In der Gruppentherapie: MEGADETH - "Endgame"
09.09.2009 | 17:50
An sich bin ich seit vielen Jahren Skeptiker in Sachen MEGADETH. Nach "Youthanasia" fand ich vieles nett, aber nichts so richtig bahnbrechend. Das dürfte sich nun mit "Endgame" ändern, denn hier hat Dave Mustaine mit seinen Mannen mal wieder richtig fett zugeschlagen. Erstmal amüsiert es mich jedoch, dass der eigensinnige amerikanische Rotschopf im tollen Intro richtig heftig - und vermutlich auch heftig unabsichtlich - RUNNING WILD zitiert. Gut, im Jahr, in dem die Hanseaten die Piratenflagge zum letzten Mal einholen, darf man das. Mit dem schnellen Opener 'This Day We Fight!' ist es dann auch schon vorbei mit den Assoziationen und die Herren Mustaine und Broderick entfachen ein irrwitziges Riffs- und Leadinferno, das Seinesgleichen sucht. Sich durch das ex-JAG PANZER-Klampfenmonster zu verstärken, war ein kluger Schachzug Megadaves! Doch auch die melodische und atmosphärischere Seite wird bedient, was zum Beispiel '44 Minutes' schön unterstreicht. Denjenigen unter euch, die bisher Schwierigkeiten mit Daves Stimme hatten, möchte ich auch nahe legen, trotzdem mal rein zu hören, denn der Gute singt hier deutlich angenehmer als dies früher oft der Fall war. All das, zusammen mit weiteren Volltreffern wie dem dynamischen Titelstück oder der gefühlvollen Ballade 'The Hardest Part', sorgt dafür, dass die neue MEGADETH ein ziemlich amtliches Brett geworden ist, mit dem ich in der Form nicht gerechnet hätte.
Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]
Obgleich das 2007 erschienene "United Abominations" ein richtig gutes Album von MEGADETH war und ist: Nie und nimmer hätte ich es für möglich gehalten, dass die Band mit "Endgame" einen Knüller dieses Formates für die Nachwelt konserviert hat. Erinnerungen an das grandiose "Rust In Peace"-Album und die etwas gemäßigteren Ausflüge in "Youthanasia"-Regionen kommen auf, denn "Endgame" hat etwas von beiden Scheiben. Bereits das gewaltig peitschende 'This Day We Fight!', ein Furioso-Thrasher, der es so ziemlich mit jedem "Rust In Peace"-Klassiker aufnehmen kann, fönt die Matte mustergültig durch. Ein solches Riffgewitter, wie es sich mit dem von atemberaubenden Gitarrenleads und aggressiven Riffs getragenen '1.320' oder auf dem zwischen Groove und Thrash-Harke pendelnden 'Bite The Hand That Feeds' fortsetzt, haben Dave Mustaine und seine Gefolgschaft in dieser Qualität seit gut und gerne zwei Jahrzehnten nicht mehr veröffentlicht. Dazu noch Riffwalzen wie das knackige 'Head Crusher', oder auch das ausgefeilte, zeitweise balladesk gestaltete 'The Hardest Part Of Letting Go...Sealed With A Kiss', die genial daherkommen! Bei aller Härte gibt es ein großes Maß an eingängigen Melodien, die hartnäckig in den Lauschlappen verharren. Einen sicher nicht zu unterschätzenden Anteil an diesem Meisterwerk hat auch Neuzugang Chris Broderick an der zweiten Gitarre (ex-NEVERMORE und JAG PANZER), der sich mit dem Rotschopf perfekt zu ergänzen scheint. Fest steht für mich vor allem eines: Dave Mustaine hat mit "Endgame" sein kompositorisch bisher wohl hochwertigstes Album aufgenommen. Die Scheibe sprüht nur so vor Energie und Power. Große Tonkunst, die dank der starken Produktion von Mustaine und Andy Sneap megafett inszeniert wird. Eine Bombe von einem Album!
