In der Gruppentherapie: GUILT MACHINE - "On This Perfect Day"

30.08.2009 | 03:20

Kann AYREON-Mastermind Arjen Lucassen seine Fans auch ohne das sonst übliche Heer namhafter Gastsänger überzeugen? Wir lassen das unter dem Projekt-Namen GUILT MACHINE veröffentlichte Album "On This Perfect Day" von unseren Soundcheckern testen.

Einen Sängertyp wie Jasper Steverlinck hatte Arjen Lucassen auf seinen zurückliegenden Platten nicht. Und trotzdem hat es ihm keine Schwierigkeiten bereitet, die hohe Indie-Rock-Stimme des Belgiers für "On This Perfect Day" mit seiner Musik zu verbinden. Nie wird sie den Riffs, die auf diesem Album ohnehin keine wesentliche Rolle spielen, geopfert. Im Mittelpunkt des Interesses steht die schattige Stimmung, die durch die von Gitarristin Lori Linstruth verfassten Texte verdichtet wird. Persönliches, das sich üblicherweise hinter groß aufgezogenen Weltraum- und Fantasy-Epen versteckt, ist direkt zugänglich. Nach einem Grinsen am Ende des Tunnels braucht man allerdings gar nicht erst zu suchen: "You were bent on self-destruction / I was there to load the gun" - so makellos ist der Tag dann doch nicht. Das Fragezeichen hinter dem Titel des letzen Songs, 'Perfection?', kommt nicht unerwartet. Aber auch wenn sich GUILT MACHINE insgesamt zugeknöpfter präsentieren als AYREON, ist der Lucassen-Pomp stets präsent, so dass letztlich kaum neue Sympathisantengruppen an den kreativen Niederländer herantreten werden. 'Over' könnte man einem engagierten Vermittler für die Überzeugungsarbeit dennoch an die Hand geben.
Note: 8,0/10
[Oliver Schneider]

 

GUILT MACHINE nennt sich das neue Baby von Arjen Lucassen. Eingebettet in ein stilvolles, wenngleich etwas seltsam anmutendes Artwork, hören wir sechs sehr lange Kompositionen, die - latürnich! - eine Nähe zu AYREON aufweisen. Die Handschrift des Meisters ist eben unverkennbar, sie ist originell und prägend. Warme Keyboards treffen auf gemütliche Gitarren, dazu taktiert im Hintergrund eine Rhythmussektion verhaltene Beats aufs Band. Es entsteht eine angenehme und gleichermaßen einlullende Atmosphäre, in die man sich fallen lassen kann. Was mir in diesem Fall leider fehlt, sind die kurzen Momente, in denen eine gewisses Maß an Energie erzeugt wird, etwas Spannung, die mich aus dieser kuscheligen Stimmung hochreißt und bewirkt, dass ich wieder voll bei der Sache bin. Das fällt mir bei GUILT MACHINE nämlich auf Albumlänge etwas schwer. Und das, obwohl "On This Perfect Day" alles andere als ein Single-Werk ist. Man hört es definitiv am Stück, denn genau so sind die sechs sehr langen Nummern ausgelegt. Übertrage ich das jetzt auf den Titel der Scheibe, so kann ich natürlich zu dem Schluss kommen, dass ein perfekter Tag eben genau das ist: Er ist perfekt. Keine Hektik, kein Stress, alles ist harmonisch; Friede, Freude, Eierkuchen. Und genau dazu bieten GUILT MACHINE den richtigen, höchst anspruchsvollen Soundtrack. In der entsprechenden Stimmung gehört, kann "On This Perfect Day" eine entsprechend höhere Punktzahl nach sich ziehen.
Note: 7,5/10
[Holger Andrae]

 

Herr Lucassen - mal wieder. Okay, das soll jetzt keine Beschwerde sein, schließlich sind fast alle seine Outputs von Spielfreude strotzende, epische Progmeisterwerke. Allerdings gibt es hier und da auch mal Ausbrüche aus dem typischen Korsett, die nicht immer die Genialität des Meisters adäquat transportieren. Gerade seine Nicht-AYREON-Scheiben sind gelegentlich zwiespältige Werke, vom genialen STAR ONE Album einmal abgesehen. Auch GUILT MACHINE ist nicht auf Augenhöhe mit den AYREON-Werken seit "Into The Electric Castle". Warum? Nun, Arjen mischt seine unablegbaren AYREON-Harmonien, die in diesem Fall wohltuend an das erste "Universal Migrator"-Werk erinnern, mit ein wenig STREAM OF PASSION und einer guten Prise AMBEON. Das klingt modern, oft atmosphärisch und tiefgründig, aber die echten Hits, die zuletzt "01011001" zu einem Meisterstück werden ließen, werden vermisst. Ob es an der fehlenden Spannung ob der abwesenden Sängermeute liegt, oder ob ich einfach durch Arjen selbst zu verwöhnt bin, weiß ich nicht. Nichtsdestotrotz nur ein gutes Album, und damit für Arjens Verhältnisse im unteren Drittel der Diskographie.
Note: 6,5/10
[Frank Jaeger]



