In der Gruppentherapie: HEATHEN - "The Evolution Of Chaos"

23.02.2010 | 09:35

Das nennt man wohl "Comeback nach Maß". Nach 19-jähriger Abstinenz kehren die melodischen Thrasher von HEATHEN mit einem neuen Album zurück und verzücken die komplette Soundcheck-Redaktion.


Dräsch Meddl regiert den Soundcheck auf POWERMETAL.de - zu diesem Schluss muss man unweigerlich kommen, wenn man sich die jeweiligen Spitzenpositionen derer von SLAYER, OVERKILL und MEGADETH in den letzten Monaten anschaut. Und nun also HEATHEN. Warum auch nicht, ist "Evolution Of Chaos" doch ein leckerer Thrash-Happen geworden, der mir persönlich sogar ein Stück besser mundet als das MEGADETHsche Endspiel und die mit Blut bepinselte Welt von SLAYER. Und es ist beruhigend, dass man sich auf bestimmte Konstanten einfach verlassen kann (trotz wirklich, wirklich langer Wartezeit auf den Nachfolger von "Victims Of Deception"). Begann das Jahr 2009 erwartungsgemäß wunderbar mit den "Hordes Of Chaos", so ist es diesmal eben die "Evolution Of Chaos", die für einen gelungenen Start ins Thrash-Jahr 2010 sorgt. You want it, you get it. Dabei sind es natürlich nicht nur die gängigen Sprachregelungen, sondern vor allem ist es der musikalische Inhalt, der zwischen schreddernden Riffs, kraftvollen Vocals und kreischenden Gitarren für Freudestrahlen und Matteschütteln sorgt. Innovationspreise gibt's dafür seit Jahrzehnten nicht mehr, und doch ist es gerade die hör- und spürbare Frische, das fehlende im-Trend-sein (oder sollte Thrash angesichts der Vielzahl von guten Outputs nun doch wieder trendy sein?), was Bands wie HEATHEN auch aktuell noch so attraktiv macht. Und warum dann nur 8 Punkte? Nun, die beiden anfänglich ziemlich schwülstigen 'A Hero's Welcome' und 'Red Tears Of Disgrace' wollen so gar nicht reinpassen und sorgen für irritiertes Stirnrunzeln. An deren Stelle hätte sich noch so ein Hammer wie das elfminütige 'No Stone Unturned' ausnehmend gut auf dem Album gemacht. Naja, irgendeine Fliege krabbelt halt fast immer in die Suppe, egal wie klein das Tierchen auch sein mag.

Note: 8,0/10

[Stephan Voigtländer]


Yes! HEATHEN sind zurück und knüpfen exakt da an, wo sie vor 19 Jahren mit ihrem Klassiker "Victims Of Deception" aufgehört haben. Hier gibt es melodischen Thrash Metal nahe an der Perfektion zu hören. Die Riffs und Leads in Nummern wie dem schmissigen Opener 'Dying Season', dem elfminütigen, komplexen Epos 'No Stone Unturned' (unglaublicher Song!) oder dem Nackenbrecher 'Bloodkult' sorgen dafür, dass man gleichzeitig headbangen und Luftgitarre spielen muss. MUSS.Dazu kommen die schneidenden Vocals von David White, der auch anno 2010 nichts von seiner Ausstrahlung verloren hat. Diese Klasse ist es auch, die selbst eine vor Pathos tropfende Nummer wie 'A Hero's Welcome' oder das semi-balladeske 'Red Tears Of Disgrace' zu echten Leckerbissen macht. Ganz klar, dieser Frisco-Silberling steckt die letzten Alben von METALLICA, SLAYER, TESTAMENT, OVERKILL oder EXODUS locker in die Tasche. Ganz locker.

Note: 9,0/10

[Peter Kubaschk]


Wenn man sich jedes Mal Jack Black als Ronald Reagan verkleidet vorstellt, richtet der Laudatioabschnitt in dem unkonsumierbaren 'A Hero's Welcome' womöglich keinen irreparablen Gehirnschaden an. Die "Evolution Of Chaos" wird von dem absalutierenden Teil der Bevölkerung gestoppt. Oder von Kruzifixfundis. Oder von Höhlensexist Ted Nugent, der einen erlegten Keiler im Genpool versenkt. Auch die übrigen Texte lassen jederzeit genügend Licht durch, um das einzig Relevante erkennbar zu machen: Lee Altus' Saitenkunststücke. In die Phalanx des Gary-Holt-Partners stoßen nur wenige andere Thrash-Gitarristen vor. Ob die Riffs in 'Dying Season', 'Undone' und dem äußerst ausführlichen, METALLICA-lastigen 'No Stone Unturned' oder die Soli in 'Control By Chaos' und 'Arrows Of Agony' besser sind, kann Gegenstand unnützer Diskussionen werden. Jesusbeklatscher David White nimmt die ausgezeichneten Vorgaben des Ansagers auf, singt wegen der im Vergleich zu "Victims Of Deception" thrashigeren Annäherung an die Musik oft mit etwas mehr Aggressivität in der Stimme und bringt Hooks an, die nicht sofort wieder aus dem Gedächtnis bröckeln. Der nervmeuchelnde Schlagzeugsound setzt der Anerkennung für das hohe Kompositions- und Spielniveau allerdings beständig zu. Ein patenter Stimmungskiller. Ähnlich wie die Klangniederlage von SLAYERs "World Painted Blood".