Note: 9,0/10
[Martin Loga]
Der September ist der Monat der unerwartet guten Alben alter Recken. PARADISE LOST veröffentlichen das beste Album seit "Icon" und MEGADETH erreichen ein Niveau, das sie zuletzt 1990 hatten. Dave Mustaine giftet wie in den glorreichen Tagen, die Soli und Duelle des Duos Mustaine/Broderick könnten geiler kaum sein und dazu kommt ein enorm abwechslungsreiches Songwriting, das auch echte Überraschungen bereit hält. Stellvertretend sei das enorm melodische, mit Streichern unterlegte 'The Hardest Part Of Letting Go' genannt. Zu dieser beinahe epischen Dramatik passen dann sogar die Melodylines von Dave exzellent. Ungewöhnlich, aber bärenstark. Das gilt ebenso für 'Nothing Left To Lose', welches man beinahe Ballade nennen könnte. Und auf echten Speed Metal der Marke 'This Day We Fight!' und 'Head Crusher' (was für ein Riff!) hat die Gemeinde seit Jahren gewartet. Seit 19 Jahren, um genau zu sein. Ganz klar, in der Form werden uns MEGADETH noch viel Freude bereiten können. Eine höhere Wertung verhindern allein die im Albumkontext etwas blassen 'Bite The Hands That Feeds' und 'Bodies Left Behind'. Ansonsten: Daumen hoch!
Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]
Das Beste, was Dave Mustaine passieren konnte, ist, dass die Öffentlichkeit und selbst seine Fans kaum noch Erwartungen an sein neues Album hatten. Umso überraschter und höher dürften einige vor Freude springen, wenn sie denn dem mittlerweile zwölften Studioalbum von MEGADETH lauschen werden. Eigentlich hat "Endgame" jedoch gar keine Bonuspunkte nötig, denn auf diesem Werk gibt es so gut wie keine Füller - no fillers, just killers. Alle elf Songs sind auf einem fast schon beängstigend hohen Niveau, kein Song fällt wirklich ab. Megadave duelliert sich wie wild und am laufenden Band mit seinem neuen Saitenhexer Chris Broderick, da bleibt einem doch glatt die Spucke weg. Solche Leads hat man auf einem MEGADETH-Album schon lange nicht mehr gehört. Das gilt aber auch für so kraftstrotzende Songs wie den fulminanten Opener 'This Day We Fight!', der Abrissbirne 'Head Crusher', dem typischen 'How The Story Ends' oder dem majestätischen Titelstück. Auch sonst streift Mustaine alle Stationen seiner Karriere, hat zur Freude seiner alten Fans die Energie der Anfangstage wieder eingefangen, macht einen auf dicke Hose wie zu besten "Countdown..."-Zeiten und bellt unerwartet bissig und aggressiv ins Mikrofon. Seine wohl beste Gesangsleistung bis dato, das müssen wohl auch seine schärfsten Kritiker eingestehen. Die größte Überraschung bietet das melodische und mit vielen Streichern unterlegte 'The Hardest Part Of Letting Go', das nicht nur ungewöhnlich, sondern auch äußerst gelungen und schön daherkommt. Sehr stark. Und noch etwas sollte hier erwähnt werden: Die Produktion der Herren Sneap und Mustaine, die zum ersten Mal im bandeigenen Studio "Vic's Garage" stattgefunden hat, ist das Sahnehäubchen. Kraftvoll, fett und messerscharf auf den Punkt. Für mich das wohl beste Album der Bandgeschichte - trotz oder wegen des Bonuspunkts.
Note: 8,5/10
[Chris Staubach]
Na, da muss ich meinem Kollegen Chris aber ein wenig widersprechen. Ich hatte sogar sehr hohe Erwartungen an "Endgame", denn die beiden Vorgänger "The System Has Failed" und "United Abominations" waren gute Alben, die zeigten, dass die wirre Phase Herrn Mustaines der Vergangenheit angehört. Ehrlich gesagt habe ich kein MEGADETH-Album seit langem so gespannt erwartet, und ich wurde nicht enttäuscht. Dave gibt wieder richtig Gas an seinen sechs Saiten, die Duelle mit Broderick sind wahrlich beeindruckend, und das Wichtigste: Die Songs funktionieren durchgehend großartig. Es würde zurückgehen zu "Rust In Peace" wurde vorher angekündigt, und teilweise ist das auch wahr, allerdings ein modernes "Rust In Peace", das die letzten 20 Jahre nicht einfach ausblendet. So klingt der Refrain in 'Bodies Left Behind' durchaus positiv nach "Youthanasia", 'Bite The Hand That Feeds' hat einen "World Needs A Hero"-Drive und '44 Minutes' reminisziert "Countdown To Extinction". MEGADETH versuchen nicht krampfhaft, die Geschichte zu wiederholen und schaffen dadurch eines ihrer besten Werke. Auf Augenhöhe mit "Peace Sells" und "Rust In Peace"? Das mag die Zeit erweisen. Augenblicklich würde ich auf diese Frage ein klares "JA!" in den Raum schmettern!
