Im Rückspiegel: DARK AGE
19.09.2023 | 14:38Zehn Jahre liegt die Veröffentlichung von "A Matter Of Trust", dem bislang letzten Album von DARK AGE, zurück. Seitdem liegt die Band auf Eis. Für uns Grund genug, die Diskografie der Hamburger im Rückspiegel zu betrachten. Tatsächlich konnten wir auch Frontmann Eike Freese dazu bewegen, ein paar Worte über jedes Album zu verlieren.
The Fall (1999)
Viele Bands starten an einem Punkt und bewegen sich dann schrittweise immer weiter weg. So ist das Erstlingswerk "The Fall" für später hinzugekommene Fans erst mal gewöhnungsbedürftig, denn DARK AGE orientiert sich - das Cover-Artwork lässt es vermuten - stark am Black Metal. Das Keyboard bringt nicht nur Melodie, sondern auch eine gewisse Schwere mit sich und wie es mit Keyboards nun mal so ist: Sie sind träge. Dadurch ziehen sie das Tempo der Gitarrenfraktion enorm runter. Gekeift wird ordentlich auf "The Fall" und das qualitativ hochwertig, allerdings sehr gleichförmig. Klargesang: Fehlanzeige. Und so richtig mag DARK AGE nicht im Black Metal ankommen. Vielleicht ist die Produktion zu ohrendienlich, vielleicht driftet das teilweise bleischwere Keyboard zu sehr in doomige Gefilde, vielleicht ist es einfach die leichte Orientierungslosigkeit, die viele Debüts nun mal an sich haben. DARK AGE macht die Sache gut, aber nicht überragend. Gut, dass die Band sich im Laufe der Karriere für eine andere Spielrichtung entschieden hat.
Eike Freese: Eine sehr spannende Zeit. Wir waren sehr nervös, denn es ging zum ersten Mal in ein Studio. Wir haben damals ja noch ohne Computer etc. aufgenommen und mussten dementsprechend performen. Diese Zeit im Studio hatte mich wegen des damaligen Produzenten Schrödey`s (TEMPLE OF THE ABSURD, WARPATH etc.) dazu inspiriert, heute als Musikproduzent zu arbeiten.
Insurrection (2000)
Die "Insurrection"-CD wurde mir damals bei einem Wacken Open Air eher zufällig nach einem Gig der Jungs in die Hand gedrückt, vermutlich von der Band selbst oder einem Promoter. Und der Stil und die Eingängigkeit des Materials auf dieser Scheibe machten schon mächtig Eindruck auf mich. Wie Pia schreibt, hören wir hier eine Kurskorrektur hin zu melodischem und extrem griffigem Death Metal. Die Vocals zwischen Growling, Keifen und ein wenig Klargesang sind sehr abwechslungsreich, und die Gitarren tönen schön variabel, aber auch mit ordentlich Schmackes. Auch das Keyboard ist weiterhin recht prägnanter Bestandteil im Sound, wenn auch nicht ganz so im Vordergrund wie noch auf "The Fall". Der Höhepunkt ist sicherlich bereits das Auftaktdoppel 'Trial By Fire' und 'Killing Crisis', das bei aller Melodiösität einen wunderbaren Abriss liefert. Demgegenüber lässt 'Terror To The Masses' anfangs noch mal kurz den Black Metal ein bisschen aufleben, wobei ich bei diesem Song beim Part mit dem Klargesang immer etwas schaudernd weghören muss. Dafür mag ich das etwas ruhigere 'Heartfall' im Anschluss recht gern. Und auch das abschließende Cover zu 'For Whom The Bell Tolls' hat mir immer mächtig Spaß gemacht, obwohl ich speziell METALLICA-Koffern inzwischen sonst eher überdrüssig bin. Mein Interesse an den fünf Hamburgern war mit "Insurrection" jedenfalls geweckt, was sich auch am nachfolgenden Werk "The Silent Republic" manifestieren sollte.
Eike Freese: Hier wurde der Ton innerhalb der Band etwas rauer bzw. man merkte, dass wir etwas erreichen wollten. Der Ehrgeiz war da, das hat man im Songwriting und bei den Proben gemerkt. Hier haben wir uns meines Erachtens auch erst so richtig im Melodic Death Metal bewegt und haben unsere wenigen Black-Metal-Einflüsse vom Debüt weggelassen.
