HIMMELKRAFT - Interview mit Tony Kakko
10.03.2025 | 10:02Dass sich hinter HIMMELKRAFT der SONATA ARCTICA-Sänger Tony Kakko verbirgt, ist mittlerweile kein großes Geheimnis mehr. Die Hintergründe zu seinem neuen Bandprojekt erfahrt ihr hier!
Mit zehnminütiger Verspätung erscheint Tony in unserem Zoom-Meeting. Da uns wegen des eng getakteten Zeitplans somit nur noch knappe 20 Minuten bleiben, verzichten wir auf Smalltalk und steigen gleich in das Thema HIMMELKRAFT ein.
Tony, heute reden wir nicht über SONATA ARCTICA, sondern über ein Album, das am 07.03.25 unter dem Banner HIMMELKRAFT veröffentlicht wird. Bislang gibt es nur wenig bis keine Informationen im Internet zu diesem Album, beziehungsweise der Band oder dem Projekt. (Anmerkung des Verfassers: Das Interview wurde bereits im Januar geführt.) Ist das so beabsichtigt, dass daraus so ein Geheimnis gemacht wird?
Ja, ursprünglich wollten wir das alles komplett geheim halten, so ähnlich wie GHOST zu Anfang, wo niemand wusste, wer in der Band ist. Aber als das Album fertig war und ich mich nach einer Plattenfirma umgeschaut habe, wollten alle meinen Namen nutzen, um das Album zu promoten, was irgendwo ja auch sinnvoll ist. Was es sehr einfach für mich macht, diese Tatsache zu akzeptieren ist, dass jeder, der SONATA ARCTICA kennt, meine Stimme sowieso sofort erkennt, sobald ich den Mund aufmache. Dagegen sind mir auch keine Argumente eingefallen (lacht), aber wir wollten es ursprünglich solange es nur geht, geheim und mysteriös halten. Aber ich bin zufrieden, dass es alles noch auf kleiner Flamme kocht und wir das Ganze langsam aufbauen können, bis das Album in Europa und dem Rest der Welt veröffentlicht ist.
Wie sind die Reaktionen auf die erste Single 'Uranium' ausgefallen?
Bislang gab es noch gar nicht so viele, ein paar Kommentare von Fans auf dem HIMMELKRAFT-Instagram-Account, dem ihr bitte gern folgen dürft (lacht). Die Reaktionen sind aber bislang positiv.
Uranium
https://www.youtube.com/watch?v=uUYU9Kj0aps
Ist HIMMELKRAFT eine Band oder dein Solo-Projekt?
Es ist ein wenig von beidem. Es ist mein Soloprojekt, das sich zu einer Band entwickelt hat, aber ich kann die Leute austauschen, die die Songs spielen, wenn es nötig ist. Daher wollte ich es auch so geheimnisvoll halten, aber als mein Name öffentlich wurde, haben wir uns entschieden, alle wissen zu lassen, wer die anderen Musiker sind. Das haben sie sich auch verdient und sie wollten das auch. Dabei sind Pasi (Kauppinen, Bass) von SONATA ARCTICA und sein Bruder Timo an der Gitarre und Jere Lathi am Schlagzeug, der auch schon Drum-Tech für SONTATA ARTICA war. Ich liebe diesen Kerl und es war eine leichte Entscheidung, ihn zu fragen.
Wann wurde HIMMELKRAFT gegründet?
(lächelt) Das erste Mal, dass das Wort HIMMELKRAFT aus meinem Munde zu hören war, muss 1999 oder 2000 gewesen sein, auf keinen Fall später. Wir waren mit SONATA ARCTICA auf dem Tuska-Festival in Helsinki, ich hatte gerade RAMMSTEIN für mich entdeckt und wollte etwas in diese Richtung als Nebenprojekt machen. Da ich ein wenig Deutschunterricht hatte, habe ich begonnen, hierfür merkwürdige Texte auf Deutsch zu schreiben. Und irgendwann habe ich den Witz gemacht, ich würde das unter dem Namen HIMMELKRAFT veröffentlichen. Erst danach habe ich mir über die Bedeutung dieser Worte Gedanken gemacht. Und seitdem fragen mich Leute danach. Und was als Witz begann, ist nun zum Leben erwacht.Waren die heutigen Musiker von Anfang an involviert?
Nun ja, HIMMELKRAFT wurde erst 2015 oder 2016 Realität, obwohl es da den Bandnahmen schon über 15 Jahre lang gab. Um die Zeit herum habe ich 'Full Steam Ahead' geschrieben und gemerkt, dass das kein SONATA-ARCTICA Song ist, er ist zu abgefahren und passt nicht zu SONATA. Somit wurde er zum Grundstein für HIMMELKRAFT und der Geschichte der Underground Society, deren Geschichte ich auf dem Album erzähle. Ich werde immer gefragt, ob eines der Alben von SONATA ARCTICA ein Konzeptalbum ist, aber das war nie der Fall – aber mit HIMMELKRAFT haben wir nun eins. Die Musiker kamen dann nach und nach dazu.