Schon in den ersten Sekunden von GUILT MACHINE stellt sich dieses Gefühl ein, dieses Kitzeln im Nacken, diese subtile Vorahnung des Großen, diese Freude an der neuesten Kreation des Meisters der sich aufbauenden, in Verzögerungskaskaden komponierten Gefühlsexplosion. Wie macht das Arjen Lucassen eigentlich? Gibt es so etwas wie den Kompositions-Trank, die Droge, die es einem ermöglicht, wunderschöne Songs zu schreiben, mit der ersten Note den hundertprozentigen Wiedererkennungswert zu erzeugen? Möglicherweise ist der Zweimeter-Mann aus den Niederlanden einer der produktivsten Rockmusiker unserer Zeit, möglicherweise gehört er zu den Besten, wer will das schon beurteilen. Aber wenn er seine Besucher auf seiner Homepage mit den Worten "Willkommen zu der neuen Dimension" begrüßt, so ist das keineswegs Übertreibung, sondern schlicht die Wahrheit: Mir fällt es unheimlich leicht, in den Klangexperimenten des Meisters zu versinken, mich an den tollen Melodien zu erfreuen, über die unerwarteten Wendungen zu staunen, die Lucassen da wieder ausgeheckt hat. Dass er wieder hochwertige Musiker um sich sammeln konnte, ist mittlerweile zum standardisierten Aushängeschild geworden. GUILT MACHINE ist großartig.
Note: 9,0/10
[Julian Rohrer]

 

Wo Arjen Lucassen mitwirkt, ist der riesige AYREON-Schatten nicht weit. Und natürlich klingt GUILT MACHINE unverkennbar nach Arjen. Eigentlich ist "On This Perfect Day" tatsächlich nix anderes als AYREON light: Die Gitarren, die warmen Keyboardteppiche, die episch-ausladenden Kompositionen - das alles gibt es auf diesem Werk genau sechs Mal. Und dennoch fehlt natürlich genau das, was die meisten AYREON-Alben zu einer Besonderheit gemacht hat: die großartigen Gesangsduelle von vielen männlichen und weiblichen Könnern. Hier hört man "nur" Jasper Steverlinck. Der macht seinen Job zwar sehr gut, aber er teilt sich die Vocals eben bloß mit Arjen, der einige Backings beisteuert. Das und die meist sehr sphärische Stimmung rückt den Longplayer dann auch in die Nähe der AYREONschen Traumsequenzen. Das ist natürlich gar keine schlechte Referenz, und "On This Perfect Day" ist definitiv ein gutes Album. Es braucht halt ein paar Durchläufe, um sich zu entfalten und ein paar Melodien freizusetzen, die sich dann auch in die Hirnrinde bohren. Die ganz großen Spannungsmomente bleiben aber aus. Daher wird "On This Perfect Day" eben aller Wahrscheinlichkeit nach auch kein Dauerrotierer.
Note: 8,0/10
[Peter Kubaschk]

 

Im Prinzip hätte der gute Herr Lucassen seinem neuen Projekt GUILT MACHINE seinen Namen nicht noch extra beifügen müssen, denn man hört zu jeder Zeit, wer hier am Werke ist. Die ausladenden Songs mit ihren getragen sphärischen Arrangements, die zahlreichen spacigen Synth-Klänge, das akustisch/elektrische Wechselspiel der Gitarren - all das trägt eine sehr deutliche Handschrift. Trotz der offensichtlichen Parallelen zu seinen anderen Projekten STAR ONE und AYREON gelingt es dem Niederländer, GUILT MACHINE einen eigenen Touch zu verleihen, was vor allem am tollen Gesang Jasper Steverlincks liegt, der durch seine Arbeit mit der belgischen Alternativ-Rockband ARID schon einen gewissen Namen hat und die Prog-Metal-Szene mit seinem klaren, extrem gefühlvollen und vor allem unverbrauchten Gesang bereichert. Daher tut es "On This Perfect Day" durchaus gut, dass im Gegensatz zu Arjens anderen Projekten keine komplette Armada von Gastsängern aufgefahren wird. Auch die Übernahme des sehr persönlich und psychologisch ausgerichteten lyrischen Konzepts durch Leadgitarristin Lori Linstruth sorgt für einen erfrischenden Kontrastpunkt zu den sonst vorherrschenden Fantasy- und SciFi-Themen. Zu alledem treten jedoch die oft völlig genialen Melodielinien, die alle Songs durchziehen und dafür sorgen, dass man sehr tief in das Album versinken kann. Das macht die eine oder andere Länge der mit durchschnittlich knapp zehn Minuten doch recht ausladenden Kompositionen wett. Ein sehr schönes Album an der Schwelle zum Dauergast im Player!
Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]

 

Sphärische Klangteppiche, Synthiegewaber und ausufernde Songs. Wenn GUILT MACHINE wirklich so etwas wie AYREON light sein sollen, würde ich vom Kauf der AYREON-Meisterwerke abraten. Aber zum Glück ist das nicht so. Auf GUILT MACHINE lebt Mastermind Arjen Lucassen die Passagen seiner Schaffenskraft, die mich bei AYREON schon nervten, exzessiv aus. Langatmigkeit ist das, wofür GUILT MACHINE stehen. Sicherlich unterbrochen von einzelnen Ausbrüchen, insbesondere bei 'Green And Cream', die zeigen, welch kompositorische Fähigkeiten in Herrn Lucassen schlummern. Doch leider kann man diese fast an einer Hand abzählen. Positiv zu vermerken ist, dass sich das Album thematisch nicht mit Fantasy- oder Science Fiction-Themen, sondern mit Schuld und Reue beschäftigt. Die eingestreuten Sprachfetzen in unterschiedlichen Muttersprachen wurden von Fans eingereicht und drehen sich inhaltlich um starke Gefühle wie Wut oder Angst. Doch auch diese guten Ideen machen ein auf Dauer eher vor sich hinplätscherndes Album nicht zu einem Kleinod. Fans von Arjen werden natürlich auch GUILT MACHINE abfeiern, dafür steckt zu viel Arjen in dem Album. Dem Rest seien die AYREON-Werke dringlicher ans Herz gelegt.
Note: 6,0/10
[Georg Weihrauch]



Zur Einzelrezension

Redakteur:
Elke Huber

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