In der Gruppentherapie: THE HAUNTED - Versus

13.09.2008 | 22:44

Jahrelang wurden THE HAUNTED als die einzig legitimen Nachfolger der mächtigen SLAYER und AT THE GATES benannt. Doch spätestens mit "The Dead Eye" lösten sich die Schweden von allen Fesseln und waren einfach nur noch THE HAUNTED. Genau daran will sich das neue Album "Versus" messen lassen, das wir für Euch in unserer Gruppentherapie unter die Lupe genommen haben.



THE HAUNTED sind seit zehn Jahren meine Favoriten in Sachen modernem Thrash. Und doch schaffte es erst das letzte Album "The Dead Eye" die immer währenden Vergleiche mit AT THE GATES und SLAYER verstummen zu lassen. Die Schweden hatten ihre eigene Identität gefunden. Dies wird mit dem neuen Werk "Versus" deutlich untermauert. Im Vergleich zum Vorgänger klingt "Versus" auf die ersten Umdrehungen unglaublich kompakt und intensiv, dabei allerdings ohne echte Höhepunkte, vielmehr wie eine echte Einheit. Doch mit jeder Runde unter dem Laser entfalten sich mehr und mehr Melodien und Tempiwechsel, gewinnen vor allem die Vocals von Peter Dolving an Raum und sorgen so dafür, dass man gar nicht anders kann, als "Versus" in Dauerrotation zu hören. Und schon bald findet man die großen Gesangsmelodien in 'Trenches' und 'Little Cage', die düstere Atmosphäre vom teilweise in Schwedisch gesungenen 'Skuld' und die gnadenlosen Riffs in 'Moronic Colossus' und 'Rivers Run'. Das macht "Versus" zu einem Album, das mindestens auf dem Niveau von "The Dead Eye" ins Ziel läuft. Und dies hielt ich bislang für das stärkste Werk des Quintetts. Eine klare Pflichtveranstaltung für Fans und Thrasher.
[Peter Kubaschk]



Das 2006er "The Dead Eye" war ein Album, das THE HAUNTED machen mussten, um nicht auseinanderzubrechen. Zwar ließ es das Wort "Experimentierfreude" nicht in neuem Glanz erstrahlen, und die Erkennungsmerkmale der Schweden waren vorhanden, aber es zeigte eine Band, die bestrebt ist, nicht mit Musikern in Verbindung gebracht zu werden, die Unkreativität mit dem reflexartigen Runterleiern der kommerziell wirksamen Wir-machen-Platten-für-die-Fans-Selbstbetrugs-Phrase zu kaschieren versuchen. Das Ergebnis war allerdings nicht immer toll und wirkte auch mal wie 'ne zähe Endlosdiskussion ohne Konsens. Anders "Versus". Ungezwungenheit und Struktur gehen mit der Befreiung einher und werden ihr nicht geopfert. Der um Heavy-Rock-Parts ergänzte mehrdimensionale Thrash klingt weder nach SLAYER noch nach AT THE GATES, sondern zu hundert Prozent nach THE HAUNTED. Das ist nichts Neues, wurde jedoch in der Vergangenheit absichtlich übersehen. "So this is the first time I'm not lying when I say that I'm fine", schreit Peter Dolving. Man nimmt ihm das ab, und fast alle Songs vermitteln diese Attitüde – neben schnellen Nummern wie 'Little Cage' und 'Crusher' auch die gebremsten Banger 'Pieces', 'Trenches' sowie 'Iron Mask' und sogar das dunkle 'Skuld'. Dennoch ist der Albumtitel gerechtfertigt, da (positive) Angriffslust der Antrieb ist – u. a. dürfen sich Produzenten wie Jonas "Musik muss tot klingen" Kjellgren (SCAR SYMMETRY), die sich ihre Ohren vor dem Gang ins Studio abschrauben, in der Gegnerrolle sehen.
[Oliver Schneider]