Weißt du, dass das deutsche Wort Himmel im Englischen zwei Bedeutungen hat, nämlich Sky und Heaven? Ich gehe davon aus, deine Interpretation geht mehr in die Richtung von Heaven?
Oh, da ist schwer zu sagen (lacht). Ich dachte ursprünglich daran, dass HIMMELKRAFT etwas ist, was sich durch die Luft bewegt, eine Art Flugzeug... aber dann habe ich diese Geschichte von der Gesellschaft entwickelt, die sich unter die Erde zurückzieht und dort einen Zufluchtsort errichtet. Da passt die Bedeutung von Heaven wieder irgendwie. Der Name ist diesbezüglich schon etwas irreführend. Aber eigentlich mochte ich einfach den Klang, diese Kombination aus dem sehr weichen Wort Himmel mit dem mächtige, harten Wort Kraft (hier rollt Tony sehr schön das R in bester NDH-Manier). Eine sehr interessante Kombination, die man unterschiedlich deuten kann.Mir liegen keine Texte vor und im Promo-Text findet sich über die Story auch keine Informationen. Mal schauen, ob ich das richtig verstanden habe: Es geht um eine Gesellschaft, die sich über das Zeitalter der Dampfmaschine in 'Full Steam Ahead' bis zum Atomzeitalter entwickelt, bis zum fröhlichen 'Uranium'. Und dann geht etwas fürchterlich schief und es geht im wahrsten Sinne des Wortes abwärts, die Überlebenden ziehen sich in ein Refugium unter die Erde zurück. Die zweite Hälfte des Albums behandelt dann, wie die Menschen mit ihrem Schicksal und auch ihrer Verantwortung umgehen. Und dann bricht auf der Oberfläche der erste Weltkrieg aus?
Nicht ganz, aber gar nicht schlecht! Das Album ist zwar ein Konzeptalbum, aber die Reihenfolge der Songs ist nicht chronologisch. Die Geschichte von HIMMELKRAFT ist keine kontinuierliche Storyline, jedes Lied ist nur eine Geschichte aus diesem Zusammenhang.
Zu jedem Song auf "Himmelkraft" gibt es einen begleitenden Text im Booklet, der den Kontext erklärt. Und in der limitierten Auflage gibt es auch ein richtiges Buch dazu, wo diese Geschichten ausführlicher erzählt werden.
Die Gesellschaft HIMMELKRAFT entsteht, während der ersten Weltkriegs tobt, so ungefähr 1917 oder 1918, als die Anführer der großen Nationen bemerken, dass dieser Krieg die Menschheit auslöschen könnte. Sie beginnen dann damit, diesen Doomsday Vault für die Menschheit zu bauen, um die wichtigsten Personen und größten Köpfe jeder Nation dort in Sicherheit zu bringen. Und im Laufe der Zeit entwickelt sich dort langsam, aber sicher eine eigene Gesellschaft. Es gibt auch einige Fantasy-Elemente in der Story.
Irgendwann beginnen die Leute von unten die Oberfläche zu erkunden und dadurch entwickelt sich auch eine tragische Liebesgeschichte in der Art von Romeo und Julia.
Und wo du 'Full Steam Ahead' und 'Uranium' erwähnst: Die Diesel-Abgase sind das große Problem in der unterirdischen Welt, da sie die Luft verschmutzen und gesundheitsschädlich bis tödlich sind, daher ist das Uran wie eine Erlösung, da es anscheinend eine saubere Lösung ist. Das Atomzeitalter entwickelt sich also erst, als diese Gesellschaft schon unter der Erde ist und ist nicht der Auslöser für die Flucht in die Unterwelt. Wie gesagt, die Songs auf dem Album folgen nicht der Timeline der Geschichte.
Full Steam Ahead
https://www.youtube.com/watch?v=MJBiSCCfLcs
Das erklärt meine Verwirrung.
Es ist also nicht die Geschichte von HIMMELKRAFT, die auf dem Album erzählt wird, es sind Geschichten aus der Welt von HIMMELKRAFT, was mir eine gewisse Freiheit gibt, jede Art von Story in den Songs erzählen zu können und die Musik muss sich auch nicht einem Handlungsbogen unterordnen. Aber alle Songs sind mit dem HIMMELKRAFT-Universum verbunden, aber jeder steht auch für sich allein.
Als ich das Album zum ersten Mal gehört habe, dachte ich mir, dass einige Songs mit einer anderen Produktion auch auf "The Ninth Hour" von SONATA ARCTICA stehen könnten, das Album hatte ja auch eher diese melancholischen Midtempo-Nummern statt der Power-Metal-Kracher. Übrigens ein Album von SONATA, das ich sehr gerne mag.
Ich auch und das freut mich zu hören. Aber diese Ähnlichkeit könnte daran liegen, dass ich die Songs schreibe (schmunzelt). Ich kann meine Art von Songwriting nicht verstecken.Wie würdest du denn die Musik von HIMMELKRAFT beschreiben?
