In der Gruppentherapie: OVERKILL - "Ironbound"

28.01.2010 | 06:52

OVERKILL klingen frisch und hungrig wie seit langem nicht mehr. Das sieht auch die versammelte Redaktion so. Nur folgerichtig, dass "Ironbound" unser Album des Monats im Januar geworden ist.


Als bekannt wurde, dass OVERKILL bei Nuclear Blast unterschrieben haben, unkte der Untergrund, dass Blitz & D. D. jetzt topmodern klingen würden und sie mit einer steril klingenden, mittelmäßigen Platte, den Erfolg einfahren würden, den sie seit mehr als 20 Jahren verdienen. Nun, der Erfolg stellt sich gegebenenfalls tatsächlich ein, allerdings ist "Ironbound" nichts anderes als ein pures, authentisches OVERKILL-Album geworden, das zumindest an die starken Alben der Frühneunziger "Horrorscope", "W.F.O." und "The Killing Kind" nahtlos anknüpft. Vor allem das eröffnende Triple 'The Green And Black' (abwechslungsreich zwischen Stampfer & Thrasher), 'Ironbound' (gnadenlos killender Up-Tempo-Thrasher) und 'Bring Me The Night' (typischer OVERKILL-Banger) sind das Beste, was die Mannen aus New Jersey in diesem Jahrtausend veröffentlicht haben. Dazu kommt ein dynamischer, druckvoller, aber nie zu moderner Sound und wir haben ein würdiges "Album des Monats". Da stört es auch nicht, dass in der Folge das Niveau nicht mehr auf ganz so hohem Niveau ist wie zu Beginn. Besser als die meisten Songs der letzen 15 Jahre sind auch diese Nummern noch. Gratulation.

Note: 8,5/10
[Peter Kubaschk]

Irgendwie haben hier beide Recht, der Peter und die Unken. Denn ja, die neue OVERKILL klingt in Sachen Produktion wirklich etwas modern. Besonders der kristallklare, druckvolle Sound des Schlagzeugs ist ein wenig kaltschnäuzig geraten, was gerade die Snare bei den ersten Hördurchläufen ein bisschen unnatürlich aus dem Gesamtmix heraushebt. Doch habt ihr euch daran erstmal gewöhnt, und konzentriert ihr euch auf die sehr klassisch schrotenden Gitarren, D.D.Vernis pumpenden Bass und Blitz Ellsworths unnachahmlichen Gesang, dann stellt ihr schnell fest, dass "Ironbound" in der Tat nichts anderes ist, als ein absolut authentisches Album, das in erster Linie mal nach OVERKILL und nach sonst gar nichts klingt. Die kompromisslosen Speed-Thrasher sind traditioneller komponiert und runter gehämmert als dies bei OVERKILL in den letzten fünfzehn Jahren der Fall war, und die besonders Ende der Neunziger und Anfang des neuen Jahrtausends hier und da durchschlagenden Punk-, Core- und Groove-Metal-Anwandlungen sind inzwischen völlig über Bord gegangen. Dennoch präsentiert sich das neue Album nicht als krampfhafte Retro-Bemühung und hat keine falsche Patina. "Ironbound" klingt frisch, und biedert sich dennoch nicht den Erwartungshaltungen der widerstreitenden Fan-Lager an. Für mich bleibt ein gelungener Kraftakt, dem zu noch höheren Weihen lediglich ein oder zwei Mitsinghymnen der Marke 'Bastard Nation' oder 'In Union We Stand' fehlen, die dann vielleicht auch dafür hätten sorgen können, dass die Spannungsmomente besser über das Album verteilt werden. Das vorhandene, meist dynamisch und flott schreddernde Material ist dagegen sehr amtlich geraten.

Note: 8,5/10
[Rüdiger Stehle]

Dass es im Thrash Metal nicht zwangsläufig kurz und knackig zugehen muss, beweist die Neue von OVERKILL eindrucksvoll. Nach dem Auftaktdoppel 'The Green And Black' sowie 'Ironbound' ist bereits eine Viertelstunde ins Land gezogen und diese vergeht wahrlich wie im Flug. Nicht nur, dass die Mannen um Bobby Blitz sich dynamisch und mit ordentlicher Grundhärte durch ihre Songs ackern - dazu gibt es dermaßen viel Abwechslungsreiches und Ausgefeiltes auf die Ohren, dass auch der zehnte Durchlauf noch genug Spannung offeriert und jede Menge Spaß macht. Doch neben all den kleinen Feinheiten, die diese Scheibe so ansprechend gestalten, hat "Ironbound" auch jede Menge Feuer im Hintern. Kraftvoll schredderndes Riffing und die typischen Blitz-Vocals zeigen OVERKILL auf höchstem Niveau und von ihrer allerbesten Seite. Ich gehe sogar soweit und behaupte, dass die Band in ihrer gesamten Historie noch nie so ausgereifte und vielseitige Songs zu Stande gebracht hat und "Ironbound" somit mit den besten Werken der Truppe aus den Achtzigern und Neunzigern mindestens auf Augenhöhe steht. Ein absolutes Ausrufezeichen in Richtung all derjenigen, die OVERKILL nicht mehr auf dem Zettel hatten und dachten, die Zeit der Truppe wäre vorüber. Dass dem definitiv nicht so ist, wird jeder bestätigen, der "Ironbound" rotieren lässt.