Note: 9,0/10,0
[Frank Jaeger]
Wie schön, ein neues MEGADETH-Album. Das erfreut, zumal das Teil sogar wieder stärker an die alten Hitplatten angelehnt ist, mit denen die Mannen um Dave Mustaine ihre ganz großen Erfolge feierten. Alles in Butter also? Nun, nicht ganz. "Endgame" ist zwar insgesamt eine gute Scheibe mit all den bekannten MEGADETH-Trademarks geworden und bietet musikalisch über weite Strecken hochwertige Kost, was aber fehlt ist ein Song mit echtem Hitcharakter. Dafür muss man ja auch gar nicht die Klassikerscheiben bemühen, selbst in der jüngeren Geschichte tat sich da immer mal wieder einer hervor - auf "Endgame" hingegen befindet sich kein Stück, das die Klasse und "Ohrwurmeligkeit" von beispielsweise 'Trust' oder 'Die Dead Enough' besitzt. Das sind Songs, die sofort hängen bleiben und ein seliges Lächeln auf's Gesicht zaubern. Bei "Endgame" vermisse ich dieses Aushängeschild einfach, wenngleich das der einzige Kritikpunkt am ansonsten ziemlich starken und zudem recht abwechslungsreichen Album ist. 'Bodies Left Behind' und mit ein paar Abstrichen noch der Titeltrack und '44 Minutes' sind feine Nummern, die prägnant und eingängig genug sind, um sich dauerhaft ins Gehirn einzubrennen - auch 'The Hardest Part' ist ein sehr gelungenes und für MEGADETH-Verhältnisse echt ungewöhnliches Stück - während die restlichen Songs als gehobener Durchschnitt durchgehen. Was bleibt, ist somit ein gutklassiges, aber keineswegs begeisterndes Album. Ich denke allerdings schon, dass die Scheibe im Laufe der Zeit noch wachsen wird und für MEGADETH-Fans ist das Teil allein schon durch die stärkere musikalische Rückbesinnung der Band eh Pflicht.
Note: 7,5/10
[Stephan Voigtländer]
Auch wenn zwischenzeitlich einiges an Lack abgeblättert war bei MEGADETH, mit "The System Has Failed" und "United Abominations" hatten Dave Mustaine und Crew wieder ordentlich Fahrt aufgenommen. "Endgame" heißt nun das neue Werk - "nomen est omen" oder Kokettiererei mit dem Ruhestand? Schon die ersten Töne dieses bemerkenswert entschlossenen und hungrigen Albums fegen eventuelle Gedanken an die Rente vom Tisch. Das kurze Instrumental 'Dialectic Chaos' sollte man als Hörbeispiel zum Stichwort Spielfreude verlinken. 'This Day We Fight!' ballert mit Spitzenwerten in den Kategorien Kreativität und Aggression mitten durch die Schnittmenge aus "Peace Sells..." und "So Far, So Good, So What?" und versetzt meine Nackenmuskulatur in Ekstase. Speed Metal lebt, Freunde! Auch wenn Glen Drover zuletzt einen guten Klampfen-Job abgeliefert hatte, geht der großartige Chris Broderick (ex-JAG PANZER) mit mehr Esprit und Gestaltungswillen zu Werke. '44 Minutes' ist eine eingängig rockende Metal-Nummer mit "Youthanasia"-Flair und einem begnadeten Ohrwurm-Chorus. Mit '1320' erreichen wir dann die drückenden Power-Riffs und aufbrausenden, hochmelodischen Leads von "Rust In Peace". So beginnt "Endgame" wie eine faszinierende Reise durch die Höhepunkte der Bandgeschichte. An Mustaines heiseres Knurren hat man sich ja inzwischen gewöhnt. Wichtiger ist auch, dass endlich wieder richtig befreit und agil aufgespielt wird. 'Bodies Left Behind' hat im Refrain was von 'Symphony Of Destruction'. Der Titelsong ist ein weiteres wundervolles Gitarren-Brett, während im phänomenalen 'Head Crusher' noch mal die wildeste aller Speed-Metal-Säue durchs Dorf getrieben wird. Abgerundet mit weiterem eingängigen, hart groovenden "Youthanasia"-Stoff ergibt sich eine ebenso genussvolle zweite Halbzeit dieses leidenschaftlich geführten Endspiels. Man kann MEGADETH zu einem exzellenten, rundum begeisternden Studio-Album Nummer 12 nur gratulieren!