Ich denke, es ist im Kern eher Hardrock, auf keinen Fall Metal. Ich glaube, keines der Etiketten, wie man sie in Musikgeschäften findet, passt wirklich. Es ist einfach HIMMELKRAFT, mir würde keine Band einfallen, die so kling oder in das gleiche Fach wie wir passen. Es ist ziemlich atmosphärische Musik.
Ich musste an ruhigen 70er Progrock denken, jetzt nicht im bombastischen Stil von YES, oder auch an den deutschen Krautrock. Die Musik hat diesen sanften Flow, die Songs fließen beim unbewussten nebenbei hören recht gleichförmig vor sich hin, ohne das übliche Strophe-Bridge-Refrain-Schema, aber es gibt eine Menge versteckter Details im Hintergrund.
Ja, genau! Sehr gut! (nickt)
Du hast vorhin das Buch erwähnt, das der Limited Edition beiliegt und die man exklusiv über den Shop eurer Plattenfirma Reaper Entertainment bestellen kann. Hast Du das Buch selbst geschrieben?
Nein, das habe ich nicht. Ich kenn die Autorin, Sonja Arstio, seit sie ein Baby ist. Sie ist jetzt schon über 30 Jahre alt und die Tochter eines Freundes von mir und sie ist Schriftstellerin. Ich habe ihr von meinen Ideen erzählt und habe ihr dann freie Hand gelassen, die Geschichten mit allem möglichen auszuschmücken, Beschreibungen der Landschaft, technische Details und solchen Dingen. Die Lyrics sind von mir, aber die Geschichten dazu stammen von ihr. Ich hätte das so niemals hinbekommen, das in so fantastische Worte zu verpacken. Die Geschichten sind von den Songs inspiriert.Wird es weitere Geschichte aus der Welt von HIMMELKRAFT geben, sprich ein zweites Album, oder ist das Kapitel für dich abgeschlossen?
Nun, mir würde es nichts ausmachen, alle zwei Jahre ein HIMMELKRAFT-Album zu veröffentlichen, oder wann immer SONATA ARCTICA mir dazu Zeit lässt. Es ist ein wundervolles Projekt und ich habe auch schon mehr als ein weiters Album so gut wie fertig, es fehlen noch ein paar Texte und ein wenig Feinarbeit.
Und bei mir liegen noch ein paar 100 Songideen auf diversen Medien, ich nehme alles Mögliche auf, seitdem ich mit 15 meinen ersten Vierspurrekorder bekommen haben. Es ist eine Goldmine, in der ich immer mal wieder grabe. Und jetzt, mit 50, ist es interessant, sich mit den ganz alten Aufnahmen zu beschäftigen und zu entdecken, was für ein Mensch und Songwriter ich damals war.
Interessant, ich habe mich gefragt, ob die andere Herangehensweise und der reduzierte, basische Sound von HIMMELKRAFT auch eine Reaktion auf das letzte SONATA ARTICA Album "Clear Cold Beyond" war, das ja schon ziemlich "back to the roots" und somit wieder wesentlich mehr in Richtung Power Metal geht.
Nein... oder doch, ein wenig schon. Ich wollte einen absolut natürlichen Klang, der aber nicht zum Power Metal passen würde. Den Fehler haben wir bei "Talviyö" gemacht, wo wir einen zu soften Sound gewählt haben. Das ist das Album, das ich irgendwann nochmal überarbeiten möchte, vor allem meinen Gesang und den Mix, der muss knackiger klingen – mehr nach Power Metal - und das Schlagzeug müsste mehr Punch haben. Ich mag die Songs auf dem Album sehr gerne, aber wir hätten es anders angehen sollen. Aber passiert ist passiert.
Für HIMMELKRAFT haben wir nur natürliche Schlagzeugsounds verwendet, der Klang ist 100% echt und pur, es gibt keine Samples oder Trigger. Das ist es vielleicht, das diesen 70er Jahre Vibe ausmacht.Ich muss fragen: was steht bei SONATA ARCTICA als nächstes auf dem Programm?
Erstmal touren wir weiter, als nächstes in Lateinamerika und Nordamerika. Dieses Jahr steht ganz im Zeichen von Konzerten und dem Songwriting für das nächste Album. Wir planen, früh im nächsten Jahr ins Studio zu gehen und ein weiters echtes Power-Metal-Album aufzunehmen.
Das klingt großartig! Ich freue mich auf neue Musik, egal ob von SONATA ARCTICA oder von HIMMELKRAFT. Leider ist die Zeit schon um, es war mir eine Freude!
Ich habe zu danken und nochmal sorry, dass ich zu spät war!
Da Tony sehr schnell und flüssig antwortet, ist so gut wie nichts der fehlenden Zeit zum Opfer gefallen. Aber falls ich nachträglich noch Fragen haben sollte, hat Tony mir noch angeboten, per Email weitere Fragen zu beantworten - das ist nun wahrlich nicht alltäglich!
Es ist immer wieder eine Freude festzustellen, dass musikalische Helden, die einen ein halbes Leben lang begleiten, sich auch noch als mega-freundliche Menschen herausstellen.
Danke, Herr Kakko und viel Erfolg für und mit HIMMELKRAFT!
Fotocredit: Hanne Hämmer
- Redakteur:
- Maik Englich