The Silent Republic (2002)
Dass sich Stephans Interesse an DARK AGE mit Album Nummer drei manifestiert hat, ist vollkommen verständlich. Auch ich bin seit diesem Album und dem damaligen Auftritt auf dem Wacken Open Air großer Fan der Hamburger. "The Silent Republic" begeistert vom ersten Riff an und hört erst mit dem letzten Ton auf zu begeistern. Sei es der Titeltrack, 'Daily Combat', 'Last Words' oder die absolute Konzert-Abrissbirne 'Suicide Crew': Alle Songs sind nochmal eine massive Steigerung zum "Insurrection"-Album, ohne sich dieses Mal erneut musikalisch zu verändern. Und wenn Stephan sagt, dass er bei dem Klargesang auf "Insurrection" lieber weghört, so ist der selten eingesetzte Klargesang schon um einiges besser geworden, was sich zukünftig dann ja noch mehr verbessern sollte. Es gibt wenige Alben, die ich zu nahezu jeder Tageszeit und in jeder Stimmungslage hören kann, "The Silent Republic" gehört dazu.
Eike Freese: Das Lieblingsalbum vieler unserer Fans. Vielleicht auch, weil es das düsterste und böseste ist. Ich hatte damals, bedingt durch das Erwachsenwerden in einer merkwürdigen Welt, viel Wut und einen recht negativen Blick auf die Welt. Das Ergebnis waren dann der Titeltrack, 'Daily Combat' und 'Suicide Crew'.
Dark Age (2004)
Obwohl das selbstbetitelte Viertwerk der Hamburger dem grandiosen "The Silent Republic" (für mich immer noch die Krone der DARK AGE-Schöpfung) in nicht viel nachsteht, habe ich die Band nach diesem Rundling irgendwie aus den Augen verloren. Gründe dafür liefert dieses Album eigentlich nicht (bis auf das Cover, das ich auch mit heutigen Augen immer noch nicht mag), wird doch der bandeigene Stil weiter verfeinert und variiert und mit einer druckvollen und klaren Produktion garniert. Aber so ist es manchmal, und vielleicht fehlt der Scheibe auch einfach nur ein großer Hit der Güteklasse von 'Suicide Crew', den ja auch Mario als absolute Abrissbirne lobt. Dennoch, manchem Refrain fehlt schlicht etwas die Prägnanz ('Zero', 'Pulse Of Minority') und der Clean-Vocal-Anteil ist für meinen Geschmack einfach zu hoch, demgegenüber steht die nach wie vor großartige bis mitreißende Gitarrenarbeit als echtes Aushängeschild der DARK AGEler. Tolle Tracks sind in Form des ausgesprochen heftigen 'Neurosis 404', dem wunderbar treibenden und düsteren 'Nikita' sowie 'Dare To Collapse' (mit TIAMATs Johan Edlund als Gast) und dem wuchtigen Opener 'Fix The Focus' auf der Scheibe dennoch zu finden, die aber, und dabei bleibe ich auch fast 20 Jahre nach Erscheinen, einen kleinen Rückschritt zu "The Silent Republic" darstellt.
Eike Freese: Das erste Album, das ich selber produziert habe. Da muss ich auch meinen Jungs danken, dass sie mir das Vertrauen geschenkt haben und mir das zugetraut haben. Mit dem Album haben wir einigen alten Fans bisschen vor den Kopf gestoßen, da wir etwas kommerzieller geworden sind und uns musikalisch etwas mehr in Richtung von Bands wie IN FLAMES oder SOILWORK entwickelt haben.
Minus Exitus (2008)
"Minus Exitus" gilt als das Album, mit dem DARK AGE den Grundstein für eine große Karriere hätte legen können - wenn die Band das denn gewollt hätte. Und das nicht ohne Grund, denn das fünfte Album besticht mit eingängigen Songs, durchdachtem Songwriting, starken Riffs und einer Prise Humor: Die Songs 'Interlude' und 'Instrumental' sind genau das, was der Titel verspricht. Schon der titelgebende Opener saugt einen in das Album, das einen erst mit dem extralangen 'The Echoes Discipline' wieder loslässt. Obwohl: 'Outside The Inside' stellt meinen persönlichen Tiefpunkt dar, was an der Akustikgitarre liegt, aber auch daran, dass der Song insgesamt bizarr aufgebaut ist. Das reißt das folgende 'The Dying Art Of Recreation' direkt wieder raus. Hier passt alles. Das nächste Highlight kündigt sich mit 'Cold' an, in dem Vocalist Eike Freese mal stärker mit Klargesang brilliert. Seine markante Stimme wird auf dem gesamten Album gut in Szene gesetzt. Das bereits erwähnte 'Instrumental' offenbart die Weiterentwicklung der Musiker an ihren Instrumenten und kommt mit einem schönen Rhythmus daher. Bei 'Exit Wounds' wird noch mal kurz den schwarzmetallischen Anfängen gehuldigt. Gut steht DARK AGE vor allem, dass mit Keyboard gespart wird. Das lässt Luft für Tempo und ordentliches Gitarren-Gefrickel. Die Produktion ist derweil am Puls der Zeit und kann sich auch heute noch hören lassen, ohne "Minus Exitus" direkt ins Jahr 2004 einzuordnen.