Note: 9,0/10

[Stephan Voigtländer]

Ein Haken an "Ironbound" ist der etwas überzogene Anspruch, unbedingt ein Mit-OVERKILL-muss-immer-noch-gerechnet-werden-Statement sein zu wollen. Schlagwortartiger Titel, neues Label, Thrash geht wieder mal akzeptabel – das Quintett möchte den neuen Mitbewerberbands zeigen, wer was ansagt und wie tief die Riffs bei erhöhter Geschwindigkeit fliegen können, und gerät bei dieser Führung mitunter ins unnötige Plaudern. 'The Green And Black' und der Titelsong, die beide Chancen haben, lange im Konzertprogramm geführt zu werden, sowie das Tandem 'Endless War'/'The Head And Heart' laufen ausgezeichnet; während der sechzig Minuten darf die Aufmerksamkeit aber auch mal auf andere Dinge ausgerichtet werden, ohne fürchten zu müssen, Entscheidendes zu verschlafen. 'The Goal Is Your Soul' und 'Killing For A Living' sind Vierminüter, die jeweils im Körper eines Sechsminüters hausen und lediglich eine blassere Version des Albumanfangs darstellen. Dem keineswegs affektiert juvenil kreischenden und singenden Blitz hört man hier nicht widerwillig zu, aber man wird auch nicht in blanke Verzückung entertaint – vor allem dann, wenn schon ein anderer Tonträger der New-Jersey-Mannschaft in den Besitz übergegangen ist. Neuen Songs, die trotzdem sattsam bekannt sind, stülpen SLAYER eine attraktivere Hülle über. Um schärfere Konturen vorzuführen als die jungen Nachhut-Thrasher, die niemals vertuschen können, dass in diesem Genre bereits vor einer Ewigkeit jedes Detail, das zu vermitteln war, vermittelt wurde, genügt "Ironbound" aber.

Note: 7,5/10
[Oliver Schneider]


Bands wie LED ZEPPELIN (Was für ein Name!), MOTÖRHEAD ("Iron Fist"), VENOM ("Black Metal") und MANOWAR ("The Triumph Of Steel") haben eins gemeinsam: Alben, die nicht nur einlösen, was ihre markigen Titel verheißen, sondern Klischees eher geprägt als bedient haben. In die gleiche Kategorie fällt auch OVERKILL, eine Band, die einerseits stets zu gut war, um dauerhaft im Untergrund zu verharren, andererseits zu kompromisslos, um jemals den Durchbruch in den Mainstream zu schaffen. Anders als manche Band, die meint, sich mit einem demonstrativ markigen Albumtitel zurückmelden zu müssen, war OVERKILL nie weg vom Fenster. Vielmehr gilt die Band berechtigt als Livegranate, und ihre Mitglieder touren sich seit Jahrzehnten beharrlich die Füße wund. Auch gefiel man sich bei OVERKILL nie in der Selbstkopie, sondern brachte immer wieder Alben mit Charakter heraus. Sympathiebonus hin oder her; was hier und jetzt zählt, ist die Qualität des jüngsten Outputs - und die läst sich leicht auf den Punkt bringen: Metal as fuck. Spätestens der knochentrockene Titeltrack stellt nach einem fulminanten Einstieg über 'The Green And The Black' klar, dass anno 2010 zwar hart gehobelt wird, die Späne aber in Vielfalt fallen müssen, sodass stoische Thrash-Attacken auf melodische Soli treffen - beides vorgetragen mit einem gewissen Understatement, gefühlskalt und uhrwerkgleich, man möchte fast sagen unmenschlich. Das klingt wenig spektakulär, fetzt aber dafür gehörig. Und im gleichen Stil geht es weiter. In 'Bring Me The Night' etwa ziehen die New Yorker ihren blitzend metallisch überzogenen Hardcore-Sound mit geradezu calvinistisch strengem Werkethos durch: Helden der Arbeit, die damit das Plansoll für die nächste Phase gehörig hochschrauben. Auf Aufbau folgt Zerstörung. Als präzise kontrollierte Abrissbirne agiert 'Give A Little'. Wem das zu seelenlos erscheint, kann sich am emotional einschlägigen 'Killing For A Living' oder meinen weiteren Favoriten gütlich tun: 'The Goal Is Your Soul' lässt zwischen tayloristisch abgestoppten Takteinheiten auch ein wenig Raum für Atmosphäre; und der (aus meiner Sicht) Hit der Scheibe, 'The Head & The Heart', erweist sich gar als charakterstarke und aus dem gegebenen Rahmen vorspringende Entwicklungskomposition. Die übrigen Teile des vorliegenden Werkstücks sind immerhin schön scharfkantig ausgefräst und gehen schwer nach vorne, allen voran das knallige 'Endless War'. Und zum Abschluss gibt's mit 'The SRC' noch eine groovige Wuchtbrumme. Fazit: Ein Album aus einem Guss - Arbeit nach Blaupause zwar, aber dafür nahezu perfekt.

Note: 8,5/10
[Eike Schmitz]

Redakteur:
Peter Kubaschk
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