INFECTED CHAOS: Interview mit Frontmann Christian
03.04.2018 | 07:56Zweite Scheibe, neues Glück: INFECTED CHAOS drängt sich mit dem Release von "Killing Creator" auf die Überholspur und möchte auch über die österreichische Heimat hinaus mächtig Druck machen. Frontmann Christian ist topmotiviert, die Band als festen Bestandteil der Szene zu etablieren - vor allem live.
"Nach einer längeren Zeit, in der es jetzt arbeitsbedingt um die Band eher ruhiger war, sind wir momentan wieder fleißig am Proben, um die neuen Songs endlich live präsentieren zu können. Dazu suchen wir natürlich auch ständig Gigs, also falls sich jemand angesprochen fühlen sollte, einfach melden", startet der Sänger direkt mal die Offensive. Dennoch ist die Zufriedenheit noch nicht allumfassend, gerade was das Feedback zur neuen Platte angeht: "Ich persönlich habe den Eindruck, dass nach dem Release unseres Debüts in dieser Richtung deutlich mehr los war, aber das kann ja noch kommen. In der Presse wurde "Killing Creator" allerdings vereinzelt etwas verhaltener aufgenommen, was ich auf den klareren, transparenteren Sound zurückführe. Für viele Leute scheint Death Metal nur dann noch 'true' zu sein, wenn er einen möglichst kratzigen, ranzigen Sound hat. Das wollten wir aber ganz explizit nicht, darum haben wir auch das HM2-Pedal verbannt." Die erste Platte erhielt flächendeckend starke Rezensionen, insofern dürfte der Druck diesmal auch etwas größer gewesen sein. "Den Druck, den wir verspürt haben, haben wir selbst erzeugt. Wir wollen einfach gute Songs mit Wiedererkennungswert schreiben. Jeder von uns hat sein Bestes gegeben und versucht natürlich auch ständig, sich weiterzuentwickeln. Klingt jetzt reichlich abgedroschen, ist aber so. Mein Druck als Sänger und Texter zum Beispiel besteht zunächst daraus, mir selbst gerecht zu werden und dann kommt der Schritt, bei dem ich mein Material meinen Bandkollegen offenlege. Das ist für mich immer eine ziemlich heftige Sache, aber wenn von denen dann gutes Feedback kommt, bin ich auch zufrieden."
Das neue Album klingt alles in allem wieder sehr skandinavisch - zumindest in den Ohren des Rezensenten. Da ist Christian aber nicht komplett der gleichen Meinung: "Ich für meinen Teil bin gar nicht sooo stark in der skandinavischen Szene verwurzelt, aber okay. Was haben die denn damals gemacht? DISMEMBER zum Beispiel... Die haben ja im Prinzip MAIDEN mit Crust gepaart, mehr oder weniger, und das ist etwas, was für mich als MAIDEN- und Brachialjünger klasse funktioniert. Natürlich sind in dieser Bewegung zahlreiche Klassikeralben entstanden, die haben mit Sicherheit auch abgefärbt, aber unsere Einflüsse sind schon deutlich vielfältiger." Und dennoch ist gerade DISMEMBER eine Band, deren Sound sich auf "Killing Creator" immer wieder in den Vordergrund schraubt. "Wie bereits erwähnt, das ist ein riesiger Pool an Musik, dem jeder einzelne von uns ausgesetzt ist und der sich dann auf unseren Sound auswirkt. Unser Drummer ist beispielsweise ein absoluter Thrash-Lunatic, während ich von Classic Rock bis zum rumpeligsten War Black Metal so ziemlich alles in mich aufsauge. Momentan hänge ich aber irgendwie bei SOLSTAFIR und LUX DIVINA fest. So hat jeder von uns seine Favoriten und wird zweifellos beim Songwriting davon beeinflusst."
Nicht jeder Musiker besitzt die Größe, seine Einflüsse auch klar zu benennen und ihren Anteil im Songwriting bewusst darzustellen. Für INFECTED CHAOS besteht dieses Problem jedoch nicht: "Rock und Metal existieren jetzt ja doch schon eine lange Zeit und da wird es immer schwieriger, etwas komplett Neues zu erschaffen. Zuletzt ist das meiner bescheidenen Meinung nach VENENUM mit ihrem Monsteralbum "Trance Of Death" gelungen. Unser Ziel ist es, einfach Songs zu schreiben, die wir selbst so hören möchten. Wenn sich da dann mal ein Part einschleicht, der etwas nach Band XY klingt, ist das eben so." Dennoch braucht jede Band gewisse Alleinstellungsmerkmale. "Darüber denken wir nicht zwingend nach. Im Proberaum zählt das Bauchgefühl. Die melodischen Riffs von Matt, das Gerögel von Martin, Flos songdienlich massiv pumpender Bass und Christophs thrashiges Drumming ergeben grob zusammengefasst unseren Sound. Wenn man dazu bangen kann und das Riff fetzt, ist es gut. That's all."
