full Force spielen, doch dazu ist es noch nicht gekommen. Bis es soweit ist, muss man halt weiter kleine Clubs und Jugendzentren auseinander nehmen - zumal Burkhard eh der Ansicht ist: Bühne ist Bühne, vor allem wenn es einem gelingt, die Leute davor in wilde Begeisterung zu versetzen. Um sich nach "Pzycho!" wieder aufzurappeln, musste man einfach weiter zusammenhalten ohne sich verrückt machen zu lassen. Die Liebe zur Musik habe sie durch die harte Zeit getragen, als sie viel Hohn und Spott über sich ergehen lassen mussten. Aber den Glauben an HATE SQUAD habe er nie verloren und so lassen sie sich den Spaß an der Sache auch von niemandem verderben.

Nach markanten Entwicklungen im Gegensatz zu früher befragt, sieht Burkhard auch gar nicht so viel verändert im Vergleich zur "Neunziger Phase". Man sei sich halt bei den ersten beiden Platten noch gar nicht so richtig bewusst gewesen, was man da tue. Auch KREATOR hätten bei der "Endless Pain" und "Pleasure To Kill" sicher auch nicht gewusst, dass die Platten Jahrzehnte später mal richtige Klassiker sind. Entscheidend sei da wohl die naive, junge, dynamische Frische. Mit "Pzycho!" wollte man dann alles zu gut machen und hat Wesentliches übersehen als auch auf zu viele Leute außerhalb und innerhalb der Band gehört und dabei auch die besagte Frische verloren. Nach dem harten Absturz auf den Boden der Realität musste man erstmal die Wunden lecken, um dann von vorne anzufangen, allerdings mit mehr Vorsicht und einer Strategie und Philosophie im Hinterkopf. Seit "H8 For The Masses" zieht man dies nun so durch und geht dabei, auch gestärkt aus den ganzen Rückschlägen, den Weg Schritt für Schritt.

Liveauftritte sind derzeit zwar keine bestätigt, aber HATE SQUAD wollen definitiv wieder mehr spielen, wobei es an Chancen für gute Shows oder sogar eine kleinere Tour mangelt. Mit ernsthaften Angeboten kann man sich aber jederzeit bei der Band unter contact@hatesquad.com melden. Live bekommt man ein gutes Mischungsverhältnis aus etwa 50% alten und 50% neuen Sachen geboten, wobei sie speziell Songs wie 'Not My God' (nach dem aber auch wirklich immer alle Leute schreien) oder 'Bastards' einfach bringen müssen. Dabei habe eh jede Show mehr oder weniger "Best of"-Charakter, da ja auch Nummern wie 'Hannover H8core', 'Theater Of Hate' oder 'Rise Up' bei den Fans als Klassiker gelten. Wobei Burkhard schon noch wahr nimmt, dass die Band von manchen Leute nur auf die zweite und erfolgreichste Scheibe "I.Q. Zero" reduziert wird, aber unter den Fans werde z.B. auch die "Theatre Of Hate" und die "Degüello Wartunes" komplett abgefeiert. Manche seien auch mit "Pzycho!" auf die Band aufmerksam geworden, weil die vorherigen Platten ihnen zu hart waren, so stieg mit dieser Platte speziell der Anteil an weiblichen Fans. Aber Burkhard findet es schon verständlich, dass viele Leute gerade die ersten Platten geil finden, ihm gehe es bei z.B. bei KREATOR, EXODUS, SLAYER, METALLICA, DESTRUCTION und ENTOMBED genauso. Und vielleicht zählt ja irgendwann auch mal "Katharsis" zu den HATE SQUAD-Klassikern.

Das ist nicht ausgeschlossen, denn die Platte hat einiges zu bieten, und zehn Alben will die Band schon noch voll machen. Zum Schluss legt Burkhard noch die Website der HATE SQUAD "official supporter division" www.hsosd.com ans Herz und verabschiedet sich mit einem zünftigen "Never surrender ... die fighting!"

Redakteur:
Stephan Voigtländer

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