Das ist der Fluch der guten Taten. Niemand kann wirklich bestreiten, dass die Schweden von THE HAUNTED mit dem 1998 veröffentlichten Debütalbum und dem Überhit 'Hate Song' die neue Thrashbewegung losgetreten hatten. Das Problem ist nur, sie werden und wurden fortan mit jeder neuen Veröffentlichung daran gemessen. Mit all ihren Scheiben haben die Jungs ein gewisses Qualitätslevel erreicht, dass jedoch nie mehr an das Erstlingswerk herangereicht hat. So schlugen sie beim letzten Album "The Dead Eye" sogar deutlich düstere und vor allem nicht mehr so schnelle Töne an. Das spaltete die Fangemeinde. Mit ihrem sechsten Silberling "Versus" kehren THE HAUNTED zwar nicht wieder auf die Überholspur zurück, aber die unterschiedlichen Facetten wurden auf den elf Songs besser miteinander kombiniert und eingefangen. Ihre großen Momente haben die Schweden heuer, wenn sie ihre treibenden Riffs mehr aus einer gesicherten Abwehr heraus abfeuern ('Pieces', 'Trenches', 'Moronic Colossus') und dadurch mehr für dicke Hose als für einen kollektiven Ausrastfaktor sorgen. Ansonsten gehen das Bruderpaar Björler und die Namensvettern Jensen eher kontrolliert an die Sache heran und zeigen sogar unerwartete Schwächen auf ihrem Spezialgebiet, dem Thrash Metal ('Crusher'). Schreihals Dolving dagegen packt gerade beim düster-atmosphärischen Doppelpack 'Rivers Run' und 'Iron Mask' einige richtig coole Gesangsmelodien aus und erinnert dabei teilweise stark an Phil Aneselmo. Insgesamt werden viele Fans der ersten Stunde auch jetzt wieder die Nase rümpfen, denn dafür treten die Jungs einfach zu wenig aufs Gaspedal. Trotzdem ist "Versus" ein starkes Album geworden, das viele Markenzeichen in sich vereint.
[Chris Staubach]



Nach der Veröffentlichung von "The Haunted Made Me Do It", der zweiten Scheibe von THE HAUNTED, habe ich die Band offen gestanden aus den Augen verloren. Die nachfolgenden Releases habe ich bis heute nicht gehört. Ich war ehrlich gesagt ausgesprochen gespannt, welche Entwicklung die Band über die Jahre hinweg genommen hat. Mit "Versus" präsentieren sich THE HAUNTED für mich als kompositorisch reife Band, die - ohne ihre Vergangenheit zu stark in den Hintergrund zu drängen - facettenreich, gleichzeitig aber auch direkt zu Werke geht. Facettenreich deshalb, weil zu den Anfangszeiten der Band eine melancholische, ruhige Komposition wie 'Skuld' mit Flüstergesang von Peter Dolving undenkbar gewesen wäre. Eine starke Nummer im Übrigen; genauso wie 'Iron Mask' und 'Rivers Run'. Gerade bei Letzterem zeigt sich deutlich, dass Peter Dolving gegenüber Ex-Brüllwürfel Marco Aro THE HAUNTED um gesangliche Höhepunkte bereichert. Dolving erinnert mich bei 'Rivers Run' fast an Ex-SPIRITUAL BEGGARS-Sänger Spice und macht diese Groove-Nummer zu einem echten Leckerbissen. Aber auch Fans der alten Sachen von THE HAUNTED werden ihre Freude mit dieser Scheibe haben, denn mit 'Crusher' oder 'Little Cage' gibt es frische Wuchtbrummen in Sachen Neo-Thrash, die mit Schmackes in den Allerwertesten treten. Angesichts des dargebotenen Abwechslungsreichtums und der durchgehend guten Komposition attestiere ich THE HAUNTED eine gelungene Scheibe, die von Rotation zu Rotation wächst. Auch die Produktion von Tue Madsen fällt hervorragend aus, was im Ergebnis zu folgender Schlussfolgerung führt: Abgreifen!
[Martin Loga]

Redakteur:
Peter Kubaschk
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