Die Herkunft ist für INFECTED CHAOS dem Vernehmen nach auch kein Problem. Bands mit österreichischer Homebase haben es mitunter etwas schwieriger, an größere Auftritte zu gelangen, doch die allgemein bekannte Problematik hat die Band bis dato noch nicht erreicht - aus ganz einfachen Gründen: "Wir sind zum Teil Österreicher und zum Teil Deutsche, da wir direkt an der Grenze ansässig sind. Wir fühlen uns beiden Szenen zugehörig. Grenzen sind wegen dem Internet sowieso nur noch Schall und Rauch, das kann keine Ausrede sein. Zunächst mal gestaltet es sich als wahnsinnig schwierig, aus dem tiefsten Underground raus zu kommen. Wie es dann weitergeht, werden wir sehen." Trotzdem stimmt der Frontmann zu, dass Death Metal in seiner lokalen Umgebung nicht der absolute Favorit ist: "Der Death Metal fristet bei uns im Alpenstatt eher ein Schattendasein. Black und Thrash Metal sind wesentlich populärer. Woran das liegt, kann ich aber auch nicht erklären." Der gute Herr hat aber in beiden Bereichen seine klaren Favoriten: "Abseits der großen Bands BELPHEGOR, PUNGENT STENCH, DISASTROUS MURMUR und DISHARMONIC ORCHESTRA fand ich immer ABIGOR und IN SLUMBER sehr geil. Ich hab aber leider grad keinen blassen Dunst, ob die noch aktiv sind." Aktivitäten rund um die Todesblei-Szene sind in der Städteregion der INFECTED CHAOS-Gemeinde allerdings Mangelware. "Stadt ist schon mal maßlos übertrieben. Hier mitten in den Bergen zwischen München und Innsbruck ist alles ländlich geprägt. Der Pool an fähigen Musikern, die dann auch noch Bock haben, einen Stil zu zocken, mit dem du garantiert immer ein schwieriges Standing hast, ist sehr überschaubar. Wir sind hier die Einzigen, die sich dem Death Metal verschrieben haben. Aus München fallen mir jetzt spontan noch HAILSTONE ein, die einen ähnlichen Stil wie wir haben, aber wenn du mich explizit nach Österreich fragst, muss ich leider passen."
Noch einmal zurück zum neuen Album, bei dem sich die Frage stellt, wer denn eigentlich dieser "Killing Creator" ist. "Du bist es! Ich bin es! Es ist in jedem von uns. Jeder hat diese zerstörerische Seite in sich, wie auch die schöpferische. Beide Seiten brauchen sich gegenseitig. Manchmal muss man Monumente einreißen, um etwas großartiges Neues daraus erschaffen zu können. Der Titel war übrigens ursprünglich gar nicht als Albumtitel gedacht. Jamz, der uns dieses fantastische Artwork gezaubert hat, hat mich dazu überredet, da er ihn so kraftvoll fand und sich vor seinem inneren Auge auch gleich die Motive gebildet haben, als ich ihm den Songtext dazu erklärt habe." Die Message ist dabei nicht unbedeutend: "Es geht immer um zwei komplett gegensätzliche Seiten, die aber erst zusammen ein großes Ganzes ergeben. Eine Schlüsselfigur dafür ist Baphomet, der auf dem Album logischerweise auch mit einem Song bedacht wurde. Anders als beim eher politisch gehaltenen "The Wake Of Ares" verfolge ich auf dem aktuellen Album einen philosophischen Ansatz." 'Evangelion Noir' sticht als stärkste Nummer noch einmal extra heraus - worum geht's? "Ich erkläre meine Songtexte nur sehr ungern, da fühle ich mich irgendwie nackt... Es geht im Endeffekt darum, dass man diese verschiedenen gegensätzlichen Wesenszüge von sich selbst akzeptiert, auslebt und auch dazu steht. Darum, einen anderen Weg einzuschlagen, als es die Gesellschaft von einem erwartet, die nur das Gute im Menschen akzeptieren möchte." Obschon Christian nicht gerne Rechenschaft zu seinen Worten abgibt, sind die Songtexte eines der Fundamente im INFECTED CHAOS-System: "Meine Texte sind mir sehr wichtig! Ich kann beim Schreiben innerste Abgründe erforschen, Altlasten aufarbeiten, Negatives abbauen und mich selbst besser kennen lernen. Ich habe ganz am Anfang mal versucht einen rein plakativen Death-Metal-Text zu schreiben, mit Zombies und Blut und allem drum und dran, und dabei herausgekommen ist 'Blooddawn Resistance' (auf unserem Debüt "The Wake Of Ares"). Ich kann einfach nichts ohne tieferen Hintergedanken schreiben."
Bevor aber überhaupt wieder neues Material geschrieben wird, geht es erst einmal auf die Bühne. "Fürs neue Jahr haben wir schon zwei größere Gigs an Land ziehen können. Zum einen wäre das das "Winterdays Of Metal" in Slowenien [fand im Januar statt - d. Red.] und das kleine, aber dafür umso feinere "Aaargh Festival" bei uns in der Nähe in Leutkirch [steigt vom 14.-16. Juni - d. Red]. Von Fans für Fans. Wer Bock auf ein richtig geiles, kleines und familiäres Festival hat, MUSS hier mal vorbei schauen. Lauter Wahnsinnige, ihr werdet es nicht bereuen! Wir arbeiten außerdem noch an einer Tour, aber dazu gibts noch nix Spruchreifes. Sobald es da aber News gibt, werden wir das über die einschlägigen Internetplattformen kundtun." Die Bühne ist daher auch das erklärte Ziel der nächsten Monate: "Wir wollen so viel wie möglich spielen! Dazu sind wir immer dankbar über Tipps und direkte Anfragen. Darüber hinaus werden wir demnächst auch das Songwriting wieder verstärkt in Angriff nehmen. Angedacht war zunächst mal eine EP, aber wer weiß schon so genau, was passiert, wenn sich dann wieder wie bei uns so üblich eine Eigendynamik entwickelt." Lassen wir uns überraschen. Last words? "Vielen Dank für das ausführliche Interview! Ich hoffe, wir sehen uns irgendwo da draußen! Support the Underground! Cheers!"
- Redakteur:
- Björn Backes