Note: 8,0/10

[Oliver Schneider]


Auch wenn die beiden alten HEATHEN-Scheiben "Breaking The Silence" und "Victims Of Deception" in meiner Ruhmeshalle bei weitem nicht den Stellenwert haben, den ihnen manche passionierte Bay-Area-Fans einräumen, so gehören sie doch auch für mich zu den stärksten Alben aus dem Bereich des melodisch-technischen Thrash Metals. Nach etlichen bärenstarken Liveauftritten der Mannen um Lee Altus und David White war ich also entsprechend gespannt auf das Comeback, auf welches die alten Fans geschlagene achtzehn Jahre warten mussten. Doch das Ergebnis rechtfertigt die Vorfreude, den was die Herren Altus und Lum hier an den Klampfen abziehen ist wirklich die allerhöchste Schule der Lead- und Riffgitarre. Orientalische Melodiebögen bei 'Dying Season', grandiose, Raum greifende Harmonien im Intro und danach ein pures Inferno aus Riffs und Soli bei 'Controlled By Chaos', ja, die Herren verstehen ihr Fach nicht nur, sie beherrschen es. Dazu kommen dynamische Rhythmus-Attacken von Jon Torres und Darren Minter, wobei des Letzteren Schlagzeugsound - Oliver hat es vorweg genommen - in der Tat etwas zu dominant nach vorne drückt. Dafür ist David Whites Gesangsleistung einmal mehr zu den besten des Genres zu zählen, so dass unter dem Strich ein wirklich starkes Comeback zu verbuchen ist, das verdient unser Album des Monats geworden ist.

Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]


Mit ihrem seit langer Zeit überfälligen Comeback-Scheibchen "The Evolution Of Chaos" katapultieren sich die Bay-Area Veteranen HEATHEN mal so eben an die Spitze des Thrash-Metal-Throns. Auf erlesenem Niveau sind sie angesiedelt, die elf zumeist überlangen Stücke. Nackenbrecher gibt es übrigens reichhaltig zu entdecken. Neuzugang Kragen Lum und Lee Altus riffen sich durch ein beachtliches Arsenal an griffigen Stücken, deren Power man sich nicht entziehen kann ('Arrows Of Agony', 'Fade Away', 'Bloodkult'). Doch HEATHEN standen seit jeher für sehr melodiebetonten und facettenreich inszenierten Thrash. Und den gibt es in Perfektion beim überragenden 'No Stone Unturned' zu hören, wo Lee Altus & Kragen Lum neben gewaltigen Riffwänden famose Leads eingeflochten haben und mit traumwandlerischer Sicherheit sahnige Melodien raushauen, dass es eine echte Freude ist. Mit "The Evolution Of Chaos" haben HEATHEN ein heißes Eisen geschmiedet, das fast zwei Dekaden nach der Veröffentlichung des letzten vollständigen Studioalbums "Victim Of Deception" (1991) ein qualitativ ebenbürtiges Stück feinsten Thrashs bietet. Zusammen mit dem jüngsten Werk der Kanadier SACRIFICE die beeindruckendste Genre-Rückkehr seit Jahren! Frohlocket!

Note: 9,0/10
[Martin Loga]

Wie häufig enden lang ersehnte Reunions in großer Enttäuschung. Umso schöner, wenn mal eine Band tatsächlich an ihre Großtaten, auch wenn dies in diesem Fall nur zwei Alben waren, anknüpfen kann. Denn auch wenn viele Vergleiche angeführt wurden, und in dem Fall des phantastischen Songs 'Dying Season' sogar gerechtfertigt, erinnert er doch stark an EXODUS aus der "Fabulous Disaster"-Zeit und dabei speziell an den Titelsong eben dieses Albums, was auf "The Evolution Of Chaos" wirklich zu hören ist ist HEATHEN. So typisch wie Lee Altus' Riffing nur sein kann, erkennt man ihn an jedem Ton, und da wir Dank Sänger David auch wieder "White-Metal" hören dürfen, ist dies der legitime Nachfolger von "Victims Of Deception". Dass die drei Songs ihres letzten Demos auch auf dem Album sind, ist ein kleiner Wermutstropfen, der allerdings verständlich ist, zumal die drei Songs auch auf diesem Longplayer zu den Highlights gehören und sicher nicht alle Fans die drei Tracks heruntergeladen hatten. Und auch ich finde den Song 'A Hero’s Welcome' überflüssig und überspringe ihn regelmäßig, aber davon abgesehen gibt es wirklich nichts zu meckern, schon gar nicht irgendwelche Sound-Spitzfindigkeiten, die mich noch nie gestört haben. Daher: Willkommen zurück, ihr alten Haudegen. Und danke für dieses Album.

Note: 8,5/10
[Frank Jaeger]

Redakteur:
Peter Kubaschk
2 Mitglieder mögen diesen Artikel.

Login

Neu registrieren