Eike Freese: Das war laut meiner Jungs, und ein wenig hatten die damit recht, ein kleiner Ego-Trip von mir, hahaha! Da habe ich vieles im Alleingang gemacht und habe die Jungs zu wenig eingebunden. Es war auch das erste Album nach einem Besetzungswechsel, da Thorsten Eggert, der jetzt bei ENDSEEKER spielt, damals ausgestiegen war und Alex Henke neu dabei war. Letztlich hat uns das Album auch Aufmerksamkeit gebracht, wo wir zuvor nicht bekannt waren, beispielsweise in Japan. Unser erfolgreichster Song 'Outside The Inside' ist auf diesem Album.
Acedia (2009)
Mit dem sechsten Studioalbum "Acedia" gehen die Hamburger dann einen Schritt Richtung modernerem Melodic Death Metal. Dabei fällt neben dem modernen Gesamtsound auf, dass Eike viel mehr auf seinen Klargesang setzt als auf den vorherigen Alben. Zwar growlt er noch immer etwas mehr, als er klar singt, aber schon der Opener 'Kingdom Nevercome' und das folgende 'Devote Yourself To Nothing' zeigen, dass DARK AGE ab sofort verstärkt auf einen Gesangsstilmix setzt, so dass die Refrains komplett clean gesungen werden. Und ich komme nochmal auf Stephans Aussage zur "Insurrection" zurück, dass man damals bei Eikes Klargesang lieber weggehört habe. Denn seine Vocals haben sich in diesem Zusammenhang bis hierhin massiv verbessert. Okay, er ist auch zur "Acedia"-Zeit kein Ronny James Dio, aber man hört es sich mittlerweile gerne an. Wenn man das Augenmerk mal vom Gesang nimmt, fällt durchaus auf, dass Martin und seine Keyboards/Synthies auf diesem Album etwas mehr Raum bekommen haben und etwas mehr im Vordergrund stehen als zuvor. Für mich ist "Acedia" mit den beiden Openern, 'Zeitgeist (Ghost In A Machine)', '10 Steps To Nausea', der mit seiner Härte so auch auf "Minus Exitus" hätte stehen können, 'Halo Meridian' und 'Underneath These Burdens' eine absolute Hitsammlung und ein absolutes Highlight in der DARK AGE-Diskografie.
Eike Freese: Unser erstes Album bei AFM Records. Und dort war man im ersten Moment nicht sonderlich zufrieden mit dem Album. Aber auf der Scheibe ist mit 'Kingdom Nevercome' einer meiner absoluten DARK AGE-Lieblingssongs.
A Matter Of Trust (2013)
Der Grund für diesen Rückspiegel. Mit "A Matter Of Trust" hat DARK AGE eine neue Richtung eingeschlagen und nicht wenige Fans fühlten sich damals bei Veröffentlichung vor den Kopf gestoßen. Die Band wusste oder war sich bewusst, dass diese Platte von vielen Leuten nicht so gut aufgenommen werden könnte. Das zeigte sich mir bei der Album-Release-Party im Hamburger Knust, als Drummer André auf mich zu kam, mich begrüßte und dann fragte, ob ich, als langjähriger Fan, denn den neuen musikalischen Weg der Band mitgehen würde. Vielleicht wurden deshalb zur damaligen Albumpromo mehrere Making-Of-Videos veröffentlicht. So als "Vorwarnung". Denn in einem davon erzählte Eike, dass sie eigentlich ein reines Death-Metal-Album machen wollten, er jedoch, als er an den Vocals arbeitete, feststellen musste, dass er darauf gar kein Bock mehr hatte. Diese Aussagen sorgten damals bei mir durchaus für ein mulmiges Gefühl, obwohl mit 'Afterlife' die erste Single bereits raus war und ich diesen Song von Anfang an geliebt habe. Als ich dann "A Matter Of Trust" bereits vor Veröffentlichung hören konnte, um es für ein anderes Magazin zu reviewen, war ich einerseits überrascht, wie anders DARK AGE auf diesem Album klingt, aber gleichzeitig auch begeistert. Die Songs auf "A Matter Of Trust" sind bis auf wenige Ausnahmen, wie beispielsweise 'Fight', deutlich weniger hart als früher und DARK AGE setzt viel mehr auf Melodien. Gleichzeitig bekommt Martin noch mehr Raum, so dass Eikes Gesang beispielsweise in 'Afterlife' lediglich von den Keyboards und Schlagzeug