Note: 9,0/10
[Martin van der Laan]
Ich muss gestehen, dass mich MEGADETH mindestens seit der Katastrophe namens "Risk" nicht sonderlich interessiert hat. Klar, die Tatsache, dass der Jackenpanzer-Klampfer Chris nun an der Seite von Onkel David mächtig vom Leder ziehen darf, hat mir ein erfreutes Augenbrauenlupfen abgerungen, mehr aber auch nicht. Ohne Erwartungshaltung lege ich als "Endgame" auf und bin bereits beim instrumentalen Intro und dem danach folgenden Inferno mit dem Titel 'This Day We Fight!' völlig gebürstet. Das hat Rost-In-Frieden-Qualitäten, ist wütend, hackert mit exquisiten Riffs zähnefletschend durch meine Lauschorgane. Perforation inklusive. Der beste MEGADETH-Song seit Urzeiten. Okay, ein Zufallstreffer, denke ich noch, bin aber irgendwie unter Strom. Und auch wenn das rasante Tempo nicht beibehalten wird, überzeugt "Endgame" auf ganzer Linie. Sei es durch eingängige, aber mit bösen Widerhaken ausgestattete, Stampfer der Marke 'Bodies Left Behind', welcher auf der "Countdown To Extinction" ein Highlight gewesen wäre, sei es durch melodische Wundertüten wie '44 Minutes'. Onkel Mustaine hat die gesamte Bandbreite seines kompositorischen Könnens vor uns ausgebreitet und vermeidet geschickt, den (erneuten) Sturz in die Orientierungslosigkeit. Selbst eingängige Refrains klingen nicht nach Mainstream-Anbiederung und mit der von Streichern unterlegten Ballade 'The Hardest Part Of Letting Go' ist den Jungs ein echter Hit gelungen. Keine Ahnung, wie oft ich den schon in der Wiederholungsschleife hatte. Dass die Gitarrenarbeit bei der Besetzung außergewöhnlich toll ist, muss ich nicht erwähnen, oder?
Note: 8,5/10
[Holger Andrae]
Nach so viel Lob durch die Kollegen möchte man ja eigentlich schon ganz gern eher kritisch mit dem neuen MEGADETH-Album ins Gericht ziehen. Aber das geht leider nicht, denn dazu ist "Endgame" einfach zu gut geworden. Und das liegt nicht daran, dass meine Erwartungen zu gering gewesen wären, sondern ganz einfach an den zahlreichen guten Songs. So machen schon das einleitende Instrumental 'Dialectic Chaos' und das anschließende 'This Day We Fight!' Lust auf mehr, da man die Spielfreude von Dave Mustaine und seinem jüngsten Neuzugang Chris Broderick (ex-JAG PANZER) deutlich spürt. Überhaupt ist es die Gitarrenarbeit der beiden, die "Endgame" absolut hörenswert macht - ganz egal, ob sie nun großartige Riffs aus dem Ärmel schütteln (z.B. 'Head Crusher') oder eher melodisch zu Werke gehen (z.B. '44 Minutes'). Aber auch Daves Gesangsleistung ist positiv herauszustellen, und das war in der Vergangenheit nicht immer so. Apropos Vergangenheit: Immer wieder fühlt man sich auch an frühere Glanztaten von MEGADETH erinnert, ohne dass sich Dave & Co. jedoch kopieren. Und angestaubt klingt "Endgame" ebenfalls nicht - im Gegenteil. Das Album klingt frisch und macht einfach nur Spaß. Und ich bin mir sehr sicher, dass ich "Endgame" auch in Zukunft regelmäßig hören werde und mir Songs wie 'Bodies Left Behind' oder auch der Titelsong weiterhin viel Freude bereiten werden.
Note: 9,0/10
[Martin Schaich]
- Redakteur:
- Stephan Voigtländer