unterstützt wird. Und der auf "Acedia" eingeschlagene Weg mit cleanen Vocals wird auf "A Matter Of Trust" deutlich weitergeführt und ausgebaut, denn hier findet man nur noch vereinzelte Growls und Eike singt fast nur noch clean und dabei so gut und melodisch wie nie zuvor. "A Matter Of Trust" ist extrem abwechslungsreich und fängt viele verschiedene Stimmungen ein. Ein besonderes Highlight ist das sehr düstere 'Dark Sign', das nahezu vollständig aus der Feder von Gitarrist Jörn stammt. Und jetzt muss ich mich an dieser Stelle kurz bei Eike entschuldigen, denn in unserem Interview habe ich 'Afterlife' als meinen Lieblingssong von dieser Scheibe genannt. Aber da habe ich, warum auch immer, einen Song vergessen. Für mich das absolute Highlight dieser Scheibe ist 'My Saviour', der in Sachen Melodien, Härte und Lyrics einfach perfekt zusammenpasst. Ich frage mich, ob die Band schon zum Zeitpunkt des Songwritings für diese Scheibe wusste, dass es das letzte Album für eine gewisse Zeit sein würde und die Band eine Pause einlegen würde und man deshalb das Album mit dem sehr atmosphärischen 'Onwards!' und der Textzeile "I'm getting closer to the end" beschließt. Und jetzt, zehn Jahre nach dem Release von "A Matter Of Trust" muss ich sagen, dass ich alle Songs über die Jahre immer wieder gerne höre und ich, wenn ich DARK AGE hören will, immer wieder bewusst zu dieser Platte greife und dieses sicherlich auch in Zukunft tun werde.
Eike Freese: Oh, was haben wir hier für einen Shitstorm geerntet. Wobei, Shitstorm ist übertrieben. Aber viele Leute, weniger aus unseren Familien und Freunde - quasi eher die Metal-Welt draußen - konnten damals mit dem neuen Sound nicht viel anfangen. Aber die Scheibe ist in meinen Augen gut gealtert und mittlerweile ist "A Matter Of Trust" von vielen das Lieblingsalbum von DARK AGE. Ich habe damals schon mit vielen anderen Künstlern Songs für sie geschrieben und wollte zeigen, was ich in Sachen Songwriting kann. Dass ich nicht "nur" Death Metal kann, sondern auch schöne Melodien schreiben kann. Und ich wollte zeigen, dass ich singen kann. Und die Jungs haben es genauso gesehen. Wir waren schon immer eine Band, die nur das macht, wovon alle Bandmitglieder voll überzeugt sind, damit wir auch den Spaß nicht verlieren. In unseren Augen musste damals ein Melodic-Death-Metal-Album genau so klingen. Aber viele Leute waren damals halt noch nicht bereit dafür.
Offiziell befindet sich DARK AGE weiterhin in einer Pause und hat sich nicht aufgelöst. Wenn ich dann Eike schon im Interview hatte, konnte ich mir die Gelegenheit natürlich nicht nehmen lassen, nach der Zukunft und dem Status der Band zu fragen.
Eike Freese: Wir sind auf jeden Fall noch alle befreundet und stehen in Kontakt. Man muss sehen, was passiert. Sag niemals nie. Und die letzten Jahre mit Pandemie, wachsendem Faschismus in unserer Gesellschaft und allem drum und dran haben mich wütend gemacht. Und daraufhin habe ich bislang vier neue DARK AGE-Songs geschrieben. Mal sehen, ob die irgendwann mal aufgenommen werden. Vielleicht, wenn wir noch weitere neue Songs dazu bekommen. Und dann wird es vielleicht auch nochmal einen runden Abschluss mit einem oder vereinzelten Konzerten geben. Leider kann Jörn nur eingeschränkt Gitarre spielen und vor allem seine großartigen Soli nicht mehr spielen, da er seinen linken Ringfinger nicht mehr normal bewegen kann. Aber irgendwie würden wir ihn auf jeden Fall mit einbinden. Vielleicht holen wir einen Gastmusiker für die Soli auf die Bühne und spielen dann mit drei Gitarristen (lacht). Aber tatsächlich war nicht unser Plan, uns in eine Pause zu verabschieden und dann klammheimlich zu verschwinden.
- Redakteur:
- Mario Dahl